Leitsatz
Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung einer GeschwindigkeitsbeschränkungsV mangels Präjudizialität sowie wegen zu engen Anfechtungsumfangs
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, der Verfassungsgerichtshof möge (Zitat ohne Hervorhebungen im Original)
"in der Verordnung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 13.05.2014, GZ: BMVIT 138.001/0006 IV/ST5/2014, betreffend 'OÖ, A1/A8/A9 – Hauptfahrbahnen und Rampen Knoten Voralpenkreuz, Verordnungsbereich A1: km 194,0 bis km 198,0, Verordnungsbereich A8: km 0,0 bis km 1,3, Verordnungsbereich A9: km 0,0 bis km 0,7, Verordnung der Straßenverkehrszeichen und Bodenmarkierungen', die Geschwindigkeitsbeschränkung (Beginn sowie Ende) wie folgt:
-Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 100 km/h gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 welche bei Rampenkilometer 0,69 der Rampe 10 des Knoten Voralpenkreuz verordnet ist (Abbildung auf 'Plan_Teil_III_196_197' und Beschreibung in Punkt C.1.2.j. [Zeilen 9 bis 14 und Zeile 3 der Tabelle 17] des Verkehrstechnischen Gutachtens des *** vom 09.04.2014 'A1 West Autobahn – Knoten Voralpenkreuz, Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen') sowie
-Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung 100 km/h gemäß §52 lita Z10b StVO 1960 welche bei Straßenkilometer 1,24 der A8 Innkreis Autobahn verordnet ist (Abbildung auf 'Plan_Teil_V_A8_0-3_1-3' und Beschreibung in Punkt C.1.1.b. [Zeilen 3 und 4 'und endet erst nach der Auffahrt der Raststation Voralpenkreuz bei AB-km 1.239 der A8 Innkreis Autobahn' und Zeile 2 der Tabelle 7] des Verkehrstechnischen Gutachtens des *** vom 09.04.2014 'A1 West Autobahn – Knoten Voralpenkreuz, Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen')"
als gesetzwidrig aufheben."
II. Rechtslage
Die Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 13. Mai 2014, BMVIT 138.001/0006 IV/ST5/2014, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"Auf Grund des §43 Abs1 StVO 1960, BGBl Nr 159/1960, in der zuletzt gültigen Fassung, wird verordnet:
Auf den Hauptfahrbahnen und auf allen Rampen (Rampe 1 bis 11) des Knotens Voralpenkreuz (A1/A8/A9) werden jene Verkehrsbeschränkungen, Verkehrsgebote und –verbote erlassen, die aus den Bodenmarkierungs- und Verkehrszeichenplänen des Ingenieurbüros für Bauwesen *** vom 3.3.2014 mit der Bezeichnung
- Plan_Teil_I_194-2_195,4
- Plan_Teil_II_195-4_196
- Plan_Teil_III_196-197
- Plan_Teil_IV_196-198
- Plan_Teil_V_A8_0-3_1-3
- Plan_Teil_VI_A9_0-3bis0-7
ersichtlich sind; der örtliche Geltungsbereich dieser Verordnung erstreckt sich demnach auf der
- A1 West Autobahn von km 194,0 bis km 198
- A8 Innkreis Autobahn von km 0,0 bis km 1,3
- A9 Pyhrn Autobahn von km 0,0 bis km 0,7.
Die genannten Pläne sowie das Verkehrstechnische Gutachten des Ingenieurbüros für Bauwesen *** vom 9.4.2014 bilden einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung.
Punkt II. der Verordnung GZ138.001/117-II/ST5/03 vom 20.8.2003 wird durch diese Verordnung aufgehoben; der Punkt I. (Erklärung zur Autobahn) bleibt aufrecht.
Diese Verordnung ist gemäß §44 StVO 1960 durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen und Bodenmarkierungen kundzumachen.
