G683/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
1. Mit Urteil vom 26. August 2023 wurde über den Antragsteller vom Landesgericht Leoben als Schöffengericht wegen Beitrags zu den Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung und des Abgabenbetrugs eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe und eine Geldstrafe verhängt. Gegen dieses Urteil erhob der Antragsteller am 25. September 2023 Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wegen Strafe an den Obersten Gerichtshof.
2. Gleichzeitig stellte er beim Verfassungsgerichtshof einen als "Entscheidungsbeschwerde" bezeichneten, inhaltlich auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Parteiantrag auf Normenkontrolle, in dem er beantragt, die Strafbestimmungen, auf Grund derer er verurteilt wurde, nämlich "§11 3. Fall, §33a Abs1 [gemeint wohl: §33 Abs1] sowie §39 Abs1 lita und Abs3 lita Finanzstrafgesetz idF vor BGBl I 62/2019", als verfassungswidrig aufzuheben. In seinem Antrag bezeichnet er die Entscheidung, gegen die er Rechtsmittel erhoben hat, das ordentliche Gericht, das diese Entscheidung erlassen hat, und gibt das Datum der Zustellung des Urteils sowie der Erhebung des Rechtsmittels an.
3. Unter dem Punkt "Darstellung der Rechtslage" zitiert der Antragsteller Art7 EMRK und Art4 des 7. ZPEMRK. Daran anschließend bringt er vor, dass das Urteil des Landesgerichtes Leoben mit Rechtswidrigkeit behaftet sei, woraus die Verletzung des Antragstellers in den zitierten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten resultiere. Der Verfassungsgerichtshof möge die genannten Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes sowie das Urteil des Landesgerichtes Leoben als verfassungswidrig aufheben.
II. Rechtslage
1. §11 Finanzstrafgesetz, BGBl 129/1958 idF BGBl 335/1975, lautet:
"§11. Nicht nur der unmittelbare Täter begeht das Finanzvergehen, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, es auszuführen, oder der sonst zu seiner Ausführung beiträgt."
2. §33 Finanzstrafgesetz, BGBl 129/1958 idF BGBl I 62/2018, lautet auszugsweise:
"§33. (1) Der Abgabenhinterziehung macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige , Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
[…]"
3. §39 Finanzstrafgesetz, BGBl 129/1958 idF BGBl I 118/2015, lautet auszugsweise:
"§39. (1) Des Abgabenbetruges macht sich schuldig, wer ausschließlich durch das Gericht zu ahndende Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung, des Schmuggels, der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben oder der Abgabenhehlerei nach §37 Abs1
a) unter Verwendung falscher oder verfälschter Urkunden, falscher oder verfälschter Daten oder anderer solcher Beweismittel mit Ausnahme unrichtiger nach abgaben-, monopol- oder zollrechtlichen Vorschriften zu erstellenden Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Aufzeichnungen und Gewinnermittlungen oder
b) unter Verwendung von Scheingeschäften oder anderen Scheinhandlungen (§23 BAO) oder
c) unter Verwendung automatisationsunterstützt erstellter, aufgrund abgaben- oder monopolrechtlicher Vorschriften zu führender Bücher oder Aufzeichnungen, welche durch Gestaltung oder Einsatz eines Programms, mit dessen Hilfe Daten verändert, gelöscht oder unterdrückt werden können, beeinflusst wurden
begeht.
[…]
(3) a) Wer einen Abgabenbetrug begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Neben der Freiheitsstrafe kann eine Geldstrafe bis zu einer Million Euro verhängt werden. Verbände sind mit einer Verbandsgeldbuße bis zu 2,5 Millionen Euro zu bestrafen.
[…]"
III. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Dem mit BVG BGBl I 114/2013 in das B VG eingefügten, mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Art140 Abs1 Z1 litd B VG zufolge erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels".
3. Der Einschreiter hat den inhaltlich auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen eine erstinstanzliche Entscheidung des Landesgerichtes Leoben gestellt.
4. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit in überprüfbarer Art präzise ausgebreitet werden. Dem Antrag muss mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994, 13.851/1994 und 14.802/1997).
5. Der Einschreiter äußert verfassungsrechtliche Bedenken lediglich gegenüber der Anwendung der angefochtenen Bestimmungen durch das Erstgericht. Damit macht er lediglich Vollzugsmängel geltend. Solche Bedenken sind allerdings unzulässig, weil der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 Z1 litd B VG über die "Verfassungswidrigkeit […] von Gesetzen" entscheidet. Die Entscheidung eines Gerichtes ist nicht Prüfungsgegenstand in Verfahren nach Art140 B VG (VfGH 26.2.2016, G179/2015; 22.9.2016, G607/2015; 12.6.2018, G74/2018; 12.6.2018, G92/2018).
6. Die fehlende Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Antrag (§62 Abs1 zweiter Satz VfGG) ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015; 28.9.2015, G272/2015; 10.6.2016, G70/2016; VfSlg 20.079/2016, 20.153/2017; VfGH 8.6.2017, G9/2017; 26.2.2018, G27/2018). Der somit an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Mangel leidende Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfSlg 17.553/2005). Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag auch aus anderen Gründen unzulässig ist.
7. Gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ist der Antrag ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.