JudikaturVfGH

G31/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
12. März 2024

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, die Wortfolge "innerhalb von fünf Tagen" in §71 Abs2 SchUG, BGBl 472/1986, idF BGBl I 140/2023 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986, idF BGBl I 140/2023 lauten wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Provisorialverfahren (Widerspruch)

§71. (1) Gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 ist Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.

(2) Gegen die Entscheidung,

a) daß die Einstufungs-, Aufnahms- oder Eignungsprüfung nicht bestanden worden ist (§§3, 8, 28 bis 31),

b) betreffend den Wechsel von Schulstufen (§17 Abs5),

c) dass der Schüler aufgrund einer Entscheidung

aa) gemäß §20 Abs6, 8 und 10,

bb) nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen,

cc) nach Ablegung der Wiederholung der Semesterprüfung über einen Pflichtgegenstand, oder

dd) nach Ablegung einer Ausgleichsprüfung über einen Pflichtgegenstand gemäß §30 Abs1 bis 5 oder deren Wiederholung, jeweils in Verbindung mit §25, zum Aufsteigen nicht berechtigt ist oder die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen hat,

d) daß die Aufnahmsprüfung gemäß §31b Abs3 nicht bestanden worden ist,

e) dass der Schüler auf der nächsten Schulstufe gemäß einem anderen Leistungsniveau unterrichtet wird (§31b Abs7),

f) daß eine Reifeprüfung, eine Reife- und Diplomprüfung, eine Diplomprüfung, eine Abschlußprüfung, eine Zusatzprüfung oder eine Externistenprüfung nicht bestanden worden ist (§§38, 41, 42),

g) dass dem Ansuchen gemäß §26a nicht vollinhaltlich stattgegeben wurde,

h) dass der letztmögliche Antritt zu einer Ausgleichsprüfung gemäß §30 Abs6 nicht bestanden worden ist,

ist ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen. Der Schulleiter (der Vorsitzende der Prüfungskommission) hat den Widerspruch unter Anschluß einer Stellungnahme der Lehrer (Prüfer), auf deren Beurteilungen sich die Entscheidung gründet, sowie unter Anschluß aller sonstigen Beweismittel unverzüglich der zuständigen Schulbehörde vorzulegen.

(2a) Mit Einbringen des Widerspruches tritt die (provisoriale) Entscheidung der Organe in den Angelegenheiten des §70 Abs1 und des §71 Abs2 außer Kraft. In diesen Fällen hat die zuständige Schulbehörde das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Entscheidung mit Bescheid zu treffen.

(3) Die Frist für die Einbringung des Widerspruchs beginnt im Falle der mündlichen Verkündung der Entscheidung mit dieser, im Falle der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung jedoch mit der Zustellung.

(4) Die zuständige Schulbehörde hat in den Fällen des Abs2, insoweit sich der Widerspruch auf behauptete unrichtige Beurteilungen mit 'Nicht genügend' stützt, diese zu überprüfen. Wenn die Unterlagen nicht zur Feststellung, daß eine auf 'Nicht genügend' lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Widerspruchswerber zu einer kommissionellen Prüfung (Abs5) zuzulassen. Die Überprüfung der Beurteilungen bzw die Zulassung zur kommissionellen Prüfung hat auch dann zu erfolgen, wenn deren Ergebnis keine Grundlage für eine Änderung der angefochtenen Entscheidung gibt.

(5) Für die Durchführung der kommissionellen Prüfung gelten die Bestimmungen über die Wiederholungsprüfung (§23 Abs6) mit der Maßgabe, dass

1. die Prüfung unter dem Vorsitz eines Schulaufsichtsbeamten oder eines von diesem bestimmten Vertreters stattzufinden hat und

2. der Vorsitzende den Lehrer, der den betreffenden Unterrichtsgegenstand in der betreffenden Klasse unterrichtet hat, oder einen anderen für den betreffenden Unterrichtsgegenstand (das Prüfungsgebiet) lehrbefähigten Lehrer als Prüfer und einen weiteren Lehrer als Beisitzer zu bestellen hat. Wenn eine Einigung über die Beurteilung des Ergebnisses dieser Prüfung nicht zu Stande kommt, entscheidet der Vorsitzende.

