V8/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Bebauungsplan "IG B1d IGLS, Bereich Patscher Straße, Gletscherblick", beschlossen vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 24. Februar 2000, kundgemacht an der Amtstafel vom 3. bis zum 17. April 2000, wird, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 680/2 und 680/8, beide KG Igls, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, den Bebauungsplan "IG B1d", beschlossen vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 24. Februar 2000 für den Planungsbereich Igls, Bereich Patscher Straße, Gletscherblick, kundgemacht an der Amtstafel vom 3. bis zum 17. April 2000, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 680/2 und 680/8, beide KG Igls, bezieht, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 – TROG 2001, LGBl 73/2001, lauteten auszugsweise wie folgt:
"§62
Bauhöhe, Höhenlage
(1) Die Bauhöhe von Gebäuden kann durch deren obersten Punkt bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt oder durch die Anzahl der oberirdischen Geschosse festgelegt werden. Diese Arten der Festlegung können auch kombiniert werden. Weiters kann die Wandhöhe der Außenwände festgelegt werden. Dabei kann bestimmt werden, dass nur die Wandhöhe bestimmter Wände, wie etwa der traufenseitigen, der straßenseitigen oder der talseitigen Wände, maßgebend ist.
[…]
§114
Bebauungspläne
[…]
(3) Festlegungen über Geschossflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschosse, die am 30. September 2001 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht. §61 und §62 Abs1 dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 10/1997 und des Gesetzes LGBl Nr 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden. Solche Festlegungen treten spätestens am 31. Dezember 2010 außer Kraft.
[…]"
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2006 – TROG 2006, LGBl 27/2006, lauteten wie folgt:
"§62
Bauhöhe, Höhenlage
(1) Die Bauhöhe von Gebäuden ist durch deren obersten Punkt bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt festzulegen. Weiters können die Anzahl der oberirdischen Geschosse und die Wandhöhe der Außenwände festgelegt werden. Dabei kann bestimmt werden, dass nur die Wandhöhe bestimmter Wände, wie etwa der traufenseitigen, der straßenseitigen oder der talseitigen Wände, maßgebend ist.
[…]
§112
Bebauungspläne
(1) Die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes bestehenden Bebauungspläne nach §18 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 dürfen nicht mehr geändert werden. Sie treten mit der Erlassung des allgemeinen Bebauungsplanes für die betreffenden Grundflächen, spätestens jedoch drei Jahre nach dem In-Kraft-Treten des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes nach §107 Abs1 zweiter Satz, außer Kraft. Bis dahin ist auf die Festlegungen solcher Bebauungspläne, soweit sie nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen, im Bauverfahren Bedacht zu nehmen.
(2) Allgemeine und ergänzende Bebauungspläne dürfen bereits vor dem In-Kraft-Treten des örtlichen Raumordnungskonzeptes und des neuen oder geänderten Flächenwidmungsplanes nach §107 Abs1 erlassen werden.
(3) Festlegungen über Geschossflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschosse, die am 30. September 2001 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht. §61 und §62 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl Nr 10/1997 und des Gesetzes LGBl Nr 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden. Solche Festlegungen treten spätestens am 31. Dezember 2010 außer Kraft.
(4) Festlegungen über Baugrenzlinien und Höhenlagen, die am 30. September 2001 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht. §59 Abs3 bzw §62 Abs4 in Verbindung mit §61 Abs6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl Nr 10/1997 und des Gesetzes LGBl Nr 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden.
(5) Bebauungspläne, die am 30. Juni 2005 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind und in denen die Bauhöhe ausschließlich durch die Anzahl der oberirdischen Geschosse festgelegt wird, bleiben weiterhin aufrecht. §62 Abs1 erster und zweiter Satz dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 93/2001 ist darauf weiter anzuwenden. Wird der Bebauungsplan hinsichtlich des betreffenden Grundstückes geändert, so ist jedoch jedenfalls der oberste Punkt im Sinn des §62 Abs1 erster Satz festzulegen.
