JudikaturVfGH

A20/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2024

Spruch

I. Die Stadt Innsbruck ist schuldig, dem Kläger zuhanden seiner Rechtsvertreterin den Betrag von € 254,40 samt 4 % Zinsen seit 28. März 2023 sowie die Eingabengebühr im Ausmaß von € 50,40 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Klage und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B VG begehrt der Kläger, die Stadt Innsbruck schuldig zu erkennen, den Betrag von € 1.194,82 samt 4 % Zinsen seit 28. März 2023 sowie den Ersatz der Prozesskosten zuhanden seiner Rechtsvertreterin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

2. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Am 18. Februar 2021 sei das Kraftfahrzeug des Klägers im Auftrag der Stadt Innsbruck abgeschleppt worden. Um die Ausfolgung seines Kraftfahrzeuges zu erreichen, habe der Kläger am 19. Februar 2021 den Betrag von € 254,40 bezahlt.

In weiterer Folge habe der Bürgermeister der Stadt Innsbruck mit Straferkenntnis vom 2. Dezember 2021 ausgesprochen, dass der Kläger im Zeitraum vom 18. Februar 2021, 21.12 Uhr bis 21.29 Uhr in Innsbruck, Pestalozzistraße 2, mit seinem Kraftfahrzeug vor einer "Behindertenrampe" (seit BGBl I 123/2015: "Rampe zur barrierefreien Erschließung von Verkehrsflächen") gehalten und damit eine Verwaltungsübertretung gemäß §24 Abs1 liti iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 begangen habe, und über den Kläger eine Geldstrafe iHv € 90,– verhängt.

Auf Grund der vom Kläger erhobenen Beschwerde sei dieser Bescheid mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 11. April 2022 behoben worden und das Verwaltungsstrafverfahren sei eingestellt worden. Dies sei damit begründet worden, dass der Kläger sein Kraftfahrzeug nicht vor einer "Behindertenrampe", sondern vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt geparkt habe. Für die Vertretung im Verwaltungsstrafverfahren seien dem Kläger Vertretungskosten iHv € 940,42 entstanden.

Die Auffahrtsrampe, vor welcher der Kläger sein Kraftfahrzeug abgestellt habe, sei keine aktive Einfahrt mehr. Laut E Mail eines Mitarbeiters der Stadt Innsbruck habe dieser bei einem Lokalaugenschein festgestellt, dass die im Innenhof liegenden Stellplätze durch eine gesonderte Zufahrt erschlossen seien, die sich ca 10 m nördlich befinde, weshalb die Auffahrtsrampe zu entfernen sei. Vor diesem Hintergrund sei im vorliegenden Fall keine Behinderung für ein- oder ausfahrende Verkehrsteilnehmer zu befürchten gewesen. Eine Beeinträchtigung des Verkehrs iSd §89a Abs2 bzw 2a StVO 1960 sei nicht vorgelegen. Die Abschleppung des Kraftfahrzeuges des Antragstellers sei daher rechtswidrig gewesen.

Der Kläger begehre die Rückzahlung der von ihm entrichteten Abschleppkosten sowie der Vertretungskosten, die im Verwaltungsstrafverfahren auf Grund der nach der rechtswidrigen Abschleppung erfolgten Anzeige entstanden seien. Er sei zur Klage legitimiert, weil sich der Rückforderungsanspruch auf Abschleppkosten beziehe, die durch unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt entstanden seien, und damit nicht in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte falle. Ein Verwaltungsweg sei nicht vorgesehen, weil der Kläger nicht gehalten sei, nach erfolgter Zahlung einen Bescheid über die Abschleppkosten zu erwirken. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sei auch hinsichtlich der Vertretungskosten im Verwaltungsstrafverfahren gegeben, weil die Kosten, die bei der Betreibung eines öffentlich-rechtlichen Anspruches anfallen würden, auf Grund ihrer Akzessorietät zum Hauptanspruch als öffentlich-rechtlich anzusehen seien (vgl VfSlg 8666/1979).