(6) Der dem Widerspruch stattgebenden oder diesen abweisenden Entscheidung ist die Beurteilung zugrunde zu legen, die die Behörde nach der Überprüfung bzw die Prüfungskommission nach der Durchführung der Prüfung für richtig hält. Sofern diese Beurteilung nicht auf 'Nicht genügend' lautet, ist ein Zeugnis auszustellen, das diese Beurteilung enthält.

(7a) Im Falle des Abs2 lith hat die Schulbehörde erster Instanz die behauptete unrichtige Beurteilung der Semesterprüfung mit 'Nicht genügend' bzw deren Nichtbeurteilung wegen vorgetäuschter Leistungen zu überprüfen. Wenn die Unterlagen zur Feststellung, dass eine Nichtbeurteilung oder eine auf 'Nicht genügend' lautende Beurteilung unrichtig oder richtig war, nicht ausreichen, ist das Verfahren zu unterbrechen und der Berufungswerber zu einer neuerlichen Semesterprüfung unter dem Vorsitz eines Vertreters der Schulbehörde erster Instanz zuzulassen.

(9) Gegen andere als in Abs1 und 2 genannte Entscheidungen von schulischen Organen ist ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde nicht zulässig.

[…]

Fristberechnung

§74. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, nach dem sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) […]

(3) Der Beginn und Lauf einer Frist wird durch Sonn- oder Feiertage nicht behindert.

(4) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen.

(5) – (6) […]

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Entscheidung vom 21. Dezember 2023 beschloss die Klassenkonferenz einer näher bezeichneten Klasse der Landesberufsschule ***, dass die im Anlassverfahren beschwerdeführende Partei gemäß §25 SchUG die letzte Schulstufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen habe. Die Zustellung dieser Entscheidung an die im Anlassverfahren beschwerdeführende Partei erfolgte am 12. Jänner 2024.

Mit undatiertem Schreiben, welches einen Einschreibevermerk der Post vom 19. Jänner 2024 enthielt, erhob die im Anlassverfahren beschwerdeführende Partei einen begründeten Widerspruch gegen die Entscheidung vom 21. Dezember 2023.

Mit Bescheid vom 26. Jänner 2024 wies die Bildungsdirektion für Salzburg den Widerspruch gemäß §71 SchUG iVm §66 Abs4 AVG als verspätet zurück und stellte fest, dass die im Anlassverfahren beschwerdeführende Partei die letzte Stufe der besuchten Schulart nicht erfolgreich abgeschlossen habe. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Widerspruch sei verspätet, weil ausgehend vom Zustelldatum am 12. Jänner 2024 die fünftägige Frist zur Erhebung des Widerspruchs am 13. Jänner 2024 zu laufen begonnen habe, weshalb der letzte Tag der Frist zur Einbringung eines Widerspruchs der 17. Jänner 2024 gewesen sei. Die Einbringung sei jedoch erst am 19. Jänner 2023 erfolgt.

Mit undatiertem Schreiben, welches einen Einschreibevermerk der Post vom 13. Februar 2024 enthielt, erhob die im Anlassverfahren beschwerdeführende Partei gegen den Bescheid vom 26. Jänner 2024 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, der Sache nach wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

5.1. Überlegungen zum Provisorialverfahren

§70 SchUG sieht vor, dass, soweit zur Durchführung von Verfahren andere Organe als die Schulbehörden berufen sind, die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des AVG keine Anwendung finden. §71 Abs1 und 2 SchUG regeln das 'Provisorialverfahren (Widerspruch)'.

Beide Regelungen entsprechen im Wesentlichen bereits der Rechtslage vor Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012. Als wesentliche Änderung wurde mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 §71 Abs2a SchUG eingefügt, wonach mit Einbringen eines Widerspruches gegen (provisoriale) Entscheidungen gemäß §70 Abs1 und §71 Abs2 SchUG diese ex lege außer Kraft tritt und die zuständige Schulbehörde ein Verwaltungsverfahren einzuleiten hat. Darüber hinaus wurde die Anwendbarkeit des AVG in §70 SchUG nunmehr expressis verbis (und nicht nur implizit, wie in der bis zum 31.12.2013 anzuwendenden Fassung) ausgeschlossen, sowie in §71 SchuG die 'Schulbehörde erster Instanz' durch die 'zuständige Schulbehörde' und die 'Berufung' durch den 'Widerspruch' ersetzt.

Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, wurde mit Art130 Abs1 Z1 und 132 Abs1 Z1 B VG durch den Gesetzgeber ein grundsätzlicher Systemwechsel vollzogen und der administrative Instanzenzug mit einer einzigen Ausnahme (diese betrifft die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde gemäß Art118 B VG) abgeschafft. Außer in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde gibt es nunmehr nur noch eine einzige Verwaltungsinstanz; jede Verwaltungsbehörde ist also 'erste und letzte Instanz' und gegen die von ihr erlassenen Bescheide (bzw wegen einer Verletzung der Entscheidungspflicht durch sie) kann als einziges Rechtsmittel Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden (vgl Erläuternde Bemerkungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeits Novelle 2012 RV 1618 dB XXIV.GP S3 4).

Ungeachtet der Abschaffung des administrativen Instanzenzuges ist die belangte Behörde aus Anlass der Erhebung einer Beschwerde durch §14 VwGVG ermächtigt, den angefochtenen (eigenen) Bescheid mit einer Beschwerdevorentscheidung aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. (RV 1618 dB XXIV.GP S14). Ebenso schließt die Abschaffung des administrativen Instanzenzuges nicht aus, dass (remonstrative) Provisorialentscheidungen – etwa Strafverfügungen (§49 VwStrG) oder Mandatsbescheide (§57 AVG) – vorgesehen werden, welche durch einen Widerspruch der Parteien außer Kraft treten und wodurch das ordentliche Verwaltungs(straf)verfahren eingeleitet wird. Auch sukzessive Zuständigkeit sind weiterhin vorgesehen etwa im Leistungsrecht der Sozialversicherung (§65 ASGG) oder im Mietrecht (vgl Bericht des Verfassungsausschusses zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 AB 1771 dB XXIV.GP S8).

§70 und §71 SchUG betreffend den Ausschluss des AVG und das Provisorialverfahren (Widerspruch) wurden in der derzeit geltenden Fassung mit dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz für den Schul- und Kultusbereich, BGBl I Nr 75/2013, im Schulunterrichtsgesetz verankert. Dem ging voran, dass im Ministerialentwurf zum BGBl I Nr 75/2013 (473/ME XXIV. GP) noch vorgesehen war, §71 SchUG zur Gänze entfallen zu lassen, wogegen sich die Landesschulräte und der Stadtschulrat in ihren Stellungnahmen aussprachen (vgl exemplarisch 6/SN 473/ME, 13/SN 473/ME, 15/SN 473/ME).

In den Erläuterungen zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz für den Schul- und Kultusbereich (RV 2212 dB XXIV. GP S2 3) wurde in der Folge dazu ausgeführt. 'Aufgrund der besonderen Situation in den Schulen ist es unerlässlich, besondere Verfahrensbestimmungen vorzusehen, um den reibungslosen und effektiven Schulbetrieb zu gewährleisten und die Anwendbarkeit des AVG abzubedingen. […] Der geänderte §71 bekommt die Überschrift 'Provisorialverfahren (Widerspruch). Durch den neuen Begriff 'Widerspruch' soll klargestellt werden, dass es sich bei Entscheidungen von anderen Organen als den Schulbehörden des Bundes (zB Schulleiterin oder Schulleiter, Konferenz, Prüfungskommission, Wahlkommission) um provisoriale Entscheidungen handelt, die durch Widerspruch erst zu einem ordentlichen behördlichen Verfahren führen. […] Der neue Abs9 beschränkt die Möglichkeit eines Widerspruches auf die in Abs1 und 2 genannten Entscheidungen.'

