JudikaturVfGH

E456/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 2024

Spruch

I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 des 1. ZPEMRK verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht) wies mit Bescheid vom 16. Dezember 2020 den Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Vergütung des Verdienstentganges für den Zeitraum vom 7. bis 10. April 2020 für einen näher genannten Arbeitnehmer gemäß §32 Abs1 Z1 und Abs3 iVm §7 EpiG ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass keine behördliche Maßnahme im Sinne des §32 Abs1 EpiG verfügt worden sei.

2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 11. Jänner 2022 als unbegründet ab.

2.1. Das Verwaltungsgericht Wien stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Herr […] ist Angestellter der Beschwerdeführerin. Seine Gattin, Frau […], wurde mit Absonderungsbescheid der MA 15 von 06. bis 20. April 2020 unter Quarantäne gestellt. Aufgrund der Quarantäne seiner Gattin nahm der Mitarbeiter am 06. April 2020 Kontakt mit der MA 15 auf. In diesem Gespräch wurde ihm angeordnet, dass er sich bis inklusive 10. April 2020 in Quarantäne begeben muss, dass er jedoch nicht auf COVID 19 getestet werde. Die angeordnete Heimquarantäne dauerte von 07. bis 10. April 2020. In dieser Zeit wurden dem Mitarbeiter von der Beschwerdeführerin die ihm gebührenden Bezüge bezahlt. Die Vergütung wurde mit fristgerechtem Antrag gemäß §32 Abs3 des Epidemiegesetzes 1950 von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, wobei der begehrte Betrag vorerst falsch beziffert und nachträglich verbessert wurde."

