V19/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B VG gestützten Antrag begehren die erst-antragstellende Stiftung und die zweitantragstellende Partei, der Verfassungsgerichtshof möge "die Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz vom 01.07.2022, Zl 2022/001-76a," als gesetzwidrig aufheben.
1.1. Im Antrag wird ausgeführt, dass die erstantragstellende Stiftung grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft Kirchstraße 7 und der Wohnungseigentumseinheiten Top 13, 14 und 16 der "Liegenschaft EZ294 GB 91103 Bregenz mit dem Objekt Kirchstraße 9a" in Bregenz sei. Die Wohnungseigentumseinheit Top 14 umfasse vier Parkplätze, die an die zweitantragstellende Partei vermietet würden. Die zweitantragstellende Partei betreibe am Standort Kirchstraße 7 in 6900 Bregenz eine Apotheke. Mit der angefochtenen Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz seien ua die Kirchstraße und die Maurachgasse im für die Zufahrt der erstantragstellenden Stiftung sowie der zweitantragstellenden Partei relevanten Bereich zur Fußgängerzone erklärt worden.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Bregenz vom 24. Februar 2023 sei der erstantragstellenden Stiftung eine Ausnahmebewilligung vom Verbot des Befahrens einer Fußgängerzone iSd §45 StVO 1960, beschränkt auf neun der zwölf beantragten Fahrzeuge und befristet bis zum 28. Februar 2025 mit der Auflage erteilt worden, dass die Zufahrt über die Maurachgasse zu erfolgen habe. Das darüberhinausgehende Begehren sei abgewiesen worden. Der dagegen erhobenen Berufung habe die Stadtvertretung der Stadt Bregenz mit Bescheid vom 8. Mai 2023 keine Folge gegeben. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde habe das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg mit Erkenntnis vom 26. Jänner 2024 keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit der Begründung bestätigt, dass keine Bedenken gegen die Fußgängerzonenverordnung bestünden. Gegen diese Entscheidung hat die erstantragstellende Stiftung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.
1.2. Hinsichtlich der Antragslegitimation wird vorgebracht, dass die angefochtene Verordnung unmittelbar für die erstantragstellende Stiftung sowie die zweitantragstellende Partei gelte, weil sie auf eine Zufahrt zu ihren Parkplätzen und zur Apotheke über die nunmehrige Fußgängerzone angewiesen seien. Die erstantragstellende Stiftung schulde ihren Mietern die Erreichbarkeit ihrer Parkplätze. Der im Rahmen der Ausnahmebewilligung gemäß §45 StVO 1960 auferlegte Umweg stelle – verbunden mit einer zeitlichen Befristung und einer erheblichen Gebührenbelastung – eine Abwertung der Parkplätze im Eigentum der erstantragstellenden Stiftung dar. Die zweitantragstellende Partei sei als Betreiberin einer Apotheke für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung verantwortlich. Für Menschen mit eingeschränkter Mobilität sei es essentiell, die Apotheke "rasch und ohne zusätzliche Anstrengung erreichen zu können". Durch die angefochtene Verordnung werde der Apothekenbetrieb massiv erschwert und teilweise verunmöglicht. Da die angefochtene Verordnung nach wie vor in Geltung stehe, sei der durch sie bewirkte Eingriff in die Rechtssphären der erstantragstellenden Stiftung sowie der zweitantragstellenden Partei auch aktuell.
1.3. Gegen die angefochtene Verordnung bestehe das Bedenken, dass vor deren Erlassung kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und insbesondere kein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten eingeholt worden sei. Die Verordnungsakten würden der Allgemeinheit vorenthalten. Der angeblich vorliegende Erläuterungsbericht zur angefochtenen Verordnung sei erst nach Inkrafttreten der angefochtenen Verordnung erstellt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Fußgängerzone erforderlich sei. Zudem fehle es an der notwendigen Verhältnismäßigkeitsprüfung und Interessenabwägung.
2. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2022, V239/2022, wies der Verfassungsgerichtshof einen auf Art139 B VG gestützten Antrag der zweitantragstellenden Partei im nunmehrigen Verfahren, der Verfassungsgerichtshof möge "die Verordnung der Landeshauptstadt Bregenz vom 01.07.2022, Zl 2022/001-76a," als gesetzwidrig aufheben, als unzulässig zurück, weil die Möglichkeit der Beantragung einer Ausnahmebewilligung gemäß §45 Abs2 StVO 1960 von dem auf Grund der angefochtenen Verordnung bestehenden Fahrverbot einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verordnung darstelle.
3. Der Antrag ist unzulässig.
3.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.
Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1877 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001 und 16.836/2003).
3.2. Soweit die Antragslegitimation darauf gestützt wird, dass die erstantragstellende Stiftung sowie die zweitantragstellende Partei durch die angefochtene Verordnung an der uneingeschränkten Zufahrt zu "ihren Parkplätzen bzw zur Apotheke" gehindert seien, ist der Antrag aus folgenden Überlegungen unzulässig:
3.2.1. Gemäß §76a StVO 1960 ist in einer Fußgängerzone jeglicher Fahrzeugverkehr verboten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt; das Schieben eines Fahrrades ist erlaubt. Die Bestimmungen des §45 StVO 1960 über Ausnahmen in Einzelfällen bleiben unberührt.
3.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 StVO 1960 einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeiten dar (vgl zB VfSlg 9277/1981, 12.829/1991).
3.2.3. Auch im vorliegenden Fall stellt die – von der erstantragstellenden Stiftung im Übrigen bereits ergriffene (siehe dazu bereits Pkt. 1.1.) – Möglichkeit der Antragstellung auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung (§45 Abs2 StVO 1960) von dem auf Grund der angefochtenen Verordnung bestehenden Fahrverbot einen solchen zumutbaren Weg dar. Damit steht der erstantragstellenden Stiftung sowie der zweitantragstellenden Partei ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber – wenn dieser Weg (teilweise) erfolglos bleiben sollte – in einer Beschwerde gegen die die Ausnahme (teilweise) versagende verwaltungsgerichtliche Entscheidung die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl zB VfGH 21.9.2020, V525/2020 ua mwN, sowie insbesondere VfGH 14.12.2022, V239/2022). Der Umstand, dass die Erteilung von Ausnahmebewilligungen nicht uneingeschränkt erfolgt und mit vom jeweiligen Antragsteller zu tragenden Kosten verbunden ist, vermag daran nichts zu ändern.
3.3. Der Antrag ist aber auch unzulässig, soweit die zweitantragstellende Partei ihre Antragslegitimation darüber hinaus darauf stützt, dass sie als Betreiberin einer Apotheke für die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zuständig sei und dass es für Menschen mit eingeschränkter Mobilität essentiell sei, die Apotheke "rasch und ohne zusätzliche Anstrengung erreichen zu können". Mit diesem Vorbringen vermag die zweitantragstellende Partei keine aktuelle Betroffenheit ihrer Rechtssphäre durch die angefochtene Verordnung darzutun. Ob durch die angefochtene Verordnung allenfalls die Rechtssphäre von (potentiellen) Kunden der zweitantragstellenden Partei betroffen ist, ist aus Anlass des vorliegenden Antrages nicht zu prüfen (vgl in diesem Sinn zB VfSlg 14.359/1995 und 16.097/2001).
4. Der Antrag ist daher mangels Legitimation der erstantragstellenden Stiftung sowie der zweitantragstellenden Partei gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.