JudikaturVfGH

E1841/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. November 2024

Spruch

I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Lochau vom 26. September 2022 wurde die von der Beschwerdeführerin beantragte nachträgliche Baubewilligung für die Errichtung einer Terrassenverglasung versagt und der Beschwerdeführerin wurden die Kosten des Verfahrens vorgeschrieben.

2. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 8. April 2024 mit näherer Begründung abgewiesen.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG), sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt werden. Begründend wird unter anderem Folgendes ausgeführt:

Die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg sei bei diesem am 23. November 2022 eingelangt. Als Zeitpunkt des Einlangens sei handschriftlich "09:50" vermerkt. An diesem Tag sei zu derselben Zeit eine weitere gleichartige Beschwerde eingelangt, die ein Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin für zwei andere Personen eingebracht habe. In der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg gebe es keine Vorkehrungen für den Fall, dass an einem Tag zwei oder mehr Geschäftsfälle aus demselben Zuständigkeitsbereich einlangen würden. Es sei daher nicht überprüfbar, weshalb die Beschwerde der Beschwerdeführerin der konkreten Richterin zugeteilt worden sei, sodass ein Verstoß gegen Art83 Abs2 B VG vorliege.

4. Der Bürgermeister der Gemeinde Lochau hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Äußerung erstattet.

5. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat die Gerichtsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es den Beschwerdebehauptungen im Wesentlichen wie folgt entgegentritt:

Am 23. November 2022 seien dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg insgesamt neun Beschwerden vorgelegt worden, wobei nur zwei Beschwerden Verfahren nach dem Vbg Baugesetz zum Gegenstand gehabt hätten. Weisungsgemäß seien die Beschwerden sowohl nach dem Zeitpunkt des Einlangens als auch (bei gleichzeitigem Einlangen) nach der Reihenfolge, in der sie übergeben worden seien, nummeriert und anschließend zugeteilt worden. Dadurch sei eine jederzeit nachvollziehbare Zuweisung nach der Geschäftsverteilung sichergestellt.

Darüber hinaus sei das angefochtene Erkenntnis nach einer Änderung der Geschäftsverteilung erlassen worden, die im Hinblick auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2023, E1920/2022 vorgenommen worden sei. Nach §4 Abs2 der Geschäftsverteilung sei nunmehr vorgesehen, dass die Zuweisung von Verfahren, die auf Grund der Zuständigkeitsregelung mehreren Einzelrichtern zuzuweisen seien, nach dem Alphabet erfolge. Flankierend sei in §19 Abs6 der Geschäftsverteilung vorgesehen, dass alle Verfahren, die bei Inkrafttreten dieser Geschäftsverteilung anhängig seien, den Mitgliedern zugewiesen würden, denen die Verfahren beim Inkrafttreten der Geschäftsverteilung zugewiesen gewesen seien. Im konkreten Fall habe somit die nach der Geschäftsverteilung zuständige Richterin entschieden.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vbg Gesetzes über das Landesverwaltungsgericht (Landesverwaltungsgerichtsgesetz, LVwG-G), LGBl 19/2013, idF LGBl 39/2023 lauten auszugweise wie folgt:

"§11

Geschäftsverteilung

(1) Vor Ablauf jedes Kalenderjahres hat die Vollversammlung für die Dauer des nächsten Kalenderjahres die Geschäftsverteilung zu beschließen.

(2) In der Geschäftsverteilung sind insbesondere zu regeln:

a) die Zahl der Senate und ihre Zusammensetzung,

b) die Verteilung der Geschäfte auf die Senate und auf die Einzelmitglieder,

c) die Heranziehung von Richtern und Richterinnen als Ersatz (§12 Abs2).

(3) Jedes Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes kann mehreren Senaten angehören.

(4) Bei der Verteilung der Geschäfte ist auf eine möglichst gleichmäßige Auslastung aller Mitglieder des Landesverwaltungsgerichtes Bedacht zu nehmen.

(5) Die Geschäftsverteilung kann durch die Vollversammlung während des Jahres geändert werden, wenn dies infolge der Zuweisung neuer Angelegenheiten, infolge von Veränderungen im Personalstand oder infolge der Überbelastung einzelner Senate oder von Einzelmitgliedern erforderlich ist.

