G120/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG begehren die Antragsteller, das Wort "Medienvertretern" in §17 Abs1 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für Parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA) des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 sowie §17 Abs1 zweiter Satz leg cit, in eventu die Wortfolge "ausschließlich für Zwecke der Protokollierung gemäß §19 und der Übertragung innerhalb der Parlamentsgebäude" in §17 Abs1 zweiter Satz leg cit, als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
§17 VO-UA lautet wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Passagen sind hervorgehoben):
"Medienöffentliche und vertrauliche Sitzungen
§17. (1) Bei der Anhörung von Auskunftspersonen und Sachverständigen wird Medienvertretern vom Präsidenten nach Maßgabe der räumlichen Möglichkeiten Zutritt gewährt. Ton- und Bildaufnahmen sind ausschließlich für Zwecke der Protokollierung gemäß §19 und der Übertragung innerhalb der Parlamentsgebäude gestattet.
(2) Die Öffentlichkeit ist auszuschließen, wenn
1. überwiegende schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit, der Auskunftsperson oder Dritter dies gebieten,
2. es zum Schutz von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen notwendig ist oder
3. der Ausschluss der Öffentlichkeit im Interesse der Erlangung einer wahrheitsmäßigen Aussage erforderlich erscheint.
(3) Der Vorsitzende entscheidet über den Ausschluss der Öffentlichkeit aus eigenem, auf Antrag des Verfahrensrichters, eines Mitglieds, einer Auskunftsperson oder des Verfahrensanwalts.
(4) Die Befragung von Auskunftspersonen kann in vertraulicher oder geheimer Sitzung stattfinden. Bei der Befragung von öffentlich Bediensteten ist eine Mitteilung gemäß §35 zu berücksichtigen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Zur Zulässigkeit ihres Antrages führen die Antragsteller Folgendes aus:
1.1. Die Antragsteller seien aus folgenden Gründen von der bekämpften Bestimmung unmittelbar und aktuell betroffen (gewesen):
§17 Abs1 VO-UA verwehre den Antragstellern den Zutritt zu den Sitzungen des Untersuchungsausschusses des Nationalrates sowie die Anfertigung von Ton- und Bildaufnahmen der Sitzungen.
Den Antragstellern sei konkret der Zutritt zur 11. und 12. Sitzung des Untersuchungsausschusses betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder (COFAG-Untersuchungsausschuss) am 24. bzw 25. April 2024 sowie zur 10. Sitzung des Untersuchungsausschusses betreffend Aufklärung, ob öffentliche Gelder im Bereich der Vollziehung des Bundes aus sachfremden Motiven zweckwidrig verwendet wurden, (ROT BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss) am 25. April 2024 verwehrt worden. Ihnen sei nicht gestattet worden, Ton- und Bildaufnahmen der genannten Sitzungen anzufertigen.
Das Teilnahmeinteresse der Antragsteller habe sich nicht nur auf die genannten Sitzungen bezogen, sondern erstrecke sich vielmehr auf Untersuchungsausschüsse des Nationalrates überhaupt. Die Antragsteller beabsichtigten, auch in Zukunft an Sitzungen von Untersuchungsausschüssen des Nationalrates teilzunehmen sowie Ton- und Bildaufnahmen anzufertigen; auf Grund der bekämpften Bestimmung werde ihnen die Teilnahme sowie die Anfertigung von Ton- und Bildaufnahmen auch in Zukunft verwehrt werden.
Im Ergebnis seien die Antragsteller unmittelbar und aktuell von der bekämpften Bestimmung betroffen, sodass der vorliegende Antrag zulässig sei.
Zum selben Ergebnis sei der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 13.577/1993 gelangt:
Im genannten Verfahren hätten die damaligen Antragsteller §5 Abs1 des Tiroler Landesverfassungsgesetzes vom 21. Jänner 1992 über Untersuchungsausschüsse, LGBl 15, bekämpft (eine mit der nunmehr angefochtenen Bestimmung fast wortgleiche Regelung).
Die damaligen Antragsteller hätten ihre Antragslegitimation – wie die nunmehrigen Antragsteller – damit begründet, dass ihnen der Zutritt zu einer Sitzung des Untersuchungsausschusses des Tiroler Landtages verwehrt worden sei und sich ihr Teilnahmeinteresse auf Untersuchungsausschüsse des Tiroler Landtages überhaupt erstrecke.
