JudikaturVfGH

UA2/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
25. Januar 2024

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z2 B VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses in AB 2403 BIgNR XXVII.GP nicht hinreichend ist".

II. Rechtslage

1. Art53 sowie Art138b Abs1 Z1 und 2 B VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann.

Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

1. die Anfechtung von Beschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates, mit denen ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, für ganz oder teilweise unzulässig erklärt wird, durch ein dieses Verlangen unterstützendes Viertel seiner Mitglieder wegen Rechtswidrigkeit;

2. den hinreichenden Umfang von grundsätzlichen Beweisbeschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder gemäß Z1;

[…]"

2. §56d Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:

"b) Bei einem Antrag auf Feststellung des hinreichenden Umfangs von grundsätzlichen Beweisbeschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates

§56d. (1) Der Antrag im Sinne des Art138b Abs1 Z2 B VG hat die Feststellung zu begehren, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates nicht hinreichend ist, oder in welchem Umfang die gemäß §24 Abs5 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' beschlossene Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses zu erweitern ist.

(2) Der Antrag hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des Beschlusses bzw Berichts des Geschäftsordnungsausschusses;

2. den Sachverhalt;

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung des nicht hinreichenden Umfangs des grundsätzlichen Beweisbeschlusses oder seiner Ergänzung stützt;

4. die erforderlichen Beweise;

5. die Angaben und Unterlagen, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.

(3) Dem Antrag ist eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des Beschlusses bzw Berichts des Geschäftsordnungsausschusses anzuschließen.

(4) Ein Antrag betreffend den grundsätzlichen Beweisbeschluss ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Zeitpunkt, den der Präsident des Nationalrates gemäß §4 Abs2 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates festgestellt hat, zwei Wochen vergangen sind. Ein Antrag betreffend die Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses samt Ergänzung gemäß §24 Abs5 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates zwei Wochen vergangen sind.

(5) Parteien des Verfahrens sind die Antragsteller, die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss und die Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper, die zur Vorlage der Beweismittel verpflichtet werden.

(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.

(7) Mit der Entscheidung über einen Antrag betreffend die Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof festgestellten erweiterten Umfang wirksam."

3. §106 des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lautet:

"§106. Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Immunitätsausschusses auf Einholung einer Entscheidung des Nationalrates im Sinne des §10 Abs3, Verlangen auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung gemäß §46 Abs2, Verlangen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß §§84 Abs1 oder 85 sowie Anträge und Anfechtungen in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach den Bestimmungen dieser Geschäftsordnung sind schriftlich mit den eigenhändigen Unterschriften der Abgeordneten an den Präsidenten zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung zu richten."

4. §1, §3, §4 und §24 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Antrag und Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

§1. (1) Der Nationalrat kann aufgrund eines schriftlichen Antrags den Beschluss auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fassen. Der Antrag muss unter Einrechnung des Antragstellers (der Antragsteller) von mindestens fünf Abgeordneten unterstützt sein.

(2) Der Nationalrat hat auf Verlangen von mindestens 46 seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. 46 Abgeordnete, die ein solches Verlangen unterstützt haben, bilden nach dieser Verfahrensordnung die Einsetzungsminderheit.

(3) Scheidet ein Abgeordneter, der ein Verlangen gemäß Abs2 unterstützt hat, vor Beendigung der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses aus dem Nationalrat aus, kann jener Abgeordnete, der auf sein Mandat nachfolgt, der Einsetzungsminderheit angerechnet werden.

(4) Ein Abgeordneter, der ein Verlangen gemäß Abs2 oder ein Verlangen oder einen Antrag gemäß §53 unterstützt hat, darf bis zur Beendigung der Tätigkeit dieses Untersuchungsausschusses kein anderes Verlangen gemäß Abs2 unterstützen.