Wenngleich über den Widerspruch im Rahmen des Provisorialverfahrens eine andere, darüber hinaus übergeordnete Stelle (Bildungsdirektion) entscheidet, stellt dies nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts kein unzulässiges devolutives Rechtsmittel dar, weil die Entscheidung der unselbstständigen Anstalt Schule lediglich eine provisoriale ist, gegen welche der Rechtsbehelf des Widerspruchs geltend gemacht werden kann (in diesem Sinne etwa auch Andergassen, Schulrecht 2022/23 RN 521 uHa Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht). Erst auf Grund dieses Widerspruchs wird das ordentliche behördliche Verfahren unter Anwendung des AVG bei der zuständigen Schulbehörde eingeleitet. Eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann gegen einen im Rahmen dieses behördlichen Verfahrens ergangenen Bescheid erhoben werden. Bei der in §71 SchUG geregelten Widerspruch handelt es sich daher um ein nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 zulässiges remonstratives Rechtsmittel (vgl VfGH 10.03.2019, G151/2019 zur Vorstellung in der RAO).

5.2. Das Bundesverwaltungsgericht hegt Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Widerspruchsfrist von fünf Tagen in §71 Abs2 SchUG.

5.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht hegt verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend, dass die gegenüber anderen Provisorialverfahren stark verkürzte Frist zur Erhebung des Widerspruchs dem Gleichheitsgebot iSd Art7 B VG widerspricht.

Für alle Entscheidungen nach §70 Abs1 und §71 Abs2 SchUG gilt gemäß §71 Abs1 und Abs2 SchUG eine Frist zur Erhebung eines Widerspruchs von fünf Tagen. Gemäß §74 Abs1 SchUG beginnt diese Frist am Tag nach der Zustellung und der Lauf der Frist wird durch Sonn oder Feiertage nicht behindert (§74 Abs3 SchUG). Bei einem Ende an einem Samstag, Sonntag oder Feiertag ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen (§74 Abs3 SchUG).

Die sehr kurze Widerspruchsfrist geht (ebenso wie die Nichtanwendbarkeit des AVG für die Entscheidungen der Schulorgane) auf die Änderung des Schulunterrichtsgesetzes mit BGBl Nr 231/1977 zurück. In diesem war zunächst im Entwurf RV 401 dB XIV. GP in §71 Abs1 SchUG eine 1 wöchige Berufungsfrist für Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 SchUG vorgesehen. In §71 Abs2 SchUG war hingegen eine fünftägige Berufungsfrist mit der Begründung vorgesehen, 'eine knapp vor dem Ende des Unterrichtsjahres abzuhaltende Konferenz stünde einer rechtzeitigen Erledigung anhängiger Rechtsmittel vor Beginn des nächsten Schuljahres entgegen. […] [Dem] wurde damit begegnet, dass die Durchführung der Konferenz zu Beginn der zweiten Woche vor Ende des Unterrichtsjahres vorgeschrieben wird und dass zum zweiten, die Frist für die Einbringung von Berufungen gegen Entscheidungen, die in der Konferenz gemäß §20 Abs6 zu treffen sind, auf fünf Tage verkürzt wurde (siehe §71 Abs2).' (vgl RV 401 dB XIV. GP S13, 15 16).

Mit dem Ausschussbericht 498 dB XIV.GP (S1 2 und 8) wurde ohne weitere Begründung auch die Berufungsfrist in §71 Abs1 von einer Woche auf fünf Tage gekürzt.

Diese ab diesem Zeitpunkt für alle Entscheidungen gemäß §70 und §71 SchUG geltende Fünf Tages Frist wurde im Zuge der Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit beibehalten.

Aus den Materialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ergibt sich, dass es dem einfachen Gesetzgeber – wie im vorliegenden Fall – verfassungsrechtlich unbenommen bleibt, Provisorialentscheidungen vorzusehen, gegen die ein nicht aufsteigendes Rechtsmittel eingebracht werden kann (AB 1771 dB XXIV.GP S8). Vor diesem Hintergrund kann es daher auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei §71 Abs1 und Abs2 SchUG um eine abweichende Regelung iSd Art11 Abs2 B VG handelt, und auch Art136 Abs2 B VG über das Verfahren der Verwaltungsgerichte bleibt dadurch unberührt (vgl dazu VfGH 10.03.2020, G151/2019).