(6) Der Präsident oder die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes hat die Geschäftsverteilung an den Bund zu übermitteln und im Internet unter der Adresse 'www.ris.bka.gv.at' durch Freigabe zur Abfrage kundzumachen; die §§3 und 6 des Kundmachungsgesetzes gelten sinngemäß.

§12

Geschäftszuweisung

(1) Der Präsident oder die Präsidentin des Landesverwaltungsgerichtes hat die anfallenden Rechtssachen jenen Senaten oder Einzelmitgliedern zuzuweisen, die nach der Geschäftsverteilung zuständig sind.

(2) Die einem Richter oder einer Richterin zufallenden Aufgaben dürfen nur durch Verfügung der Vollversammlung abgenommen werden, wenn er oder sie verhindert ist oder sonst wegen des Umfangs der Aufgaben an deren Erledigung binnen angemessener Frist gehindert ist. Der Präsident oder die Präsidentin hat die Vertretung des Richters oder der Richterin durch jene Person zu verfügen, die nach der Geschäftsverteilung dafür zuständig ist."

2. Die (zum Zeitpunkt des Einlangens der Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg maßgebliche) Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2022, Nr 4, digital kundgemacht im Rechtsinformationssystem des Bundes am 30. Mai 2022, lautet auszugsweise wie folgt:

"§1

Zuständigkeitsbereiche

(1) Die Geschäfte des Landesverwaltungsgerichtes werden aufgrund der nachfolgenden Bestimmungen auf seine Senate und Einzelmitglieder verteilt.

(2) Zum Zwecke der Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Senate und Mitglieder werden folgende Zuständigkeitsbereiche gebildet:

[a)–h) …]

i) Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht:

Insbesondere AbfallwirtschaftsG, AbfallG, AltlastensanierungsG, ArtenhandelsG, AusbildungsvorbehaltsG, BauG, BerufsausbildungsG, BauprodukteG, BilanzbuchhaltungsG, BundesluftreinhalteG, BundesstatistikG, Bundes EnergieeffizienzG, Bundes UmwelthaftungsG, CampingplatzG, ElektrizitätswirtschaftsG, FeuerpolizeiO, GasG, GewO, HandelsstatistikG, ImmissionsschutzG Luft ohne Geschwindigkeitsüberschreitungen, IPPC- und Seveso II AnlagenG, KanalisationsG, KlärschlammG, Landes LuftreinhalteG, LuftreinhalteG für Kesselanlagen, MarkenschutzG, MarktordnungsG, Maß- und EichG, MineralrohstoffG, Naturschutz- und LandschaftsentwicklungsG, PreisG, PreistransparenzG, ProduktsicherheitsG, RaumplanungsG ohne die Verfahren nach dem V. Hauptstück, Umweltgutachter- und StandorteverzeichnisG, UmweltinformationsG Bund und Land, UVP G, UWG, VermessungsG, WKG, WRG, WasserversorgungsG, WirtschaftstreuhänderberufsO, WohnungsgemeinnützigkeitsG, ZiviltechnikerG, ZiviltechnikerkammerG.

[j)–k) …]

[…]

§4

Verteilung der Geschäfte auf die Einzelmitglieder

In den Angelegenheiten, in denen das Landesverwaltungsgericht nach den gesetzlichen Vorschriften durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat, werden die Geschäfte nach den §§5 bis 16 verteilt.

[…]

§9

Zuständigkeit der Einzelmitglieder für Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht

(1) Verfahren aus dem Bereich Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht (§1 Abs2 liti) werden den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. Nikolaus Brandtner, Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. in Eva Maria Längle, Dr. Reinhold Köpfle, Dr. in Magdalena Honsig Erlenburg, Mag. Manuel Fleisch und Dr. Wilhelm Wachter LL.M. zugewiesen. Dies erfolgt getrennt für Administrativ- und Verwaltungsstrafverfahren.

(2) Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. in Eva Maria Längle, Mag. Manuel

Fleisch und Dr. Wilhelm Wachter LL.M., sind bei der Zuweisung nach Abs1 jedes zweite Mal zu übergehen.

