JudikaturVfGH

V27/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2024

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit seinem auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, der Verfassungsgerichtshof möge

"den Erlass des BMVIT vom 23.07.2015, GZ: BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, in der Fassung des Erlasses des BMVIT vom 22.12.2016, GZ: BMVIT 179.493/0009 IV/ST1/2016, mangels gehöriger Kundmachung als gesetzwidrig"

aufheben.

II. Rechtslage

1. §48a und §132 Abs30 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG. 1967), BGBl 267/1967, idF BGBl I 72/2015, lauten wie folgt:

"Kennzeichen nach eigener Wahl

(1) Die nicht behördenbezogenen Teile eines Kennzeichens (Vormerkzeichen) können nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen frei gewählt werden (Wunschkennzeichen).

(2) Auf schriftlichen Antrag ist ein Wunschkennzeichen zuzuweisen oder zu reservieren, wenn

a) es der durch Verordnung bestimmten Form entspricht,

b) es noch nicht einem anderen Fahrzeug zugewiesen oder für eine andere Person reserviert ist,

c) es nicht ein Vormerkzeichen ist, das für Fahrzeuge einer besonderen Verwendungsbestimmung vorbehalten ist und das Fahrzeug nicht dieser Bestimmung entspricht und

d) es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.

(3) Für die Zuweisung oder Reservierung eines Wunschkennzeichens ist eine Abgabe in der Höhe von 200 Euro mittels eines zur postalischen Einzahlung geeigneten Beleges oder bar oder mittels Karte mit Bankomatfunktion oder Kreditkarte bei der Behörde zu entrichten. Die Behörde hat diese eingenommenen Beträge gesammelt zweimal monatlich an den Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds zu überweisen. Bei Abweisung oder Zurückziehung des Antrages gemäß Abs2 ist diese Abgabe zurückzuzahlen. Im Falle der Zuweisung ist die erfolgte Einzahlung dieser Abgabe vor Aushändigung der Kennzeichentafeln nachzuweisen. Erfolgt die Einzahlung dieser Abgabe nicht binnen vier Wochen ab Bekanntgabe der Reservierung, gilt ein Antrag auf Reservierung als zurückgezogen.

(4) Für die Administration eines Wunschkennzeichens ist überdies ein Kostenbeitrag in der Höhe von 14 Euro mittels eines von der Behörde ausgegebenen zur postalischen Einzahlung geeigneten Beleges oder bar oder mittels Karte mit Bankomatfunktion oder Kreditkarte bei der Behörde zu entrichten. Der Kostenbeitrag fließt bei Behörden, die sich einer Unterstützung gemäß §131a Abs4 litd bedienen, dem Fonds, sonst der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der Behörde zu tragen hat.

(5) Auf Antrag ist dem Zulassungsbesitzer ein Wunschkennzeichen oder ein anderes Wunschkennzeichen bei aufrechter Zulassung zuzuweisen (Abs1 bis 4); dies gilt jedoch nicht, wenn noch kein Kennzeichen gemäß §48 Abs4 zugewiesen wurde.

(6) Die Behörden können sich bei der Administration der Kennzeichen (§48 sowie Abs2) aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch einer Unterstützung durch Dritte bedienen. In diesem Fall ist eine vertragliche Vereinbarung erforderlich. Ein derartiger Vertrag hat jedenfalls die Verpflichtung des betreffenden Vertragspartners zu einer der Amtsverschwiegenheit vergleichbaren Geheimhaltungspflicht zu enthalten.

(7) Das Wunschkennzeichen ist ein höchstpersönliches Recht, das nicht auf andere Personen übertragbar ist. Das Wunschkennzeichen ist auf den Wirkungsbereich der Behörde beschränkt und ist bei einer Standortverlegung des Fahrzeuges (§43 Abs4 litb) nicht übertragbar.

(7a) Auf ein Wunschkennzeichen kann vorzeitig durch Erklärung und – im Falle einer aufrechten Zulassung – Rückgabe der Kennzeichentafeln in einer Zulassungsstelle verzichtet werden. Bleibt die Zulassung auch nach dem Verzicht aufrecht, hat die Zulassungsstelle ein Standardkennzeichen zuzuweisen.

(8) Das Recht zur Führung eines Wunschkennzeichens erlischt spätestens nach Ablauf von 15 Jahren ab dem Tag der ersten Zuweisung, im Fall vorangegangener Reservierung ab Bekanntgabe der Reservierung. Dem Besitzer steht das Vorrecht auf eine neuerliche Zuweisung zu. Nicht in Anspruch genommene Reservierungen erlöschen nach fünf Jahren ab Bekanntgabe der Reservierung. In diesem Fall ist keine Abgabe zurückzuzahlen. Eine Abmeldung des Fahrzeuges mit dem Wunschkennzeichen oder eine Aufhebung der Zulassung innerhalb des 15 jährigen Zeitraumes lässt das Recht auf Führung des Wunschkennzeichens unberührt. Im Zuge der Abmeldung oder Aufhebung abgegebene oder eingezogene Kennzeichentafeln werden auf Antrag für eine Wiederausfolgung im Rahmen einer Zulassung für sechs Monate aufbewahrt.

(8a) Ein Antrag auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens (Verlängerung) für weitere 15 Jahre bezogen auf den Jahrestag der ersten Zuweisung oder Reservierung ist vor Erlöschen des Rechtes, frühestens jedoch sechs Monate vor dem Tag des Erlöschens, bei einer Zulassungsstelle einzubringen. In diesem Fall ist die Abgabe in der Höhe von 200 Euro (Verkehrssicherheitsbeitrag) bei der Zulassungsstelle zu entrichten. Die Zulassungsstelle hat die Verlängerung vorzunehmen. Der ermächtigte Versicherer hat die eingenommenen Beträge gesammelt zweimal monatlich an den Österreichischen Verkehrssicherheitsfonds zu überweisen. Für die Verlängerung des Wunschkennzeichens ist der Kostenbeitrag im Sinne des Abs4 in der Höhe von 14 Euro bei der Zulassungsstelle zu entrichten und fließt dieser zu.