Ergeht nachrichtlich an:
[…]
Für die Bundesministerin:
[…]"
Das Verkehrstechnische Gutachten "A1 West Autobahn – Knoten Voralpenkreuz Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen" vom 9. April 2014 enthält folgende, die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Verordnungsbestimmungen betreffende Ausführungen (ohne die Hervorhebungen im Original):
"C.1.1 Hauptfahrbahnen
a. A1 West Autobahn
[…]
b. A8 Innkreis / A9 Phyrn Autobahn
Auf der A9 in Richtung Wels wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit derzeit ca 200 m vor dem Knoten Voralpenkreuz von 130 auf 100 km/h reduziert. Die Beschränkung verläuft über den gesamten Knotenbereich und endet erst nach der Auffahrt der Raststation Voralpenkreuz bei AB-km 1.239 der A8 Innkreis Autobahn. Die Geschwindigkeitsbeschränkungen werden wiederholt kundgemacht an der Abzweigung der Rampe 7 bzw an der Einmündung der Rampe 3.
Die von der Hauptfahrbahn abzweigenden bzw dort einmündenden Rampen (Rampe 6 Richtung Wien bzw Raststation, Rampe 7 Richtung Salzburg, Rampe 3 aus Richtung Wien bzw Raststation) bedingen auch auf diesem Abschnitt der A8 / A9 zahlreiche unterschiedliche Fahrmanöver. Wie bereits in Pkt. A dieses Abschnittes erläutert, soll auch in diesem Fall der Geschwindigkeitsunterschied der Verkehrsteilnehmer nicht allzu groß sein. Es ist in dem Sinne erforderlich, die vorhandene Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h beizubehalten.
[…]
[…]
C.1.2 Rampen des Knotens Voralpenzkreuz
[…]
j. Rampe 10
Rampe 10 ist derzeit mit 100 km/h beschränkt. Wie bei Rampe 8 ist die Linienführung durch den starken Kurvenradius und das bei km 0.500 / R10 gelegene Brückenbauwerk nur schwer erkennbar. Dies wirkt sich v. a. bei Krümmungswechseln negativ auf die Fahrdynamik aus. Erschwerend kommt die Einmündung der Rampe 11 hinzu, deren ankommender Verkehr durch den Höhenunterschied erst spät erkennbar ist. Die Tatsache, dass der Manöverstreifen der Rampe 11 in einem engen Bogen liegt, erschwert die Einfahrt in die Rampe 10 zusätzlich.
Somit ist es erforderlich, die vorhandene Geschwindigkeitsbeschränkung zwar zunächst zu belassen, diese ist jedoch bei km 0.110 / R10 auf Grund des Kurvenradius von rd. 160 m und der Einmündung der Rampe 11 auf 70 km/h zu verringern (s Tabelle 1 der RVS 03.05.13). Nach dem Passieren der Brücke der A1 weitet sich der Radius wieder auf und die Geschwindigkeitsbeschränkung kann wieder auf die bestehenden 100 km/h (bei km 0.690 / R10) angehoben werden. Eine Aufhebung der Beschränkung in diesem Bereich ist nicht möglich, da im unmittelbaren Anschluss die Anbindung der Rampe 3 bzw der Ausfahrt zur Raststation Voralpenkreuz erfolgt, was wieder zahlreiche Fahrstreifenwechselmanöver in diesem Bereich bedingt.
Da die Rampe 10 am Ende direkt in den Verzögerungsstreifen der Ausfahrt zur Raststätte übergeht, ist keine Vorrangregelung erforderlich.
Die Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der Rampe 10 sind wie folgt zu verordnen:
[…]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 7. April 2022 wurde über den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen einer Übertretung des §52 lita Z10a StVO 1960 gemäß §99 Abs2e StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe am 7. Dezember 2021, um 23.34 Uhr, einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen in 4642 Sattledt, auf der A8 Innkreis Autobahn, bei Straßenkilometer 1,039 in Fahrtrichtung Suben, gelenkt und dabei die an diesem Ort durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h überschritten.
2. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen dieses Straferkenntnis stellt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den vorliegenden Antrag.
2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages sowie der Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmungen wird zunächst im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Kundmachung des angefochtenen Bereichs der Verordnung sei durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z10a und 10b StVO 1960 erfolgt, sodass diese ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt habe und mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sei. Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen würden auf Grund der Tatzeit und des Tatortes im Beschwerdeverfahren zur Anwendung gelangen. Für die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich sei nur die Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h, welche bei Rampenkilometer 0,69 der Rampe 10 des Knoten Voralpenkreuz beginne und bei Straßenkilometer 1,24 der A8 Innkreis Autobahn ende, präjudiziell. Dem Beschwerdeführer werde nur im Geltungsbereich dieser Geschwindigkeitsbeschränkung eine Verwaltungsübertretung vorgeworfen. Sämtliche andere Straßenverkehrszeichen und Bodenmarkierungen, welche durch die Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 13. Mai 2014 verordnet worden seien, seien im Verfahren nicht anzuwenden. Deren Ausscheiden aus dem Rechtsbestand sei für die dem Verfahren zugrundeliegende Rechtssache nicht erforderlich und es werde auch nicht angenommen, dass diese Bestimmungen mit den präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen würden.
