G2636/2023 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Die Behandlung der Anträge wird abgelehnt.
Begründung
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140 Abs1b B VG; vgl VfGH 24.2.2015, G13/2015).
Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
Die Anträge behaupten die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "in den übrigen Fällen jedoch bei dem Landesgericht, das für das Hauptverfahren zuständig war" in §357 Abs1 StPO. Der Antragsteller begründet die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge im Wesentlichen damit, dass die örtliche Zuständigkeit desjenigen Gerichtes, das für das Hauptverfahren (§§210 ff StPO) zuständig war, zur Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag nach §353 StPO gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK), das Recht auf ein Rechtsmittel in Strafsachen (Art2 7. ZPEMRK) und das Recht auf eine wirksame Beschwerde (Art13 EMRK) verstoße.
Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 14.076/1995, 16.245/2001, 18.952/2009) lässt das Vorbringen der Anträge die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben. Anders als der Antragsteller vermeint, ist Sache des Wiederaufnahmeantrages nach §353 StPO nicht die Überprüfung der (rechtskräftigen) Verurteilung, sondern die Frage der Neudurchführung eines Strafverfahrens. Art6 EMRK und Art2 7. ZPEMRK sind daher auf Wiederaufnahmeverfahren nicht anzuwenden. Insofern ist auch der Anwendungsbereich des Art13 EMRK nicht eröffnet.
Darüber hinaus ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist (§43 Abs4 StPO). Der Umstand, dass für die Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme eines Hauptverfahrens das Gericht örtlich zuständig ist, das für das Hauptverfahren zuständig war, begründet für sich alleine nicht die Vermutung der Parteilichkeit aller übrigen, nach der Geschäftsverteilung für die Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme zuständigen Richter dieses Gerichtes iSv Art6 EMRK, zumal ein Richter bereits immer dann von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme ausgeschlossen ist, wenn Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen (§43 Abs1 Z3 StPO). Für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Vorschriften über das gerichtliche Strafverfahren ist nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern sind die ordentlichen Gerichte zuständig.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozessvoraussetzungen geprüften – Anträge abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).