A17/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Klage wird zurückgewiesen.
II. Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
I. Klage und Vorverfahren
1. Gestützt auf Art137 B VG begehrt der Kläger (*** Verein) gegen den Bund sowie die Länder Niederösterreich und Oberösterreich die Fällung des folgenden "Urteils":
"1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei € 77,00 samt 4 % Zinsen ab Klagsbehändigung und die Prozesskosten gem §19a RAO zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen; all dies binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution.
2. Es wird festgestellt, dass die beklagten Parteien der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für sämtliche zukünftige, derzeit nicht bekannte Schäden aus dem legislativen Unrecht – nämlich der mangelhaften Umsetzung aller oder auch nur einer der in der Klage genannten RL und der damit verbundenen Verletzung der gemeinschaftlichen Grundrechte – haften."
2. Als Begründung führt der Kläger zu dem von ihm behaupteten Anspruch auf Leistung iHv € 77, und Feststellung iHv € 7.700, , (drohende) Schäden, insbesondere Gesundheitsschäden, die aus dem legislativen Unrecht gesetzt durch den Bund sowie die Länder Niederösterreich und Oberösterreich entstanden seien, weil diese es in Verletzung näher bezeichneter unionsrechtlicher Verpflichtungen unterlassen hätten, hinreichende gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauchs und der Flächenversiegelung in Österreich zu setzen.
Wörtlich führt der Kläger Folgendes aus (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):
"1.1 Zu den Parteien
Der Kläger ist ein im ZVR unter der Registernummer *** registrierter Verein.
Die folgenden (Gründungs-)Mitglieder des Vereins, nämlich Herr ***, Herr *** und Herr *** sind in Österreich wohnhaft, natürliche Personen und Steuerzahler. Sie sind daher – wie in weiterer Folge im Detail dargelegt werden wird – von den vielschichtigen, gesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Auswirkungen des überbordenden Bodenverbrauchs in Österreich unmittelbar betroffen und geschädigt.
Die unter Rz 2 genannten Personen haben dem Kläger symbolische Forderungen in der Höhe von je einem Euro abgetreten. Darüber hinaus haben bislang 74 weitere Personen ihre Ansprüche in eben dieser Höhe über das Abtretungsformular 1 auf der Website des Klägers zediert, unter anderem auch ein Landwirt und Unterstützer des Vereins, der ebenfalls durch das in weiterer Folge – und insbesondere unter Punkt 3.5 – im Detail dargestellte legislative Unrecht unmittelbar betroffen und geschädigt ist. […]
1.2 Zum überbordenden Bodenverbrauch in Österreich
Pro Tag werden in Österreich im 5-Jahres-Schnitt ca 11,9 Hektar versiegelt, eine Fläche so groß wie 16 Fußballfelder 2 . Der mit dieser (reinen) Flächenversiegelung einhergehende Bodenverbrauch (insbesondere Verlust an land- und fortwirtschaftlich nutzbarer Fläche) ist noch viel höher. Mit diesem Wert von fast 12ha/Tag liegt Österreich um das Fünffache über dem in der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes bereits 2002 festgesetzten Zielwert von maximal 2,5 Hektar pro Tag bis 2010. 3
Das Land Niederösterreich allein weist jedoch nach den Berechnungen des Umweltbundesamts eine durchschnittliche Veränderung von 2,5 ha/Tag auf. Im Bundesland Oberösterreich beträgt demnach die durchschnittliche Veränderung in ha/Tag 2,2. 4
Das Umweltbundesamt definiert Bodenverbrauch als 'dauerhaften Verlust biologisch produktiven Bodens durch Verbauung und Versiegelung für Siedlungs- und Verkehrszwecke, aber auch für intensive Erholungsnutzungen, Deponien, Abbauflächen, Kraftwerksanlagen und ähnliche Intensivnutzungen'. Fast die Hälfte des auf diese Art beanspruchten Bodens (41 %) wird versiegelt, also mit einer wasserundurchlässigen Schicht wie Beton oder Asphalt überzogen. 5 […]
Der Rechnungshof warnte in seinem Bericht 'Klimaschutz in Österreich – Maßnahmen und Zielerreichung 2020' davor, dass Österreich aufgrund der Verfehlung der Klimaziele erhebliche Strafzahlungen drohen. Besonders nachteilig wirkt sich für Österreichs Klimabilanz nach Ansicht des Rechnungshofs der Verkehr aus, der im Jahr 2018 für 47 % der Treibhausgase außerhalb des Emissionshandels verantwortlich war. Als Gründe nannte der Rechnungshof den gesteigerten fossilen Kraftstoffabsatz sowie die höhere Fahrleistung von Pkws, Bussen und Lkws. Eine Trendumkehr wurde bisher nicht erreicht. 12 Trotz dieses Umstandes werden weiterhin Böden für den Straßenbau versiegelt.