(6) Abs1 gilt sinngemäß für im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes noch bestehende Verbauungspläne (Wirtschaftspläne), soweit sie den allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplänen nach diesem Gesetz vergleichbare Festlegungen enthalten."
3. §112 Tiroler Raumordnungsgesetz 2006 – TROG 2006, LGBl 27/2006, idF LGBl 47/2011 lautete auszugsweise wie folgt:
"§112
Bebauungspläne
[…]
(3) Festlegungen über Geschossflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschosse, die am 30. September 2001 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht. §61 und §62 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl Nr 10/1997 und des Gesetzes LGBl Nr 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden. Solche Festlegungen treten spätestens am 31. Dezember 2013 außer Kraft.
[…]
(5) Bebauungspläne, die am 30. Juni 2005 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind und in denen die Bauhöhe ausschließlich durch die Anzahl der oberirdischen Geschosse festgelegt wird, bleiben weiterhin aufrecht. §62 Abs1 erster und zweiter Satz dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 93/2001 ist darauf weiter anzuwenden. Wird der Bebauungsplan hinsichtlich des betreffenden Grundstückes geändert, so ist jedoch jedenfalls der oberste Punkt im Sinn des §62 Abs1 erster Satz festzulegen.
[…]"
4. §117 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 – TROG 2011, LGBl 56/2011, idF LGBl 82/2015 lautete auszugsweise wie folgt:
"§117
Bebauungspläne
[…]
(3) Festlegungen über Geschoßflächendichten und über die Anzahl der Vollgeschoße, die am 30. September 2001 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, bleiben weiterhin aufrecht. §61 und §62 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 in der Fassung LGBl Nr 10/1997 und des Gesetzes LGBl Nr 21/1998 sind darauf weiter anzuwenden. Solche Festlegungen treten spätestens am 31. Dezember 2013 außer Kraft.
[…]
(5) Bebauungspläne, die am 30. Juni 2005 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind und in denen die Bauhöhe ausschließlich durch die Anzahl der oberirdischen Geschoße festgelegt wird, bleiben weiterhin aufrecht. §62 Abs1 erster und zweiter Satz dieses Gesetzes in der Fassung LGBl Nr 93/2001 ist darauf weiter anzuwenden. Wird der Bebauungsplan hinsichtlich des betreffenden Grundstückes geändert, so ist jedoch jedenfalls der oberste Punkt im Sinn des §62 Abs1 erster Satz festzulegen.
[…]
(7) Die am 30. Juni 2011 bestehenden allgemeinen und ergänzenden Bebauungspläne bleiben aufrecht. Sie gelten als Bebauungspläne im Sinn des §54. Desgleichen bleiben zu diesem Zeitpunkt bestehende allgemeine Bebauungspläne, zu denen ein ergänzender Bebauungsplan nicht besteht, aufrecht. Sie sind, sofern an deren Stelle nicht Bebauungspläne im Sinn des §54 erlassen werden, spätestens bis zum 31. Dezember 2015 um die fehlenden Festlegungen nach §56 Abs1 zu ergänzen. Anderenfalls treten sie mit dem Ablauf dieser Frist außer Kraft. Ergänzte allgemeine Bebauungspläne gelten als Bebauungspläne im Sinn des §54."
5. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2022 – TROG 2022, LGBl 43/2022, idF LGBl 85/2023 lauten auszugsweise wie folgt:
"§54
Bebauungspläne
(1) In den Bebauungsplänen sind unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung festzulegen. Die Bebauungspläne mit Ausnahme der ergänzenden Bebauungspläne (Abs9) sind möglichst für größere funktional zusammenhängende Gebiete zu erlassen.
(2) Bebauungspläne sind für die nach §31b Abs1 erster Satz im örtlichen Raumordnungskonzept festgelegten Gebiete und Grundflächen zu erlassen, sobald
a) diese Gebiete bzw Grundflächen als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind und
b) die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Gebiete bzw Grundflächen mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen.