(8b) Kennzeichentafeln mit erloschenen Wunschkennzeichen dürfen nicht weiter am Fahrzeug geführt werden. Die Kennzeichentafeln mit dem erloschenen Wunschkennzeichen sind unverzüglich der Behörde oder Zulassungsstelle zurückzugeben und es ist von der Zulassungsstelle ein Standardkennzeichen zuzuweisen.

(9) Behördliche Erledigungen gemäß den vorstehenden Absätzen können im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung ohne Unterschrift hergestellt und ausgefertigt werden.

[…]

§132. Übergangsbestimmungen

[…]

(30) Bereits vor Inkrafttreten des §48a Abs2 litd idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 72/2015 reservierte oder zugewiesene Wunschkennzeichen, die nicht dem §48a Abs2 litd idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 72/2015 entsprechen, dürfen während des in §48a Abs8 genannten Zeitraums weiterhin zugewiesen und an Fahrzeugen geführt werden. Solche Wunschkennzeichen dürfen aber nicht verlängert werden. Ein Antrag gemäß §48a Abs8a auf neuerliche Zuweisung eines solchen Wunschkennzeichens ist von der Zulassungsstelle der Behörde zur Entscheidung vorzulegen."

2. Der Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015, GZ: BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, lautet auszugsweise wie folgt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"An alle Landeshauptmänner

[…]

Betreff: Erlass betreffend anstößige oder lächerliche Wunschkennzeichen

1. Einleitung

Durch eine Änderung des Kraftfahrgesetzes, BGBl I Nr 72/2015, die am 9. Juli 2015 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden ist, wird die Frage der Beurteilung der Zulässigkeit eines Wunschkennzeichens neu und umfassender geregelt. Bisher durfte lediglich die gewählte Buchstabenkombination nicht anstößig oder lächerlich sein. Nunmehr wird dieses Kriterium auch auf Buchstaben und Ziffernkombinationen erweitert und auch die Behördenbezeichnung dabei mit einbezogen.

2. Gesetzestext und Erläuterungen:

[…]

3. Jedenfalls anstößige bzw lächerliche Kombinationen:

Die in diesem Punkt genannten Kombinationen sind jedenfalls anstößig iSd §48a Abs2 litd KFG. Es handelt sich um keine abschließende Aufzählung. Für alle genannten Kombinationen gilt, dass sie auch dann anstößig sind, wenn sie sich erst unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung ergeben.

3.1 Wie schon bisher lt. Erlass vom 20.7.1989, Zl 179.482/4 I// 89, gelten jedenfalls die Buchstabenkombinationen 'NSDAP', 'NSFK', 'NSKK', 'NSV', 'SA', 'SS', und dergleichen als anstößig.

3.2. Weiters jedenfalls auch die Buchstabenkombinationen 'AH', 'HH', 'HJ', 'NS', 'NSD', 'NSBO' oder 'DAF' sowie 'KZ'.

3.3. Weiters auch die folgenden Buchstaben – bzw Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden (Liste lt. Mauthausen Komitee):

'BH' (Blood and Honour), 'C18' (Combat 18),

'KKK' (Ku Klux Klan), '18' (Adolf Hitler),

'28' (Blood Honour), '828' (Heil Blood Honour),

'74' (Großdeutschland), '84' (Heil dir),

'88' (Heil Hitler), 'H8' (Heil Hitler oder Hate),

'311' (Ku Klux Klan), '444' (Deutschland den Deutschen), '198' (Sieg Heil), '1919' (SS),

'420' (Hitlers Geburtstag), '1488' (Auf Deutschland – Heil Hitler),

'14' (Auf Deutschland oder mit Bezug auf den Satz mit 14 Wörtern eines amerikanischen Rechtsterroristen:'We must secure the existence of our people and a future for white children')

'ACAB' (all cops are bastards), 'AJAB' (all jews are bastards),

'ZOG' (zionist occupied government), 'WP' (White Power),

'WPWW' (white pride world wide), 'WAP' (White Aryan Power),

'WOTAN' (Hauptgott der Germanen oder für 'Will of the Arian Nation')

'WAR' (White aryan resistance) 'WAW' (White aryan war)

'KC' (Kategorie C) – Ausdruck großer Gewaltbereitschaft in der rechtsextremen Szene

'FG' (Führers Geburtstag) 'JDF' (Jahr des Führers)

3.4. Weitere aufgrund der derzeit aktuellen Situation jedenfalls anstößige Buchstabenkombination:

'IS' oder 'ISIS'.

3.5. Beispiele für anstößige Buchstabenkombinationen unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung:

zB: 'B H', 'I S', 'I SIS', 'K KK', 'KU KLUX', 'K Z', S S', 'S A', 'W P', 'W PWW', etc.

4. Übergangsregelung

Aufgrund der Übergangsbestimmung des §132 Abs30 KFG bleiben bereits vergebene Wunschkennzeichen, auch wenn sie nach der neuen Regelung nicht mehr bewilligt werden könnten, während ihres Gültigkeitszeitraums von 15 Jahren unberührt und dürfen weiterhin zugewiesen und an Fahrzeugen geführt werden.

Solche Wunschkennzeichen können aber nicht mehr 'verlängert', d.h. nach Erlöschen des Rechts nicht mehr neuerlich zugewiesen werden. In solchen Fällen darf die Zulassungsstelle die 'Verlängerung' nicht vornehmen und hat den Antrag der Behörde zur Entscheidung vorzulegen.

5. Auswirkung auf Standardkennzeichen:

5.1. Wie bereits im Erlass vom 2. Jänner 1991, Zl 179.482/87 I///90, ausgeführt, sollen auch sog Standardkennzeichen keine lächerlichen oder anstößigen Buchstabenkombinationen enthalten und es ist daher darauf zu achten, dass keine der oben angeführten Buchstabenkombinationen vergeben werden.