3. Die Stadt Innsbruck (Stadtmagistrat) hat als beklagte Partei eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Ab- bzw Zurückweisung der Klage beantragt und dem geltend gemachten Anspruch wie folgt entgegengetreten wird:

Der Kläger begehre den Ersatz von Kosten, die ihm nach seinem Vorbringen auf Grund einer hoheitlichen Tätigkeit der Organe der beklagten Partei, also in Vollziehung der Gesetze entstanden seien. Die behaupteten Schadenersatzansprüche seien als solche gemäß §1 AHG zu qualifizieren und vor den ordentlichen Gerichten durchzusetzen. Die Klage sei daher wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen.

Die Klage sei auch unbegründet, weil die Abschleppung zu Recht erfolgt sei. Das Kraftfahrzeug des Klägers sei am 18. Februar 2021 um 21.18 Uhr in der Pestalozzistraße 2 im Bereich einer Grundstückseinfahrt abgestellt gewesen. Dies sei dem Kläger vor allem auf Grund der abgeschrägten Gehsteigkante und der Parkmarkierungen ersichtlich gewesen.

Die gemäß §89a Abs2 StVO 1960 für die Entfernung eines stehenden Fahrzeuges erforderliche Verkehrsbeeinträchtigung sei gemäß §89a Abs2a litc leg cit gegeben, wenn der Lenker eines sonstigen Fahrzeuges am Zu- oder Wegfahren zu bzw von einer Garagen- oder Grundstückseinfahrt gehindert sei. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts reiche in allen Fällen des §89a Abs2a StVO 1960 die konkrete Besorgnis einer Verkehrsbehinderung aus und eine konkrete Behinderung von Verkehrsteilnehmern sei nicht erforderlich. Gemäß §23 Abs1 StVO 1960 habe der Lenker das Fahrzeug zum Halten oder Parken unter Bedachtnahme auf die beste Ausnutzung des vorhandenen Platzes so aufzustellen, dass kein Straßenbenutzer gefährdet und kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren gehindert werde. Wenn die Hauseinfahrt für Fahrzeuge nicht generell unbenutzbar sei, sei das vor dieser Hauseinfahrt abgestellte und die Einfahrt blockierende Fahrzeug wegen Vorliegens einer Verkehrsbehinderung gemäß §89a Abs2a litc StVO 1960 zu entfernen.

Dem Vorbringen des Klägers, dass keine "aktive Grundstückseinfahrt" vorgelegen sei, sei entgegenzuhalten, dass bei der Beurteilung der Frage, ob eine Haus- oder Grundstückseinfahrt iSd §24 Abs3 litb StVO 1960 oder eine damit vergleichbare "Garagen- und Grundstückseinfahrt" iSd §24 Abs2 StVO 1960 vorliege, ausschließlich auf die äußeren Merkmale abzustellen sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme es nicht darauf an, ob die Einfahrt auch tatsächlich als solche benützt werde. Auf Grund der äußeren Merkmale (abgeschrägte Gehsteigkante und Parkmarkierung) sei im vorliegenden Fall für den Kläger zum Zeitpunkt des Parkvorganges klar eine Grundstückszufahrt erkennbar gewesen. Im Verwaltungsstrafverfahren gegen den Kläger habe auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in seinem Erkenntnis vom 11. April 2022 festgestellt, dass der Kläger vor einer Haus- und Grundstückseinfahrt geparkt habe.

4. Nach Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof hat die Beklagte in einer Stellungnahme Folgendes ergänzt:

Vor dem Abschleppen des Kraftfahrzeuges des Klägers sei festgestellt worden, dass eine Grundstückseinfahrt mit einer barrierefreien Rampe zur Fahrbahn vorliege. Es habe nördlich eine zweite Einfahrt gegeben, jedoch könnten die zuständigen Mitarbeiter aus heutiger Sicht nicht mehr sagen, ob zum damaligen Zeitpunkt eine Zu- bzw Abfahrt möglich gewesen sei.