Die Widerspruchsfrist von fünf Tagen – faktisch zumeist nur drei bis vier Tage (siehe dazu nachstehend) – weicht jedoch nicht nur deutlich von der in Verwaltungsverfahren gegebenen Beschwerdefrist von vier Wochen ab, sondern stellt sich vor allem im Vergleich mit anderen zulässigen Provisorialverfahren als extrem kurz dar. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dabei der bloße Vergleich der Länge von Rechtsmittelfristen ohne Berücksichtigung des jeweiligen Systems des Rechtsmittelrechtes nicht aussagekräftig (vgl VfGH 26.09.2019, G117/2019 uHa VfSlg 15786/2000; VfGH 12.03.2019, G329/2019).

Vergleichbar kurz ist die Widerspruchsfrist von einer Woche in §8 Abs1 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG). Diese unterscheidet sich jedoch dahingehend vom Widerspruch nach §71 Abs1 und Abs2 SchUG, das auch ohne erhobenen Widerspruch ein Feststellungsbescheid durch die Abgabenbehörde zu erlassen ist, gegen den in weiterer Folge eine Beschwerde erhoben werden kann. Im Beschwerdeverfahren nach der BAO besteht darüber hinaus auch kein Neuerungsverbot (zur Verfassungskonformität dieser Regelung siehe VfGH 26.09.2019, G117/2019).

Der Widerspruch gemäß §71 Abs2 SchUG hat diese Wirkung hingegen nicht. Im Gegenteil, obzwar die Entscheidungen gemäß §70 und §71 Abs2 SchUG keine Bescheide darstellen, haben diese bei Unterlassen eines Widerspruchs oder – wie fallgegenständlich – Versäumnis der Widerspruchsfrist die Wirkung der Unabänderlichkeit der getroffenen Entscheidung hinsichtlich der darin enthaltenen Begründungselemente zu Folge (vgl dazu VwGH RS3 29.06.1992, 91/10/0109).

In anderen Provisorialverfahren, deren Entscheidungen bei Fristversäumnis oder Unterlassen eines Rechtsmittels ebenfalls die Wirkung der Unabänderlichkeit der getroffenen Entscheidung haben, ist die Frist zur Erhebung eines Rechtsmittels zur Einleitung eines ordentlichen Verwaltungsverfahrens jedoch mehr als doppelt so lang als in §71 Abs2 SchUG. So beträgt die Frist für eine Vorstellung gegen einen Mandatsbescheid gemäß §57 AVG ebenso zwei Wochen, wie jene für einen Einspruch gegen eine Strafverfügung gemäß §49 VStG. Die Vorstellung nach §26 Abs5 RAO beträgt 14 Tage.

Dass für den Widerspruch nach §71 Abs2 SchUG keine Begründung erforderlich ist, kann bei dieser Betrachtung insofern außer Acht gelassen werden, weil dies auch auf die bereits erwähnten Provisorialverfahren zutrifft.

Bezogen auf §71 Abs2 SchUG hat der Gesetzgeber 1974 in RV 345 dB XIII. GP die sehr kurze Frist von einer Woche damit begründet, 'dass im Zeitpunkt des Einlangens einer Berufung bei der Schule in der Regel eine Behandlung wegen der bereits begonnenen Hauptferien nicht mehr möglich ist. Eine Stellungnahme des Lehrers, auf dessen Beurteilung sich die Entscheidung gründet und die Entscheidung der Schulbehörde erster Instanz verzögern sich daher meist bis in den Herbst. Der betroffene Schüler bleibt bis dahin in Ungewissheit darüber, welches Schicksal seine Berufung erfährt.' Die Herabsetzung von einer Woche auf fünf Tage wurde 1977 in der RV 401 dB XIV. GP damit begründet, dass die vorgeschlagenen Variante einer einzigen Klassenkonferenz nur möglich sei, wenn 'die Durchführung der Konferenz zu Beginn der zweiten Woche vor Ende des Unterrichtsjahres vorgeschrieben wird und […] die Frist für die Einbringung von Berufungen gegen Entscheidungen, die in der Konferenz gemäß §20 Abs6 zu treffen sind, auf fünf Tage verkürzt wird.'

