Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter mangels eindeutiger und nachvollziehbarer Zuweisung eines Geschäftsfalles an einen bestimmten Richter bei gleichzeitigem Einlangen mehrerer Geschäftsfälle beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg; keine Möglichkeit einer Zuteilung von zur selben Uhrzeit einlangenden Geschäftsfällen auf Grundlage der Geschäftsverteilung
Spruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Vorarlberg ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Lauterach vom 24. Juni 2019 wurde den Beschwerdeführern gemäß §40 Abs1 litb Baugesetz aufgetragen, ein näher bezeichnetes widerrechtlich errichtetes Bauwerk binnen vier Wochen abzutragen und den rechtmäßigen Zustand binnen einer Frist von vier Wochen wiederherzustellen.
2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg. Die Beschwerde langte am 3. September 2019 in der Einlaufstelle des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg ein.
3. Mit Erkenntnis vom 20. Februar 2020 gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der Beschwerde teilweise statt. Mit Erkenntnis vom 19. Mai 2023 hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf. Diese Entscheidung wurde dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg am 14. Juni 2023 zugestellt.
4. Mit nunmehr angefochtenem Erkenntnis vom 8. November 2023 gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der Beschwerde gegen den Bescheid vom 24. Juni 2019 keine Folge und trug den Beschwerdeführern die Entfernung eines näher bezeichneten Bauwerks auf.
5. Dagegen richtet sich die auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg sehe für das Jahr 2019 in §9 vor, dass die – hier maßgeblichen – Geschäftsfälle aus den Zuständigkeitsbereichen "Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht" fortlaufend in der Reihenfolge namentlich genannten Richtern zuzuweisen seien. Es seien am 3. September 2019 nach Auskunft des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg zwei Beschwerden aus dem Zuständigkeitsbereich "Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht" eingelangt. Weder sei der Zeitpunkt des Einlangens dokumentiert noch liege eine nachvollziehbare Zuweisungsreihenfolge vor. Mangels Erfassung des Zeitpunktes des Einlangens der jeweiligen Beschwerden sei eine fortlaufende Reihung nach der Folge des Einlangens im Sinne der Geschäftsverteilung nicht möglich.
Es würden in der Geschäftsverteilung auch keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass an einem Tag zwei oder mehrere Geschäftsfälle aus demselben Zuständigkeitsbereich beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg einlangen würden. Eine Reihung und Zuweisung im Sinne der in der Geschäftsverteilung festgelegten fortlaufenden Zuteilung nach dem (konkreten) Zeitpunkt des Einlangens an einem Tag sei sohin nicht möglich. Es sei daher im Ergebnis nicht nachvollziehbar und überprüfbar, warum in einer solchen Konstellation ein Geschäftsfall gerade einem bestimmten Richter zugewiesen würde.
Damit werde den Erfordernissen an den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung nicht entsprochen.
6. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat den Gerichtsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es den Beschwerdebehauptungen im Wesentlichen mit folgender Begründung entgegentritt:
Beschwerden würden dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg auf unterschiedliche Art vorgelegt werden, nämlich per Post, elektronisch, durch Boten oder durch die sogenannte Hauspost (physischer Postverkehr zwischen Landesbehörden).
Die Beschwerde sei von einem Boten der Marktgemeinde Lauterach gemeinsam mit dem Verwaltungsakt am 3. September 2019 in der Einlaufstelle abgegeben worden. Da kein Vorlageschreiben der Behörde vorhanden gewesen sei, sei von der Einlaufstelle gemäß der Kanzleiordnung ein Deckblatt angefertigt worden, auf dem der Tag des Einlangens mit einer roten Stampiglie und die Form des Einlangens mit Vermerk festgehalten worden seien (3. September 2019, "persönlich abgegeben").