(3) Abweichend von Abs1 werden Verfahren, welche nur Entscheidungen nach dem BauG zum Gegenstand haben, den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. in Eva Maria Längle, Mag. Otto-Imre Pathy, Mag. a Eva Ostermeier, Mag. a Katharina Feuersinger, Dr. Reinhold Köpfle, Mag. a Claudia Brugger, Dr. in Magdalena Honsig Erlenburg, Mag. Manuel Fleisch und Dr. in Claudia Drexel BA zugewiesen.

(4) Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. in Eva-Maria Längle, Mag. Otto-Imre Pathy, Mag. a Eva Ostermeier, Mag. a Katharina Feuersinger, Dr. Reinhold Köpfle, Mag. a Claudia Brugger und Dr. in Claudia Drexel BA sind bei der Zuweisung nach Abs3 jedes zweite Mal zu übergehen.

(5) Abweichend von Abs1 werden Verfahren, welche nur Entscheidungen nach dem WRG zum Gegenstand haben, den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Dr. Reinhold Köpfle und Mag. Manuel Fleisch zugewiesen."

3. Die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2023, Nr 4, digital kundgemacht im Rechtsinformationssystem des Bundes am 20. November 2023, lautet auszugsweise wie folgt:

"§1

Zuständigkeitsbereiche

(1) Die Geschäfte des Landesverwaltungsgerichtes werden aufgrund der nachfolgenden Bestimmungen auf seine Senate und Einzelmitglieder verteilt.

(2) Zum Zwecke der Verteilung der Geschäfte auf die einzelnen Senate und Mitglieder werden folgende Zuständigkeitsbereiche gebildet:

[a)–h) …]

i) Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht:

Insbesondere AbfallwirtschaftsG, AbfallG, AltlastensanierungsG, ArtenhandelsG, AusbildungsvorbehaltsG, BauG, BerufsausbildungsG, BauprodukteG, BilanzbuchhaltungsG, BundesluftreinhalteG, BundesstatistikG, Bundes EnergieeffizienzG, Bundes UmwelthaftungsG, CampingplatzG, ElektrizitätswirtschaftsG, FeuerpolizeiO, GasG, GewO, HandelsstatistikG, ImmissionsschutzG-Luft ohne Geschwindigkeitsüberschreitungen, IPPC- und Seveso II AnlagenG, KanalisationsG, KlärschlammG, Landes LuftreinhalteG, LuftreinhalteG für Kesselanlagen, MarkenschutzG, MarktordnungsG, Maß- und EichG, MineralrohstoffG, MING, Naturschutz- und LandschaftsentwicklungsG, PreisG, PreistransparenzG, ProduktsicherheitsG, RaumplanungsG ohne die Verfahren nach dem V. Hauptstück, Umweltgutachter- und StandorteverzeichnisG, UmweltinformationsG Bund und Land, UVP G, UWG, VermessungsG, WKG, WRG, WasserversorgungsG, WirtschaftstreuhänderberufsO, WohnungsgemeinnützigkeitsG, ZiviltechnikerG, ZiviltechnikerkammerG.

[j)–k) …]

[…]

§4

Verteilung der Geschäfte auf die Einzelmitglieder

(1) In den Angelegenheiten, in denen das Landesverwaltungsgericht nach den gesetzlichen Vorschriften durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat, werden die Geschäfte nach den §§5 bis 16 verteilt.

(2) Neu einlangende Verfahren werden für die erste und für die zweite Tageshälfte getrennt zugewiesen (00:00 Uhr bis 12:00 Uhr und 12:00 Uhr bis 24:00 Uhr). Zu diesem Zweck ist bei allen einlangenden Verfahren neben dem Datum auch die Tageshälfte, in der sie eingelangt sind, festzuhalten. Wenn in einem Zuständigkeitsbereich mehrere Verfahren in derselben Tageshälfte eingelangt sind, die aufgrund derselben Zuständigkeitsregelung mehreren Einzelmitgliedern zuzuweisen sind, dann richtet sich die Reihenfolge der Zuweisung nach der Reihenfolge der Namen im Alphabet gemäß §4a.