(5) Ein Antrag oder ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist dem Präsidenten unter Angabe des Gegenstands der Untersuchung gemäß Art53 Abs2 B VG in einer Sitzung des Nationalrates schriftlich zu überreichen. Eine inhaltliche Gliederung des Gegenstands der Untersuchung nach Beweisthemen ist zulässig, hingegen ist die Sammlung nicht direkt zusammenhängender Themenbereiche unzulässig. Ein Antrag nach Abs1 muss mit der Formel versehen sein: 'Der Nationalrat wolle beschließen' und ist dem Präsidenten mit der eigenhändigen Unterschrift des Antragstellers oder der Antragsteller versehen, zu übergeben. Die Eigenschaft als Antragsteller muss aus dem Antrag deutlich ersichtlich sein. Anträge und Verlangen, die ausreichend unterstützt sind, werden unverzüglich an die Abgeordneten verteilt.

(6) Ein Verlangen gemäß Abs2 kann einen Antrag auf Verkürzung der Frist gemäß §53 Abs2 enthalten.

(7) Ein Antrag gemäß Abs1 kann vom Antragsteller (von den Antragstellern) bis zum Beginn der Abstimmungen im Geschäftsordnungsausschuss zurückgezogen werden. Ein Verlangen gemäß Abs2 kann bis zum Beginn der Behandlung des Berichts im Nationalrat gemäß §4 Abs2 zurückgezogen werden. Der Präsident verfügt die Verteilung des Schreibens über die Zurückziehung an die Abgeordneten.

Beratung und Beschlussfassung im Geschäftsordnungsausschuss

§3. (1) Der Geschäftsordnungsausschuss hat binnen vier Wochen nach Zuweisung eines Antrags bzw eines Verlangens auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Beratung darüber aufzunehmen und innerhalb weiterer vier Wochen dem Nationalrat Bericht zu erstatten.

(2) Erachtet der Geschäftsordnungsausschuss ein ihm zugewiesenes Verlangen gemäß §1 Abs2 oder einzelne genau zu bezeichnende Teile davon als unzulässig, so hat er die gänzliche oder teilweise Unzulässigkeit festzustellen und zu begründen.

(3) Der Geschäftsordnungsausschuss hat die Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses nach den im §30 GOG festgesetzten Grundsätzen zu bestimmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuss vertretenen Partei einem Untersuchungsausschuss angehört.

(4) Der Geschäftsordnungsausschuss darf den im Verlangen gemäß §1 Abs2 bezeichneten Untersuchungsgegenstand nicht ändern, es sei denn, alle in der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses stimmberechtigten Abgeordneten, die das Verlangen unterstützt haben, stimmen dem zu.

(5) Der Geschäftsordnungsausschuss wählt auf Grundlage des Vorschlags gemäß §7 Abs2 den Verfahrensrichter und den Verfahrensanwalt samt deren Stellvertreter und fasst den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24 sowie allenfalls einen Beschluss betreffend die Dauer des Untersuchungsausschusses gemäß §53 Abs2.

(6) Erachtet der Verfassungsgerichtshof gemäß §56c Abs7 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (VfGG), BGBl Nr 85, einen Beschluss gemäß Abs2 für rechtswidrig, hat der Geschäftsordnungsausschuss unverzüglich die erforderlichen Beschlüsse gemäß Abs5 zu fassen.

(7) Der Geschäftsordnungsausschuss hat auch außerhalb der Tagungen zusammenzutreten, wenn sich nach den Bestimmungen dieser Verfahrensordnung die Notwendigkeit dazu ergibt.

Einsetzung und Konstituierung eines Untersuchungsausschusses

§4. (1) Der Nationalrat hat den Bericht des Geschäftsordnungsausschusses über einen Antrag gemäß §1 Abs1 in der auf die Übergabe an den Präsidenten nächstfolgenden Sitzung in Verhandlung zu nehmen und über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses abzustimmen. Die Debatte und Abstimmung erfolgt gemäß den allgemeinen Bestimmungen über die Geschäftsbehandlung in den Sitzungen des Nationalrates. Abänderungs- und Zusatzanträge sowie Verlangen auf getrennte Abstimmung sind unzulässig.

