E468/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin ist kosovarische Staatsangehörige und seit 2014 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet, der der Vater ihrer 2004 geborenen Tochter ist.
2. Am 16. Februar 2017 stellten die Beschwerdeführerin und ihre zu diesem Zeitpunkt minderjährige Tochter bei der österreichischen Botschaft in Skopje Erstanträge auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehörige" gemäß §47 Abs2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Dabei legte die Beschwerdeführerin ein Gutachten des Vertrauensarztes der Österreichischen Botschaft in Skopje vor, wonach es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, einen Sprachnachweis zu erbringen; zudem sei sie Analphabetin. Mit Schreiben vom 5. Mai 2017 stellte die Beschwerdeführerin einen Zusatzantrag gemäß §21a Abs5 NAG und brachte vor, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens geboten sei.
3. Gegen die Abweisung ihrer Anträge durch den Landeshauptmann von Wien erhoben die Beschwerdeführerin und ihre Tochter Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, das den Beschwerden stattgab und beiden Beschwerdeführerinnen mit Erkenntnis vom 24. Jänner 2018 Aufenthaltstitel gemäß §47 Abs2 NAG für die Dauer eines Jahres erteilte. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin des gegenständlichen Verfahrens (der Mutter) verfügte das Verwaltungsgericht Wien einen Aufschub von zwei Jahren für den Nachweis des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung.
4. Nach einer Amtsrevision des Landeshauptmannes von Wien wurde diese Entscheidung mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juli 2019, Ra 2018/22/0190, aufgehoben. Begründend führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die aufgehobene Entscheidung keine hinreichenden Feststellungen und keine Beurteilung der Frage enthalte, ob der Beschwerdeführerin der Nachweis von Deutschkenntnissen zumutbar sei. Auch seien keine Feststellungen im Hinblick auf das Privat- und Familienleben getroffen worden, die eine Beurteilung ermöglichen würden, ob gemäß §21a Abs5 Z2 NAG (§11 Abs3 NAG) vom Erfordernis des Nachweises von Deutschkenntnissen abzusehen wäre.
5. Auch das in Folge der Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof erlassene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 8. November 2019, mit dem der Beschwerdeführerin und ihrer Tochter abermals auf ein Jahr befristete Aufenthaltstitel gemäß §47 Abs2 NAG erteilt und hinsichtlich der Beschwerdeführerin eine neuerliche zweijährige Nachsicht vom Erfordernis der Vorlage eines Sprachnachweises verfügt wurde, wurde in Folge einer Amtsrevision aufgehoben. Diese Entscheidung begründet der Verwaltungsgerichtshof damit, dass jene Feststellungen, deren Fehlen die Rechtswidrigkeit des ersten Erkenntnisses zur Folge hatten, auch im Folgeerkenntnis fehlten (VwGH 7.5.2021, Ra 2020/22/0002).
6. Im dritten Verfahrensgang wurde der Tochter der Beschwerdeführerin durch mündliche Verkündung am 9. Mai 2022 der begehrte Aufenthaltstitel (mittlerweile rechtskräftig) erteilt. Die Beschwerde der Mutter hingegen wurde als unbegründet abgewiesen, was das Verwaltungsgericht Wien damit begründet, dass die Beschwerdeführerin die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen insofern nicht erfülle, als sie seit der Antragstellung am 16. Februar 2017 keinen Sprachnachweis vorgelegt habe. Dieser sei ihr trotz ihres Analphabetismus zumutbar; ein weiterer Aufschub könne nicht gewährt werden. In Folge ihres fristgerechten Antrags gemäß §29 Abs2a iVm Abs4 VwGVG wurde der Beschwerdeführerin am 5. Jänner 2023 eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses übermittelt.
7. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung insbesondere in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) sowie auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
8. Das Verwaltungsgericht Wien und der Landeshauptmann von Wien haben den Gerichts- und den Verwaltungsakt vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl I 100/2005 idF BGBl I 106/2022, lauten auszugsweise wie folgt:
"Arten und Form der Aufenthaltstitel
§8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:
1. […]
8. Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt – EU' (Z7) zu erhalten;
9. […]
Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel
§11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß §53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß §67 FPG besteht;
2. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot (Art3 Z6 der Rückführungsrichtlinie) eines anderen EWR-Mitgliedstaats oder der Schweiz besteht;
2a. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Art3 Z4 der Rückführungsrichtlinie) eines anderen EWR-Mitgliedstaats oder der Schweiz besteht;
3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß §21 Abs1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§30 Abs1 oder 2) vorliegt;
5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit §21 Abs6 vorliegt oder
6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.