2.2. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen aus, dass eine für einen Antrag nach §32 Abs1 und 3 EpiG erforderliche behördliche Verfügung grundsätzlich in der Form eines Bescheides – bei Gefahr im Verzug auch durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – erfolgt sein müsse (Hinweise auf VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173; VfSlg 20.498/2021). Ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei nur dann gegeben, wenn es keines dazwischen geschalteten weiteren Handelns mehr bedürfe, um den behördlich gewollten Zustand herzustellen, nicht jedoch, wenn dem Adressaten der behördlichen Aufforderung etwa lediglich eine strafrechtliche Sanktion drohe. Zur Setzung von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt seien im Allgemeinen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder die Organe der öffentlichen Aufsicht berufen. Die zuständige Verwaltungsbehörde könne im Materiengesetz ermächtigt werden, bei Gefahr im Verzug verfahrensfreie Verwaltungsakte zu setzen. Im Epidemiegesetz finde sich keine Ermächtigung der Gesundheitsbehörden (Bezirksverwaltungsbehörden), selbst verfahrensfreie Verwaltungsakte zu setzen oder ihre Anordnungen selbst mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen. Die als zur Setzung verfahrensfreier Verwaltungsakte zu verstehende Ermächtigung der zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Ärzte in §43 Abs3 EpiG habe zur Voraussetzung, dass es sich um einen Fall "dringender Gefahr" handle, also Gefahr im Verzug gegeben sei. Ferner habe die Maßnahme von einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt gesetzt zu werden und dies müsse "an Ort und Stelle" erfolgen. Unbestritten sei im vorliegenden Fall kein Absonderungsbescheid gegenüber dem Arbeitnehmer erlassen worden. Der beschwerdegegenständliche Vergütungsantrag stütze sich auf Anordnungen durch die Gesundheitsbehörde (Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15), laut Arbeitnehmer habe ihm die Behörde auch mitgeteilt, dass der Absonderungsbescheid für die Gattin auch für ihn und seinen Sohn gälte. §32 Abs1 Z1 iVm §32 Abs3 EpiG stelle bei Vergütungsanträgen für Verdienstentgang, wie der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes entnommen werden könne, ausschließlich auf behördlich hoheitliche Absonderungsanordnungen ab, die im Wege von Bescheiden oder Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangen seien. Eine Absonderung durch die Gesundheitsbehörde komme nur in der Form eines schriftlichen, mündlichen oder telefonischen Bescheides, nicht aber im Rahmen eines Aktes der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht (Hinweis auf VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 2021, Ra 2021/09/0173, stehe in keinem Widerspruch zu der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2021, E4201/2020, weil der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreife, im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt auf Grund einer falschen Rechtsansicht – nämlich dass Absonderungen nur mit Bescheid verfügt werden könnten – erblickt habe, ohne auf die, letztendlich vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis beantworteten Fragen inhaltlich näher eingegangen zu sein. Eine Erledigung sei dann als Bescheid zu qualifizieren, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde gegenüber individuell bestimmten Personen erlassen werde und eine konkrete Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regle, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt habe, ob sie nun unter Einhaltung der von den Verwaltungsvorschriften für die Bescheiderlassung aufgestellten Voraussetzungen erlassen worden sei oder nicht (Hinweis auf VfGH 10.6.2016, E2263/2015). Die mündliche (telefonische) Auskunft der Behörde, dass ein gegenüber einer individuell bestimmten Person erlassener Bescheid auch gegenüber einem Dritten gelte, stelle keine gesonderte Bescheiderlassung gegenüber diesem Dritten dar. Da somit weder ein Bescheid erlassen worden sei noch ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliege (Hinweis auf VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173), liege keine behördlich-hoheitliche Absonderungsanordnung als notwendige Grundlage einer Vergütung nach §32 Abs1 Z1 iVm §32 Abs3 EpiG vor, weshalb die Beschwerde abzuweisen gewesen sei.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B VG und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG und Art1 des 1. ZPEMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Verwaltungsgericht habe die Feststellung getroffen, dass dem Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Gesellschaft von der "MA 15" angeordnet worden sei, sich in Quarantäne zu begeben. Gemäß §43 Abs4 EpiG seien die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetze vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten beziehungsweise die Überwachung und Förderung der in erster Linie von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde. Zu den von den Bezirksverwaltungsbehörden zu vollziehenden Vorkehrungen zählten gemäß §7 Abs1a EpiG auch die Anhaltung und die Beschränkung im Verkehr mit der Außenwelt von kranken, krankheitsverdächtigen oder ansteckungsverdächtigen Personen bei nach §7 Abs1 EpiG anzeigepflichtigen Krankheiten (Absonderung). Anzeigepflichtig sei auch die Infektion mit 2019 nCoV. Die für Absonderungen gemäß §7 Abs1a EpiG nach §43 Abs4 EpiG zuständige Bezirksverwaltungsbehörde sei für das Bundesland Wien der Magistrat der Stadt Wien (Art102 Abs1 B VG iVm Art109 B VG). Bei der in den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis bezeichneten "MA 15" handle es sich um die Magistratsabteilung 15 des Magistrates der Stadt Wien. Die auf Grundlage des §91 Abs4 Wiener Stadtverfassung am 6. April 2020 in Geltung gestandene Geschäftseinteilung des Magistrates der Stadt Wien vom 5. Dezember 2019, 2019/49, bestimme in ihrem Artikel I, dass sie die interne Aufteilung der vom Magistrat der Stadt Wien zu besorgenden Angelegenheiten regle. Die Magistratsabteilung 15 (Gesundheitsdienst) sei nach dieser Geschäftseinteilung für die Handhabung des Epidemiegesetzes, ausgenommen Verwaltungsstrafverfahren und die der Magistratsabteilung 40 übertragenen Aufgaben, zuständig. Der Magistratsabteilung 40 oblägen nur die Entscheidung über monetäre Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950. Zusammengefasst habe es sich beim festgestellten Kontakt des Arbeitnehmers der beschwerdeführenden Gesellschaft mit der "MA 15" um einen solchen durch die für Absonderungen gemäß §7 EpiG zuständige (Abteilung der) Bezirksverwaltungsbehörde gehandelt.

Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 2021, E4201/2020, ausgesprochen, dass §32 Abs1 Z1 EpiG einen Anspruch auf Vergütung unter anderem begründe, wenn und soweit jemand "gemäß §§7 oder 17 abgesondert worden" sei. Sowohl nach dem Wortlaut als auch bei verfassungskonformem Verständnis gelte dies sowohl für Fälle der Absonderung durch Bescheid als auch für Fälle der Absonderung durch einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Dabei sei vor dem Hintergrund der Sach- und Rechtslage (§7 iVm §43 und §32 Abs1 Z1 EpiG) im Zweifel davon auszugehen, dass Telefonanrufe durch die für Absonderungen zuständige (Abteilung der) Bezirksverwaltungsbehörde verbindliche Anordnungen, deren Nichtbefolgung auch sanktionsbewehrt sei, zum Gegenstand hätten, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dagegen sprächen. Das Verwaltungsgericht habe sich mit seiner Rechtsauffassung über die Auslegung der angeführten Bestimmungen des EpiG durch den Verfassungsgerichtshof hinweggesetzt, indem es das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im gegenständlichen Fall mit der Begründung verneint habe, dass eine Absonderung durch die Gesundheitsbehörde nicht im Rahmen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht komme. Im Erkenntnis E4201/2020 habe der Verfassungsgerichtshof das Gegenteil ausgeführt. Das Verwaltungsgericht missverstehe außerdem die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 23. November 2021, Ra 2021/09/0173, grundlegend. Sache jenes Verfahrens sei die Rechtmäßigkeit einer Absonderungsmaßnahme gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe die ersatzlose Behebung der Absonderung durch das Verwaltungsgericht bestätigt und habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass eine Absonderung nach §7 EpiG grundsätzlich mit Bescheid zu erfolgen habe, zur Setzung von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Allgemeinen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder die Organe der öffentlichen Aufsicht berufen seien, die zuständige Verwaltungsbehörde im Materiengesetz ermächtigt werden könne, bei Gefahr im Verzug verfahrensfreie Verwaltungsakte zu setzen und §7 EpiG eine Ermächtigung, bei Gefahr im Verzug die Absonderung durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorzunehmen, für die Verwaltungsbehörde selbst nicht enthalte. Der Verwaltungsgerichtshof habe jedoch nicht die Vornahme einer Absonderung gemäß §7 EpiG im Rahmen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Verwaltungsbehörde schlechthin verneint. Vielmehr habe er ausgeführt, dass im vorliegenden Fall nicht untersucht werden müsse, ob überhaupt ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgelegen sei, weil im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht über die Rechtmäßigkeit einer mündlich oder telefonisch verfügten Absonderung zu entscheiden gewesen sei, sondern über die Rechtmäßigkeit des schriftlichen Bescheides. Aber auch wenn die Verwaltungsbehörde selbst gesetzlich nicht zur Absonderung im Rahmen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt wäre, führe dies nicht dazu, dass eine Handlung dieser Behörde, die (sonst) alle Merkmale eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aufweise, mangels gesetzlicher Ermächtigung nicht als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu deuten wäre, worauf das Verwaltungsgericht offenkundig hinauswolle, wenn es ausführe, dass ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die belangte Behörde nicht in Betracht käme. Nach dieser Auslegung wäre die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Verwaltungsgerichte gemäß Art130 Abs1 Z2 B