(3) […]

§4a

Namensbezeichnungen

(1) In Verwaltungsstrafverfahren ist auf den Nachnamen der beschuldigten Person abzustellen.

(2) In Administrativverfahren ist auf den Nachnamen der antragstellenden Person abzustellen oder, wenn das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wurde, auf den Nachnamen der betroffenen Person. Wenn es sich nicht um eine natürliche Person handelt, dann gilt die in der Beschwerde angeführte Bezeichnung als Name.

(3) Kommen nach Abs1 oder 2 mehrere Personen in Betracht, ist auf den Namen der alphabetisch erstgereihten Person abzustellen.

(4) Besteht die Namensbezeichnung aus mehreren Wörtern, sind sie wie ein Wort zu lesen. Bei Gleichheit des Nachnamens ist die alphabetische Reihung des Vornamens maßgeblich.

[…]

§9

Zuständigkeit der Einzelmitglieder für Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht

(1) Verfahren aus dem Bereich Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht (§1 Abs2 liti) werden den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. Nikolaus Brandtner, Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Mag. a Eva Ostermeier, Dr. Reinhold Köpfle, Dr. in Magdalena Honsig Erlenburg, Mag. Manuel Fleisch und Dr. Wilhelm Wachter LL.M. zugewiesen. Dies erfolgt getrennt für Administrativ- und Verwaltungsstrafverfahren.

(2) Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Mag. a Eva Ostermeier, Mag. Manuel Fleisch und Dr. Wilhelm Wachter LL.M., sind bei der Zuweisung nach Abs1 jedes zweite Mal zu übergehen.

(3) Abweichend von Abs1 werden Verfahren, welche nur Entscheidungen nach dem BauG zum Gegenstand haben, den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. in Eva Maria Längle, Mag. Otto Imre Pathy, Mag. a Eva Ostermeier, Mag. a Katharina Feuersinger, Dr. Reinhold Köpfle, Mag. a Claudia Schuler, Dr. in Stefanie Wachter, Dr. in Magdalena Honsig Erlenburg, Mag. Manuel Fleisch und Mag. a Hava Ostoverschnigg zugewiesen.

(4) Mag. a Birgit König, Dr. Dietmar Ellensohn, Dr. in Eva Maria Längle, Mag. Otto Imre Pathy, Mag. a Eva Ostermeier, Mag. a Katharina Feuersinger, Dr. Reinhold Köpfle, Mag. a Claudia Schuler, Dr. in Stefanie Wachter, Dr. in Magdalena Honsig Erlenburg und Mag. a Hava Ostoverschnigg sind bei der Zuweisung nach Abs3 jedes zweite Mal zu übergehen.

(5) Abweichend von Abs1 werden Verfahren, welche nur Entscheidungen nach dem WRG zum Gegenstand haben, den nachfolgend angeführten Mitgliedern fortlaufend in der Reihenfolge Dr. Reinhold Köpfle und Mag. a Birgit König zugewiesen.

[…]

§19

Schlussbestimmungen

(1) Diese Geschäftsverteilung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.

(2) In den Zuständigkeitsbereichen, in denen sich die Zuständigkeit nach der Reihenfolge des Einlangens richtet, wird mit In-Kraft-Treten dieser Geschäftsverteilung an die Reihenfolge der zuvor gültigen Geschäftsverteilung angeknüpft. Ist die Änderung einer Zuweisung erforderlich, hat dies keine Auswirkungen auf die bereits vorgenommenen anderen Zuteilungen. Bei den nachfolgenden Zuteilungen erfolgt der entsprechende Ausgleich.

(3) Übertragung von Verfahren aufgrund der Verhinderung von Mitgliedern:

Verfahren, für die bis 24.05.2023 Dr. in Claudia Drexel BA zuständig war, werden nach diesem Zeitpunkt Mag. a Hava Ostoverschnigg übertragen. Dies gilt nicht für Verfahren nach §12 (Vergaberecht).