5.2. Möglichkeit des Umtausches

Es besteht zwar kein Rechtsanspruch auf Zuweisung eines bestimmten Standardkennzeichens, jedoch soll den Personen, die ein Standardkennzeichen mit den oben genannten Buchstaben oder Ziffernkombinationen für ein anstößiges oder lächerliches Wunschkennzeichen haben, die Möglichkeit geboten werden, auf formlosen Antrag hin bei aufrechter Zulassung ein anderes Standardkennzeichen zugewiesen und die 'Papiere' von amtswegen berichtigt zu bekommen. In diesem Fall sind lediglich die Kosten für die neuen Kennzeichentafeln und für die neue Begutachtungsplakette sowie gegebenenfalls für die Zulassungsbescheinigung im Chipkartenformat zu ersetzen."

3. Der Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 22. Dezember 2016, GZ: BMVIT 179.493/0009 IV/ST1/2016, lautet wie folgt (ohne die Hervorhebungen im Original):

"An alle Landeshauptmänner

[…]

Betreff: Änderung Erlass BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, Erkenntnis Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwG 418 112016 R8 zu anstößigen Wunschkennzeichen bei Fahrzeugflotten

Im Hinblick auf das oben genannte Erkenntnis wird der Erlass BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015 wie folgt um den Punkt 6 ergänzt:

6. Klarstellung und Ausnahme

Klarstellung: Die genannten Buchstaben- und Ziffernkombinationen dürfen unabhängig von der Motivation des Antragstellers nicht vergeben werden. Die Anstößigkeit besteht somit insb. für in Punkt 3.3. genannte Buchstaben- und Ziffernkombinationen unabhängig davon, ob die gegenständlichen Buchstaben- und Ziffernkombinationen tatsächlich und konkret als rechtsextreme Codes verwendet werden oder ein rechtsextremer Hintergrund oder eine solche Motivation durch den Antragsteller besteht oder Hinweise dahingehend vorhanden sind. Die Anstößigkeit und damit Unzulässigkeit der genannten Buchstaben- und Ziffernkombinationen ist also eine absolute. Eine Ausnahme davon bildet die Beantragung von fortlaufenden, durchgehenden Ziffernkombinationen durch den selben Zulassungsbesitzer unter folgender Voraussetzung:

In Punkt 3.3. genannte Ziffernkombinationen sind dann nicht anstößig iSd §48a Abs2 litd KFG, wenn sie Teil einer Reihe von Wunschkennzeichen des selben, identen Zulassungsbesitzers für zumindest 14 Fahrzeuge dieses selben Zulassungsbesitzers mit fortlaufenden und durchgehenden, somit durchnummerierten Ziffernkombinationen sind und keine Hinweise auf eine rechtsextreme Motivation durch den Antragsteller bestehen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit Bescheid vom 31. Oktober 2023 wies die Bezirksverwaltungsbehörde Graz-Umgebung den Antrag des Beschwerdeführers vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark auf neuerliche Zuweisung des Wunschkennzeichens "GU BH 1" gemäß §48a Abs2 litd, §48a Abs8a iVm §132 Abs30 KFG 1967 ab. Die Bezirksverwaltungsbehörde Graz-Umgebung begründete dies damit, dass Wunschkennzeichen, die dem §48a Abs2 litd KFG 1967 nicht entsprächen, gemäß §132 Abs30 KFG 1967 nicht verlängert werden dürften. Dem Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015, GZ: BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, in der Fassung vom 22. Dezember 2016, GZ: BMVIT 179.493/0009 IV/ST1/2016, sei zu entnehmen, dass die Buchstabenkombination "BH" ("Blood and Honour") in rechtsextremen Kreisen als Code verwendet werde und daher als anstößig im Sinne des §48a Abs2 litd KFG 1967 anzusehen sei. Die angeführte Buchstabenkombination dürfe unabhängig von der Motivation des Antragstellers im Anlassverfahren – im vorliegenden Fall handle es sich um dessen Initialen – nicht vergeben werden.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark Beschwerde und begründete diese im Wesentlichen damit, dass der Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015, GZ: BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, in der Fassung vom 22. Dezember 2016, GZ: BMVIT 179.493/0009 IV/ST1/2016, gesetz- und verfassungswidrig sei, weil er nicht ausreichend kundgemacht sei.

Die Bezirksverwaltungsbehörde Graz-Umgebung regte an, das Landesverwaltungsgericht Steiermark möge gestützt auf Art139 Abs1 Z1 B VG einen Verordnungsprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof stellen; es sei im Hinblick auf die imperative Formulierung des Erlasses von einer nicht gehörig kundgemachten Verordnung auszugehen.

3. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt in dem auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des Erlasses des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015, GZ: BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, in der Fassung vom 22. Dezember 2016, GZ: BMVIT 179.493/0009 IV/ST1/2016, wie folgt dar:

"Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat im Beschwerdeverfahren die 'Erlässe' des BMVIT vom 23.07.2015 und geändert am 22. Dezember 2016 als Verordnung und damit als Rechtsgrundlage im Beschwerdeverfahren unmittelbar anzuwenden. Die 'Erlässe' sind als Verordnungen daher präjudiziell.

[…]

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 21.06.2008, V332/08, detailliert geprüft, wann ein Erlass eine sogenannte Rechtsverordnung ist.

Die belangte Behörde hat bei ihrer Entscheidung den Erlass des BMVIT angewendet und damit die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers begründet.

Nach der Rechtsprechung des [Verfassungsgerichtshofes] (zB. VfSlg 13.632/1993) ist für die Qualität als Verordnung der Inhalt des Verwaltungsaktes maßgeblich, nicht der formelle Adressatenkreis, die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung. Voraussetzung für die Verordnungsqualität eines Verwaltungsaktes ist ua, dass seine Formulierungen im imperativ gehalten sind.

Eine verbindliche Äußerung der Behörde ist, auch wenn sie formell nur an die unterstellten Behörden adressiert ist als Rechtsverordnung anzusehen, wenn sie der Sache nach die Rechtsphäre eines unbestimmten Kreises von Betroffenen gestaltet. Es kommt dabei nicht auf die Bezeichnung als Verordnung an, sondern allein auf den Inhalt. Eine rechtsgestaltende Auswirkung ist gegeben, wenn zum imperativen Inhalt ein Mindestmaß an Publizität hinzutritt.

