WI4/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Anfechtung wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1. Am 9. Juni 2024 fand die mit Verordnung der Bundesregierung, BGBl II 72/2024, ausgeschriebene Wahl zum Europäischen Parlament statt, deren Ergebnis mit Kundmachung der Bundeswahlbehörde vom 26. Juni 2024, GZ.: 2024 0.453.634, verlautbart wurde.
2. Die anfechtungswerbende Wählergruppe legte der Bundeswahlbehörde am 26. April 2024 einen Wahlvorschlag mit sechs Unterstützungserklärungen vor.
3. Die Bundeswahlbehörde hat die anfechtungswerbende Wählergruppe mit Schreiben vom 8. Mai 2024 darüber informiert, dass der Wahlvorschlag gemäß §34 Abs3 EuWO zurückgewiesen wird. In der Folge wurde der Wahlvorschlag der anfechtungswerbenden Wählergruppe nicht in die Veröffentlichung der dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschläge gemäß §36 EuWO aufgenommen und schien nicht am amtlichen Stimmzettel für die Wahl am 9. Juni 2024 auf (§61 EuWO).
4. Mit der vorliegenden Anfechtung begehrt die anfechtungswerbende Wählergruppe, der Verfassungsgerichtshof möge "die Zurückweisung des Wahlvorschlags der Anfechtungswerberin und das Wahlverfahren für die EU-Wahl am 09.06.2024 ab Veröffentlichung der Wahlvorschläge", in eventu das gesamte Wahlverfahren gemäß Art141 Abs1 lita B VG für nichtig erklären und aufheben.
Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die zustellungsbevollmächtigte Vertreterin der anfechtungswerbenden Wählergruppe bei einer von ihr organisierten "überparteilichen politischen Friedensversammlung" am 31. März 2024 von einem Mann bespuckt und beschimpft worden sei. Bei einer zweiten derartigen Versammlung am 7. April 2024 seien zunächst trotz Anzeige der Versammlung keine Angehörigen der Bundespolizei vor Ort gewesen, was zu Unruhe unter den Teilnehmern und auch zu kurzfristigen Gegenmanifestationen geführt habe. Erst geraume Zeit später seien zwei Angehörige der Bundespolizei erschienen, welche die Versammlung letztlich untersagt hätten, woraufhin die Zustellungsbevollmächtigte "kränkende Nachrichten und Anfeindungen" erhalten habe. Bis zum Wahltag hätten sie und die Bewerber der anfechtungswerbenden Wählergruppe die Veranstaltung und den Besuch weiterer überparteilicher politischer Versammlungen aus Sicherheitsgründen unterlassen. Die Begünstigung von Wahlvorschlägen, die von drei Abgeordneten zum Nationalrat oder einem bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament gewählten Mitglied unterstützt seien, sei unsachlich und stehe im Widerspruch zu den bundesverfassungsgesetzlichen Wahlrechtsgrundsätzen. Dasselbe gelte für den Kostenbeitrag gemäß §31 Abs5 EuWO. Die "staatliche und staatsnahe Mediendarstellung und Werbung, wie ganzseitige Inserate von Bundesheer, ORF, WKO, Energieunternehmen, Verkehrsunternehmen oder die Wiener City Lights Wahlaufrufe", habe Transparenz im Hinblick auf Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sowie den "ORF Kernauftrag" vermissen lassen.