(4) Wird festgestellt, dass ein Geschäftsfall nicht im Sinne der Geschäftsverteilung zugeteilt wurde oder werden kann, erfolgt die Zuteilung so, als wäre der Geschäftsfall neu eingelangt.

(5) Auf das Verfahren LVwG-1-346/2021-R12 ist mit In Kraft Treten dieser Geschäftsverteilung Abs4 sinngemäß anzuwenden.

(6) Alle Verfahren, die bei In Kraft Treten dieser Geschäftsverteilung anhängig sind, werden den Mitgliedern zugewiesen, denen die Verfahren bei In Kraft Treten dieser Geschäftsverteilung zugewiesen waren."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Art135 Abs2 B VG bestimmt, dass die vom Verwaltungsgericht zu besorgenden Geschäfte durch die Vollversammlung oder einen aus ihrer Mitte zu wählenden Ausschuss, der aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und einer gesetzlich zu bestimmenden Zahl von sonstigen Mitgliedern des Verwaltungsgerichtes zu bestehen hat, auf die Einzelrichter und die Senate für die gesetzlich bestimmte Zeit im Voraus zu verteilen sind. Dieser Grundsatz der festen Geschäftsverteilung entspricht den Regelungen für die ordentliche Gerichtsbarkeit in Art87 Abs3 B VG. Er stellt sicher, dass durch generelle Vorschriften von vornherein festgelegt ist, wer der zuständige Richter in einem Verfahren sein wird. Es darf dabei kein Spielraum für eine wie immer geartete Einflussnahme bleiben und es muss jedenfalls eindeutig nachvollziehbar und verlässlich überprüfbar sein, warum eine Rechtssache gerade einem bestimmten Richter oder einer bestimmten Richterin zugeteilt wurde ( Piska , Art87 Abs3 B VG, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 9. Lfg. 2009, Rz 26 f.). Für das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg sieht §11 Vbg LVwG G vor, dass die Geschäftsverteilung durch die Vollversammlung des Landesverwaltungsgerichtes zu erlassen ist.

3. Die Beschwerdeführerin macht die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG) geltend, weil die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2022 im Fall des gleichzeitigen Einlangens von mehreren Beschwerden aus einem Zuständigkeitsbereich keine nachvollziehbare und überprüfbare Zuweisung eines Geschäftsfalles an einen bestimmten Richter ermögliche.

Dieses Vorbringen trifft im Ergebnis zu:

3.1. Die Geschäftsverteilung ist eine Aufgabe der Justizverwaltung, welche in Verwaltungsgerichten von Verfassungs wegen gemäß Art135 Abs2 B VG durch ein richterliches Kollegialorgan zu besorgen ist, sodass die Mitwirkung der Mitglieder dieses Kollegialorgans gemäß Art134 Abs7 iVm Art87 Abs2 B VG in Ausübung ihres richterlichen Amtes und sohin unabhängig erfolgt (VfSlg 19.825/2013). Die Geschäftsverteilung eines Verwaltungsgerichtes ist demnach keine Verordnung im Sinn des Art89 und des Art139 B VG, sondern ein genereller Akt der Gerichtsbarkeit (vgl VfGH 18.9.2014, V79/2014 ua; 18.6.2018, G39/2018; 21.9.2023, E1920/2022; 27.2.2024, E3937/2023; VwGH 22.1.2021, Ra 2020/21/0457, Rz 22; 7.10.2021, Ra 2021/06/0140, Rz 9). Aus diesem Grund ist dem Verfassungsgerichtshof die Überprüfung einer Geschäftsverteilung eines Verwaltungsgerichtes in einem Verfahren gemäß Art139 B VG verwehrt.

In Betracht kommt allerdings das Aufgreifen einer in der Geschäftsverteilung – allenfalls im Verein mit der Vorgangsweise des Verwaltungsgerichtes bei der Dokumentation des Einlangens von Geschäftsfällen – begründeten Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter in einem Verfahren gemäß Art144 B VG (vgl VfGH 21.9.2023, E1920/2022; 27.2.2024, E3937/2023).