Der Erlass enthält verbindliche Äußerungen für die Behörden, dieser ist im wesentlichen Teil im Imperativ formuliert. Dies wird insbesondere unter Punkt 3 deutlich wo dargelegt wird, dass die in diesem Punkt genannten Kombinationen 'jedenfalls' anstößig iSd §48a Abs2 litd KFG sind. Es handelt sich zwar 'um keine abschließende Aufzählung', jedoch schadet eine demonstrative Aufzählung nicht, da der Erlass beispielhaft einen konkreten Katalog an Kombinationen vorgibt die keinesfalls von den Zulassungsbehörden bewilligt werden dürfen. Im Erlass unter Punkt 6 ist zudem die Rede davon, dass die im Erlass aufgezählten Buchstaben - Ziffernkombinationen absolut anstößig und damit unzulässig sind, was einer verbindlichen Anordnung gleichkommt und eben nicht einer unverbindlichen Rechtsmeinung.

Weiters enthält §48a Abs2 litd KFG selbst keine Aufzählung an unzulässigen Kombinationen, sondern hält lediglich fest, dass ein schriftlicher Antrag auf Zuweisung eines Wunschkennzeichens nur möglich ist, wenn es sich nicht um eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination handelt. Das Gesetz ist in der relevanten Bestimmung so allgemein formuliert, dass der Erlaß im Ergebnis die Rechtslage neu gestaltet. Sohin wird den unterstellten Behörden durch den Erlass des BMVIT eine verbindliche Interpretation eines Begriffes der 'lächerlichen und anstößigen' Kombinationen vorgegeben. Insofern erfolgt durch den Erlass eine konkrete Einschränkung sowie konkrete Vorgaben, welche Wunschkennzeichen Rechtsunterworfenen gewehrt werden können und wird dadurch, insbesondere auch der Entscheidungsspielraum der Behörde betreffend konkrete Wunschkennzeichen eingeschränkt. Dies wiederum hat rechtliche Auswirkungen auf die Rechtsunterworfenen. Deren Rechtstellung wird dadurch gestaltet indem der Adressat des Erlasses (Behörden) durch Vorgaben in Bezug auf die Auslegung anzuwendender Gesetzesbestimmungen zu einer bestimmten einheitlichen (restriktiv) Vorgehensweise veranlasst werden.

Auch ist ein Mindestmaß an Publizität nach der Rechtsprechung des VfGH bereits dadurch erreicht, dass der Erlass tatsächlich an die Ämter der Landesregierungen bzw an die Landeshauptleute ergangen ist.

Bei dem Erlass des BMVIT, GZ: BMVIT 179.493/0011 IV/ST4/2015, in der Fassung vom 22.12.2016, GZ: BMVIT 179.49310009 IV/ST1/2016, handelt es sich daher um eine Rechtsverordnung, die im Bundesgesetzblatt hätte kundgemacht werden müssen."

4. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie erstattete eine Äußerung und trat den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wie folgt entgegen:

"1. Entstehung

Mit der 12. Novelle des Kraftfahrgesetzes, BGBl Nr 375/1988 wurde mit §48a KFG (Kraftfahrgesetz) die Möglichkeit von Wunschkennzeichen geschaffen und dabei insbesondere das Verbot der Anstößigkeit von Wunschkennzeichen normiert. Dazu wurde mit Durchführungserlass 1989 konkretisiert, dass als anstößig jedenfalls die Buchstabenkombinationen 'NSDAP', 'NSFK', 'NSKK', 'NSV', 'SA', 'SS' und dergleichen gelten.

Zu §48a Abs2 litd KFG wurde am 21. Mai 2015 ein Initiativantrag im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

'Die derzeitige Regelung betreffend die Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Wunschkennzeichens bezieht sich lediglich auf die Buchstabenkombination und nicht auch auf die Behördenbezeichnung bzw die Ziffern. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung der Behördenbezeichnung mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kennzeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Daher wird die Regelung erweitert und soll auch Kombinationen aus gewählter Buchstabenkombination und Behördenbezeichnung sowie Kombinationen aus Buchstaben und Ziffern umfassen.'

Mit Bundesgesetz BGBl I Nr 72/2015 wurde §48a Abs2 litd Kraftfahrgesetz (KFG) wie folgt geändert.

[...] §48a Abs2 litd lautet:

'd) es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt.'

Durch diese Änderung wurden auch anstößige Ziffernkombinationen verboten, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden sowie in die Beurteilung der Anstößigkeit auch die Behördenbezeichnung miteinbezogen. Ziel war und ist die Notwendigkeit rechtsextreme und neonazistische Codes als Wunschkennzeichen zu verhindern. Hintergrund war, dass es notwendig wurde, rechtsextreme und neonazistische Codes als Wunschkennzeichen zu verhindern. Die Gewährung von rechtsextremen Codes als Ziffern- und Buchstabenkombinationen in Wunschkennzeichen führte zu Verstörung und zahlreichen Beschwerden, insbesondere von Opfern des Nationalsozialismus und deren Nachfahren, wie beispielsweise aus einem Schreiben des MKÖ zitiert werden kann: 'Das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) vertritt das Vermächtnis der überlebenden Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Außenlager. … Zulassungsstellen für Auto-Kennzeichen erlauben und vergeben trotz eindeutiger Rechtslage noch immer NS Codes wie 'AH' oder 'HH…'. Daher wurden im betroffenen Erlass mit Unterstützung des Mauthausen Komitee Österreich bestimmte Ziffern- und Buchstabenkombinationen aufgelistet, die jedenfalls als rechtsextreme und neonazistische Codes verwendet werden.