5. Der Kläger hat eine "Replik" erstattet, in der er der Stellungnahme der Beklagten entgegentritt.

6. Mit einer weiteren Stellungnahme hat die Beklagte im Wesentlichen Folgendes ergänzt:

Der Kläger habe sein Fahrzeug nicht vor einer Rampe zur barrierefreien Erschließung von Verkehrsflächen abgestellt. Vielmehr handle es sich um eine Grundstückszufahrt, die auf Grund ihrer Ausmaße derart beschaffen sei, dass eine Ein- bzw Zufahrt "unter Beachtung einer umsichtigen Fahrweise, mit einem handelsüblichen VW T6 Transporter als Größenvergleich" möglich sei. Eine zweite Einfahrtsmöglichkeit befinde sich 9,75 m nördlich. Ob diese Einfahrt zum Zeitpunkt der Abschleppung frei gewesen sei, könne von den einschreitenden Organen nicht mehr angegeben werden. Aus dem E-Mail eines der einschreitenden Organe ergebe sich, dass "alle zwei Rampen auf den Gehsteig durch zwei Fahrzeuge verparkt" gewesen seien.

7. Der Kläger hat einen weiteren Schriftsatz eingebracht, in dem er die Verhältnisse am Abschlepport darlegt und der Beklagten unter anderem dahingehend entgegentritt, dass die zweite Einfahrt zum Zeitpunkt der Abschleppung frei gewesen sei.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 159/1960 idF BGBl I 122/2022, lauten wie folgt:

"§24. Halte- und Parkverbote.

(1) Das Halten und das Parken ist verboten:

[a)–k) …]

l. vor Rampen zur barrierefreien Erschließung von Verkehrsflächen oder wenn Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderung nicht bestimmungsgemäß genutzt werden können,

[m)–p) …].

[(2)–(8) …]

[…]

§89a. Entfernung von Hindernissen.

(1) Die Lenker von Fahrzeugen haben dafür zu sorgen, daß Steine oder andere Gegenstände, die unter die Räder des Fahrzeuges gelegt worden sind, um das Abrollen zu verhindern, vor der Weiterfahrt von der Straße entfernt werden. Kann mit einem Fahrzeug wegen einer Betriebsstörung die Fahrt nicht fortgesetzt werden, so hat der Lenker, wenn das Fahrzeug ein Hindernis bildet, für die eheste Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn zu sorgen.

(2) Wird durch einen Gegenstand auf der Straße, insbesondere durch ein stehendes Fahrzeug, mag es betriebsfähig oder nicht betriebsfähig sein, durch Schutt, Baumaterial, Hausrat und dergleichen der Verkehr beeinträchtigt, so hat die Behörde die Entfernung des Gegenstandes ohne weiteres Verfahren zu veranlassen. Die Entfernung ist ferner ohne weiteres Verfahren zu veranlassen

a) bei einem Gegenstand, bei dem zu vermuten ist, daß sich dessen der Inhaber entledigen wollte, sowie bei einem ohne Kennzeichentafeln abgestellten Kraftfahrzeug oder Anhänger und

b) bei einem Gegenstand (Fahrzeug, Container u. dgl.), der im Bereich eines Halte- und Parkverbotes abgestellt ist, das aus Gründen der Sicherheit erlassen worden und durch das Vorschriftszeichen nach §52 Z13b mit einer Zusatztafel 'Abschleppzone' (§54 Abs5 litj) kundgemacht ist.

(2a) Eine Verkehrsbeeinträchtigung im Sinne des Abs2 ist insbesondere gegeben,

a) wenn Schienenfahrzeuge nicht unbehindert fahren können,

b) wenn der Lenker eines Omnibusses des Kraftfahrlinienverkehrs am Vorbeifahren oder Wegfahren, am Zufahren zu einer Haltestelle oder zu einer Garage oder am Befahren eines Fahrstreifens für Omnibusse gehindert ist,

c) wenn der Lenker eines sonstigen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren oder am Zufahren zu einer Ladezone oder zu einer Garagen- oder Grundstückseinfahrt gehindert ist,

d) wenn ein Fahrzeug, bei dem kein Ausweis im Sinne des §29b Abs4 angebracht ist, auf einem gemäß §43 Abs1 litd freigehaltenen Abstellplatz abgestellt ist oder wenn der Inhaber eines Ausweises nach §29b Abs1 oder 5 am Zufahren zu einem solchen Abstellplatz gehindert ist,