Die zweite an diesem Tag vorgelegte Beschwerde, die nach der Regelung des §9 Abs4 der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg zuzuweisen gewesen sei, sei mit der Hauspost eingelangt. Schon aufgrund der unterschiedlichen Vorlagearten könne ausgeschlossen werden, dass die Beschwerden gleichzeitig eingelangt seien. Die einlangenden Beschwerden seien nach dem Zeitpunkt des Einlangens in die dem Präsidenten vorzulegende Postmappe eingeordnet worden. Die Postmappe sei dem Präsidenten zur Zuweisung vorgelegt worden. Auf dem Deckblatt sei vermerkt worden, unter welche Zuständigkeitsregelung die Beschwerde falle (hier der Zuständigkeitsbereich "Baurecht"). In der Folge seien die Beschwerden vom Sekretariat weisungsgemäß entsprechend der Zuweisung in die Zuteilungsliste eingetragen worden. Dadurch sei jederzeit eine nachvollziehbare Zuweisung nach dem Wortlaut der Geschäftsverteilung sichergestellt und dokumentiert worden. Dem Grundsatz der festen Geschäftsverteilung sei entsprochen worden.
Ein uhrzeitmäßiges Festhalten des Einlangens der Beschwerden biete wenig Mehrwert, weil sich die meisten vorgelegten Beschwerden gegen Bescheide von Landesbehörden richten würden. Diese würden zwei Mal täglich (vormittags und nachmittags) mit der Hauspost übermittelt, weshalb diese Verfahren zur gleichen Uhrzeit vorgelegt würden. Das Verfahren der Reihung der Beschwerdevorlagen entsprechend dem Einlangen sei gewählt worden, weil die Zuweisung so wesentlich schneller erfolgen könne als bei einer Sortierung nach Alphabet pro Halbtag (oder Tag). Dies sei insbesondere bei zeitkritischen Verfahren von entscheidendem Vorteil.
Eine Besonderheit des vorliegenden Verfahrens sei darin zu erblicken, dass das nunmehr angefochtene Erkenntnis im zweiten Rechtsgang erlassen worden sei. Nach der im Zeitpunkt der Zustellung (14. Juni 2023) des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes an das Landesverwaltungsgericht gültigen Geschäftsverteilung sei Folgendes vorgesehen: Sei in einer Rechtssache erneut ein Verfahren beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg anhängig geworden, dem im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde gelegen sei, so sei jenes Mitglied für die Erledigung dieses Verfahrens zuständig gewesen, das auch schon für die Erledigung des ersten Verfahrens in dieser Sache zuständig gewesen sei.
Die Zuweisung des Verfahrens sei nach dem Wortlaut der Geschäftsverteilung erfolgt. Die Beschwerdeführer würden nicht vorbringen, welcher Richter sonst für die Erledigung des Verfahrens zuständig gewesen sein sollte. Dass das Verfahren der Reihenfolge nach entsprechend der Zuweisungsregelung für Verfahren nach dem Baurecht den dort genannten Richtern in der Reihenfolge zugewiesen worden sei, sei durch interne Erlässe und Weisungen sowie durch eine entsprechende Dokumentation sichergestellt und jederzeit nachprüfbar gewesen.
7. Die Beschwerdeführer erstatteten im Hinblick auf die Gegenschrift eine Replik, das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in weiterer Folge eine Duplik.
8. Der Bürgermeister hat den Verwaltungsakt vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vbg Landesverwaltungsgerichtsgesetzes (LVwG G), LGBl 19/2013 idF LGBl 69/2019, lauten auszugsweise wie folgt:
"§11
Geschäftsverteilung
(1) Vor Ablauf jedes Kalenderjahres hat die Vollversammlung für die Dauer des nächsten Kalenderjahres die Geschäftsverteilung zu beschließen.
(2) In der Geschäftsverteilung sind insbesondere zu regeln:
a) die Zahl der Senate und ihre Zusammensetzung,
b) die Verteilung der Geschäfte auf die Senate und auf die Einzelmitglieder,
c) die Heranziehung von Richtern und Richterinnen als Ersatz (§12 Abs2).
(3) Jedes Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes kann mehreren Senaten angehören.
(4) Bei der Verteilung der Geschäfte ist auf eine möglichst gleichmäßige Auslastung aller Mitglieder des Landesverwaltungsgerichtes Bedacht zu nehmen.
(5) Die Geschäftsverteilung kann durch die Vollversammlung während des Jahres geändert werden, wenn dies infolge der Zuweisung neuer Angelegenheiten, infolge von Veränderungen im Personalstand oder infolge der Überbelastung einzelner Senate oder von Einzelmitgliedern erforderlich ist.