Der Verfassungsgerichtshof habe die Zulässigkeit des Individualantrages bejaht; die Antragsteller seien von der bekämpften Bestimmung unmittelbar und aktuell betroffen gewesen.
In der vorliegenden Angelegenheit könne nichts anderes gelten.
1.2. Es bestehe kein zumutbarer "Umweg", um den Verfassungsgerichtshof anzurufen:
Zumal der Präsident des Nationalrates den Zutritt zu einer Sitzung des Untersuchungsausschusses entweder im Zusammenhang mit seiner Ausübung des Hausrechtes oder in Ausübung der ihm übertragenen Sitzungspolizei verwehre, bestehe kein von der Antragstellung nach Art140 Abs1 B VG verschiedener zumutbarer Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen:
Gegen eine allfällige Verweigerung des Zutritts zu Sitzungen des Untersuchungsausschusses durch den Präsidenten des Nationalrates im Zusammenhang mit seiner Ausübung des Hausrechtes bestehe keine Beschwerdemöglichkeit ( Fieber , §17 VO UA, in: Jedliczka/Joklik [Hrsg.], Das Recht des Untersuchungsausschusses, 2023, Rz 3; Parlamentsdirektion [Hrsg.], Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat, 2019, Rz 234).
Die Ausübung der Sitzungspolizei durch den Präsidenten des Nationalrates sei der gesetzgebenden Gewalt zuzuordnen (VfSlg 11.882/1988; vgl auch VfSlg 13.450/1993).
Die bekämpfte Bestimmung sei daher für die Antragsteller ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden; es bestehe kein zumutbarer anderer Weg, um die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Bestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
1.3. Die begehrte Aufhebung sei zulässig:
Einerseits wäre durch die Aufhebung des – vom übrigen Gesetzestext trennbaren – Wortes "Medienvertretern" den verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller im Hinblick auf §17 Abs1 erster Satz VO -UA entsprochen.
Durch die Aufhebung der – vom übrigen Gesetzestext trennbaren – Wortfolge "ausschließlich für Zwecke der Protokollierung gemäß §19 und der Übertragung innerhalb der Parlamentsgebäude" wäre andererseits den verfassungsrechtlichen Bedenken der Antragsteller im Hinblick auf §17 Abs1 zweiter Satz VO-UA entsprochen.
2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie zur Zulässigkeit Folgendes ausführt:
Für die Zulässigkeit ihres auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG gestützten Individualantrages würden die Antragsteller das Erkenntnis VfSlg 13.577/1993 ins Treffen führen. Darin habe der Verfassungsgerichtshof die Bundesverfassungskonformität der Beschränkung von Untersuchungsausschüssen des Tiroler Landtages auf eine bloße Medienöffentlichkeit zu beurteilen gehabt (§5 Abs1 Tiroler Landesverfassungsgesetz über Untersuchungsausschüsse, LGBl 15/1992). In seiner Entscheidung habe der Verfassungsgerichtshof die aktuelle Betroffenheit der damaligen Antragsteller mit der Begründung bejaht, dass – obschon der im Antrag thematisierte Untersuchungsausschuss des Landtages bereits aufgelöst gewesen sei – sich das Teilnahmeinteresse der Antragsteller auf Untersuchungsausschüsse im Allgemeinen beziehe und dass in der Folge erneut ein derartiger Ausschuss eingerichtet worden sei, der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes noch bestanden habe.
Die letztgenannte Voraussetzung werde durch den vorliegenden Antrag gerade nicht erfüllt: Seitens der Antragsteller sei vor Stellung des vorliegenden Antrages Zutritt zu Sitzungen des COFAG Untersuchungsausschusses sowie des ROT BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses begehrt worden. Die Beendigung der beiden genannten Untersuchungsausschüsse jeweils am 3. Juli 2024 sei gemäß §53 Abs1 letzter Satz VO-UA vom Präsidenten des Nationalrates festgestellt worden (vgl 2670 und 2671 BlgNR 27. GP). Gegenwärtig sei kein Untersuchungsausschuss eingesetzt.