e) wenn Fußgänger, insbesondere auch Personen mit Kinderwagen oder Menschen mit Behinderungen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, an der Benützung eines Gehsteiges, eines Gehweges oder eines Geh- und Radweges erheblich behindert sind,

f) wenn Radfahrer an der Benützung eines Radfahrstreifens, eines Radweges oder eines Geh- und Radweges gehindert sind,

g) wenn ein Fahrzeug auf einem Schutzweg, auf einer Radfahrerüberfahrt oder entgegen den Bestimmungen des §24 Abs1 litl abgestellt ist oder

h) wenn ein Fahrzeug, das nicht ein Omnibus ist, auf einer für Omnibusse vorbehaltenen Fläche ('Buszone') abgestellt ist.

i) wenn der Lenker eines Taxifahrzeuges oder einer Fiakerkutsche am Zufahren zum Standplatz gehindert ist.

(3) Im Falle der Unaufschiebbarkeit sind auch die Organe der Straßenaufsicht, des Straßenerhalters, der Feuerwehr oder eines Kraftfahrlinien- oder Eisenbahnunternehmens berechtigt, unter den im Abs2 genannten Voraussetzungen die dort bezeichneten Gegenstände zu entfernen oder entfernen zu lassen. Dies gilt insbesondere auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für unaufschiebbare Verkehrsbeschränkungen nach §44b Abs1.

(4) Von der Entfernung des Gegenstandes nach Abs2 und von dem Ort der Verbringung ist sowohl die dem Orte der bisherigen Aufstellung oder Lagerung am nächsten gelegene als auch die hiefür örtlich zuständige Polizeidienststelle unverzüglich zu verständigen. Von einer Entfernung des Gegenstandes nach Abs3. ist darüber hinaus die Behörde unverzüglich zu verständigen. Die Polizeidienststelle hat alle die Verbringung betreffenden Auskünfte zu erteilen.

(5) Sofern der Gegenstand noch nicht übernommen worden ist, hat die Behörde innerhalb einer Frist von einer Woche nach dem Entfernen des Gegenstandes den Eigentümer, im Falle des Entfernen eines zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges oder Anhängers jedoch den Zulassungsbesitzer, durch Zustellung zu eigenen Handen (§22 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991) aufzufordern, den Gegenstand innerhalb einer Frist von sechs Monaten, einen im letzten Satz des Abs2 genannten Gegenstand aber innerhalb einer Frist von zwei Monaten, gerechnet vom Tage der Zustellung, zu übernehmen. Kann die Person, an welche die Aufforderung zu richten wäre, nicht festgestellt werden, ist §25 des Zustellgesetzes – ZustG, BGBl Nr 200/1982, sinngemäß anzuwenden.

(6) Nach erfolglosem Ablauf der gemäß Abs5 gesetzten Frist geht das Eigentum am entfernten Gegenstand auf den Erhalter jener Straße über, von der der Gegenstand entfernt worden ist. Dieser Eigentumsübergang findet jedoch nicht statt, wenn

a) der Gegenstand zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert worden ist, zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs2 oder 3 noch nicht vorlagen und dem Inhaber des Gegenstandes der bevorstehende Eintritt der Voraussetzungen nicht bekannt war und

b) die Aufstellung oder Lagerung nicht schon von Anbeginn gesetzwidrig war.

(7) Das Entfernen und Aufbewahren des Gegenstandes erfolgt auf Kosten desjenigen, der im Zeitpunkt des Aufstellens oder Lagerns des Gegenstandes dessen Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern dessen Zulassungsbesitzer war. Die Kosten sind vom Inhaber, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern vom Zulassungsbesitzer oder deren Erfüllungsgehilfen (Beauftragten) bei der Übernahme des Gegenstandes zu bezahlen. Wird der Gegenstand innerhalb der gemäß Abs5 festgesetzten Frist nicht übernommen oder die Bezahlung der Kosten verweigert, so sind die Kosten dem Inhaber des entfernten Gegenstandes, bei zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen dem Zulassungsbesitzer mit Bescheid vorzuschreiben. Ist der Gegenstand widerrechtlich entzogen worden, so sind die Kosten demjenigen vorzuschreiben, der den Gegenstand entzogen hat. Ist der Gegenstand jedoch zu einem Zeitpunkt aufgestellt oder gelagert worden, zu dem die Voraussetzungen zur Entfernung nach Abs2 oder 3 noch nicht vorlagen, so sind die Kosten für die Entfernung, Aufbewahrung und Übernahme des Gegenstandes und die Gefahr der Entfernung und Aufbewahrung von dem Rechtsträger zu tragen, dessen Organ die Entfernung veranlaßt hat, es sei denn, daß dem Inhaber der bevorstehende Eintritt der Voraussetzung bekannt war oder daß die Aufstellung oder Lagerung von Anbeginn gesetzwidrig war. Eine Kostenvorschreibung nach Ablauf von drei Jahren nach Entfernung des Gegenstandes ist unzulässig.