(6) Der Präsident oder die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes hat die Geschäftsverteilung an den Bund zu übermitteln und im Internet unter der Adresse 'www.ris.bka.gv.at' durch Freigabe zur Abfrage kundzumachen; die §§3 und 6 des Kundmachungsgesetzes gelten sinngemäß.
§12
Geschäftszuweisung
(1) Der Präsident oder die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes hat die anfallenden Rechtssachen jenen Senaten oder Einzelmitgliedern zuzuweisen, die nach der Geschäftsverteilung zuständig sind.
(2) Die einem Richter oder einer Richterin zufallenden Aufgaben dürfen nur durch Verfügung der Vollversammlung abgenommen werden, wenn er oder sie verhindert ist oder sonst wegen des Umfangs der Aufgaben an deren Erledigung binnen angemessener Frist gehindert ist. Der Präsident oder die Präsidentin hat die Vertretung des Richters oder der Richterin durch jene Person zu verfügen, die nach der Geschäftsverteilung dafür zuständig ist."
2. Die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2019 (LVwG GV 2019) lautet auszugsweise wie folgt:
"§1
Zuständigkeitsbereiche
(1) Die Geschäfte des Landesverwaltungsgerichtes werden aufgrund der nachfolgenden Bestimmungen auf seine Senate und Einzelmitglieder verteilt.
(2) Zum Zwecke der Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Senate und Mitglieder werden folgende Zuständigkeitsbereiche gebildet:
[…]
i) Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht: Insbesondere AbfallwirtschaftsG, AbfallG, AltlastensanierungsG, ArtenhandelsG, AusbildungsvorbehaltsG, BauG, BerufsausbildungsG, BauprodukteG, BundesluftreinhalteG, BundesstatistikG, Bundes EnergieeffizienzG, Bundes UmwelthaftungsG, CampingplatzG, ElektrizitätswirtschaftsG, FeuerpolizeiO, GasG, GewO, HandelsstatistikG, ImmissionsschutzGLuft ohne Geschwindigkeitsüberschreitungen, IPPC- und Seveso II AnlagenG, KanalisationsG, KlärschlammG, Landes LuftreinhalteG, LuftreinhalteG für Kesselanlagen, MarkenschutzG, MarktordnungsG, Maß- und EichG, MineralrohstoffG, Naturschutz- und LandschaftsentwicklungsG, PreisG, PreistransparenzG, ProduktsicherheitsG, RaumplanungsG ohne die Verfahren nach dem V. Hauptstück, Umweltgutachter- und StandorteverzeichnisG, UmweltinformationsG Bund und Land, UVP G, UWG, VermessungsG, WRG, WasserversorgungsG, WirtschaftstreuhänderberufsO, WohnungsgemeinnützigkeitsG, ZiviltechnikerG, ZiviltechnikerkammerG.
[…]
§4
Verteilung der Geschäfte auf die Einzelmitglieder
In den Angelegenheiten, in denen das Landesverwaltungsgericht nach den gesetzlichen Vorschriften durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat, werden die Geschäfte nach den §§5 bis 15 verteilt.
[…]
§9
Zuständigkeit der Einzelmitglieder für Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht
(1) Verfahren aus dem Bereich Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht (§1 Abs2 liti) werden den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. Nikolaus Brandtner, Dr. Wolfgang Herzog, Mag. Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. Eva-Maria Längle, Dr. Reinhold Köpfle und Dr. Magdalena Honsig-Erlenburg zugewiesen. Dies erfolgt getrennt für Administrativ- und Verwaltungsstrafverfahren.
(2) Dr. Wolfgang Herzog, Mag. Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn und Dr. Eva Maria Längle sind bei der Zuweisung nach Abs1 jedes zweite Mal zu übergehen.
(3) Sind einem Mitglied aufgrund der Regelung des §17 abweichend von der Regelung des Abs1 Verfahren zuzuweisen, ist dieses Mitglied bei der folgenden Zuweisung so lange zu übergehen, bis allen in Abs1 genannten Mitgliedern mit Ausnahme von Dr. Wolfgang Herzog, Mag. Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn und Dr. Eva-Maria Längle eine gleich hohe Zahl an Verfahren zugewiesen wurde. Diese Mitglieder sind bei der Zuweisung so lange zu übergehen, bis allen anderen Mitgliedern eine doppelt so hohe Zahl an Verfahren zugewiesen wurde.