Im Rahmen des Kyoto–Protokolls 13 und der EU–internen Lastenaufteilung verpflichtete sich Österreich bereits für die Periode 2008 bis 2012 zu einer Reduktion seiner Treibhausgas–Emissionen um 13 % gegenüber dem Jahr 1990. Österreich erreichte das Kyoto–Ziel unter anderem aber nur durch den Zukauf von Zertifikaten aus (mitunter zweifelhaften bzw nur schwer überprüfbaren) Klimaschutzprojekten im Ausland. […]
Die Kosten für den allfälligen Ankauf von Emissionszertifikaten sind nach dem Finanzausgleichsgesetz 2017 zwischen Bund und Ländern im Verhältnis 80 % für den Bund und 20 % für die Länder aufzuteilen. Die Anteile der einzelnen Länder sind ausschließlich nach dem Bevölkerungsschlüssel zu gewichten. Auf den jeweiligen Beitrag der einzelnen Länder zu den Treibhausgas–Reduktionen wurde nicht abgestellt. 15 Der Rechnungshof wies in diesem Zusammenhang kritisch darauf hin, dass die fixe Kostenaufteilung nach dem Bevölkerungsschlüssel den einzelnen Ländern keinen finanziellen Anreiz bietet, sich im Vergleich zu anderen Bundesländern ambitionierter um Klimaschutzmaßnahmen zu bemühen. 16 […]
Der Bodenverbrauch ist für die genannten Schäden mit-kausal, und hat selbst wiederum multiple Ursachen, welche nur auf gesetzlicher Ebene adressiert werden können. Insbesondere ist es erforderlich, dass Österreich eine gesamthafte, verbindliche Bodenschutzstrategie gesetzlich verankert. […]
1.3 Zum Bodenschutz in Verbindung mit dem Schutz der Gewässer
Einer der Zedenten betreibt eine (biologische) Landwirtschaft. Dieser Betrieb befindet sich im Bezirk Mistelbach an der Grenze zur Tschechischen Republik. Zur Bewässerung der landwirtschaftlichen Flächen hat der Zedent ein Wasserrecht aus dem Grenzfluss, der Thaya. Die Thaya liegt in einem Gebiet, in welchem das Risiko besteht, dass der gute Zustand für Nitrat im Jahr 2027 nicht erreicht werden wird. 20 Die Thaya ist durch Industrieabwässer überdies auch mit anderen Chemikalien (Chloride, Sulfate) massiv belastet – die Verunreinigung der Thaya betrifft wiederum auch den umliegenden Grundwasserkörper und die daraus gespeisten Böden. Für den Zedenten besteht die erhebliche Gefahr, dass er seine biologische Landwirtschaft nicht mehr ausüben kann.
Der betroffene Landwirt hat – wie dem hohen Verfassungsgerichtshof aus dem Beschwerdeverfahren zu E1385/2021-12 bereits bekannt ist – einen Antrag auf Erteilung von Umweltinformationen gemäß §5 UIG gestellt, um über das Ausmaß der Belastungen und Verschmutzungen der Thaya Kenntnis zu erlangen. Der Verwaltungsgerichtshof gab zuvor bereits einer Revision des betroffenen Landwirts und Zedenten mit Erkenntnis vom 6.7.2021, Ra 2020/07/006521, Folge, und sprach aus, dass Österreich auch die Umweltinformations-RL 2003/4/EG im UIG nicht hinreichend umgesetzt hat. […]
Mit der vorliegenden Klage wird jeweils aus dem Titel der Staatshaftung, in concreto wegen legislativen Unrechts gegen 1) die Republik Österreich (Bund) sowie 2) das Land Oberösterreich und 3) das Land Niederösterreich zur ungeteilten Hand
• bezüglich der bereits eingetretenen finanziellen Schäden der Zedenten, die dem Kläger abgetreten wurden, ein vermögensrechtlicher Anspruch (Schadenersatz) in Form eines Leistungsbegehrens, sowie
• bezüglich der noch drohenden weiteren Schäden (drohende Gesundheitsschäden wie unter Rz 17 ff dargestellt; weitere erhöhte Steuerbelastung) auch ein Feststellungsanspruch geltend gemacht. […]"
3. Zur Zulässigkeit der Klage wird zusammengefasst ausgeführt, dass der Bund sowie die beiden beklagten Bundesländer durch die Nicht Umsetzung mehrerer EU Richtlinien, die hinreichend bestimmt seien, individuelle Rechte einräumten und auch dem Schutz der Umwelt, des Klimas und der Gesundheit im Allgemeinen, aber zumindest mittelbar auch dem Schutz des Bodens im Speziellen dienten, den dargestellten Schaden gemeinschaftlich verursacht hätten.