(2) Insoweit der Geschäftsordnungsausschuss ein Verlangen gemäß §1 Abs2 nicht für gänzlich oder teilweise unzulässig erachtet, gilt der Untersuchungsausschuss mit Beginn der Behandlung des Berichts als in diesem Umfang eingesetzt und die Beschlüsse gemäß §3 Abs3 und 5 werden wirksam. Der maßgebliche Zeitpunkt wird vom Präsidenten in der Sitzung festgestellt, im Amtlichen Protokoll festgehalten und unverzüglich veröffentlicht. In der Debatte findet §60 Abs3 GOG Anwendung.

(3) Die Einsetzungsminderheit kann nach Erstattung des Berichts des Geschäftsordnungsausschusses im Falle eines Beschlusses gemäß §3 Abs2 über die teilweise oder gänzliche Unzulässigkeit eines Verlangens auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z1 B VG anrufen.

(4) Die Klubs machen die auf sie entfallenden Mitglieder und Ersatzmitglieder dem Präsidenten namhaft. §32 GOG gilt sinngemäß.

(5) Der Untersuchungsausschuss ist unverzüglich zu konstituieren.

Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 24. November 2023 mit näherer Begründung ein Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP Regierungsmitglieder (COFAG Untersuchungsausschuss)" mit folgendem Untersuchungsgegenstand und folgenden Beweisthemen (sowie folgender inhaltlicher Gliederung des Untersuchungsgegenstandes) im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist die Vollziehung durch Bundesorgane, insbesondere die COVID-Finanzierungsagentur des Bundes (COFAG), in Zusammenhang mit Personen, denen ein Vermögen von zumindest einer Milliarde Euro zugerechnet werden kann und die

- die Österreichische Volkspartei etwa durch Spenden unterstützt haben oder

- um deren Unterstützung von der Österreichischen Volkspartei etwa im Zuge des 'Projekt Ballhausplatz' geworben wurde,

zwischen 18. Dezember 2017 und 23. November 2023 im Hinblick auf deren (mutmaßliche) bevorzugte Behandlung.

Der Untersuchungsausschuss hat folgende Fragen zu klären:

1. Welche Motive haben die Verwaltung bei der COFAG geleitet?

2. Wer hat die Ausgestaltung der COFAG-Förderungen bestimmt?

3. In welchem Ausmaß haben die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen von COFAG-Förderungen profitiert?

4. Welche Handlungen in Zusammenhang mit den im Untersuchungsgegen- stand genannten Personen wurden von Organen bzw Bediensteten der COFAG oder vom Bundesministerium für Finanzen im Zusammenhang mit der COFAG und diesen Personen gesetzt?

5. Wurde von der COFAG in Zusammenhang mit Förderungen an die im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen 'ein Auge zugedrückt', insbesondere bei der Rückforderung von Zahlungen in Folge der Insolvenz von Kika/Leiner?

6. In welchem Ausmaß erhielten die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen Subventionen aus öffentlichen Mitteln? Dabei insbesondere:

a. Erhielten die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen Steuerbe- günstigungen oder Steuernachlässe, etwa im Zuge von Abgabenprüfungen?

b. Wurden Projekte von im Untersuchungsgegenstand genannten Personen aus Förderprogrammen des Bundes unterstützt und wenn ja, in welcher Höhe?

c. In welchem Ausmaß arbeiteten Stiftungen und Fonds des Bundes wie der Österreichische Integrationsfonds oder der Österreichische Fonds zur Stärkung und Förderung von Frauen und Mädchen mit den im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen zusammen?

7. Wurde der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz gegenüber den im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen eingehalten? Dabei insbesondere:

a. Erhielten die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen privile- gierten Zugang zu Organen der Vollziehung und allenfalls sogar besondere (im Sinne zB von beschleunigte) Verfahren für sich oder von ihnen benannte Dritte und aus welchem Grund bzw auf Veranlassung von wem innerhalb der Verwaltung?

b. Intervenierte die politische Führungsebene der Bundesministerien in Ver- waltungsverfahren und -abläufe betreffend die im Untersuchungsgegen- stand genannten Personen?

c. Wurden Aufsichtsbehörden im Zusammenhang mit den im Untersuchungs- gegenstand genannten Personen tätig und mit welchen Ergebnissen?

d. Wurde durch Leitungsorgane im Wege von Weisungen oder informell auf Aufsichts- oder Strafverfahren, von denen die im Untersuchungsgenstand genannten Personen (wenn auch nicht alleine) betroffen waren, eingewirkt und wenn ja, auf welche Art?

e. Ließen sich Amtsträger von im Untersuchungsgegenstand genannten Personen Vorteile anbieten oder haben diese sogar angenommen und was war die gewünschte Gegenleistung im Bereich der Vollziehung?