(4) Abweichend von Abs1 werden Verfahren, welche nur Entscheidungen nach dem BauG zum Gegenstand haben, den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. Eva Maria Längle, Mag. Eva Ostermeier, Dr. Reinhold Köpfle, Mag. Katharina Feuersinger, Dr. Stefanie Wachter und Dr. Magdalena Honsig Erlenburg zugewiesen.
(5) Mag. Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. Eva Maria Längle, Mag. Katharina Feuersinger und Dr. Stefanie Wachter sind bei der Zuweisung nach Abs4 jedes zweite Mal zu übergehen; Abs3 gilt sinngemäß.
(6) Abweichend von Abs1 werden Verfahren, welche nur Entscheidungen nach dem WRG zum Gegenstand haben, Dr. Reinhold Köpfle zugewiesen.
[…]
§18
Schlussbestimmungen
[…]
(5) Soweit in dieser Geschäftsverteilung nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Zuständigkeit nach der im Zeitpunkt des Einlangens geltenden Geschäftsverteilung bzw im Falle der Abnahme einer Aufgabe nach der daran anschließenden Zuweisung."
3. Die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2023 (LVwG GV 2023), Nr 2, lautet auszugsweise wie folgt:
"§17
Verbindung von Verfahren, Folgeverfahren
(1) Wenn eine mit Beschwerde bekämpfte Erledigung mehrere Spruchpunkte enthält, die unter verschiedene Zuständigkeitsregelungen fallen, dann bestimmt sich die Zuständigkeit nach jener Zuständigkeitsregelung, die auf die meisten Spruchpunkte anzuwenden ist. Kann danach die Zuständigkeit nicht eindeutig ermittelt werden, dann ist unter den in Frage kommenden Zuständigkeitsregelungen jene anzuwenden, die zu dem Mitglied führt, dem laut Aktenplan die niedrigste Kennzahl zugeordnet ist. Spruchpunkte, die unter die Zuständigkeitsregelung des §5 Abs1 und des §7 Abs2 litd fallen, bleiben unberücksichtigt.
(2) Beschwerden gegen Erledigungen, denen offensichtlich im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt oder die Familienangehörige in der im Wesentlichen selben Sache betreffen, sind jenem Mitglied zuzuteilen, das für die Erledigung der ersten diesbezüglich einlangenden Beschwerde zuständig ist. Dies gilt nicht, wenn für die später eingelangte Beschwerde keine Zuständigkeitsregelung in Frage kommt, die auch eine Zuständigkeit dieses Mitgliedes begründen könnte; Abs1 letzter Satz ist dabei nicht anzuwenden.
(3) Langen am selben Tag mehrere Beschwerden desselben Beschwerdeführers betreffend dieselbe Zuständigkeitsregelung ein, ist jeweils das Mitglied für die Erledigung aller Beschwerden zuständig, dem die erste Beschwerde zuzuteilen ist.
(4) Wird in einer Rechtssache erneut ein Verfahren, dem im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, beim Landesverwaltungsgericht anhängig, ist jenes Mitglied für die Erledigung dieses Verfahrens zuständig, das auch schon für die Erledigung des ersten Verfahrens in dieser Sache zuständig war.
[…]
§19
Schlussbestimmungen
(1) Diese Geschäftsverteilung tritt am 01.03.2023 in Kraft.
[…]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Art135 Abs2 B VG bestimmt, dass die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, auf die Einzelrichter und die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen sind. Dieser Grundsatz der festen Geschäftsverteilung entspricht den Regelungen für die ordentliche Gerichtsbarkeit in Art87 Abs3 B VG. Dieser Grundsatz stellt sicher, dass durch generelle Vorschriften von vornherein festgelegt ist, wer der zuständige Richter in einem Verfahren sein wird. Es darf dabei kein Spielraum für eine wie immer geartete Einflussnahme bleiben und es muss jedenfalls eindeutig nachvollziehbar und verlässlich überprüfbar sein, warum eine Rechtssache gerade einem bestimmten Richter oder einer bestimmten Richterin zugeteilt wurde ( Piska , Art87 Abs3 B VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 9. Lfg 2009, Rz 26 f.). Für das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg sieht §11 Vbg LVwG G vor, dass die Geschäftsverteilung durch die Vollversammlung des Landesverwaltungsgerichtes zu erlassen ist.