So habe es Österreich verabsäumt, die sich aus Art5 und Art6 der FFH RL (RL 92/43/EWG) ergebenden Erhaltungsziele für ausgewiesene Gebiete von gemeinschaftsrechtlicher Bedeutung festzulegen sowie der Verpflichtung aus Art7 Abs1 der Umweltinformations RL (RL 2003/4/EG) nachzukommen, indem es Bewirtschaftungspläne und andere Dokumente, die Informationen über Erhaltungsziele und Maßnahmen enthielten, nicht aktiv verbreitet hätte.
Das Land Niederösterreich habe es unterlassen, die FFH RL und die Vogelschutz-RL (RL 2009/147/EG) vollständig umzusetzen, indem es unterlassen hätte, in der Verordnung über die Europaschutzgebiete detaillierte Erhaltungsziele mit unbestreitbarer Verbindlichkeit festzulegen.
Das Land Oberösterreich habe es verabsäumt, neun Gebiete innerhalb des Zeitraums von sechs Jahren gemäß Art4 Abs4 FFH RL ordnungsgemäß auszuweisen.
Der Bund habe die Nitrat RL (RL 91/676/EWG) und die Wasserrahmen-RL (RL 2000/60/EG) mangelhaft umgesetzt, indem er die Verordnungsermächtigung an den zuständigen Bundesminister unzureichend ausformuliert hätte. Es werde davon ausgegangen, dass der gute Zustand für Nitrat im Jahr 2027 nicht erreicht werde, wodurch der Kläger in seinem Individualrecht auf Schutz der Gesundheit – abgeleitet aus Art1 litd iVm Art2 Z33 Wasserrahmen RL – verletzt werde. Gleichfalls habe der Bund die UVP-Änderungsrichtlinie (RL 2011/92/EU) mangelhaft umgesetzt, weshalb die Europäische Kommission bereits drei Vertragsverletzungsverfahren, zuletzt am 10. Oktober 2019, eingeleitet habe. Hiebei sei insbesondere der Schutz des Bodens im UVP G 2000 nicht richtlinienkonform umgesetzt worden.
Zur Kausalität bringt der Kläger vor, dass sämtliche der genannten Richtlinien und von den Beklagten nicht (hinreichend) umgesetzten gemeinschaftsrechtlichen Normen ihren Zweck darin hätten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Sie adressierten alle auch unmittelbar oder zumindest mittelbar den Schutz des Bodens sowie der Gewässer, die durch Bodenversiegelung beeinträchtigt würden, sowie der Böden, die aus Grundwasserkörpern gespeist würden. Die Nichtumsetzung der genannten Richtlinien durch die Beklagten trage insofern in erheblichem Maß zum aufgezeigten überbordenden Bodenverbrauch in Österreich mit all seinen schädlichen Folgen bei, da sie schon in der Vergangenheit zur Genehmigung von Bauvorhaben geführt hätten und auch weiterhin führen würden, die aber bei entsprechender Umsetzung der Richtlinien in nationales Bundes- und Landesrecht nicht genehmigungsfähig wären. Aus dem überbordenden Bodenverbrauch, insbesondere etwa im Bereich des Straßenbaus oder von Betriebsbaugebieten, resultierten wiederum Lärm, Feinstaubbelastung und diverse andere Gesundheitsgefahren. Zwischen der mangelhaften Umsetzung der oben behandelten Richtlinien respektive den Verstößen der beklagten Parteien und den – den genannten Vereinsmitgliedern entstandenen – Schäden bzw den Forderungen, die dem Kläger abgetreten worden seien, bestehe ein unmittelbarer Kausalzusammenhang.