(3) Für die im örtlichen Raumordnungskonzept nach §31b Abs1 festgelegten Gebiete können Bebauungspläne auch dann erlassen werden, wenn diese noch nicht als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind.
(4) Die Verpflichtung zur Erlassung von Bebauungsplänen nach Abs2 besteht nicht für bereits bebaute Grundstücke, sofern die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Grundstücke mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung bereits besteht und die Erlassung von Bebauungsplänen zur Gewährleistung einer geordneten weiteren Bebauung derselben nicht erforderlich ist. Ein Grundstück gilt nur dann als bebaut, wenn sich darauf ein Gebäude mit zumindest einem Aufenthaltsraum befindet.
(5) Bebauungspläne sind unter der Voraussetzung nach Abs2 litb weiters für jene Grundflächen zu erlassen, die als Sonderflächen für Beherbergungsgroßbetriebe, Sonderflächen für Handelsbetriebe oder Sonderflächen für Einkaufszentren gewidmet sind oder auf denen Gebäude, deren höchster Punkt mehr als 20 m über dem anschließenden Gelände liegt, errichtet werden sollen. Wurde das Gelände durch die Bauführung oder im Hinblick auf die beabsichtigte Bauführung verändert, so ist vom Geländeniveau nach dieser Veränderung auszugehen.
(6) Bebauungspläne können unbeschadet des Abs3 für Gebiete und Grundflächen im Freiland erlassen werden, wenn dies insbesondere im Zusammenhang mit Bauvorhaben nach den §§42, 42a und 42b im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung der betreffenden Freilandbereiche gelegen ist. Dabei ist auf den Gebäudebestand und auf dessen zulässige Erweiterungen, auf die Erfordernisse des Schutzes des Orts-, Straßen- und Landschaftsbildes, insbesondere im Hinblick auf die Größe der Gebäude und deren Größenverhältnisse zueinander, Bedacht zu nehmen. Die Erlassung entsprechender Bebauungspläne ist jedenfalls zulässig, wenn dies zur Gewährleistung der Einhaltung der Bestimmungen der §§42, 42a und 42b erforderlich scheint.
(7) Bebauungspläne können unter der Voraussetzung nach Abs2 litb weiters für sonstige Gebiete oder Grundflächen erlassen werden, die als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind.
(8) Für Gebiete oder Grundflächen, die aufgrund der Lage, Form oder Größe der einzelnen Grundstücke insgesamt einer geordneten und Boden sparenden Bebauung entsprechend den Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nicht zugänglich sind, darf ein Bebauungsplan nicht erlassen werden.
(9) Im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise (§60 Abs4) ist zusätzlich zum Bebauungsplan ein ergänzender Bebauungsplan zu erlassen.
[…]
§56
Inhalte
(1) Im Bebauungsplan sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien (§58) und hinsichtlich der Bebauung die Baufluchtlinien (§59 Abs1, 2 und 3), die Bauweisen (§60), die Mindestbaudichten (§61) und die Bauhöhen von Gebäuden (§62 Abs1) festzulegen.
[…]
§62
Bauhöhe, Höhenlage
(1) Die Bauhöhe von Gebäuden ist durch deren obersten Punkt bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt festzulegen. Weiters können festgelegt werden:
a) die Anzahl der oberirdischen Geschoße;
b) die Höhen der Außenwände oder bestimmter Außenwände, wie der straßenseitigen oder der talseitigen; die Wandhöhe ist der Abstand zwischen dem Niveau des an ein Gebäude anschließenden Geländes und dem Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut; nicht zur Wandhöhe zählen Gebäudeflächen mit einer Neigung von weniger als 60 Grad;
c) die Höhe des oberen Wandabschlusses oder bestimmter oberer Wandabschlüsse; der obere Wandabschluss ist der Schnitt der äußeren Wandfläche mit der Dachhaut bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt;
d) die Höhe der Oberkante der Rohdecke des obersten unterirdischen Geschoßes bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt; bei Gebäuden ohne unterirdische Geschoße ist der Festlegung die Oberkante der Bodenplatte zu Grunde zu legen.