(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß §9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I Nr 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7. in den Fällen der §§58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß §58 Abs5 mehr als vier Monate vergangen sind.
(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs1 Z2a, 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs2 Z1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl Nr 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
4. der Grad der Integration;
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl , Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
[…]
Nachweis von Deutschkenntnissen
§21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §8 Abs1 Z2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.
(2) Abs1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §8 Abs1 Z2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 im Zuge eines Verfahrens gemäß §24 Abs4 oder §26 stellen.
[…]
(4) Abs1 gilt nicht für Drittstaatsangehörige,
1. die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind,
2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann; dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen; steht kein oder kein geeigneter Vertrauensarzt zur Verfügung, hat der Drittstaatsangehörige diesen Nachweis durch ein Gutachten eines sonstigen von der österreichischen Berufsvertretungsbehörde bestimmten Arztes oder einer von dieser bestimmten medizinischen Einrichtung zu erbringen,
[…]
(5) Die Behörde kann auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs1 absehen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§2 Abs1 Z17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK (§11 Abs3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren; §13 Abs3 AVG gilt.
(5a) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs5 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' und 'Niederlassungsbewilligung – Angehöriger'
§47. (1) Zusammenführende im Sinne der Abs2 bis 4 sind Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.
(2) Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ist ein Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen.
(3) […]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 13.836/1994, 14.650/1996, 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
1.2. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001, 20.374/2020; VfGH 14.3.2023, E3480/2022), oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001, 18.614/2008, 20.448/2021 und 20.478/2021).
1.3. Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001, 20.371/2020 und 20.405/2020).
2. Ein solcher Fehler ist dem Verwaltungsgericht Wien unterlaufen:
2.1. Im Verfahren ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin den gemäß §21a Abs1 NAG erforderlichen Nachweis über Kenntnisse der deutschen Sprache nicht erbracht hat. Wie das Verwaltungsgericht Wien in seinem angefochtenen Erkenntnis ausgesprochen hat, sei ihr die Erbringung des Nachweises zumutbar und eine Ausnahme aus gesundheitlichen Gründen (§21a Abs4 Z2 NAG) nicht geboten.
2.2. Gemäß §21a Abs5 Z2 NAG kann die Behörde auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen, der einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §8 Abs1 Z8 NAG gestellt hat, von einem Nachweis über Kenntnisse der deutschen Sprache absehen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK erforderlich ist. In diesem Fall hat die Behörde eine Interessenabwägung anhand der in §11 Abs3 NAG normierten Kriterien vorzunehmen. Die Antragstellung gemäß §21a Abs5 NAG ist nur im verwaltungsbehördlichen Verfahren bis zur Erlassung eines Bescheides zulässig. Soll ein gemäß §21a Abs5 NAG gestellter Antrag zurück- oder abgewiesen werden, ist darüber in der verfahrensabschließenden Entscheidung abzusprechen (§21a Abs5a NAG).
2.3. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 5. Mai 2017 und sohin vor der Erlassung eines Bescheides im behördlichen Verfahren beantragt, von einem Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß §21a Abs5 NAG abzusehen. Der Zusatzantrag wurde von der Behörde abgewiesen, wobei dieser Abspruch in Folge der Erhebung einer Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien nicht in Rechtskraft erwachsen ist.
2.4. Wiewohl die Beschwerdeführerin mit ihrer Bescheidbeschwerde vom 20. Juni 2017 auch die Abweisung des Zusatzantrags bekämpft und der Verwaltungsgerichtshof in beiden vorangegangenen Verfahrensgängen ausgesprochen hat, dass das Verwaltungsgericht Wien die im Hinblick auf den Zusatzantrag erforderlichen Feststellungen zum Privat- und Familienleben nicht getroffen hat, unterlässt das Verwaltungsgericht Wien auch im angefochtenen Erkenntnis jede Auseinandersetzung mit dem Antrag gemäß §21a Abs5 NAG. So werden weder die für die Beurteilung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin gemäß §11 Abs3 NAG maßgeblichen Umstände festgestellt noch findet eine Abwägung der Interessen der Beschwerdeführerin an einer Nachsicht vom Erfordernis eines Sprachnachweises mit gegenläufigen öffentlichen Interessen statt.
3. Indem das Verwaltungsgericht Wien nicht über den Antrag gemäß §21a Abs5 NAG abspricht und sohin keine Überlegungen dahingehend anstellt, ob zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin im Sinne des Art8 EMRK vom Erfordernis der Vorlage eines Nachweises über Deutschkenntnisse abzusehen wäre, belastet es seine Entscheidung mit Willkür.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.