Schließlich regt der Kläger an, der Verfassungsgerichtshof möge dem EuGH gemäß Art267 AEUV die Frage zur Vorabentscheidung stellen, ob die Umsetzungsrechtsakte des Bundes und einzelner Bundesländer eines föderalistisch strukturierten Mitgliedsstaates, die weder qualitativ noch quantitativ aufeinander abgestimmt seien, generell mit den durch die genannten Richtlinien verfolgten Zielen zu vereinbaren seien oder es in einem solchen Fall zumindest eine mitgliedsstaateninterne und bundesländerübergreifende Abstimmung und Strategie brauche.
4. Die erstbeklagte Partei, der Bund, erstattete eine Gegenschrift, in welcher zusammengefasst davon ausgegangen wird, dass die materiellen Voraussetzungen für eine Staatshaftungsklage nicht erfüllt seien. So lasse sich dem Klagsvorbringen nicht genau entnehmen, worin der (qualifizierte) Verstoß gegen die RL 92/43/EWG, die RL 91/676/EWG, die RL 2000/60/EG, die RL 2014/52/EU, die RL 2003/4/EG sowie die RL 2009/147/EG bestehen solle oder welche konkreten Richtlinienbestimmungen Rechte von Einzelnen vorsehen sollten. Die Klage befasse sich nicht mit der Frage der Qualifizierung des behaupteten Verstoßes, sondern beschränke sich auf pauschale Behauptungen. Somit wäre die Klage – sollte der Verfassungsgerichtshof sie entgegen der Ansicht des Bundes für zulässig erachten – mangels eines konkreten Schadens bzw mangels hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen unionsrechtliche Normen, die bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, sowie mangels eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Schaden und dem behaupteten legislativen Unrecht abzuweisen. Der Bund sah von der Geltendmachung der Kosten ab.
5. Die zweitbeklagte Partei, das Land Niederösterreich, erstattete eine Gegenschrift, in welcher das gesamte Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten sowie der Antrag gestellt wird, die Klage als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen. Es seien die von der klagenden Partei als unionsrechtswidrig bezeichneten Normen allenfalls (was bestritten werde) einem hoheitlich tätig gewordenen Vollzugsorgan (der Landesregierung) und nicht dem Gesetzgeber vorzuwerfen und diesem auch nicht zuzurechnen. Kosten wurden nicht angesprochen.
6. Die drittbeklagte Partei, das Land Oberösterreich, erstattete eine Gegenschrift, in der es die kostenpflichtige Zurückweisung (in eventu: die Abweisung) der Klage beantragt und die Zulässigkeit sowie Begründetheit der Klage bestreitet, ohne die Kosten ziffernmäßig zu verzeichnen.
7. Der Kläger erstattete eine Replik, in der er den in der Gegenschrift von den beklagten Parteien vorgebrachten Argumenten hinsichtlich der Unzulässigkeit und Unbegründetheit der Klage entgegentritt.
II. Zulässigkeit
1. Gemäß Art137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
1.1. Voraussetzung einer Staatshaftung ist es, dass es durch das Verhalten von Organen eines Mitgliedstaates zur Verletzung einer unionsrechtlichen Norm gekommen ist, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, und dass ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Verstoß und dem Schaden besteht, der dem Einzelnen entstanden ist (vgl EuGH 5.3.1996, Rs C 46/93 und C 48/93, Brasserie du Pêcheur , Slg. 1996, I 1029, Rz 51; 23.5.1996, Rs C 5/94, Hedley Lomas , Slg. 1996, I-2553, Rz 32; 30.9.2003, Rs C-224/01, Köbler , Rz 51). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union besteht dabei aber keine reine Unrechtshaftung; vielmehr ist ein Verstoß gegen Unionsrecht nur dann haftungsbegründend, wenn er "hinreichend qualifiziert" ist (EuGH 5.3.1996, Brasserie du Pêcheur , Slg. 1996, I -1029, Rz 55; 8.10.1996, Rs C 178/94 ua, Dillenkofer , Slg. 1996, I 4845, Rz 21 ff; 17.10.1996, Rs C 283/94 ua, Denkavit , Slg. 1996, I 5063, Rz 48, 50 ff; uva.).
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche nicht bereits dann zuständig, wenn der Gesetzgeber gegen Unionsrecht verstoßen hat. Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes kommt vielmehr nur in Betracht, wenn der Akt, der die unionsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (VfSlg 16.107/2001, 17.002/2003 ua, VfGH 8.6.2020, A15/2019).