(7a) Die Höhe der zu bezahlenden Kosten (Abs7) kann durch Verordnung in Bauschbeträgen (Tarifen) gestaffelt bei Fahrzeugen nach der Art, sonst nach Größe oder Gewicht der Gegenstände auf Grund einer Ausschreibung nach dem kostengünstigsten Angebot festgesetzt werden. Die Festsetzung ist derart vorzunehmen, daß die notwendigen, der Behörde aus der Entfernung und Aufbewahrung der Gegenstände tatsächlich erwachsenden durchschnittlichen Kosten gedeckt sind. Hiezu gehören insbesondere die Kosten des Einsatzes der Transportfahrzeuge, der Entlohnung des für das Entfernen benötigten Personals, der Amortisation der Geräte sowie der Errichtung, des Betriebes, der Erhaltung, der Sicherung und der Bewachung des Ortes der Aufbewahrung, wobei jedoch jene Kosten unberücksichtigt zu bleiben haben, die die Behörde aus dem allgemeinen Aufwand zu tragen hat. Die für die Aufbewahrung der Gegenstände zu entrichteten Bauschbeträge sind nach der Dauer der Verwahrung zu bestimmen.

(8) Durch die Bestimmungen der Abs2 bis 7 werden Rechtsvorschriften über gefundene oder vom Eigentümer preisgegebene Sachen nicht berührt. Ist die Entsorgung einer preisgegebenen Sache erforderlich, so sind die Kosten hierfür vom letzten Eigentümer, im Fall eines Kraftfahrzeuges vom letzten Zulassungsbesitzer, zu tragen. Wird die Bezahlung der Kosten verweigert, so sind die Kosten dem letzten Eigentümer, im Fall eines Kraftfahrzeuges dem letzten Zulassungsbesitzer mit Bescheid vorzuschreiben. Ein bei der Entsorgung erzielter Gewinn ist von den Kosten in Abzug zu bringen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit der Klage

1.1. Gemäß Art137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.2. Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht, soweit darin die Rückzahlung der bereits entrichteten Kosten für das Abschleppen und die Aufbewahrung des Fahrzeuges in Höhe von € 254,40 samt 4 % Zinsen seit 28. März 2023 begehrt wird (vgl VfSlg 15.839/2000, 16.005/2000, 16.599/2002, 17.038/2002). In diesem Umfang erweist sich die Klage als zulässig.

1.3. Darüber hinaus begehrt der Kläger den Ersatz seiner Vertretungskosten, die ihm im Verwaltungsstrafverfahren, das vom Landesverwaltungsgericht Tirol eingestellt worden sei, entstanden seien. Der Verweis des Klägers auf VfSlg 8666/1979 geht dabei schon insofern ins Leere, als es dort nicht um den Ersatz von Vertretungskosten, sondern von gerichtlich bestimmten Exekutionskosten und Vollzugsgebühren ging. Ein Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten des Beschuldigten eines Verwaltungsstrafverfahrens ist im Gesetz nicht vorgesehen (siehe §17 VwGVG iVm §24 VStG und §74 Abs1 AVG). Der Kläger begehrt daher letztlich den Ersatz eines Schadens, der ihm durch das rechtswidrige Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde entstanden sei. Über Schadenersatzansprüche ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes grundsätzlich – sei es nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches oder nach jenen des Amtshaftungsgesetzes – im ordentlichen Rechtsweg zu erkennen (vgl zB VfSlg 13.079/1992, 16.107/2001, 19.430/2011; VfGH 22.9.2021, A17/2021). Der vom Kläger aus dem rechtswidrigen Straferkenntnis abgeleitete Anspruch ist daher aus dem Titel der Amtshaftung im ordentlichen Rechtsweg auszutragen (vgl zum auf das AHG gestützten Ersatz von Vertretungskosten in einem Verwaltungsstrafverfahren zB OGH 16.3.2017, 1 Ob 231/16a). Im Umfang des Mehrbegehrens iHv € 940,42 erweist sich die Klage damit als unzulässig.

