JudikaturVfGH

E2002/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2024

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung des (im Spruchpunkt II. genannten) Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

1. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 18. September 2023 die Behandlung der von der Antragstellerin erhobenen Beschwerde ab. Dieser Beschluss wurde ihrer Rechtsvertreterin am 3. Oktober 2023 zugestellt.

2. Der gemäß Art144 Abs3 B VG iVm §87 Abs3 VfGG nachträglich gestellte Antrag der (unvertretenen) Antragstellerin, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. Dezember 2023 als verspätet zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde ihr am 10. Jänner 2024 zugestellt.

3. Mit am 13. März 2024 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt die (rechtsfreundlich vertretene) Antragstellerin nunmehr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und holt diesen (Wiedereinsetzungs-)Antrag unter einem nach.

Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass es zu einem Kommunikationsfehler zwischen ihr und ihrer (vordem beauftragten) Rechtsvertretung gekommen sei, auf Grund dessen die Weiterleitung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2023 seitens der Antragstellerin an die Rechtsvertretung unterblieb. Weder die Antragstellerin noch ihre Rechtsvertretung hätten daher Kenntnis von ihren Handlungsmöglichkeiten gehabt. Erst durch ihre nunmehr einschreitende Rechtsvertretung sei der Antragstellerin am 29. Februar 2024 in einem Beratungsgespräch die Möglichkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wie er sodann auch am 13. März 2024 rechtzeitig gestellt worden sei, zur Kenntnis gekommen.

4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig, aber nicht begründet:

4.1. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

4.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

4.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

4.2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung des Abtretungsantrages fiel im vorliegenden Fall am 29. Februar 2024 weg. Mit dem am 13. März 2024 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

4.3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens der Antragstellerin im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden:

Die Unkenntnis der rechtlichen Möglichkeit, gegen die Versäumung einer befristeten Prozesshandlung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §146 ZPO zu stellen, ist nicht als ein solcher Fehler einzuordnen. Denn es obliegt jedem selbst, sich Kenntnis von allenfalls bestehenden außerordentlichen Rechtsbehelfen (wie einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zu verschaffen. Ganz besondere Umstände, auf Grund derer dies der Antragstellerin hier unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, wurden weder geltend gemacht noch sind solche erkennbar (vgl VfSlg 10.473/1985, 14.910/1997 zur Beschwerdemöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof). Die Antragstellerin hat es also aus Gründen, die nicht bloß als minderer Grad des Versehens zu qualifizieren sind, verabsäumt, sich über die Rechtslage, insbesondere über die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu informieren.

4.4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

5. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde erst nach Ablauf der zweiwöchigen Frist (§35 Abs1 VfGG iVm §148 Abs2 ZPO) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

6. Diese Beschlüsse konnten gemäß §149 Abs2 ZPO iVm §35 VfGG und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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