VG ihres Anwendungsbereiches beraubt. Denn die gesetzliche Ermächtigung zur Setzung von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sei stets durch die Grenzen dieser Ermächtigung beschränkt. Folglich wäre jegliche verfahrensfreie, einer Behörde zurechenbare Handlung im Rahmen der Hoheitsverwaltung, die nicht innerhalb einer gesetzlichen Ermächtigung zur Setzung eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolge, als Nicht Akt nicht gerichtlich nachprüfbar. Mit dieser Auffassung unterstelle das Verwaltungsgericht den von ihm angewendeten Bestimmungen des EpiG einen verfassungswidrigen, das Rechtsstaatsgebot (Hinweis auf VfSlg 15.625/1999, 11.196/1986) widersprechenden Inhalt. Dass Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auch von gesetzlich dazu nicht ermächtigten Organen gesetzt werden könnten (und deren Rechtswidrigkeit folglich festgestellt werden könne), entspreche auch der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (Hinweise auf VfSlg 8545/1978, 12.270/1990; VwGH 7.8.2018, Ro 2018/02/0010; 14.4.2011, 2007/21/0322; 6.7.2010, 2009/05/0231; 7.3.2000, 99/05/0112). Ausgehend von den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis liege in der Anordnung der"MA 15" auch ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2021, E4201/2020, vor. Eine Anordnung der zuständigen Behörde, sich in Quarantäne zu begeben, könne vom Normadressaten nach den festgestellten Umständen, unter denen sie erfolgt sei, gar nicht anders als eine verbindliche Anordnung, deren Nichtbefolgung sanktionsbewehrt sei, verstanden werden. Da der Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Gesellschaft, dessen Angaben das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung für nachvollziehbar erachte, außerdem angegeben habe, dass ihm mehrfach von der Behörde mitgeteilt worden sei, dass der Quarantänebescheid für seine Ehefrau auch für ihn gelte (ungeachtet der Rechtsrichtigkeit dieser Auskunft), schließe die besonderen Umstände, die nach dem Erkenntnis E4201/2020 ausnahmsweise gegen die Annahme eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt schließen könnten, nachgerade aus. Der Hinweis des Verwaltungsgerichtes, dass es für einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht hinreiche, wenn dem Adressaten der behördlichen Aufforderung lediglich eine strafrechtliche Sanktion drohe, komme im vorliegenden Fall bei der nach den Ausführungen im Erkenntnis E4201/2020 gebotenen lebensnahen Gesamtbetrachtung des Geschehens aus Sicht des Arbeitnehmers der beschwerdeführenden Gesellschaft (Hinweis auf VfGH 10.3.2021, E2735/2020) keine Bedeutung zu: Ob sich der Arbeitnehmer nach seinen Angaben beim "Hinausgehen" vor Strafen gefürchtet habe, stehe nicht im Widerspruch zu der im Zweifel anzunehmenden Auffassung des Adressaten einer solchen Aufforderung, dass ihre Nichtbefolgung sanktionsbewehrt und beim Verlassen der Heimquarantäne mit der zwangsweisen Durchsetzung des Verbotes zu rechnen sei (Hinweis auf VfGH 6.10.2021, E3811/2020 ua). Die zwangsweise Durchsetzung wäre außerdem möglich, weil die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß §28a Abs1a EpiG zu Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen und zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens ermächtigt seien, sodass bei Zuwiderhandlung gegen eine verfügte Absonderung gemäß §7 EpiG (§40 litb EpiG) insbesondere die Festnahme nach Maßgabe des §35 VStG gedroht habe. Das angefochtene Erkenntnis sei daher mit Willkür belastet und verletze die beschwerdeführende Gesellschaft in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art7 B VG, Art2 StGG und Art1 des 1. ZPEMRK.