5. Von der Bundeswahlbehörde wurden die Bezug habenden Wahlakten vorgelegt. Eine Stellungnahme wurde nicht erstattet.
6. Die wahlwerbende Partei "DNA - Demokratisch - Neutral - Authentisch – DNA" hat eine Stellungnahme erstattet, in der sie sich im Wesentlichen den Ausführungen in der Anfechtung anschließt und Unregelmäßigkeiten bei den Briefwahlstimmen behauptet.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Wahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments (Europawahlordnung – EuWO), BGBl 117/1996 idF BGBl I 130/2023, lauten wie folgt:
"Einbringung, erste Überprüfung und Unterstützung der Wahlvorschläge
§30. (1) Eine wahlwerbende Partei hat ihren Wahlvorschlag spätestens am vierundvierzigsten Tag vor dem Wahltag bis 17 Uhr der Bundeswahlbehörde vorzulegen. Der Bundeswahlleiter hat nach sofortiger Überprüfung des Wahlvorschlags auf offensichtliche Mängel auf diesem den Tag und die Uhrzeit seines Einlangens zu vermerken. Fallen dem Bundeswahlleiter an einem rechtzeitig vorgelegten Wahlvorschlag offensichtliche Mängel auf, so hat der Bundeswahlleiter der wahlwerbenden Partei über ihr Verlangen die Möglichkeit zur Verbesserung einzuräumen, wobei die Wiedervorlage des verbesserten Wahlvorschlags gleichfalls innerhalb der für die Einbringung von Wahlvorschlägen vorgeschriebenen Frist erfolgen muß, und erst danach den Eingangsvermerk anzubringen.
(2) Der Wahlvorschlag muss von wenigstens drei Abgeordneten zum Nationalrat oder von wenigstens einem auf Grund dieses Bundesgesetzes bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament gewählten Mitglied unterschrieben oder von 2 600 Personen, die am Stichtag in der Europa-Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt (§10) waren, unterstützt sein; hat ein Abgeordneter oder ein Mitglied mehrere Wahlvorschläge unterschrieben, so ist nur jene Unterschrift gültig, die sich auf dem ersteingebrachten Antrag befindet. Dem Wahlvorschlag sind die nach Muster Anlage 3 ausgefüllten und gemäß Abs3 eigenhändig unterschriebenen Unterstützungserklärungen anzuschließen.
(3) Die Unterstützungserklärung hat die Bestätigung der Gemeinde zu enthalten, dass die in der Erklärung genannte Person am Stichtag in der Europa-Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt (§10) war. Diese Bestätigung ist von der Gemeinde nur dann zu erteilen, wenn die in der Erklärung genannte Person vor der am Stichtag zur Führung der Europa-Wählerevidenz zuständigen Gemeindebehörde persönlich erscheint, ihre Identität durch ein mit Lichtbild ausgestattetes Identitätsdokument (zum Beispiel Personalausweise, Pässe und Führerscheine) nachgewiesen hat, die Unterstützungserklärung die Angaben über Vornamen, Familiennamen, Geburtsdatum und Wohnort sowie die Bezeichnung der zu unterstützenden wahlwerbenden Partei enthält und die eigenhändige Unterschrift der in der Unterstützungserklärung genannten Person vor der Gemeindebehörde geleistet wurde.
(4) Die Gemeinden sind verpflichtet, eine Bestätigung gemäß Abs3 unverzüglich und ohne Einhebung von Verwaltungsabgaben, sonstigen Abgaben oder Gebühren auszufertigen. Die Gemeinden haben Vermerke, die sie zur Verhinderung einer doppelten oder mehrfachen Erteilung einer Bestätigung gemäß Abs3 getätigt haben, unverzüglich zu löschen, wenn das Ergebnis der Wahl unanfechtbar feststeht.
(5) Eine Bestätigung gemäß Abs3 darf für eine Person nur einmal ausgestellt werden.
[…]
Überprüfung der Wahlvorschläge
§34. (1) Die Bundeswahlbehörde hat unverzüglich zu überprüfen, ob die eingelangten Wahlvorschläge von wenigstens drei Abgeordneten zum Nationalrat oder von einem auf Grund dieses Bundesgesetzes bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament gewählten Mitglied unterschrieben oder von der gemäß §30 Abs2 erforderlichen Zahl der Wahlberechtigten unterstützt sind und ob die in den Wahlvorschlägen vorgeschlagenen Bewerber wählbar sind. Hierzu hat der Bundeswahlleiter die Daten der Bewerber, gegebenenfalls unter Heranziehung eines vom Zustellungsbevollmächtigten übermittelten Dateisystems, elektronisch zu erfassen und zur Prüfung hinsichtlich des Vorliegens eines Ausschlusses von der Wählbarkeit (§29 Abs1) eine gemäß §6 des Tilgungsgesetzes 1972, BGBl Nr 68/1972, beschränkte Auskunft aus dem Strafregister einzuholen. Die Bundeswahlbehörde hat, wenn ein Wahlberechtigter mehrere Wahlvorschläge unterstützt hat, dessen Unterstützung für den ersten eingelangten Wahlvorschlag als gültig anzuerkennen. Die Unterstützungen für die anderen Wahlvorschläge gelten als nicht eingebracht.