Die bloße Möglichkeit, dass nach Art53 Abs1 B VG in der kommenden (28.) Gesetzgebungsperiode wieder ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werde und ein Interesse der Antragsteller an einer Teilnahme sowie der Anfertigung von Ton- und Bildaufnahmen bestehen könnte, lasse die Antragsteller nicht als berechtigt erscheinen, die entgegenstehende Bestimmung bereits jetzt unmittelbar anzufechten (vgl zu einer solcherart bloß potentiellen Betroffenheit VfSlg 16.661/2002, Punkt III.2.2.). Die Intention des Antrages scheine daher in einer abstrakten Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung zu liegen. Damit werde aber ein aktueller Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller, der ihnen eine Anfechtungsbefugnis nach Art140 Abs1 Z1 litc B VG verleihen würde, nicht begründet.
3. Der Präsident des Nationalrates hat sich über Einladung des Verfassungsgerichtshofes wie folgt zur Zulässigkeit des vorliegenden Antrages geäußert:
Während im vorliegenden Fall eine rechtliche Betroffenheit der AntragstellerInnen als NormadressatInnen der angefochtenen Bestimmungen im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gegeben sein dürfte (Eingriff in die Rechtssphäre der AntragstellerInnen) und auch die Unmittelbarkeit der Betroffenheit durch das Gesetz selbst (Wirksamkeit der gesetzlichen Bestimmungen ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides) nicht in Frage stehen dürfte, sei fraglich, ob eine aktuelle Betroffenheit der AntragstellerInnen im Sinne der relevanten Rechtsprechung gegeben sei.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes müsse zur Begründung der Antragslegitimation sowohl im Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages als auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes eine aktuelle Betroffenheit der AntragstellerInnen von den angefochtenen Bestimmungen bzw Wortfolgen in dem Sinne vorliegen, dass die rechtlich geschützten Interessen der AntragstellerInnen durch die angefochtenen Bestimmungen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt würden. Dementsprechend habe der Verfassungsgerichtshof in der Vergangenheit Individualanträge als unzulässig zurückgewiesen, bei denen die aktuelle Betroffenheit zum Zeitpunkt der Antragseinbringung gefehlt habe, obwohl sie zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorgelegen sei; umgekehrt habe der Verfassungsgerichtshof in der Vergangenheit etwa auch Individualanträge als unzulässig zurückgewiesen, bei denen die aktuelle Betroffenheit zwar zum Zeitpunkt der Antragseinbringung gegeben gewesen sei, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aber nicht (mehr).
Im Lichte dieser Rechtsprechung müssten die angefochtenen Bestimmungen für die AntragstellerInnen also nicht nur im Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wirksam sein. Ob dies konkret der Fall sei, erfordere eine genaue Betrachtung des (sachlichen, persönlichen und zeitlichen) Geltungsbereichs der betroffenen Rechtsvorschrift und ihrer Wirkungen.
Im vorliegenden Fall seien die angefochtenen Bestimmungen im Zeitpunkt der Antragstellung zwar in Kraft gewesen; es sei auch davon auszugehen, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nicht außer Kraft getreten sein würden.
Die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur aktuellen Betroffenheit betreffe jedoch nicht nur diesen zeitlichen Aspekt (Inkrafttreten und Außerkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen), sondern nach ihr liege trotz Inkraftstehens und Wirksamkeit der angefochtenen Bestimmungen in beiden relevanten Zeitpunkten eine aktuelle Betroffenheit auch dann nicht vor, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung aus der Sicht des konkret vorliegenden Sachverhaltes zu beiden oder einem der relevanten Zeitpunkte(n) nicht gegeben sei. Das sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes etwa dann der Fall, wenn in Bezug auf die potentiell belastenden Bestimmungen kein konkreter Anhaltspunkt für deren Anwendung – auf die AntragstellerInnen – (mehr) vorliege, die angefochtenen Bestimmungen zu einem der beiden relevanten Zeitpunkte also keine Wirksamkeit – für die AntragstellerInnen – (mehr) entfalteten. Eine Bestimmung, die für die AntragstellerInnen also noch nicht oder nicht mehr wirksam (geworden) sei bzw von der sie noch nicht oder nicht mehr betroffen seien, könne mit einem Individualantrag von diesen trotz ihres Inkraftstehens nicht angefochten werden.
Würden die rechtlichen Interessen der AntragstellerInnen im Hinblick auf die bloß abstrakte Inanspruchnahmemöglichkeit der angefochtenen Bestimmungen nur potentiell, nicht hingegen aktuell beeinträchtigt, fehle die Antragslegitimation der AntragstellerInnen. Es genüge nicht, wenn AntragstellerInnen darlegten, dass sie der Anwendung der angefochtenen Bestimmungen potentiell ausgesetzt sein könnten; es bedürfe vielmehr der Darlegung konkreter Anhaltspunkte dafür, dass sich die bekämpften Gesetzesstellen in aktueller Weise auf sie auswirkten.