8. Wurden die im Untersuchungsgegenstand genannten Personen bevorzugt in Regierungstätigkeiten eingebunden? Dabei insbesondere:

a. Welche Informationen wurden den im Untersuchungsgegenstand genann- ten Personen zur Verfügung gestellt (etwa durch Bestellung in Organe von staatsnahen Unternehmungen) und ermöglichten diese Informationen ihnen den Erhalt oder Ausbau ihres Vermögens?

b. Von welchen Unternehmungen des Bundes wurde mit Unternehmen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen zuzurechnen sind, zusammengearbeitet und aus welchen Gründen, insbesondere durch die BIG/ARE und den 'Österreich-Fonds' der ÖBAG?

c. In welchem Ausmaß und aus welchen Gründen wurden Unternehmen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen zuzurechnen sind, von Bundesorganen – allenfalls im Wege der Bundesbeschaffung GmbH – beauftragt?

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. COFAG

Aufklärung über das Verhalten der Organe und Bediensteten der COVID Finanzierungsagentur des Bundes ('COFAG') sowie der diesbzgl zuständigen Personen im Bundesministerium für Finanzen gegenüber den im Untersuchungsgenstand genannten Personen sowie die Gewährung geldwerter Vorteile aus öffentlichen Haushalten in deren Einflussbereich und dabei insbesondere über

- Gewährung von Förderungen bzw Beihilfen an Unternehmen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen zuzurechnen sind, oder an deren sonstige (allenfalls gemeinnützige) Projekte;

- Behandlung von Förderansuchen und -anträgen;

- Gewährung von Steuernachlässen, Rabatten und Prämien;

- steuerliche Behandlung von Gewinnausschüttungen an im Untersuchungs- ge[ge]nstand genannte Personen und Schenkungen von Milliardären;

- indirekte Förderungen über (möglicherweise) verbilligte Transaktionen wie etwa von Liegenschaften des Bundes in den Einflussbereich von im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen oder den Abschluss außergewöhn- licher Vertragsverhältnisse.

2. Informationsweitergabe und Interventionen

Aufklärung über Vorwürfe der unmittelbaren oder mittelbaren Weitergabe interner Verwaltungsinformationen an im Untersuchungsgegenstand genannte Personen sowie Einflussnahme auf Verwaltungsverfahren im Interesse der im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen, insbesondere über

- Vermittlung von Kontakten zu zuständigen Bediensteten der Verwaltung sowie Sicherstellung einer reibungslosen Behandlung der Anliegen von im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen;

- die Rolle der Führungsebene der Bundesministerien (Mitglieder der Bundes- regierung, allfällige Staatssekretärinnen und Staatssekretäre, General- sekretärinnen und Generalsekretäre, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kabinette) in diesen Angelegenheiten;

- Weitergabe von Informationen zu Verwaltungsprojekten sowie Projekten von staatsnahen Unternehmen an im Untersuchungsgegenstand genannte Personen;

- Einladungen zu (auch informellen) Gesprächsrunden etwa im Zuge von 'Think Austria' oder Wirtschaftsgesprächen sowie Bestellung in Organe von staats- nahen Unternehmen;

- mögliche Gegenleistungen für Amtsgeschäfte;

- Haftungsübernahmen auf Grund des Ausfuhrförderungs- bzw des Ausfuhr- finanzierungsförderungsgesetzes;

- Informationseinholung, Weitergabe von Wünschen oder sonstige Einfluss- nahme auf Verwaltungsverfahren betreffend im Untersuchungsgegenstand genannte Personen oder deren Unternehmen, insbesondere in den Abgaben- verfahren *** und ***;

- Ausmaß und Inhalt der Beauftragungen von Unternehmen, die den im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen zuzurechnen sind;

- Informelle Unterstützung bei der Geschäftstätigkeit von im Untersuchungs- gegenstand genannten Personen etwa durch Kontaktaufnahme mit Organen anderer Staaten, Wirtschaftsdelegationen oder Vermittlung zwischen mög- lichen Geschäftspartnerinnen und -partnern wie etwa beim Verkauf der Anteile von Kika/Leiner an ***.