2.2. In der Folge legt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, dar:
Das Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z10a StVO 1960, welches den Beginn der Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h festlege, sei im Plan_Teil_III_196_197 auf der Rampe 10 bei Rampenkilometer 0,69 eingezeichnet. Das Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z10b StVO 1960, welches das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h anordne, sei im Plan_Teil_V_A8_0-3_1-3 bei Straßenkilometer 1,240 eingezeichnet.
Laut dem vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Auftrag gegebenen Gutachten des Amtssachverständigen für Verkehrstechnik vom 28. Juni 2023 befinde sich das tatsächlich angebrachte Straßenverkehrszeichen "ENDE DER GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG" gemäß §52 lita Z10b StVO 1960 auf der A8 Innkreis Autobahn bei Straßenkilometer 1,252. Die Abweichung von 12 Metern von dem verordneten Standort stelle eine signifikante Abweichung dar, die zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung und damit zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bereichs der Verordnung führe.
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken im Wesentlichen Folgendes entgegengehalten wird (auszugsweise Wiedergabe):
"Begründet wird der Antrag damit, dass das Verkehrszeichen 'Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung (100 km/h)' nicht – wie in der Verordnung festgelegt – bei km 1,24 der A8 Innkreisautobahn errichtet worden sei, sondern bei km 1,252. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage vertritt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Ansicht, dass diese Abweichung so groß ist, dass sie zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung und damit zur Rechtswidrigkeit der Verordnung führt.
Dabei übersieht das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, dass sich die angefochtene Geschwindigkeitsbeschränkung gemäß den einen Bestandteil der Verordnung bildenden Plänen nicht (nur) von km 0,69 der Rampe 10 bis km 1,24 der Richtungsfahrbahn Staatsgrenze der A8 Innkreisautobahn erstreckt, sondern – wie aus dem PLAN_Teil_VI A9_0 3bis0 7 ersichtlich – bereits (auch) bei km 0,7 der Richtungsfahrbahn Voralpenkreuz der A9 Pyhrn Autobahn beginnt und sich dann auf der A8 Innkreis Autobahn bis km 1,24 fortsetzt (Anm: die A9 Pyhrn Autobahn endet im Knoten Voralpenkreuz und geht nahtlos in die A8 Innkreis Autobahn über; der örtliche Geltungsbereich der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung ähnelt also einem auf den Kopf gestellten 'Y').
Im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes muss ein Antrag auf Aufhebung einer Bestimmung (hier: eines Teils der Verordnung BMVIT 138.001/0006 IV/ST5/2014) auch alle mit der bekämpften Bestimmung in untrennbarem Zusammenhang stehenden Normen umfassen. Aus Sicht des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie stellt die Beschränkung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h, beginnend bei km 0,7 der Richtungsfahrbahn Voralpenkreuz der A9 Pyhrn Autobahn bzw km 0,69 der Rampe 10 des Knotens Voralpenkreuz und endend bei km 1,24 der Richtungsfahrbahn Staatsgrenze der A8 Innkreis Autobahn, eine untrennbare Einheit dar. Insofern erweist sich der Antrag des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich als zu eng, umfasst er doch nicht alle Teile der Verordnung BMVIT 138.001/0006 IV/ST5/2014, die zur Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes aufgehoben werden müssten.
Würde dem Antrag des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich in der vorliegenden Form stattgegeben, so würde dies überdies dazu führen, dass der verbleibende Teil der Geschwindigkeitsbeschränkung einen völlig veränderten, vom Verordnungsgeber eindeutig nicht gewollten Inhalt bekäme bzw seinerseits gesetzwidrig würde, weil das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung aus dem Verordnungsinhalt ausgeschieden würde. Der verbleibende Rest der Geschwindigkeitsbeschränkung würde also unanwendbar, was nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht zulässig ist.