(2) Der oberste Punkt kann als Obergrenze, als Unter- und Obergrenze oder zwingend festgelegt werden, die Höhen der Oberkanten der Rohdecken können als Untergrenzen oder zwingend festgelegt werden. Ebenso können für die Anzahl der oberirdischen Geschoße Höchstzahlen, Mindest- und Höchstzahlen oder zwingende Zahlen festgelegt werden. Weiters können für die Wandhöhen und die Höhen der oberen Wandabschlüsse Höchstmaße, Mindest- und Höchstmaße oder zwingende Maße festgelegt werden.
(3) Wurde das Gelände durch die Bauführung oder im Hinblick auf die beabsichtigte Bauführung verändert, so ist hinsichtlich der Anzahl der oberirdischen Geschoße und der Wandhöhen vom Geländeniveau nach dieser Veränderung auszugehen.
(4) Oberirdische Geschoße sind jene Geschoße, bei denen mehr als die Hälfte der Gesamtfläche der Außenwände über das angrenzende Gelände ragt. §61 Abs3 dritter und vierter Satz ist anzuwenden. Dachgeschoße sind zu berücksichtigen, wenn der Senkrechtabstand vom Fußboden zur Dachhaut über mehr als der Hälfte der Grundfläche des darunter liegenden Geschoßes mehr als 2,70 m beträgt.
(5) Die Bauhöhe sonstiger baulicher Anlagen ist durch deren obersten Punkt bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt festzulegen. Abs2 erster Satz ist anzuwenden.
(6) Bei der Bestimmung des obersten Punktes von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen bleiben untergeordnete Bauteile sowie Photovoltaikanlagen im Umfang des §6 Abs3 litc der Tiroler Bauordnung 2022 außer Betracht.
(7) Die Höhenlage ist eine durch die absolute Höhe oder durch einen sonstigen Fixpunkt bestimmte horizontale Ebene.
[…]
§121
Bestehende Bebauungspläne
[…]
(2) Bebauungspläne, die am 30. Juni 2005 bestanden haben oder die bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind und in denen die Bauhöhe ausschließlich durch die Anzahl der oberirdischen Geschoße festgelegt wird, bleiben weiterhin aufrecht. §62 Abs1 erster und zweiter Satz des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 in der Fassung LGBl Nr 93/2001 ist darauf weiter anzuwenden. Wird der Bebauungsplan hinsichtlich des betreffenden Grundstückes geändert, so ist jedoch jedenfalls der oberste Punkt im Sinn des §62 Abs1 erster Satz festzulegen.
[…]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag wurde die Baubewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau einer Wohnanlage mit Tiefgarage auf den Grundstücken Nr 680/2 und 680/8, beide KG Igls, beantragt. Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 23. August 2023 wurde die Baubewilligung unter der Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Gegen diesen Bescheid haben mehrere Nachbarn Beschwerde erhoben.
1.2. Auf Grund dieser Beschwerden fasste das Landesverwaltungsgericht Tirol den Beschluss gemäß Art139 Abs1 Z1 B VG, den vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt seine Bedenken wie folgt dar:
Der präjudizielle Bebauungsplan "IG B1d" lege im ausgewiesenen Planungsbereich die maximale Anzahl der Vollgeschosse mit zwei fest. Gemäß §112 Abs3 TROG 2006 seien Festlegungen über die Anzahl der Vollgeschosse in diesem Bebauungsplan mit 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten. Auf Grund des §112 Abs7 TROG 2006 seien die am 30. Juni 2011 bestehenden allgemeinen und ergänzenden Bebauungspläne überführt worden. Der Bebauungsplan "IG B1d" gelte sohin als Bebauungsplan iSd §54 TROG 2006. §56 Abs1 TROG 2006 habe Mindestanforderungen an den Inhalt eines Baubauungsplanes festgelegt. Der nunmehr geltende §56 Abs1 TROG 2022 sei nahezu inhaltsgleich, sodass die Bauhöhe von Gebäuden weiterhin ein Mindesterfordernis für einen Bebauungsplan sei. Da der Bebauungsplan "IG B1d" keine Festlegungen zur Gebäudehöhe beinhalte, sei dieser gesetzwidrig.
2. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen des angefochtenen Bebauungsplanes vorgelegt und von einer Äußerung unter Hinweis auf den Inhalt des Verordnungsaktes abgesehen.
3. Die Tiroler Landesregierung hat die vom Verfassungsgerichtshof angeforderten Akten vorgelegt und von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.
4. Die Parteien des Anlassverfahrens haben keine Äußerung erstattet.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.2.1. Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, wonach der angefochtene Bebauungsplan "IG-B1d", soweit er sich auf die Grundstücke Nr 680/2 und 680/8, KG Igls, bezieht, keine Festlegungen (mehr) zur Bauhöhe von Gebäuden enthalte und deshalb gesetzwidrig sei, treffen zu:
2.2.2. Gemäß §56 Abs1 TROG 2022 sind in einem Bebauungsplan ua die Bauhöhen von Gebäuden (§62 Abs1) festzulegen. Die Bauhöhe von Gebäuden ist zufolge §62 Abs1 TROG 2022 "durch deren obersten Punkt bezogen auf die absolute Höhe oder auf einen sonstigen Fixpunkt festzulegen". Überdies können verschiedene, für die Bauhöhe relevante Parameter festgelegt werden.
2.2.3. Der angefochtene Bebauungsplan "IG-B1d" vom 24. Februar 2000, in Kraft getreten am 18. April 2000, sieht für den Planungsbereich, in dem ua auch die Grundstücke Nr 680/2 und 680/8, KG Igls, liegen, eine Höchstzahl der Vollgeschosse von zwei vor ("VG H 2").
2.2.4. Der Begriff "Vollgeschosse" im Tiroler Raumordnungsrecht ist mit der 5. Novelle zum TROG 2001, LGBl 73/2001, entfallen. Zugleich ordnete §114 Abs3 TROG 2001 an, dass Festlegungen über die Anzahl der Vollgeschosse, die am 30. September 2001 bestanden haben oder bis zu diesem Zeitpunkt beschlossen worden sind, weiterhin aufrecht bleiben. Solche Festlegungen sollten jedoch spätestens am 31. Dezember 2010 außer Kraft treten. §117 Abs3 TROG 2011 beinhaltete – wie auch schon die zuvor geltenden Vorschriften – im Wesentlichen eine gleichlautende Bestimmung mit der Maßgabe, dass die Festlegungen über die Anzahl der Vollgeschosse auf Grund dieser Bestimmung letztlich (erst) mit 31. Dezember 2013 außer Kraft traten.
2.2.5. Die in Rede stehende Bestimmung des Bebauungsplanes "IG-B1d" über die maximale Anzahl der Vollgeschosse ist sohin mit 31. Dezember 2013 außer Kraft getreten.
2.2.6. Da der Bebauungsplan "IG-B1d" keine Festlegungen zur Gebäudehöhe im Sinne des §62 Abs1 TROG 2022 beinhaltet, bleibt er hinter dem – mangels einer relevanten Übergangsbestimmung auch für diesen Plan – gemäß §56 Abs1 TROG 2022 gebotenen Mindestinhalt zurück. Er ist deshalb gesetzwidrig.
V. Ergebnis
1. Der Bebauungsplan "IG-B1d IGLS, Bereich Patscher Straße, Gletscherblick", beschlossen vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck am 24. Februar 2000, kundgemacht an der Amtstafel vom 3. bis zum 17. April 2000, wird, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 680/2 und 680/8, beide KG Igls, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Landes-VerlautbarungsG 2021.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.