2. In der Sache

2.1. Die Klage ist – soweit zulässig – begründet.

2.2. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

Der Kläger hat am 18. Februar 2021, 21.12 Uhr bis 21.29 Uhr, in Innsbruck, Pestalozzistraße 2, sein Kraftfahrzeug vor einer abgeschrägten Gehsteigkante abgestellt. Diese diente ausschließlich der an dieser Stelle befindlichen Grundstückseinfahrt. Dem äußeren Erscheinungsbild nach bestand kein Anlass dazu, von einer Rampe zur barrierefreien Erschließung auszugehen. Der Kläger hat sein Kraftfahrzeug somit vor einer Grundstückseinfahrt abgestellt. Eine zweite Grundstückseinfahrt zu demselben Grundstück befand sich ca 10 m nördlich. Dem Verfassungsgerichtshof liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Zufahren zu dieser zweiten Einfahrt im Zeitraum, in dem der Kläger sein Kraftfahrzeug vor der zuvor genannten Grundstückseinfahrt abgestellt hat, nicht möglich gewesen wäre.

2.3. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hat die Behörde in einem Kostenvorschreibungsverfahren – gleichsam als Vorfrage – zu beurteilen, ob eine Verkehrsbeeinträchtigung iSd §89a Abs2 StVO 1960 vorlag und demnach die zwangsweise Entfernung des Fahrzeuges berechtigt war. Erst bei Bejahung dieser Frage ist zu prüfen, ob auch die Voraussetzungen vorliegen, dem Zulassungsbesitzer die Kosten dafür aufzuerlegen (VfSlg 13.533/1993, 14.243/1995; VwGH 21.11.1980, 1093/80). Das Vorliegen einer Verkehrsbeeinträchtigung ist aber nicht Hauptgegenstand eines Kostenverfahrens nach §89a Abs7 StVO 1960, sondern bloß die Voraussetzung für die Kostenvorschreibung (VfSlg 13.533/1993; VwGH 25.4.1985, 85/02/0002).

Der Verfassungsgerichtshof hat daher zunächst zu beurteilen, ob eine Verkehrsbeeinträchtigung iSd §89a Abs2 StVO 1960 überhaupt gegeben ist und im Anschluss, ob die zwangsweise Entfernung des Fahrzeuges durch die Behörde berechtigt war (VfSlg 17.038/2003).

2.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt für die Annahme einer Verkehrsbeeinträchtigung in allen Fällen des §89a Abs2a StVO 1960, somit in den Fällen, in denen der Gesetzgeber für die Annahme einer Verkehrsbeeinträchtigung verlangt, dass Verkehrsteilnehmer "gehindert sind", die konkrete Besorgnis einer solchen Behinderung und die konkrete Behinderung von Verkehrsteilnehmern ist nicht erforderlich (sogenannte "Besorgnisjudikatur", vgl VwSlg 13.275 A/1990 sowie zB VwGH 27.02.2009, 2008/02/0398; 11.9.2013, 2009/02/0305; 20.11.2013, 2011/02/0263).

Eine Verkehrsbeeinträchtigung ist nach §89a Abs2a litc StVO 1960 unter anderem gegeben, wenn der Lenker eines sonstigen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren oder am Zufahren zu einer Grundstückseinfahrt gehindert ist. Für das Vorliegen einer Grundstückseinfahrt kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich auf die äußeren Merkmale und nicht darauf an, ob die Einfahrt auch tatsächlich als solche benutzt wird (vgl zB VwSlg 16.135 A/2003; VwGH 25.1.2002, 99/02/0141; 11.9.2013, 2009/02/0305).