3. Kooperationen staatsnaher Unternehmen

Aufklärung über Kooperationen, Joint Ventures, gemeinsame Beteiligungen und/oder Syndizierungen zwischen staatlichen und staatsnahen Unternehmen und im Untersuchungsgegenstand genannten Personen bzw den ihnen zurechenbaren Unternehmen, insbesondere über

- Weitergabe von geschäftlichen Informationen oder Einräumung von Zugang zu Informationen, allenfalls auch Pläne für Privatisierungen;

- Verfahren zur Bestellung von Organen sowie Gremien wie etwa dem Investment Committee der ÖBAG;

- Wünsche, Interventionen oder Weisungen durch die Eigentümervertretung in diesem Sinne;

- Miet-, Pacht- und sonstige Bestandsverträge sowie die Einräumung von Rechten auf Liegenschaften, insbesondere die Verträge der Bundesimmobilien- gesellschaft mit der Signa Group;

- Ausgestaltung der Entwicklungsprojekte der ARE samt Tochterunternehmen in Kooperation insbesondere mit der Signa Group.

4. Staatliche Aufsicht

Aufklärung über die Bemühungen von Behörden bei der staatlichen Aufsicht und der Führung von Strafverfahren jeglicher Art in Zusammenhang mit den Handlungen oder dem Vermögen von im Untersuchungsgegenstand genannten Personen einschließlich von Finanzstrafverfahren, nicht jedoch Verwaltungsstrafverfahren in Zuständigkeit der Gemeinden, Bezirksverwaltungsbehörden oder Landeshauptleute, aber insbesondere über

- Beeinflussung solcher Verfahren;

- Ordnungsgemäßes Führen solcher Verfahren;

- Erteilung von Weisungen, formlosen Bitten, Aufträgen, Mitteilen von Rechts- ansichten oder anderen Wünschen samt Informationsersuchen durch die Bundesministerinnen bzw Bundesminister, deren Kabinette oder General- sekretärinnen bzw Generalsekretäre sowie Sektionsleitungen (insbesondere *** und ***);

- die Erfüllung der dem Umweltbundesamt im Umweltkontrollgesetz übertrage- nen Aufgaben gegenüber Unternehmen, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen zuzurechnen sind;

- die Behandlung von Geldwäscheverdachtsmeldungen sowie der Vollziehung des Sanktionengesetzes in Zusammenhang mit dem Vermögen von im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen;

- Wahrnehmung der Anzeigepflicht beim Verdacht auf strafbare Handlungen;

- Aufsicht über Finanzgeschäfte in Zusammenhang mit im Untersuchungsgegen- stand genannten Personen einschließlich von Kreditvergaben;

- Fusionskontrolle und Tätigkeiten der Kartellbehörden;

- Überprüfung von Kontobewegungen und Auslandsvermögen von im Unter- suchungsgegenstand genannten Personen einschließlich von Zahlungsflüssen aus dem Einflussbereich von Milliardären an PEPs."