3. Die Beschwerdeführer machen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG) geltend, weil die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2019 im Fall des gleichzeitigen Einlangens von mehreren Beschwerden aus einem Zuständigkeitsbereich keine nachvollziehbare und überprüfbare Zuweisung eines Geschäftsfalles an einen bestimmten Richter ermögliche.
Dieses Vorbringen trifft zu:
3.1. Die Geschäftsverteilung ist eine Aufgabe der Justizverwaltung, welche in Verwaltungsgerichten von Verfassungs wegen gemäß Art135 Abs2 B VG durch ein richterliches Kollegialorgan zu besorgen ist, sodass die Mitwirkung der Mitglieder dieses Kollegialorgans gemäß Art134 Abs7 iVm Art87 Abs2 B VG in Ausübung ihres richterlichen Amtes und sohin unabhängig erfolgt (VfSlg 19.825/2013). Die Geschäftsverteilung eines Verwaltungsgerichtes ist demnach keine Verordnung iSd Art89 und des Art139 B VG, sondern ein genereller Akt der Gerichtsbarkeit (vgl VfGH 18.9.2014, V79/2014 ua; 21.9.2023, E1920/2022; VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0457, Rz 22; 7.10.2021, Ra 2021/06/0140, Rz 9). Aus diesem Grund ist dem Verfassungsgerichtshof die Überprüfung einer Geschäftsverteilung eines Verwaltungsgerichtes in einem Verfahren gemäß Art139 B VG verwehrt.
In Betracht kommt allerdings das Aufgreifen einer in der Geschäftsverteilung – allenfalls im Verein mit der Vorgangsweise des Verwaltungsgerichtes bei der Dokumentation des Einlangens von Geschäftsfällen – begründeten Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter in einem Verfahren gemäß Art144 B VG (vgl VfGH 21.9.2023, E1920/2022; 28.11.2024, E1806/2024).
3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG) wird durch eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002). Dies ist im Hinblick auf den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung gemäß Art135 Abs2 B VG auch dann der Fall, wenn ein nach der Geschäftsverteilung nicht zuständiger Richter oder Senat des Verwaltungsgerichtes entscheidet (vgl zu den Unabhängigen Verwaltungssenaten und zum Asylgerichtshof zB VfSlg 19.514/2011, 19.556/2011, 19.764/2013).
Eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt vor diesem Hintergrund (auch) immer dann vor, wenn sich für einen konkreten Geschäftsfall aus der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes gemäß Art135 Abs2 B VG und, soweit diese auf den Zeitpunkt des Einlangens eines Geschäftsfalles abstellt, aus der Dokumentation des Verwaltungsgerichtes über diesen Zeitpunkt keine zweifelsfrei nachvollziehbare und überprüfbare, sohin eindeutige Zuständigkeit eines Richters oder eines Senates ergibt (vgl in diesem Zusammenhang VfSlg 15.937/2000, 17.771/2006, 19.425/2011, 19.764/2013 zu den auf Grund Art83 Abs2 B VG erhöhten Bestimmtheitsanforderungen an Zuständigkeitsregelungen).
3.3. Die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg sieht für das Jahr 2019 in §9 Abs4 vor, dass die – hier maßgeblichen – Geschäftsfälle aus dem Zuständigkeitsbereich "Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht", die nur Entscheidungen nach dem Baugesetz zum Gegenstand haben, fortlaufend in der Reihenfolge namentlich genannten Richtern zuzuweisen sind.
Es werden jedoch in der Geschäftsverteilung keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass an einem Tag zwei oder mehrere Geschäftsfälle aus demselben Zuständigkeitsbereich beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg einlangen.