4. Der Magistrat der Stadt Wien und das Verwaltungsgericht Wien haben die Verwaltungs- bzw Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

II. Rechtslage

1. Die §§7, 17, 28a, 32 und 43 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl 186/1950 (WV), idF BGBl 702/1974 (§32), BGBl I 114/2006 (§17), BGBl I 63/2016 (§7), BGBl I 23/2020 (§28a, §43) laut(et)en im Zeitraum vom 7. bis zum 10. April 2020 wie folgt:

"Absonderung Kranker.

§7. (1) Durch Verordnung werden jene anzeigepflichtigen Krankheiten bezeichnet, bei denen für kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen Absonderungsmaßnahmen verfügt werden können.

(1a) Zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach Abs1 angeführten anzeigepflichtigen Krankheit können kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen angehalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränkt werden, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen besteht, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden kann. Die angehaltene Person kann bei dem Bezirksgericht, in dessen Sprengel der Anhaltungsort liegt, die Überprüfung der Zulässigkeit und Aufhebung der Freiheitsbeschränkung nach Maßgabe des 2. Abschnitts des Tuberkulosegesetzes beantragen. Jede Anhaltung ist dem Bezirksgericht von der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen, die sie verfügt hat. Das Bezirksgericht hat von Amts wegen in längstens dreimonatigen Abständen ab der Anhaltung oder der letzten Überprüfung die Zulässigkeit der Anhaltung in sinngemäßer Anwendung des §17 des Tuberkulosegesetzes zu überprüfen, sofern die Anhaltung nicht vorher aufgehoben wurde.

(2) Kann eine zweckentsprechende Absonderung im Sinne der getroffenen Anordnungen in der Wohnung des Kranken nicht erfolgen oder wird die Absonderung unterlassen, so ist die Unterbringung des Kranken in einer Krankenanstalt oder einem anderen geeigneten Raume durchzuführen, falls die Überführung ohne Gefährdung des Kranken erfolgen kann.

(3) Zum Zwecke der Absonderung sind, wo es mit Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse geboten erscheint, geeignete Räume und zulässig erkannte Transportmittel rechtzeitig bereitzustellen, beziehungsweise transportable, mit den nötigen Einrichtungen und Personal ausgestattete Barackenspitäler einzurichten.

(4) Abgesehen von den Fällen der Absonderung eines Kranken im Sinne des Abs2 kann die Überführung aus der Wohnung, in der er sich befindet, nur mit behördlicher Genehmigung und unter genauer Beobachtung der hiebei von der Behörde anzuordnenden Vorsichtsmaßregeln erfolgen.

(5) Diese Genehmigung ist nur dann zu erteilen, wenn eine Gefährdung öffentlicher Rücksichten hiedurch nicht zu besorgen steht und der Kranke entweder in eine zur Aufnahme solcher Kranker bestimmte Anstalt gebracht werden soll oder die Überführung nach der Sachlage unbedingt geboten erscheint.

Überwachung bestimmter Personen.

§17. (1) Personen, die als Träger von Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit anzusehen sind, können einer besonderen sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung unterworfen werden. Sie dürfen nach näherer Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, daß Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Für diese Personen kann eine besondere Meldepflicht, die periodische ärztliche Untersuchung sowie erforderlichenfalls die Desinfektion und Absonderung in ihrer Wohnung angeordnet werden; ist die Absonderung in der Wohnung in zweckmäßiger Weise nicht durchführbar, so kann die Absonderung und Verpflegung in eigenen Räumen verfügt werden.

(2) Bezieht sich der Ansteckungsverdacht auf die Übertragung des Flecktyphus, der Blattern, der Asiatischen Cholera oder der Pest, so ist die sanitätspolizeiliche Beobachtung und Überwachung der ansteckungsverdächtigen Person im Sinne des vorhergehenden Absatzes jedenfalls durchzuführen.

(3) Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen ist die Beobachtung besonderer Vorsichten anzuordnen. Für solche Personen können Verkehrs- und Berufsbeschränkungen sowie Schutzmaßnahmen, insbesondere Schutzimpfungen, angeordnet werden.

(4) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, kann die Bezirksverwaltungsbehörde im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Gabe von Prophylaktika anordnen.

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§28a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer gemäß den §§5, 6, 7, 15, 17, 22 und 24 beschriebenen Aufgaben bzw zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln zu unterstützen.

(1a) Darüber hinaus haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch

1. Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,

2. Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und

3. die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§50 VStG).

(2) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden im Rahmen der nach Abs1 vorgesehenen Unterstützung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, so sind die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.

Vergütung für den Verdienstentgang.