1.2. An der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses vom 14. Dezember 2023 haben laut der vorgelegten Präsenzliste (Anlage A zum Protokoll) folgende 23 Abgeordnete zum Nationalrat teilgenommen (in der Reihenfolge der Präsenzliste): August Wöginger, Lukas Brandweiner, Mag. Corinna Scharzenberger, Gabriel Obernosterer, Johannes Schmuckenschlager, Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich, Mag. Michaela Steinacker, Mag. Andreas Hanger, Thomas Spalt, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Susanne Fürst, Christian Hafenecker, MA, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kai Jan Krainer, Eva Maria Holzleitner, BSc, Mag. Verena Nussbaum, Philip Kucher, Katharina Kucharowits, Lukas Hammer, David Stögmüller, Mag. Eva Blimlinger, Mag. Agnes Sirkka Prammer und Mag. Friedrich Ofenauer. In dieser Sitzung hat ein von den Abgeordneten Kai Jan Krainer und Christian Hafenecker, MA, eingebrachter Antrag betreffend einen grundsätzlichen Beweisbeschluss (der Unterschied zum sogleich unten wiedergegebenen, nahezu wortidenten grundsätzlichen Beweisbeschluss besteht im Wesentlichen in der zusätzlichen Aufzählung der ABBAG – Abbaumanagementgesellschaft des Bundes mbH, der Österreichischen Beteiligungs AG [ÖBAG], der Bundesimmobiliengesellschaft [BIG], der ARE Austrian Real Estate GmbH, der ARE Austrian Real Estate Development GmbH und der Bundesbeschaffung GmbH unter der "Bezeichnung der betroffenen Organe") keine Mehrheit gefunden "(dafür: S, F, N, dagegen: V, G)".

In weiterer Folge hat der Geschäftsordnungsausschuss in derselben Sitzung auf Antrag der Abgeordneten Mag. Andreas Hanger und Mag. Agnes Sirkka Prammer mit Stimmenmehrheit "(dafür: V, S, F, G, dagegen: N)" folgenden grundsätzlichen Beweisbeschluss gefasst (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Gemäß §24 Abs1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.

Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.

Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen acht Wochen, spätestens jedoch am 9. Februar 2024 zu erfolgen.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1 4 zu erfolgen.

Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.

Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.

Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO-UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.

Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.

Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2024) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.

Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.

Bezeichnung der betroffenen Organe

Folgende Organe des Bundes sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper (samt den funktionellen Organen auf Grund der jüngeren Rechtsprechung des VfGH [5.10.2023, G265/2022]) sind gemäß §24 Abs3 VO UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

1. Präsident des Nationalrates

2. Rechnungshof

3. Bundesregierung und ihre Mitglieder jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstigen ihnen unterstehenden Einrichtungen (mit Ausnahme der Schulen und Hochschulen) sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nach- folgeorgane und einrichtungen

4. Oesterreichische Nationalbank

5. Finanzmarktaufsicht

6. Finanzprokuratur

7. Dachverband der Sozialversicherungsträger und die Österreichische Gesund- heitskasse

8. Wirtschaftskammer Österreich

9. Oberster Gerichtshof

10. Landesgerichte

11. Handelsgericht Wien

12. Insolvenzverwalter im Verfahren 6 S 193/23h des HG Wien (Signa Holding)

13. Bezirksgerichte Wien Innere Stadt und Josefstadt

14. Bezirksgericht Innsbruck

15. Bundesverwaltungsgericht

16. Bundesfinanzgericht

17. COVID-19-Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG)

18. Österreichischer Integrationsfonds

19. Österreichischer Fonds zur Stärkung und Förderung von Frauen und Mädchen

20. Umweltbundesamt

21. Bundeswettbewerbsbehörde

Begründung

Die im vorliegenden Beweisbeschluss genannten Organe sind vom Untersuchungsgegenstand aus den folgenden Gründen betroffen:

Dem Präsidenten des Nationalrates untersteht gemäß Art30 Abs3 B VG die Parlamentsdirektion. Diesem wurden ua Berichte des Bundesministers für Finanzen zur COFAG zugeleitet.

Der Rechnungshof prüft auf Grund seiner verfassungsgemäßen Kompetenzen insbesondere Unternehmungen des Bundes und ist auf Grund seiner Einschaurechte besonders dazu geeignet, zur Aufklärung durch den Untersuchungsausschuss beizutragen. Er hat insbesondere umfangreich die COFAG und diverse Förderprogramme des Bundes im Zuge der Corona-Pandemie geprüft.