Im vorliegenden Fall seien die AntragstellerInnen von den angefochtenen Bestimmungen nicht in dieser Weise aktuell betroffen, weil weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch im Zeitpunkt der Erstattung dieser Äußerung ein Untersuchungsausschuss des Nationalrates eingesetzt sei bzw gewesen sei und die angefochtenen Bestimmungen der VO UA daher nicht im beschriebenen Sinne für sie wirksam würden bzw geworden seien.
Die von den AntragstellerInnen im vorliegenden Fall für die Argumentation der Zulässigkeit des Individualantrages herangezogene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu Untersuchungsausschüssen im Tiroler Landtag (VfSlg 13.577/1993) könne die Zulässigkeit nicht begründen. Der Verfassungsgerichtshof habe in dieser Entscheidung die aktuelle Betroffenheit der Antragsteller nämlich ausdrücklich darauf gestützt, dass auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein Untersuchungsausschuss – wenngleich ein anderer als bei der Antragseinbringung – eingesetzt gewesen sei.
Sei kein Untersuchungsausschuss des Nationalrates eingesetzt, komme die angefochtene Bestimmung der VO-UA gar nicht und auch nicht auf die AntragstellerInnen zur Anwendung. Voraussetzung für ihre Anwendung sei notwendigerweise, dass es aktuell einen Untersuchungsausschuss des Nationalrates gebe, zu dessen Sitzungen der Zutritt gewährt bzw verwehrt werden könne; sei ein solcher nicht eingesetzt, hätten die angefochtenen Bestimmungen (für die AntragstellerInnen und jedermann) keinen gegenwärtigen Anwendungsbereich.
Im vorliegenden Fall sei zum Zeitpunkt der Erstattung der Äußerung des Präsidenten des Nationalrates an den Verfassungsgerichtshof zwar offen, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein Untersuchungsausschuss des Nationalrates eingesetzt sein werde (bei Annahme der Maximalfristen aus GOG NR und VO UA zur Einsetzung eines neuen Untersuchungsausschusses [vgl insbesondere §33 Abs6, 7 und 9 GOG-NR; §3 Abs1, §4 Abs1, 2 und 5 sowie §53 Abs7 letzter Satz VO-UA] könnte dies auf Grund der bevorstehenden Nationalratswahl frühestens wieder etwa Ende des Jahres 2024 der Fall sein).
In der zitierten Vorjudikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den Untersuchungsausschüssen des Tiroler Landtages begründe der Verfassungsgerichtshof die Zulässigkeit des Individualantrages aber – im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, nach der die aktuelle Betroffenheit sowohl bei Antragseinbringung als auch bei Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vorliegen müsse (wenn auch nur implizit) – auch damit, dass im Zeitpunkt der Antragseinbringung ein Untersuchungsausschuss eingesetzt gewesen sei ("unmittelbar betroffen waren und weiterhin betroffen sind"; "auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes für beide Antragsteller wirksam"). Es sei davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Einbringung der Individualanträge jener Untersuchungsausschuss noch eingesetzt gewesen sei, an dessen Sitzungen die Antragsteller hätten teilnehmen wollen. Es sei in diesem Fall also in beiden – vom Verfassungsgerichtshof als kumulativ entscheidend angenommenen – Zeitpunkten (Antragstellungs- und Entscheidungszeitpunkt) ein Untersuchungsausschuss des Tiroler Landtages eingesetzt gewesen, wenngleich nicht derselbe; die aktuelle Betroffenheit sei hier (nur) zwischendurch weggefallen gewesen, habe aber in beiden entscheidenden Zeitpunkten bestanden.
Der vorliegende Fall sei anders gelagert: Im Zeitpunkt der Einbringung des Antrages (datiert vom 22. Juli 2024) sei jedenfalls kein Untersuchungsausschuss des Nationalrates eingesetzt gewesen (die Beendigung des COFAG- und des ROT BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses sei am 3. Juli 2024 erfolgt). Die aktuelle Betroffenheit der AntragstellerInnen sei – anders als im Erkenntnis VfSlg 13.577/1993 – hier also nicht nur während des Verfahrens zeitweise weggefallen, sondern sei jedenfalls bei der Antragseinbringung nicht gegeben gewesen.