2. Inhaltliches und Hintergrund

Die Verpflichtung, Rechtsextremismus entgegen zu treten, basiert auf verfassungsgesetzlichen Rechtsvorschriften. So insbesondere: Bundesverfassungsgesetz über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz 1947 – VerbotsG), StF: StGBl Nr 13/1945; Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, StF: BGBl Nr 152/1955. Mit dem Verbotsgesetz ist die öffentliche Leugnung, Verharmlosung, Gutheißung und Rechtfertigung nationalsozialistischer Verbrechen unter Strafe gestellt. Gemäß Artikel 9 Z1. Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, StF: BGBl Nr 152/1955, ist nazistische Propaganda hintanzuhalten.

Demnach ist in einem demokratischen Rechtsstaat auch die öffentliche Verwaltung verpflichtet, beispielsweise Nazi-Verherrlichung auf amtlichen KFZ-Kennzeichen zu verhindern.

Dies darf in einem demokratischen Rechtsstaat keinesfalls zugelassen werden. Somit ist der Missbrauch von Wunschkennzeichen durch die Verwendung von rechtsextremen und insbesondere nationalsozialistischen Codes unbedingt zu verhindern.

Das Verbot anstößiger Buchstaben /Ziffernkombinationen in Wunschkennzeichen ist einfachgesetzlich mit §48a Abs2 litd KFG normiert.

Es ist allgemein bekannt, dass Rechtsextreme und Neonazis sowohl als deutliches Erkennungszeichen der ideologischen Gesinnung als auch zur Verschlüsselung strafrechtlich verbotener Inhalte bzw zur Umgehung strafrechtlicher Bestimmungen in Bezug auf die nationalsozialistische Wiederbetätigung, (Zahlen ) Codes benutzen. Grundlage dieser Codes ist im Regelfall die Position der Buchstaben im Alphabet. Die Zugehörigkeit zur neonazistischen Szene manifestiert sich u. a. durch das weltweite Verwenden dieser Codes. So finden sich in den von Neonazis verwendeten Pseudonymen und Grußformeln oft die Zahlen 88, 14, 18 und 28. Im rassistischen und neonazistischen Sprachgebrauch spielen neben den Zahlen auch Akronyme eine wichtige Rolle (zB ZOG).

Sinn und Zweck der Gesetzesänderung besteht in einem generellen Verbot bestimmter Buchstaben und/oder Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Eine Berücksichtigung der individuellen Intention oder Motivation des konkreten Antragstellers im Anlassfall ist dabei sowohl technisch als auch rechtlich nicht möglich. Die individuelle Motivation für eine bestimmte Buchstaben /Ziffernkombination ist nämlich auf dem Kennzeichen nicht ersichtlich. Außerdem ist eine Überprüfung der Intention bei Antragstellung nicht möglich. Genau das ist nämlich die Funktion von Codes. Daher bleibt auch kein Ermessensspielraum der Behörde. Es kann nicht beurteilt werden, ob eine Buchstaben- oder Ziffernkombination als rechtsextremer Code angedacht ist oder im konkreten Fall vielleicht ein Geburtsjahr oder Initialen der betreffenden Person darstellen soll. Nach außen ist dies nämlich nicht erkennbar. Dadurch wird de facto immer ein Code ermöglicht, dessen so gemeinter Inhalt eben nicht nachweisbar ist und damit rechtsextreme oder nationalsozialistische Propaganda ermöglicht, die gesetzlich verboten ist.

Das Verbot lächerlicher oder anstößiger Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombinationen kann daher nur generell erfolgen, unabhängig von der Intention oder Motivation im konkreten Fall.

Im gegenständlichen Erlass sind die vom Mauthausen Komitee mitgeteilten Codes, die von rechtsextremen Kreisen verwendet werden und in missbräuchlicher Weise auch in das System der Wunschkennzeichen Eingang gefunden haben, aufgelistet. Die im Erlass genannten Buchstaben- bzw Ziffernkombinationen sind daher jedenfalls als anstößig und somit als unzulässig anzusehen.

Freilich gibt es auch Berechtigte von Wunschkennzeichen, die diese Buchstaben /Ziffernkombinationen zufälligerweise, unwissentlich oder aus anderer Motivation in Ihren Wunschkennzeichen haben (etwa Geburtsdaten oder Initialen). Das ändert jedoch leider nichts daran, dass Rechtsextreme und Neonazis bewusst und umfangreich diese Codes verwenden und auch das System der Wunschkennzeichen dafür missbrauchen.

Die Prüfung des Vorsatzes, des Grundes für eine bestimmte Wunschkombination ist daher nicht möglich. Die Tatsache, dass die Prüfung der Motivation/Intention für eine bestimmte Wunschkombination nicht möglich ist, stellt exakt den Grund für die Verwendung von Codes dar. Das Charakteristikum und die Essenz von Codes und daher ihr Zweck ist es, dass dem Verwender die Bedeutung nicht nachgewiesen werden kann. Deshalb hat das Verbot dieser Codes nur Sinn, wenn es ein absolutes ist.

Eine Änderung des Erlasses in Richtung einer Überprüfung der individuellen Motivation, wie sie in Verkennung des Wesens von Codes argumentiert wird, würde das Verbot rechtsextremer Codes in Wunschkennzeichen ad absurdum führen und die Möglichkeit von Wunschkennzeichen könnte grenzenlos für Rechtsextremismus und nationalsozialistische Propaganda missbraucht werden. Aus diesem Grund wird die Aufhebung des angefochtenen Erlasses abgelehnt und im Gegenteil vielmehr das Verbot rechtsextremer Codes in Wunschkennzeichen als verfassungsrechtlich geboten gesehen.