3.2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B VG) wird durch eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes verletzt, wenn das Verwaltungsgericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (vgl zB VfSlg 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002). Dies ist im Hinblick auf den Grundsatz der festen Geschäftsverteilung gemäß Art135 Abs2 B VG auch dann der Fall, wenn ein nach der Geschäftsverteilung nicht zuständiger Richter oder Senat des Verwaltungsgerichtes entscheidet (vgl zu den Unabhängigen Verwaltungssenaten und zum Asylgerichtshof zB VfSlg 19.514/2011, 19.556/2011, 19.764/2013).

Eine Verletzung des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt vor diesem Hintergrund (auch) immer dann vor, wenn sich für einen konkreten Geschäftsfall aus der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtes gemäß Art135 Abs2 B VG und, soweit diese auf den Zeitpunkt des Einlangens eines Geschäftsfalles abstellt, aus der Dokumentation des Verwaltungsgerichtes über diesen Zeitpunkt keine zweifelsfrei nachvollziehbare und überprüfbare, sohin eindeutige Zuständigkeit eines Richters oder eines Senates ergibt (vgl VfGH 21.9.2023, E1920/2022; 27.2.2024, E3937/2023; vgl in diesem Zusammenhang auch VfSlg 15.937/2000, 17.771/2006, 19.425/2011, 19.764/2013 über die auf Grund des Art83 Abs2 B VG erhöhten Bestimmtheitsanforderungen an Zuständigkeitsregelungen).

3.3. Die Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2022, Nr 4, sieht in §9 vor, dass die – hier maßgeblichen – Geschäftsfälle aus dem Zuständigkeitsbereich "Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht" fortlaufend in der Reihenfolge namentlich genannten Richtern zuzuweisen sind.

Aus den Beschwerdeausführungen wie auch aus der Gegenschrift des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg ergibt sich, dass die beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg einlangenden Geschäftsfälle mit einem Eingangsvermerk versehen werden, der den Tag sowie die Uhrzeit des Einlangens dokumentiert. In der Geschäftsverteilung für das Jahr 2022, Nr 4, werden jedoch keine Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass an einem Tag zwei oder mehrere Geschäftsfälle aus demselben Zuständigkeitsbereich zu derselben Uhrzeit beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg einlangen. Daher ist es im Ergebnis nicht nachvollziehbar und überprüfbar, warum in einer solchen Konstellation ein Geschäftsfall gerade einem bestimmten Richter zugewiesen wird (vgl auch OGH 28.6.2017, 1 Ob 74/17i).

3.4. Die – dem hier angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende – Beschwerde langte ebenso wie eine weitere, nur das Vbg Baugesetz iSd §9 Abs3 der damals geltenden Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg für das Jahr 2022, Nr 4, betreffende Beschwerde aus dem Zuständigkeitsbereich "Umweltschutz-, Wirtschafts- und Baurecht" am 23. November 2022 beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg ein. Nach dem Beschwerdevorbringen wie auch nach der Gegenschrift des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg und dem Akteninhalt wurden die Tageshälfte und die Uhrzeit des Einlangens dieser Geschäftsfälle ("VM" um "09:50" Uhr) vom Landesverwaltungsgericht Vorarlberg dokumentiert. Darüber hinaus wurden die Geschäftsfälle laut Gegenschrift und nach dem übereinstimmenden Akteninhalt auch "nach der Reihenfolge, wie sie übergeben wurden" mit fortlaufenden Zahlen versehen. Die Geschäftsfälle wurden jeweils einer der in §9 Abs3 der Geschäftsverteilung angeführten Richterinnen zugewiesen. Daraus folgt vor dem geschilderten Hintergrund, dass die Zuständigkeit für die Erlassung des hier angefochtenen Erkenntnisses nicht in der von Art83 Abs2 iVm Art135 Abs2 B VG gebotenen eindeutigen Weise und damit nachvollziehbar sowie nachprüfbar feststeht. Insbesondere kann bei zu derselben Uhrzeit mittels Boten einlangenden Geschäftsfällen eine Dokumentation "nach der Reihenfolge, wie sie übergeben wurden" eine eindeutige, nachvollziehbare und überprüfbare Regelung für derartige Fälle in der Geschäftseinteilung nicht ersetzen.