Sowohl die Begründung des Verfassungsgerichtshofes in der Entscheidung zu den Untersuchungsausschüssen des Tiroler Landtages, die – zumindest implizit – erkennen lasse, es sei entscheidend gewesen, dass zu beiden Zeitpunkten ein Untersuchungsausschuss eingesetzt gewesen sei, als auch die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Individualanträgen im Übrigen führten zum Schluss, dass im vorliegenden Fall – weil jedenfalls im Zeitpunkt der Antragseinbringung kein Untersuchungsausschuss des Nationalrates eingesetzt gewesen sei und die angefochtenen Bestimmungen daher zu diesem Zeitpunkt keine gegenwärtige Anwendung gefunden hätten – von einer fehlenden aktuellen Betroffenheit auszugehen sei, weil die angefochtenen Bestimmungen der VO-UA nur potentiell, nicht aber aktuell im Sinne von gegenwärtig in die Rechtssphäre der AntragstellerInnen eingriffen.
Selbst wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ein Untersuchungsausschuss des Nationalrates eingesetzt sein sollte, könne dies an der Unzulässigkeit des Individualantrages nichts ändern, weil im Zeitpunkt der Antragseinbringung jedenfalls kein solcher bestanden habe, sodass die aktuelle Betroffenheit der AntragstellerInnen zu diesem Zeitpunkt nicht gegeben gewesen sei.
Vor diesem Hintergrund sei im vorliegenden Fall von der mangelnden Antragslegitimation der AntragstellerInnen wegen fehlender aktueller Betroffenheit im Zeitpunkt der Antragstellung auszugehen. Der Individualantrag sei daher gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG als unzulässig zurückzuweisen.
IV. Zulässigkeit
1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist also, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.
Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).
2. In seinem – auch von den Antragstellern zur Begründung der Zulässigkeit ihres Antrages angeführten – Erkenntnis VfSlg 13.577/1993 hat der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall zur Zulässigkeit ua Folgendes ausgeführt:
"Die Antragsteller legten zureichend deutlich dar, daß sie vom angefochtenen (Landesverfassungs-)Gesetz – das ihnen den Zutritt zu Beweiserhebungen vor Untersuchungsausschüssen des Tiroler Landtages verwehrt – (in ihrer aus den Art32 und 33, 96 Abs2 sowie Art117 Abs4 B VG über die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen des Nationalrates, der Landtage und der Gemeinderäte iVm dem demokratischen Prinzip des B VG [Art1] ableitbaren Rechtssphäre) unmittelbar betroffen waren und weiterhin betroffen sind. Denn nach ihrem Vorbringen wollten sie nicht ausschließlich an Sitzungen des 'Royal'-Untersuchungsausschusses teilnehmen, der derzeit bereits aufgelöst ist; ihr Teilnahmeinteresse erstreckt sich vielmehr auf Untersuchungsausschüsse des Tiroler Landtages überhaupt. Da in der Folge wieder ein derartiger Ausschuß ('zur Überprüfung der Kostenexplosion beim Bau der Klinikküche') eingerichtet wurde, der gegenwärtig noch besteht, ist die angefochtene generelle Norm folglich auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes für beide Antragsteller wirksam."
Für den Verfassungsgerichtshof war somit nicht nur maßgeblich, dass sich das Teilnahmeinteresse der Antragsteller – nach der Auflösung eines bestimmten Untersuchungsausschusses – auf Untersuchungsausschüsse des Tiroler Landtages überhaupt erstreckt hat, sondern er hielt es für ausschlaggebend, dass in der Folge ein derartiger Ausschuss eingerichtet wurde, der zum Entscheidungszeitpunkt noch bestand.
Darin liegt der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall, in dem die Antragsteller – nach der Beendigung des COFAG- und des ROT-BLAUER Machtmissbrauch-Untersuchungsausschusses jeweils am 3. Juli 2024 (vgl 2670 und 2671 BlgNR 27. GP) – zwar auch ihr Interesse an der Teilnahme an weiteren Untersuchungsausschüssen des Nationalrates bekundet haben, solche Ausschüsse jedoch nicht eingerichtet sind.
Die angefochtenen Bestimmungen sind daher – worauf die Bundesregierung und der Präsident des Nationalrates zutreffend hinweisen – für die Antragsteller derzeit nicht wirksam, sodass sich ihr Antrag schon aus diesem Grund als unzulässig erweist.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.