(2) Eine Zurückziehung einzelner Unterstützungserklärungen nach Einlangen des Wahlvorschlags ist von der Bundeswahlbehörde nicht zur Kenntnis zu nehmen, es sei denn, daß der Unterstützende der Bundeswahlbehörde glaubhaft macht, daß er durch einen wesentlichen Irrtum oder durch arglistige Täuschung oder Drohung zur Unterstützung des Wahlvorschlags bestimmt worden ist, und die Zurückziehung der Unterstützungserklärung spätestens am einundvierzigsten Tag vor dem Wahltag erfolgt ist.
(3) Weist ein Wahlvorschlag nicht die erforderliche Zahl von Unterstützungserklärungen auf oder entspricht er nicht den im §31 Abs1 geforderten Voraussetzungen, so ist er spätestens am einunddreißigsten Tag vor dem Wahltag von der Bundeswahlbehörde zurückzuweisen. Bewerber, die nicht wählbar sind oder deren schriftliche Erklärungen nicht vorliegen, werden im Wahlvorschlag gestrichen. Hiervon ist der zustellungsbevollmächtigte Vertreter der Partei zu verständigen.
(4) Weisen mehrere Wahlvorschläge den Namen desselben Wahlwerbers auf, so ist dieser von der Bundeswahlbehörde aufzufordern, binnen acht Tagen, spätestens jedoch am einundvierzigsten Tag vor dem Wahltag, zu erklären, für welchen der Wahlvorschläge er sich entscheidet. Auf allen anderen Wahlvorschlägen ist er zu streichen. Wenn er sich in der vorgesehenen Frist nicht erklärt, ist er auf dem als ersten eingelangten Wahlvorschlag, der seinen Namen trug, zu belassen."
III. Erwägungen
1. Die Wahlanfechtung ist unzulässig.
2. Gemäß Art141 Abs1 lita B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über Anfechtungen von Wahlen zum Europäischen Parlament.
3. Nach §80 EuWO kann die Feststellung der Bundeswahlbehörde beim Verfassungsgerichtshof nur "vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter eines behördlich veröffentlichten Wahlvorschlags (§36 EuWO) angefochten werden". Dabei muss der tatsächlichen Veröffentlichung die rechtlich gebotene Publizierung gleichgehalten werden (vgl VfSlg 14.678/1996, 19.893/2014; zum gleichartigen §21 Abs2 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 vgl VfSlg 10.951/1986; VfGH 28.6.2016, WI5/2016; 14.11.2022, WI9/2022). Die Anfechtungslegitimation des zustellungsbevollmächtigten Vertreters eines nicht veröffentlichten Wahlvorschlages betrifft lediglich die Überprüfung der Entscheidung, den Wahlvorschlag nicht zuzulassen und zu veröffentlichen (vgl VfGH 28.6.2016, WI10/2016; 14.11.2022, WI9/2022).
Gemäß §30 EuWO muss der Wahlvorschlag von wenigstens drei Abgeordneten zum Nationalrat oder von wenigstens einem auf Grund dieses Bundesgesetzes bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament gewählten Mitglied unterschrieben oder von 2.600 Personen, die am Stichtag in der Europa-Wählerevidenz eingetragen und wahlberechtigt waren, unterstützt sein. Weist ein Wahlvorschlag nicht die erforderliche Zahl von Unterstützungserklärungen auf, ist er gemäß §34 Abs3 EuWO spätestens am einunddreißigsten Tag vor dem Wahltag von der Bundeswahlbehörde zurückzuweisen.
4. Wie sich aus den Wahlakten ergibt und von der anfechtungswerbenden Wählergruppe nicht bestritten wird, war der von der anfechtungswerbenden Wählergruppe der Bundeswahlbehörde vorgelegte Wahlvorschlag lediglich von sechs Personen, die keine Abgeordneten zum Nationalrat oder Mitglieder des Europäischen Parlaments sind, unterstützt.