Die Bundesregierung und ihre einzelnen Mitglieder sind in unterschiedlichem Ausmaß vom Untersuchungsgegenstand betroffen. Vorrangig ist der Bundesminister für Finanzen auf Grund seiner Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Eigentümerrechte an mehreren Bundesbeteiligungen sowie seiner Zuständigkeiten für das Steuerwesen angesprochen. Die Finanzprokuratur – obwohl nachgeordnete Dienststelle des Bundesministers für Finanzen – wird eigens angeführt. Aber auch die übrigen Mitglieder der Bundesregierung sind in ihren Vollziehungsbereichen immer wieder mit in den Untersuchungsgegenstand fallenden Angelegenheiten befasst, wobei dies insbesondere für die Bundesministerin für Justiz gilt, der die Staatsanwaltschaften nachgeordnet sind. Der Wirkungsbereich des Bundesministers für Inneres umfasst auch die Angelegenheiten des Bundesamts für Korruptionsprävention und bekämpfung, des DSN sowie der Geldwäschemeldestelle im Bundeskriminalamt. Eine Einschränkung erfährt die Vorlagepflicht des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung insofern, als dass die Schulen und Universitäten nicht vom Untersuchungsgegenstand betroffen sind, die Zentralstelle und die Bildungsdirektionen aber sehr wohl. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft sind etwa im Bereich des Förderwesens, letzterer aber auch im Hinblick auf die Tätigkeit der Arbeitsinspektorate umfasst.

Die Oesterreichische Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht sind mit Beweisthema 4 unmittelbar angesprochen.

Die Finanzprokuratur vertritt die Republik in diversen Verfahren und verfügt demnach über Informationen zu den von der Republik angestrengten oder gegen die Republik geführten Rechtsstreiten im Rahmen des Untersuchungsgegenstandes.

Der Dachverband der Sozialversicherungsträger und die Österreichische Gesundheitskasse verfügen über wesentliche Informationen, die den Aktenbestand des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft ergänzen können. Persönliche Daten von Dienstnehmer:innen sind (in aller Regel) nicht erfasst, sehr wohl aber zB aggregierte Daten über die Zahl der Beschäftigten und Beitragszahlungen sowie Berichte über Prüf- und Kontrolltätigkeiten.

Die Wirtschaftskammer wickelt im Auftrag des Bundes Förderungen ab und ist insofern vom Untersuchungsgegenstand betroffen. Sie ist als Teil der Selbstverwaltung ausdrücklich als vorlagepflichtiges Organ in Art53 Abs3 B VG bezeichnet.

Der Oberste Gerichtshof, die Landesgerichte (im Wege der Bundesministerin für Justiz), das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht verfügen über Zuständigkeiten in Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, insbesondere in Hinblick auf Beweisthema 2 und 4. Es ist aber auch wahrscheinlich, dass zu den weiteren Beweisthemen Akten und Unterlagen von zumindest abstrakter Relevanz bei diesen vorliegen, da diese Organe regelmäßig zur Kontrolle und Rechtsdurchsetzung in vom Untersuchungsgegenstand umfassten Angelegenheiten berufen sind. Das Handelsgericht Wien, das Bezirksgericht Wien Innere Stadt, das Bezirksgericht Wien Josefstadt und das Bezirksgericht Innsbruck sowie der Insolvenzverwalter im Verfahren 6 S 193/23h des HG Wien (Signa Holding) sind ausdrücklich genannt, da sich in deren Sprengel Tätigkeiten der Signa Holding und ihrer Tochterunternehmen entfalteten. Dazu zählen insbesondere auch die im Firmenbuch vorzunehmenden Einträge und Urkunden. Der Insolvenzverwalter im genannten Verfahren übt eine gerichtliche Zuständigkeit aus ('Amtstheorie') und hat auf Grund dieser Zugang zu Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes.

Die Z17 deckt auf Grund der neuen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nunmehr den als (funktionales) Verwaltungsorgan anzusehenden Rechtsträger COFAG ab (vgl VfGH 5.10.2023, G265/2022). Wie bereits im AB 439, XXIV.GP ausgeführt, ist der Organbegriff des Art53 Abs3 B VG ein funktioneller und erfasst somit jegliche Form der 'Verwaltung'. Die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs aus dem Jahr 2015 sind auf Grund der neueren Rechtsprechung überholt. Alle genannten Rechtsträger weisen ein organisatorisches und funktionelles Naheverhältnis zum Bund auf.