3.5. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg wendet schließlich ein, dass die Geschäftsverteilung bis zu seiner Entscheidung geändert worden sei. Einerseits sei mit dem Inkrafttreten der Geschäftsverteilung für das Jahr 2023, Nr 4, in §4 Abs2 iVm §4a eine Vorkehrung für gleichzeitig einlangende Geschäftsfälle getroffen worden. Andererseits habe §19 Abs6 leg cit vorgesehen, dass alle Verfahren, die beim Inkrafttreten dieser Geschäftsverteilung anhängig seien, den Mitgliedern zugewiesen würden, denen die Verfahren bei Inkrafttreten dieser Geschäftsverteilung zugewiesen gewesen seien. Vor diesem Hintergrund sei die erkennende Richterin im vorliegenden Fall zuständig gewesen.

Dem ist zu entgegnen, dass die zitierten Änderungen der Geschäftsverteilung für zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderungen anhängige Fälle wie den vorliegenden, in denen eine eindeutige und nachvollziehbare Zuteilung auf Grund der Geschäftsverteilung zum Zeitpunkt des Einlangens des Geschäftsfalles nicht erfolgen konnte, keine Sanierung bewirkt haben:

Zwar besteht seit dem Inkrafttreten der Geschäftsverteilung für das Jahr 2023, Nr 4, mit §4 Abs2 iVm §4a eine Regelung, die auch für den Fall des gleichzeitigen Einlangens mehrerer Geschäftsfälle eine eindeutige und nachvollziehbare Zuteilung ermöglicht. Diese Regelung gilt jedoch unmittelbar nur für (seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung) neu eingelangte Geschäftsfälle.

Soweit das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg davon ausgeht, dass §19 Abs6 der Geschäftsverteilung für das Jahr 2023, Nr 4, eine Zuteilung jener Geschäftsfälle, die nach der zum Zeitpunkt des Einlangens maßgeblichen Geschäftsverteilung nicht eindeutig und nachvollziehbar zugeteilt werden konnten, an die Mitglieder bewirkt habe, denen diese Fälle faktisch zugeteilt worden seien, widerspricht diese Annahme den Anforderungen an eine Geschäftsverteilung iSd Art135 Abs2 B VG. Durch eine solche Anordnung würde die Zuteilung jener Geschäftsfälle, die nach der früheren Geschäftsverteilung nicht eindeutig und nachvollziehbar zugeteilt werden konnten, nämlich nicht nach im Vorhinein bestimmten abstrakten Kriterien, sondern konkret wiederum an jene Richter erfolgen, denen sie bereits zuvor in nicht nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise zugeteilt worden sind.

Zur Vollständigkeit ist darauf hinzuweisen, dass auch die mit der Geschäftsverteilung 2023, Nr 4, eingeführte Bestimmung des §19 Abs4 für die genannten Fälle keine ausreichende Grundlage für eine eindeutige und nachvollziehbare Zuteilung darstellt (wobei im Übrigen auch nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall eine Neuzuteilung nach dieser Bestimmung stattgefunden hätte). Zwar kann eine Sanierung des in den Entscheidungen VfGH 21.9.2023, E1920/2022 sowie 27.2.2024, E3937/2023 festgestellten Mangels der Geschäftsverteilung dadurch erfolgen, dass die von diesem Mangel betroffenen Geschäftsfälle nach dem neu eingeführten System des §4 Abs2 iVm §4a leg cit zugeteilt werden und zu diesem Zweck als zu einem bestimmten Zeitpunkt neu eingelangt gelten, wobei dieser Zeitpunkt so zu bestimmen wäre, dass eine Einflussnahme auf die konkrete Zuteilung auszuschließen ist. Die Zuteilung nach §19 Abs4 leg cit entspricht dieser Anforderung jedoch schon insofern nicht, als in dieser Regelung nicht bestimmt ist, zu welchem Zeitpunkt (im Hinblick auf §4 Abs2 leg cit: an welchem Tag, in welcher Tageshälfte und zu welcher Uhrzeit) die betroffenen Geschäftsfälle als eingelangt gelten.

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten sind eine Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,00 sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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