3. Verwaltungsverordnung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (in der Folge VfGH) ist unter einer Rechtsverordnung – unabhängig von deren Bezeichnung – jede nicht in Gesetzesform ergehende, von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle Rechtsnorm zu verstehen. Als eine generelle Norm ist jede Anordnung anzusehen, die sich an die Allgemeinheit überhaupt oder an bestimmte Gruppen der Bevölkerung richtet, die nicht individuell, sondern nach Gattungsmerkmalen bezeichnet sind; der Akt muss sich an eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen richten und für diese unmittelbar rechtsverbindlich sein (vgl VfSlg 2465/1953, 3142/1957), d.h. die Rechtslage der Betroffenen gestalten (vgl VfSlg 8648/1979). Maßgebend für die Qualität als Rechtsverordnung ist weder die äußere Bezeichnung noch die Art der Verlautbarung, sondern der Inhalt des Verwaltungsaktes. Unter den Voraussetzungen kann auch der Erlass einer Verwaltungsbehörde als Verordnung der Prüfung nach Art139 B VG unterliegen. Der VfGH hat Erlässe bzw Bestimmungen daraus dann als Rechtsverordnungen qualifiziert, wenn sie sich einer imperativen Diktion bedienten bzw den Handlungsspielraum, den das Gesetz den Behörden und ihren Hilfsorganen einräumt, einengten (VfGH V108/97). Rechtsverordnungen der Bundesminister:innen müssen im Bundesgesetzblatt verlautbart werden.

Die Lehre unterscheidet von einer Rechts- die sog Verwaltungsverordnung, die ausschließlich an unterstellte Verwaltungsorgane adressiert ist und nur innenrechtlich, d.h. intern wirken (§4 Abs1 Z2 BGBlG). Derartige Verwaltungsverordnungen (Erlässe, 'generelle Weisungen') müssen nur den betroffenen Organwalter:innen bekannt, aber nicht kundgemacht werden. Gegenstand der Verwaltungsverordnung kann etwa die Frage sein, wie nachgeordnete Verwaltungsorgane bestehende Gesetze in inhaltlicher Hinsicht anzuwenden haben; aber auch Anordnungen, wie vom behördlichen Ermessen bei der Bemessung von Strafen für Verkehrsdelikte Gebrauch gemacht werden soll. Der angefochtene Erlass ist eine an Verwaltungsbehörden gerichtete Klarstellung zur Auslegung des gesetzlichen Begriffes der Anstößigkeit in §48a KFG, dass im Sinne des Gesetzes insbesondere auch rechtsextreme Codes anstößig sind. Die imperative Formulierung und auch die rein informative Publizierung auf der Website des BMK können daher nichts daran ändern, dass der Erlass ausschließlich an unterstellte Verwaltungsorgane adressiert ist und es sich um eine Weisung an nachgeordnete Verwaltungsorgane handelt, in der klargestellt wird, wie der Begriff der Anstößigkeit in §48a KFG auszulegen ist, nämlich dass bestimmte näher genannte rechtsextreme und neonazistische Codes jedenfalls anstößig sind. Dem betroffenen Erlass kommt keine materielle Außenwirkung zu; mit ihm wird die Rechtslage nicht neugestaltet. Es wird vielmehr die Rechtsansicht des BMK zur Interpretation des Wortes 'anstößig' in Hinblick auf die Verhinderung der Verwendung von Nazi-Codes mitgeteilt.

Die im bekämpften Erlass enthaltene Liste solcher Abkürzungen und Codes soll den Kraftfahrbehörden eine Hilfestellung geben und das Bewusstsein in dieser Frage schärfen. Insofern verweist der Erlass auf die Liste des Mauthausen Komitees, das diese in regelmäßigen Abschnitten aktualisiert. Er enthält insofern auch 'nichts Neues': Wie bereits ausgeführt, pönalisiert schon der Tatbestand des §3 ff VerbotsG jede Betätigung im nationalsozialistischen Sinn. Der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zufolge reicht hierfür (unter anderem) jede unsachliche, einseitige und propagandistisch vorteilhafte Darstellung nationalsozialistischer Maßnahmen aus. Der Ausspruch 'Heil Hitler' ist jedenfalls ein charakteristisches Symbol des Nationalsozialismus (vgl RIS Justiz RS0079968). Darüber hinaus ist nach dem Verbotsgesetz jede Förderung von nationalsozialistischen Organisationen, wie die NSDAP, SS, SA, NSKK, NSFK, der NS Soldatenring, NS Offiziersbund, alle sonstigen Gliederungen der NSDAP und die ihr angeschlossenen Verbände sowie jede andere nationalsozialistische Organisation jedenfalls verboten. Das Verbot anstößiger Buchstaben /Ziffernkombinationen in Wunschkennzeichen ist deshalb weder durch den betroffenen Erlass, noch in einer Rechtsverordnung, sondern gesetzlich geregelt, konkret in §48a Abs2 litd KFG (bzw den einschlägigen Bestimmungen des Verbotsgesetzes). Der Erlass bekräftigt hinsichtlich der Punkte 3.1. bis 3.3. nur die sich bereits aus anderen Gesetzen ergebenden Verbote bzw spiegelt die Judikatur zur nationalsozialistischen Wiederbetätigung wider.

Der Erlass hat somit reinen Aufklärungscharakter und stellt keine normative Anordnung dar. Der betroffene Erlass stellt einen Auslegungsbehelf zur Beurteilung der Bestimmung des §48a Abs2 litd KFG dar und richtet sich ausschließlich an die Landeshauptleute als Träger der mittelbaren Bundesverwaltung (und die ihnen unterstellten Verwaltungsorgane.) Ziel des Erlasses ist eine verfassungskonforme Auslegung des unbestimmten Begriffs 'anstößig' im §48a Abs2 litd KFG. Über diese gesetzliche Bestimmung hinausgehende Rechte und Pflichten sind aus diesem Erlass nicht abzuleiten, sodass er auch keinen normativen Charakter hat.

Der Erlass hat auch nicht ein solches Maß an Publizität erreicht, dass er Eingang in die Rechtsordnung gefunden hat. Der Erlass wurde rein informativ auf der Website des BMK publiziert. Der in Prüfung gezogene Erlass ist eine generelle Weisung an die Träger der mittelbaren Bundesverwaltung und stellt somit eine bloße Verwaltungsverordnung dar."

IV. Zur Zulässigkeit

Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Nach Art139 Abs1 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde unter anderem auf Antrag eines Gerichtes. Ein Gericht kann einen Antrag nur dann stellen, wenn das Gericht die Verordnung in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden hat bzw wenn die Gesetzmäßigkeit der Verordnung eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist (§57 Abs2 VfGG).

Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach Art139 Abs1 B VG ist unter anderem, dass dem Rechtsakt, dessen Aufhebung beantragt wird, Verordnungsqualität zukommt (vgl dazu etwa VfSlg 10.224/1984, 11.472/1987, 13.229/1992, 15.430/1999).

2. Das antragstellende Verwaltungsgericht geht von der Verordnungsqualität des angefochtenen Erlasses aus. Dies begründet das Landesverwaltungsgericht Steiermark im Wesentlichen damit, dass eine verbindliche Äußerung einer Verwaltungsbehörde auch dann als (Rechts )Verordnung anzusehen sei, wenn sie formell nur an die unterstellten Behörden adressiert sei, der Sache nach aber die Rechtssphäre eines unbestimmten Kreises von Betroffenen gestalte. Der angefochtene Erlass enthalte für die unterstellten Verwaltungsbehörden verbindliche Äußerungen in Hinblick auf die Auslegung des Begriffes "lächerliche und anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination" in §48a Abs2 litd KFG 1967. Der Erlass sei in seinem wesentlichen Teil imperativ formuliert. Insofern erfolgten durch den Erlass konkrete Vorgaben dahingehend, welche Wunschkennzeichen Rechtsunterworfenen verwehrt werden müssten. Dadurch werde der Entscheidungsspielraum der Behörde eingeschränkt, was wiederum Auswirkungen auf die Rechtsunterworfenen hätte.

3. Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vertritt in ihrer Äußerung zusammengefasst die Rechtsauffassung, dass es im Verfahren am erforderlichen Prüfungsgegenstand fehle, weil der angefochtene Erlass keine Verordnung im Sinne des Art139 Abs1 B VG sei. Der angefochtene Erlass sei eine an Verwaltungsbehörden gerichtete Klarstellung zur Auslegung des gesetzlichen Begriffes der Anstößigkeit im Sinne des §48a Abs2 litd KFG 1967 und bringe zum Ausdruck, dass im Sinne dieses Gesetzes auch rechtsextreme Codes anstößig seien. Die imperative Formulierung und die Veröffentlichung des Erlasses auf der Website des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ändere nichts daran, dass der Erlass ausschließlich an unterstellte Verwaltungsorgane adressiert sei und es sich um eine Weisung an nachgeordnete Verwaltungsorgane handle. Dem Erlass komme keine materielle Außenwirkung zu. Es werde vielmehr die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie zur Auslegung des Begriffes "anstößig" im Hinblick auf die Verhinderung der Verwendung von Buchstabenabkürzungen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet würden, mitgeteilt.

4. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, dass es sich bei dem angefochtenen Erlass nicht um eine Verordnung im Sinne des Art139 Abs1 B VG handelt.

4.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter einer Verordnung eine von einer Verwaltungsbehörde erlassene, generelle – dh an einen durch Gattungsmerkmale bezeichneten Personenkreis adressierte – Rechtsvorschrift zu verstehen (vgl etwa VfSlg 2071/1950, 10.882/1986). Für die normative Wirkung eines Verwaltungsaktes ist ausschließlich sein Inhalt, nicht aber die äußere Bezeichnung oder die Art der Verlautbarung entscheidend. Wird durch eine generelle, von einer Verwaltungsbehörde erlassene Rechtsvorschrift die Rechtslage der Betroffenen gestaltet und wendet sich diese ihrem Inhalt nach an die Allgemeinheit, liegt eine Verordnung vor (zB VfSlg 17.869/2006, 18.495/2008; VfGH 8.10.2020, V505/2020).

4.2. Für den Verfassungsgerichtshof ist nun – entgegen der Auffassung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark – nicht erkennbar, dass durch den angefochtenen (auf der Homepage des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie kundgemachten) Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 23. Juli 2015 in der Fassung des Erlasses vom 22. Dezember 2016 die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (§48a Abs2 litd und §132 Abs30 KFG 1967) in einer gesetzändernden oder gesetzergänzenden Weise ausgelegt werden, indem beispielsweise der Beurteilungsspielraum der Behörde eingeengt wird.

4.2.1. Gemäß §48a Abs2 litd KFG ist auf Antrag ein Wunschkennzeichen zuzuweisen oder zu reservieren, wenn "es nicht eine lächerliche oder anstößige Buchstabenkombination oder Buchstaben-Ziffernkombination enthält oder in Kombination mit der Behördenbezeichnung eine lächerliche oder anstößige Buchstaben- oder Buchstaben-Ziffernkombination ergibt". Die Übergangsregelung zur KFG Novelle BGBl I 72/2015, mit welcher §48a KFG 1967 in der geltenden Fassung erlassen wurde, bestimmt, dass bereits vor Inkrafttreten des §48a Abs2 litd KFG 1967 idF BGBl I 72/2015 reservierte oder zugewiesene Wunschkennzeichen, die nicht dem §48a Abs2 litd KFG 1967 idF BGBl I 72/2015 entsprechen, während des in §48a Abs8 KFG 1967 genannten Zeitraums weiterhin zugewiesen und an Fahrzeugen geführt werden dürfen. Solche Wunschkennzeichen dürfen aber nicht verlängert werden. Ein Antrag gemäß §48a Abs8a KFG 1967 auf neuerliche Zuweisung eines solchen Wunschkennzeichens ist von der Zulassungsstelle der Behörde zur Entscheidung vorzulegen.

4.2.2. Die Novellierung des §48a KFG 1967 durch das Bundesgesetz BGBl I 72/2015 (wodurch die Bestimmung die aktuell geltende Fassung erhielt) wird in den Erläuterungen folgendermaßen begründet:

"Die derzeitige Regelung betreffend die Anstößigkeit oder Lächerlichkeit eines Wunschkennzeichens bezieht sich lediglich auf die Buchstabenkombination und nicht auch auf die Behördenbezeichnung bzw die Ziffern. Aktuelle Fälle zeigen, dass es in Verbindung der Behördenbezeichnung mit der gewählten Buchstabenkombination anstößige oder lächerliche Kennzeichen geben kann. Weiters gibt es Ziffernkombinationen, die in rechtsextremen Kreisen als Codes verwendet werden. Daher wird die Regelung erweitert und soll auch Kombinationen aus gewählter Buchstabenkombination und Behördenbezeichnung sowie Kombinationen aus Buchstaben- und Ziffern umfassen."