§32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1. sie gemäß §§7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2. ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß §11 untersagt worden ist, oder

3. ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß §17 untersagt worden ist, oder

4. sie in einem gemäß §20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß §20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6. sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß §22 angeordnet worden ist, oder

7. sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß §24 verhängt worden sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl Nr 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß §21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl Nr 414, ist vom Bund zu ersetzen.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.

Behördliche Kompetenzen.

§43. (1) Die Bestimmungen des Gesetzes vom 30. April 1870, RGBl Nr 68, betreffend die Organisation des öffentlichen Sanitätsdienstes, bleiben durch die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes unberührt.

(3) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest, Ägyptischer Augenentzündung, Wutkrankheit, Bißverletzungen durch wutkranke oder wutverdächtige Tiere sowie in sonstigen Fällen dringender Gefahr sind die im §5 Abs1 bezeichneten Erhebungen und die in den §§7 bis 14 bezeichneten Vorkehrungen auch sofort an Ort und Stelle von den zuständigen, im öffentlichen Sanitätsdienste stehenden Ärzten zu treffen.

(4) Die Einleitung, Durchführung und Sicherstellung sämtlicher in diesem Gesetze vorgeschriebener Erhebungen und Vorkehrungen zur Verhütung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten beziehungsweise die Überwachung und Förderung der in erster Linie von den zuständigen Sanitätsorganen getroffenen Vorkehrungen sind Aufgabe der Bezirksverwaltungsbehörde.

(4a) Soweit in diesem Bundesgesetz eine Zuständigkeit zur Erlassung von Verordnungen durch die Bezirksverwaltungsbehörde vorgesehen ist, sind Verordnungen, deren Anwendungsbereich sich auf mehrere politische Bezirke oder das gesamte Landesgebiet erstreckt, vom Landeshauptmann zu erlassen. Einer Verordnung des Landeshauptmanns entgegenstehende Verordnungen der Bezirksverwaltungsbehörde treten mit Rechtswirksamkeit der Verordnung des Landeshauptmanns außer Kraft, sofern darin nicht anderes angeordnet ist.

(5) Dem Landeshauptmann obliegt im Rahmen seines örtlichen Wirkungsbereichs die Koordinierung und Kontrolle der Maßnahmen der Bezirksverwaltungsbehörden gemäß Abs4. Besteht der Verdacht oder die Kenntnis über einen bundesländerübergreifenden Ausbruch einer Erkrankung gemäß §1 Abs1 und 2, so haben die Landeshauptmänner der betroffenen Bundesländer zusammenzuarbeiten und ihre Tätigkeiten zu koordinieren.

(6) Das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend ist im Fall von Krankheitsausbrüchen vom Landeshauptmann unverzüglich zu verständigen."

2. §46 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl 186/1950 (WV), der zuvor Militärapotheken geregelt hat, lautete seit BGBl I 43/2020 (die Überschrift erst seit 8. Juli 2020, BGBl I 62/2020) im Zeitraum vom 15. Mai 2020 bis zum 30. Juni 2023 wie folgt:

"Telefonischer Bescheid

§46. (1) Bescheide gemäß §7 oder §17 dieses Bundesgesetzes können für die Dauer der Pandemie mit COVID 19 abweichend von §62 Abs1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51/1991 in der geltenden Fassung, aufgrund eines Verdachts mit der Infektion von SARS CoV 2 auch telefonisch erlassen werden.

(2) Die Absonderung endet, wenn die Behörde nicht innerhalb von 48 Stunden einen Bescheid über die Absonderung gemäß §7 dieses Bundesgesetzes wegen einer Infektion mit SARS CoV -2 erlässt.