5. Die Anfechtung zeigt hinsichtlich der Zurückweisung des Wahlvorschlages der anfechtungswerbenden Wählergruppe keine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens auf:
5.1. Zunächst wird mit dem Vorbringen, dass die zustellungsbevollmächtigte Vertreterin der anfechtungswerbenden Wählergruppe bei einer von ihr organisierten "überparteilichen politischen Friedensversammlung" am 31. März 2024 von einem Mann bespuckt und beschimpft worden sei, nicht im Ansatz dargelegt, inwiefern damit eine Beeinflussung der Wahl(be)werbung durch staatliche Organe (vgl VfGH 15.6.2023, WI4/2023 mwN) vorliegen soll. Dasselbe trifft auf die behaupteten Vorgänge bei einer weiteren derartigen Versammlung am 7. April 2024 und die Behauptung der letztlich erfolgten Untersagung dieser Versammlung zu: In der vorliegenden Anfechtung wird weder substantiiert dargelegt, dass die behaupteten Vorgänge und die behauptete Untersagung der Versammlung – gegen welche nach den Angaben in der vorliegenden Anfechtung auch kein Rechtsmittel erhoben worden ist – in diskriminierender Weise gegen die Wahl(be)werbung durch die anfechtungswerbende Wählergruppe gerichtet gewesen seien (vgl idZzB VfSlg 20.044/2016 und 20.045/2016), noch wird konkret dargelegt, inwiefern die anfechtungswerbende Wählergruppe dadurch tatsächlich in ihrer Wahl(be)werbung, insbesondere beim Sammeln von Unterstützungserklärungen beeinträchtigt worden sei.
Die anfechtungswerbende Wählergruppe erfüllt daher mit diesem Vorbringen den Auftrag des §80 zweiter Satz EuWO, die Wahlanfechtung zu begründen, mangels hinreichender Konkretisierung und Glaubhaftmachung eines Wahlanfechtungsgrundes nicht (vgl zB VfSlg 10.217/1984, 12.938/1991, 17.192/2004; VfGH 28.6.2016, WI5/2016; 14.11.2022, WI9/2022).
5.2. Auch im Übrigen erschöpft sich die Anfechtung bloß in der Wiedergabe von Gesetzestexten, Literaturzitaten und allgemeinen Ausführungen, die keine konkreten, gegen die Wahl(be)werbung der anfechtungswerbenden Wählergruppe gerichteten Rechtswidrigkeiten erkennen lassen. Soweit damit die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen zur Notwendigkeit von Unterstützungserklärungen und zum Wahlkostenbeitrag behauptet wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu verweisen, nach der gegen diese Regelungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl zu Unterstützungserklärungen zB VfSlg 2758/1954 , 6201/1970 , 10.217/1984 , 17.192/2004, 20.439/2021, 20.460/2021; VfGH 14.11.2022, WI10/2022 mwN; zum Kostenbeitrag zB VfSlg 3611/1959, 6087/1969, 12.721/1991, 14.678/1996; VfGH 14.11.2022, WI10/2022 mwN).
6. Da die anfechtungswerbende Wählergruppe somit – mangels Beibringung von 2.600 Unterstützungserklärungen – keinen dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlag vorgelegt hat, hat die Bundeswahlbehörde den Wahlvorschlag gemäß §34 Abs3 EuWO zu Recht zurückgewiesen und nicht veröffentlicht.
7. Da der Wahlvorschlag der anfechtungswerbenden Wählergruppe zu Recht nicht veröffentlicht wurde, ist die Anfechtung mangels Legitimation zurückzuweisen (vgl VfSlg 14.678/1996), ohne dass auf das sonstige Anfechtungsvorbringen eingegangen werden muss (zur Verfassungskonformität der Briefwahl siehe im Übrigen VfSlg 19.893/2014 und 20.071/2016 jeweils mwN).
IV. Ergebnis
1. Die Wahlanfechtung ist mangels Legitimation zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.