4.2.3. Im angefochtenen Erlass des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie werden zunächst unter Punkt 3. ("Jedenfalls anstößige bzw lächerliche Kombinationen") in einer ausdrücklich nicht als abschließend bezeichneten Aufzählung Buchstaben- bzw Ziffernkombinationen (auch unter Einbeziehung der Behördenbezeichnung) genannt, die "jedenfalls" als anstößig im Sinne des §48a Abs2 litd KFG 1967 anzusehen sind. Es handelt sich dabei überwiegend um Buchstabenkombinationen und Buchstaben-Ziffernkombinationen, die nach den Ausführungen der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie in ihrer Äußerung an den Verfassungsgerichtshof in rechtsextremen und neonazistischen Kreisen als Codes verwendet werden. Darüber hinaus werden unter Punkt 3.4. des angefochtenen Erlasses "aufgrund der derzeit aktuellen Situation" weitere Buchstabenkombinationen genannt.

Der Verfassungsgerichtshof hat keinen Zweifel, dass die im angefochtenen Erlass demonstrativ aufgezählten Buchstabenkombinationen bzw Buchstaben-Ziffernkombinationen als anstößig im Sinne des §48a Abs2 litd KFG 1967 zu qualifizieren sind. Bei sämtlichen im Erlass beispielshaft als "anstößig" angesehenen Buchstaben- bzw Ziffernkombinationen handelt es sich – wie Recherchen öffentlich zugänglicher Quellen ergeben – um Codes, die (unter anderem) in rechtsextremen oder neonazistischen Kreisen etwa als Wiederkennungszeichen oder zur Verschlüsselung strafrechtlich verbotener Inhalte verwendet werden. Im Hinblick darauf kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, dass Punkt 3. des angefochtenen Erlasses den Anwendungsbereich von §48a Abs2 litd KFG 1967 in irgendeiner Weise ändert, insbesondere auch nicht den behördlichen Beurteilungsspielraum einengt.

4.2.4. In Bezug auf Punkt 4. ("Übergangsregelung") und Punkt 5. ("Auswirkungen auf Standardkennzeichen") ist für den Verfassungsgerichtshof ebenso wenig erkennbar, dass dadurch der bestehende gesetzliche Rahmen für die Behörde beschränkt oder geändert wird. Punkt 4. gibt den normativen Gehalt des §132 Abs30 KFG 1967 wieder und Punkt 5. erläutert die praktische Vorgangsweise bei Standardkennzeichen, die lächerliche oder anstößige Buchstabenkombinationen oder Buchstaben-Ziffernkombinationen enthalten.

4.2.5. Hinsichtlich des Punktes 6. im angefochtenen Erlass könnte prima facie der Eindruck erweckt werden, dass diese Anordnung den Rahmen des Gesetzes beschränkt bzw verändert, etwa indem der Beurteilungsspielraum der Behörde eingeengt wird. Nach diesem Punkt dürfen die genannten Buchstaben- und Ziffernkombinationen unabhängig von der Motivation des Antragstellers nicht vergeben werden. Die Anstößigkeit insbesondere für in Punkt 3.3. des Erlasses genannte Buchstaben- und Ziffernkombinationen soll gemäß Punkt 6. unabhängig davon bestehen, ob die gegenständlichen Buchstaben- und Ziffernkombinationen tatsächlich und konkret als rechtsextreme Codes verwendet werden oder ein rechtsextremer Hintergrund oder eine solche Motivation durch den Antragsteller besteht oder Hinweise dahingehend vorhanden sind.

Bei näherer Betrachtung erweist sich, dass auch dieser Punkt des angefochtenen Erlasses die Regelung des §48a Abs2 litd KFG 1967 nicht verändert, insbesondere auch nicht den behördlichen Beurteilungsspielraum einengt. Eine teleologische Auslegung dieser Gesetzesbestimmung führt nämlich – selbst wenn es Punkt 6. des angefochtenen Erlasses nicht gäbe – zum Ergebnis, dass es bei der Zuweisung oder Reservierung von Wunschkennzeichen nicht auf irgendwelche subjektive Motive des jeweiligen Antragstellers, sondern nur auf objektive Umstände ankommen kann. Die klare Zielsetzung des Gesetzgebers liegt darin, im Straßenverkehr in einer für jeden Straßenteilnehmer sichtbaren Weise anstößige oder lächerliche Buchstaben- bzw Ziffernkombinationen zu vermeiden, zumal die Motivation des Führens einer bestimmten Buchstabenkombination bzw Buchstaben-Ziffernkombination für die übrigen Straßenteilnehmer regelmäßig nicht erkennbar sein kann.

4.2.6. Ob und inwieweit Punkt 6. zweiter Absatz des angefochtenen Erlasses (auch) als bloß interne Anordnung ohne Außenwirkung für Rechtsunterworfene zu qualifizieren ist, muss der Verfassungsgerichtshof nicht untersuchen. Diese Bestimmung ist nämlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar und daher auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht präjudiziell im Sinne des §62 Abs2 VfGG, weshalb der Antrag insoweit schon deshalb zurückzuweisen ist.

4.2.7. Im Übrigen ist aus den genannten Gründen festzuhalten, dass der angefochtene Erlass – abgesehen von dem nicht weiter geprüften Punkt 6. zweiter Absatz – nicht als Verordnung im Sinne des Art139 B VG zu qualifizieren ist, weil damit insgesamt keine über die gesetzlichen Regelungen hinausgehenden Anordnungen und damit keine Außenwirkung für Rechtsunterworfene getroffen werden. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Auslegungshilfe für die zur Anwendung des §48a Abs2 litd KFG 1967 zuständigen Behörden, um eine einheitliche Vollziehung zu gewährleisten. Dementsprechend ist der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark mangels eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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