(3) Der Inhalt und die Verkündung eines telefonischen Bescheides ist zu beurkunden und der Partei zuzustellen."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Die angefochtene Entscheidung greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 13.587/1993 mwN, 15.364/1998, 15.768/2000, 16.113/2001, 16.430/2002, 19.817/2013 und 20.204/2020) dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hätte, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3. Ein solcher Fehler ist dem Verwaltungsgericht Wien unterlaufen:

3.1. Gemäß §7 Abs1a EpiG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 63/2016 konnte die Bezirksverwaltungsbehörde (§43 Abs4 EpiG) zur Verhütung der Weiterverbreitung einer in einer Verordnung nach §7 Abs1 leg. cit. angeführten anzeigepflichtigen Krankheit (siehe dazu die Absonderungsverordnung RGBl 39/1915, idF BGBl II 21/2020) kranke, krankheitsverdächtige oder ansteckungsverdächtige Personen anhalten oder im Verkehr mit der Außenwelt beschränken, sofern nach der Art der Krankheit und des Verhaltens des Betroffenen eine ernstliche und erhebliche Gefahr für die Gesundheit anderer Personen bestand, die nicht durch gelindere Maßnahmen beseitigt werden konnte. Die in §7 Abs1a erster Satz EpiG vorgesehenen Eingriffe konnten mit Bescheid (Mandatsbescheid) oder – bei Gefahr im Verzug – durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt getroffen werden (Erläut zur RV 1187 BlgNR 25. GP, 16; VfSlg 20.454/2021, 20.498/2021; vgl nunmehr ausdrücklich §7 Abs1a letzter Satz EpiG idF seit BGBl I 89/2022 und dazu AB 1503 BlgNR 27. GP, 2, wonach eine "Klarstellung" der Rechtslage beabsichtigt war). §28a Abs1 und Abs1a Z1 EpiG sah die Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor (vgl abermals Erläut zur RV 1187 BlgNR 25. GP, 16). Erst mit der EpiG-Novelle BGBl I 43/2020 wurde ab 15. Mai 2020 (bis zum 30. Juni 2023) die Möglichkeit der telefonischen Bescheiderlassung vorgesehen (§46 und §50 Abs11 EpiG).

3.2. §32 Abs1 Z1 EpiG begründet einen Anspruch auf Vergütung, wenn und soweit jemand "gemäß §§7 oder 17 abgesondert worden" ist. Sowohl nach dem Wortlaut als auch bei verfassungskonformem Verständnis gilt dies sowohl für Fälle der Absonderung durch Bescheid als auch für Fälle der Absonderung durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (VfSlg 20.498/2021, 20.499/2021; VwGH 1.9.2022, Ra 2022/09/0038). Für den Vergütungsanspruch ist ferner gleichgültig, ob der rechtskräftig gewordene Absonderungsbescheid oder die wirksam gewordene Absonderung durch Befehls- oder Zwangsgewalt rechtmäßig oder rechtswidrig waren. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 20.498/2021 festgehalten hat, ist vor dem Hintergrund der §7 iVm §43 und §32 Abs1 Z1 EpiG – jedenfalls für Zwecke eines Vergütungsanspruches nach §32 EpiG – im Zweifel davon auszugehen, dass Telefonanrufe durch die für Absonderungen zuständige (Abteilung der) Bezirksverwaltungsbehörde verbindliche Anordnungen, deren Nichtbefolgung auch sanktionsbewehrt ist, zum Gegenstand haben, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände dagegen sprechen.

3.3. Wie das Verwaltungsgericht Wien selbst festgestellt hat, hat der Magistrat der Stadt Wien in einem Telefonat mit dem Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Gesellschaft "angeordnet, dass er sich bis inklusive 10. April 2020 in Quarantäne begeben muss. [...] Die angeordnete Heimquarantäne dauerte vom 7. bis 10. April 2020". Besondere Umstände, die dagegensprechen, dass im vorliegenden Fall keine verbindliche, sanktionsbewehrte Anordnung vorliege, wurden nicht festgestellt.

3.4. Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht Wien, indem es den Vergütungsanspruch nach §32 Abs1 Z1 EpiG verneint hat, diese Bestimmung denkunmöglich angewandt und die beschwerdeführende Gesellschaft dadurch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZPEMRK) verletzt.

IV. Ergebnis

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZPEMRK) verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

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