2.5. Der Kläger bestreitet das Vorliegen einer Grundstückseinfahrt damit, dass diese nicht benutzt werde, weil es eine zweite Einfahrt zum Grundstück gebe, die ca 10 m weiter nördlich liege. Dem ist die eben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, nach der es für das Vorliegen einer Grundstückseinfahrt ausschließlich auf die äußeren Merkmale und insbesondere nicht darauf ankommt, ob die Einfahrt auch tatsächlich als solche benutzt wird. Nach den vorgelegten Unterlagen und den erstatteten Äußerungen steht für den Verfassungsgerichtshof fest, dass der Kläger vor einer nach äußerlichen Merkmalen erkennbaren Grundstückseinfahrt geparkt hat.

Angesichts des Vorliegens einer zweiten Grundstückseinfahrt, auf die sich der Kläger bezieht, käme eine Verkehrsbeeinträchtigung gemäß §89a Abs2a litc StVO 1960 jedoch nur in Betracht, wenn der Lenker eines sonstigen Fahrzeuges auch "gehindert" war, die zweite Grundstückseinfahrt zu benutzen (vgl VwGH 13.11.1981, 81/02/0080). Weder aus den vorgelegten Unterlagen noch aus dem Vorbringen der Parteien hat sich ergeben, dass die Benutzung der zweiten, zumindest "gleichartigen" (VwGH 13.11.1981, 81/02/0080) Grundstückseinfahrt während des Zeitraumes, in dem der Kläger sein Kraftfahrzeug vor der ersten Grundstückseinfahrt abgestellt hat, nicht möglich gewesen sein soll. Soweit die Beklagte auf ein E-Mail verweist, aus dem sich ergebe, dass zum Zeitpunkt der Abschleppung "alle zwei Rampen auf den Gehsteig durch zwei Fahrzeuge verparkt" gewesen seien, wird damit – wie sich ebenfalls aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr ergibt – lediglich eine zweite Abschrägung des Gehsteiges angesprochen, die sich "ca 15 Meter südlich vom Entfernungsort des Fahrzeuges" befindet, womit jedoch keine Aussage über die zweite, ca 10 m nördlich gelegene Einfahrt gemacht wird.

2.6. Es lag somit keine Verkehrsbeeinträchtigung gemäß §89a Abs2 StVO 1960 vor, sodass sich das Klagebegehren im Umfang der Abschleppkosten samt Zinsen als begründet erweist.

IV. Ergebnis

1. Der geltend gemachte Anspruch von € 254,40 samt 4 % Zinsen seit 28. März 2023 besteht dem Grunde und der Höhe nach zu Recht; der Klage ist daher in diesem Umfang stattzugeben.

2. Im Übrigen ist die Klage zurückzuweisen.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG auch im Hinblick auf Art6 EMRK abgesehen werden, weil keine komplexen Rechtsfragen zu erörtern waren und angesichts der Schriftsätze der Parteien und der vorgelegten Dokumente eine weitere Klärung des Sachverhaltes nicht zu erwarten war.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 iVm §35 Abs1 VfGG und §43 ZPO. Der Kläger ist mit ca einem Fünftel seiner Klage durchgedrungen. Ihm ist daher in diesem Ausmaß lediglich ein Ersatz der Eingabengebühr iHv € 50,40 zuzusprechen (§43 Abs1 dritter Satz ZPO). Der im Übrigen obsiegenden beklagten Partei sind keine Kosten zuzusprechen, weil sie solche zwar begehrt, nicht aber ziffernmäßig verzeichnet hat. Wohl besagt §27 VfGG, dass "regelmäßig anfallende Kosten, insbesondere für den Antrag (die Beschwerde) und für die Teilnahme an Verhandlungen, nicht ziffernmäßig verzeichnet werden" müssen, doch bezieht sich diese Regelung nach Wortlaut und Sinngehalt nicht auf Klagen nach den §§37 ff VfGG (zB VfSlg 18.887/2009 mwN).

Rückverweise