Zweifellos ist im Schulrecht eine rasche Entscheidung und ein schnelles Verfahren im Sinne aller Beteiligten. Es ist jedoch auch vor dem Hintergrund, dass bei rechtzeitigem Widerspruch dieser gemäß §71 Abs2a SchUG außer Kraft tritt und das schulrechtliche Verwaltungsverfahren erst beginnt, sowie dem Umstand, dass die zuständige Schulbehörde – und nicht etwa die Konferenz oder eine Prüfungskommission – zur Durchführung des schulrechtlichen Verwaltungsverfahrens samt Entscheidung berufen ist, nicht erkennbar, weshalb die Frist zum Eintritt in das schulrechtliche Verwaltungsverfahren um die Hälfte kürzer ist, als in anderen Provisorialverfahren. Dies auch insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade im Schulrecht sensible soziale Bereiche von Minderjährigen betroffen sind, etwa die Absolvierung eines zusätzlichen (Vor)Schuljahres oder der Verlust der bereits seit mehreren Jahren bestehenden sozialen Gruppe, oder gar das Ende der Schullaufbahn.

Angesichts der getätigten Überlegungen ist für das Bundesverwaltungsgericht kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb im schulrechtlichen Provisorialverfahren eine kürzere Frist als in anderen vergleichbaren Provisorialverfahren (vgl §57 AVG, §49 VStG, §26 RAO – zur Unterscheidung zum Widerspruch in §8 Abs1 SBBG siehe oben) vorgesehen ist. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts verletzt daher die von anderen Provisorialverfahren abweichende kurze Rechtsmittelfrist das in Art7 B VG garantierte Gleichheitsgebot.

5.2.2. Ergänzend hegt das Bundesverwaltungsgericht auch Bedenken im Hinblick auf die faktische Effizienz des Rechtsmittels.

Der Verfassungsgerichtshof vertritt grundsätzlich die Auffassung, dass Rechtsschutzeinrichtungen nicht nur die Erlangung einer rechtsrichtigen Entscheidung, sondern auch ein Mindestmaß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen, wie dies auch Art13 MRK zum Ausdruck bringt, der eine 'wirksame Beschwerde' verlangt. In diesem Sinn sind die Voraussetzungen bei einer für den Rechtsschutz maßgeblichen Regelung wie jener über die Dauer einer Rechtsmittelfrist nur dann gegeben, wenn sie dem negativ beschiedenen potentiellen Rechtsschutzsuchenden gewährleistet, sein Rechtsmittel in einer Weise auszuführen, die sowohl dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht adäquat ist als auch dem zu dieser Entscheidung führenden, allenfalls mit Mängel behafteten Verfahren. Dazu wird es zumindest bei Auftreten schwieriger Rechtsfragen zur ausreichenden Wahrung der Interessen einer Partei unumgänglich sein, sich eines rechtskundigen Beraters und Vertreters zu bedienen. (vgl insb VfSlg 15786/2000; 10291/1984; 11196/1986; 12683/1991; 13834/1994).

Die faktische Effizienz eines Rechtsmittels hängt somit eng damit zusammen, wie komplex das entsprechende Verwaltungsverfahren ausgestaltet ist und welche (materiellen) Anforderungen an das Rechtsmittel gestellt werden.

Wenngleich sich §71 SchUG außer der Schriftlichkeit und der Einbringungsart keine weiteren Formalvoraussetzungen entnehmen lassen, so ist zu bedenken, dass die Erziehungsberechtigten unter Umständen erstmals mit dem Sachverhalt konfrontiert sind, da der Entscheidung durch die Schulorgane kein ordentliches Ermittlungsverfahren nach dem AVG vorangeht, in das sie zwingend einzubinden gewesen wären (vgl §70 Abs2 SchuG: 'Dem Schüler […] ist, sofern der Sachverhalt nicht von vornherein klar gegeben ist […], Gelegenheit zu geben, zu den Sachverhaltsfeststellungen Stellung zu nehmen.').