Aus den Beschwerdeausführungen und der Gegenschrift des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg ergibt sich, dass die beim Landesverwaltungsgericht einlangenden Geschäftsfälle mit einem Eingangsvermerk versehen werden, der (lediglich) den Tag und die Form des Einlangens, aber nicht die Uhrzeit des Einlangens dokumentiert. Eine Reihung und Zuweisung im Sinne der in der Geschäftsverteilung festgelegten fortlaufenden Zuteilung nach dem (konkreten) Zeitpunkt des Einlangens an einem Tag ist sohin nicht möglich. An diesem Ergebnis ändert auch die in der Gegenschrift dargestellte Vorgehensweise des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg, wonach die einlangenden Beschwerden "nach dem Zeitpunkt des Einlangens in die dem Präsidenten vorzulegende Postmappe eingeordnet" und die Postmappe anschließend dem Präsidenten des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg "zur Zuweisung" vorgelegt wird, nichts.
Daher ist es im Ergebnis nicht nachvollziehbar und überprüfbar, warum in einer solchen Konstellation ein Geschäftsfall gerade einem bestimmten Richter zugewiesen wird (vgl VfGH 21.9.2023, E1920/2022; vgl auch OGH 28.6.2017, 1 Ob 74/17i). Es werden in der Geschäftsverteilung auch keine anderen Vorkehrungen – etwa durch eine Regelung, wie mit gleichzeitig einlangenden Geschäftsfällen umgegangen werden muss – getroffen, um die Zuteilung an einen bestimmten Richter nachvollziehbar festzulegen und somit überprüfbar zu machen.
3.4. Die – dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende – Beschwerde langte ebenso wie eine weitere, gemäß §9 Abs4 der Geschäftsverteilung zuzuweisende Beschwerde am 3. September 2019 beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg ein. Nach dem Beschwerdevorbringen und der Gegenschrift des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg wurden der Tag und die Form des Einlangens, nicht aber auch der konkrete Zeitpunkt des Einlangens dieser Geschäftsfälle vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg dokumentiert. Die Geschäftsfälle wurden jeweils einer bzw einem der in §9 Abs4 der Geschäftsverteilung angeführten Richterinnen und Richter zugewiesen.
Daraus folgt, dass die Zuständigkeit für die Erlassung des hier angefochtenen Erkenntnisses nicht in der von Art83 Abs2 iVm Art135 Abs2 B VG gebotenen eindeutigen Weise und damit nachvollziehbar sowie nachprüfbar feststeht (vgl VfGH 21.9.2023, E1920/2022; 28.11.2024, E1806/2024).
3.5. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nach Aufhebung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 20. Februar 2020 durch den Verwaltungsgerichtshof erneut dasselbe Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg über die Beschwerde entschieden hat.
§17 Abs4 LVwG-GV 2023, Nr 2, der zum Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 2023, Ra 2020/06/0116 0117, an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in Geltung stand, ordnet an, dass im Fall, dass in einer Rechtssache erneut ein Verfahren beim Landesverwaltungsgericht anhängig wird, dem im Wesentlichen derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, jenes Mitglied für die Erledigung dieses Verfahrens zuständig ist, das auch schon für die Erledigung des ersten Verfahrens in dieser Sache zuständig war.
Entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg kann diese Regelung – selbst unter der vom Landesverwaltungsgericht vertretenen Prämisse ihrer Anwendbarkeit auf die Verteilung von Geschäften im zweiten Rechtsgang nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes – jedoch für Fälle wie den vorliegenden, in denen eine eindeutige und nachvollziehbare Zuteilung auf Grund der Geschäftsverteilung zum Zeitpunkt des erstmaligen Einlangens des Geschäftsfalles nicht erfolgen konnte, keine Sanierung bewirken. Die Regelung des §17 Abs4 LVwG GV 2023, Nr 2, hat in einem solchen Fall zur Folge, dass die Zuteilung, die nach der früheren Geschäftsverteilung nicht in einer dem Art83 Abs2 iVm Art135 Abs2 B VG entsprechenden Weise erfolgen konnte, abermals nicht nach im Vorhinein bestimmten abstrakten Kriterien, sondern konkret wiederum an jenen Richter erfolgt, dem sie bereits zuvor in nicht nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zugeteilt worden war.
Dadurch wird die Zuständigkeit für die Erlassung des hier angefochtenen Erkenntnisses abermals nicht in der von Art83 Abs2 iVm Art135 Abs2 B VG gebotenen eindeutigen Weise und damit nachvollziehbar sowie nachprüfbar festgelegt (vgl VfGH 28.11.2024, E1806/2024; 28.11.2024, E1841/2024).
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.