2. Zusammengefasst erhebt der Kläger gegenüber dem Bund sowie den Ländern Niederösterreich und Oberösterreich den Vorwurf des legislativen Unrechts, weil es diese in Verletzung unionsrechtlicher Verpflichtungen unterlassen hätten, gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung des Bodenverbrauchs und der Flächenversiegelung zu setzen.
So hätte der Erstbeklagte mehrere in seiner Zuständigkeit als Bundesgesetzgeber liegende Verpflichtungen, nämlich zur Ausweisung von Schutzgebieten sowie zur Festlegung von Erhaltungszielen für diese Gebiete nach der FFH RL, zur aktiven Verbreitung von Bewirtschaftungsplänen und anderen Dokumenten gemäß Art7 Abs1 der Umweltinformations RL, zur Erstellung eines Gewässerbewirtschaftungsplans nach Art13 Abs1 der Wasserrahmen RL, zur Festlegung von Nitrat-Aktionsprogrammen bzw zur Umsetzung zusätzlicher Maßnahmen nach der Nitrat RL und zur im Zuge einer Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmenden Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren erheblichen Auswirkungen eines Projekts im Einzelfall auf den Faktor Fläche, Boden, Wasser, Luft und Klima nach Art3 Abs1 der UVP Änderungsrichtlinie, unterlassen. In Bezug auf die Länder wird einerseits der Vorwurf erhoben, in der Verordnung der NÖ Landesregierung über die Europaschutzgebiete sei es einerseits verabsäumt worden, detaillierte Erhaltungsziele festzulegen, andererseits habe das Land Oberösterreich in mehreren Fällen die fristgerechte Schutzgebietsausweisung iSd Art4 Abs4 FFH RL durch Verordnung der Landesregierung (vgl §24 Abs2 Oö NSchG 2001) verabsäumt. Es liege legislatives Unrecht und eine verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation der Verordnungsermächtigung vor.
3. Die Klage erstattet zu den Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes kein ausreichend substantiiertes Vorbringen:
3.1. Soweit der Kläger sein Begehren auf Verstöße gegen Unionsrecht wegen unterlassener Maßnahmen zur Einhaltung der Vorgaben in den verschiedenen Richtlinien stützt, besteht für dieses Begehren keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B VG: Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über Staatshaftungsansprüche wegen Verstoßes gegen Unionsrecht kommt nur in Betracht, wenn der Akt, der die unionsrechtliche Staatshaftung auslöst, unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen ist (VfSlg 16.107/2001, 17.002/2003 ua). Es bleibt bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auch für eine unionsrechtliche Staatshaftung, wenn der behauptete Schaden an ein verwaltungsbehördliches oder gerichtliches Handeln knüpft (vgl VfSlg 18.600/2008; VfGH 22.11.2012, A8/12; VfGH 12.6.2018, A1/2018).
3.2. Dem Klagsvorbringen ist nicht zu entnehmen, welcher konkrete Schaden unmittelbar auf die offenkundig mangelhafte Umsetzung welcher unionsrechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist und inwiefern diese unionsrechtlichen Normen dem Einzelnen Rechte verleihen. Vielmehr wird bloß pauschal behauptet, dass sie "unmittelbar oder mittelbar" dem Bodenschutz dienten. Der Klage lässt sich nicht einmal mit Bestimmtheit entnehmen, welche Vorwürfe dem Gesetzgeber und welche der Vollziehung gemacht werden. Wie die Bundesregierung und die beiden Landesregierungen zu Recht ausführen, dürfte sich der Großteil der Vorwürfe gegen Akte der Vollziehung richten, sodass keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als Staatshaftungsgericht gemäß Art137 B VG besteht (VfSlg 18.600/2008; VfGH 22.11.2012, A8/12).
4. Die Klage ist somit schon mangels Bestimmtheit des Begehrens und Darlegung der Voraussetzungen für das Vorliegen von Staatshaftung zurückzuweisen.
III. Ergebnis
1. Die Klage ist zurückzuweisen.
2. Kosten werden nicht zugesprochen, da diese nicht begehrt bzw die drittbeklagte Partei den Zuspruch von Kosten zwar begehrt, aber nicht ziffernmäßig verzeichnet hat (vgl VfSlg 10.161/1984).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.