Angesichts der aufgezeigten Mängel ersucht das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, den Antrag […] abzuweisen."
4. Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der er sich im Wesentlichen den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließt.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht beginnend mit VfSlg 20.182/2017 davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).
Die angefochtenen Verordnungsbestimmungen wurden ausweislich der vorgelegten Akten durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie ein Mindestmaß an Publizität erreicht haben und mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sind.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2.1. Dem Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich liegt die Annahme zugrunde, dass mit Verordnung der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie vom 13. Mai 2014, BMVIT 138.001/0006 IV/ST5/2014, ua eine (durchgehende) Geschwindigkeitsbeschränkung von Straßenkilometer 0,69 im Bereich der Rampe 10 bis Straßenkilometer 1,24 auf der A8 Innkreis Autobahn verordnet wurde. Laut dem – einen Bestandteil der Verordnung bildenden – verkehrstechnischen Gutachten "A1 West Autobahn – Knoten Voralpenkreuz Verkehrszeichen und Bodenmarkierungen" vom 9. April 2014 treffen in diesem Bereich jedoch zwei gesondert verordnete Geschwindigkeitsbeschränkungen aufeinander: Zum einen wurde eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h auf der Hauptfahrbahn (A8 Innkreis Autobahn/A9 Pyhrn Autobahn), in Fahrtrichtung des Beschwerdeführers beginnend bei Straßenkilometer 0,70 auf der A9 Pyhrn Autobahn (vor dem Knoten Voralpenkreuz) und endend bei Straßenkilometer 1,24 auf der A8 Innkreis Autobahn (nach der Auffahrt von der Raststation), verordnet; zum anderen wurden auf der Rampe 10 Geschwindigkeitsbeschränkungen beginnend bei Kilometer 0,69 (vor Anschluss der Rampe 3) und endend "am Ende der Rampe" verordnet. Zu diesem Ende der auf der Rampe 10 verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung finden sich im Gutachten der Vermerk "ohne VZ(Übergang in Rampe 3)" sowie folgende Ausführungen: "Eine Aufhebung der Beschränkung in diesem Bereich ist nicht möglich, da im unmittelbaren Anschluss die Anbindung der Rampe 3 bzw der Ausfahrt zur Raststation Voralpenkreuz erfolgt, was wieder zahlreiche Fahrstreifenwechselmanöver in diesem Bereich bedingt". Eine Bezugnahme auf die für die Hauptfahrbahn A8 Innkreis Autobahn/A9 Pyhrn Autobahn geltende Geschwindigkeitsbeschränkung findet sich nicht.
1.2.2. Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wird eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Geltungsbereich der auf der Hauptfahrbahn A8 Innkreis Autobahn/A9 Pyhrn Autobahn verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h zur Last gelegt. Die auf der Rampe 10 verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h ist sohin nicht präjudiziell. Entgegen den Ausführungen der verordnungserlassenden Behörde steht diese Geschwindigkeitsbeschränkung auch nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der auf der Hauptfahrbahn verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung.
Hingegen ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des Antrages, soweit er sich auf das Ende der im Bereich der A8 Innkreis Autobahn/A9 Pyhrn Autobahn verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung bezieht (zweiter Spiegelstrich des Antrages), zweifeln ließe.
1.3. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
1.3.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil der Bestimmung nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
1.3.2. Soweit sich der Antrag auf die im Bereich der A8 Innkreis Autobahn/A9 Pyhrn Autobahn verordnete Geschwindigkeitsbeschränkung bezieht (zweiter Spiegelstrich des Antrages), ist er zu eng gefasst:
Durch Aufhebung lediglich des Endes der angefochtenen Geschwindigkeitsbeschränkung würde dieser Verordnungsbestimmung ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben, weil die Geschwindigkeitsbeschränkung von 100 km/h durch die Aufhebung im beantragten Umfang über den – vom Verordnungsgeber explizit vorgegebenen – Bereich des Knotens Voralpenkreuz hinaus auch im weiteren Verlauf der A8 Innkreis Autobahn gelten würde. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hätte daher auch den Beginn dieser Geschwindigkeitsbeschränkung mitanfechten müssen.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.