Als evident ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass Ausführungen zur angenommenen Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung nicht nur die Erfolgschancen erhöhen, sondern auch wesentlich zu einer Beschleunigung des nachfolgenden Verfahrens beitragen können (so auch Andergassen, Schulrecht 2022/23 RN 527 uHa Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht, §71 SchUG FN7).

Zur Erreichung eines faktisch effizienten Rechtsschutzes kann der Gesetzgeber zwar auch kürzere Rechtsmittelfristen einräumen, diese müssen jedoch auch unter Berücksichtigung besonderer Kalenderkonstellationen, wie zB dem Aufeinanderfolgen von Feiertagen, ermöglichen, fachliche Hilfe beizuziehen und eine ausreichend begründete Berufung einzubringen (vgl dazu VfSlG 15218/1998).

Dies ist fallbezogen nicht gegeben. Die Frist zur Erhebung eines Widerspruchs beträgt auf Grund der in §74 Abs3 und Abs4 SchUG normierten Einrechnung des Wochenendes sowie von Feiertagen in die Frist nur im Falle einer Zustellung an einem Montag tatsächlich fünf Tage, an denen eine fachliche Hilfe beigezogen werden kann. Bei Zustellungen an einem Dienstag liegen nur vier solche Tage in der Frist zur Erhebung eines Widerspruchs, bei Zustellungen an einem Mittwoch, Donnerstag oder Freitag jeweils nur drei. Bei speziellen Konstellationen, wie etwa einer Zustellung am Gründonnerstag, fallen nur zwei Tage, an denen eine fachliche Hilfe beigezogen werden kann, in die Widerrufsfrist. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass Samstage zwar grundsätzlich als Werktage zählen, an Samstagen die Beiziehung einer fachlichen Hilfe, sei es in Schulen oder im Wege von Rechtsanwaltskanzleien de facto jedoch nicht möglich ist. Selbst die Hotline der Ombudsstelle für Schulen im BMBWF ist nur von Montag bis Freitag 09:00 bis 16:00 Uhr telefonisch erreichbar.

Damit kommt der ohnehin sehr kurzen Widerspruchsfrist nicht nur bei besonderen Kalenderkonstellationen, sondern bei jeder Entscheidung von Schulorganen zusätzlich ein aleatorischer Charakter in Abhängigkeit vom Zustellzeitpunkt zu. Zusätzlich fallen im Falle der Zustellung durch Hinterlegung bei der Post bzw einem Postpartner gegebenenfalls weitere Tage der Frist weg.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts stellt daher die kurze Rechtsmittelfrist vor dem Hintergrund, dass der Entscheidung kein ordentliches Verwaltungsverfahren vorangegangen ist, und die tatsächlich gegebene Frist vom aleatorischen Element des Zustellvorgangs (Zeitpunkt, Zustellung durch Hinterlegung oder persönliche Übernahme, …) abhängt, kein effektives Rechtsmittel dar und verletzt das rechtsstaatliche Prinzip.

[…]"

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt keinen Zweifel, dass das Bundesverwaltungsgericht die in seinem Antrag angefochtene Bestimmung in seiner Entscheidung (denkmöglich) anzuwenden hat.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Der Antrag ist nicht begründet.

2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 4. März 2024, G250/2023, festgestellt, dass die Wortfolge "innerhalb von fünf Tagen" in §71 Abs1 SchUG, BGBl 472/1986, idF BGBl I 19/2021 vor dem Hintergrund der fünftägigen Widerspruchsfrist im Provisorialverfahren nicht verfassungswidrig war.

2.2.2. Die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes richten sich wie auch im der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 2024, G250/2023, zugrunde liegenden Antrag gegen die fünftägige Widerspruchsfrist im Provisorialverfahren nach dem SchUG. Da sich die Anträge inhaltlich entsprechen, können die Erwägungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 4. März 2024, G250/2023, auf den vorliegenden Antrag übertragen werden. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines zu G250/2023 am 4. März 2024 gefällten Erkenntnisses hinzuweisen.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit des

§71 Abs2 SchUG, BGBl 472/1986, idF BGBl I 140/2023 erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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