Die Bundeswettbewerbsbehörde war ua mit kartellrechtlichen Verfahren von Unternehmen befasst, die den im Untersuchungsgegenstand genannten Personen zuzurechnen sind."

2. Die Einschreiter führen zur Frage der Zulässigkeit ihres auf Art138b Abs1 Z2 B VG gestützten Antrages lediglich Folgendes aus:

Die Antragsteller seien 46 Abgeordnete zum Nationalrat. Sie verkörperten gemeinsam ein Viertel der Mitglieder des Nationalrates und hätten das Verlangen auf Einsetzung des COFAG Untersuchungsausschusses unterstützt. Sie bildeten daher die Einsetzungsminderheit im Sinne des §1 Abs2 VO UA.

Der maßgebliche Zeitpunkt gemäß §4 Abs2 VO UA sei der 15. Dezember 2023. Der vorliegende Antrag werde am 22. Dezember 2023 und somit rechtzeitig gestellt.

Die Einhaltung der Bestimmung des §106 GOG-NR bilde keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl zB VfSlg 20.370/2020 mwN).

3. Die Bundesimmobiliengesellschaft mbH, die Österreichische Beteiligungs AG und die Bundesbeschaffung GmbH haben von der ihnen vom Verfassungsgerichtshof eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, Stellungnahmen abzugeben.

IV. Erwägungen

1. Gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über den hinreichenden Umfang von grundsätzlichen Beweisbeschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates auf Antrag eines das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, unterstützenden Viertels der Mitglieder des Nationalrates.

2. Gemäß Art53 Abs1 zweiter Satz B VG ist ein Untersuchungsausschuss auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates einzusetzen (vgl auch §1 Abs2 erster Satz VO UA: "mindestens 46 […] Mitglieder"). Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben nach Art53 Abs3 B VG einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (vgl auch §24 Abs1 VO-UA). Nähere Bestimmungen trifft gemäß Art53 Abs5 erster Satz B VG das GOG NR. Nach §3 Abs5 VO UA fasst der Geschäftsordnungsausschuss ua den grundsätzlichen Beweisbeschluss. Dieser ist gemäß §24 Abs3 leg cit nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen; die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Im Fall eines auf Grund eines Verlangens nach §1 Abs2 VO UA eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit gemäß §24 Abs4 leg cit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Ein Antrag betreffend den grundsätzlichen Beweisbeschluss ist nach §56d Abs4 VfGG nicht mehr zulässig, wenn seit dem Zeitpunkt, den der Präsident des Nationalrates gemäß §4 Abs2 VO UA festgestellt hat, zwei Wochen vergangen sind. Nach §56d Abs6 VfGG entscheidet der Verfassungsgerichtshof auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.

3. Der Geschäftsordnungsausschuss hat in seiner Sitzung vom 14. Dezember 2023 ua einen grundsätzlichen Beweisbeschluss betreffend den COFAG Untersuchungsausschuss gefasst. Der Präsident des Nationalrates hat als Zeitpunkt der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses (vgl §4 Abs2 VO UA) den 15. Dezember 2023, 18:04 Uhr, festgestellt.

Der am 22. Dezember 2023 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG erweist sich somit als rechtzeitig. Die Einhaltung der Bestimmung des §106 GOG NR bildet keine Prozessvoraussetzung im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (vgl VfGH 10.5.2021, UA5/2021, mwN; vgl auch VfSlg 16.752/2002 zu einem Verfahren nach [nunmehr] Art140 Abs1 Z2 B VG).

Der von jenen 46 Mitgliedern des Nationalrates, die das Verlangen auf Einsetzung des COFAG-Untersuchungsausschusses unterstützt haben, gestellte Antrag gemäß Art138b Abs1 Z2 B VG erweist sich jedoch als nicht von einer ausreichenden Anzahl von – dazu berechtigten – Mitgliedern des Nationalrates eingebracht:

Beim vorliegenden Verfahren nach Art138b Abs1 Z2 B VG handelt es sich um ein Verfahren, in dem sich die Einsetzungsminderheit (vgl §1 Abs2 VO UA) und die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss gegenüberstehen (vgl §56d Abs5 VfGG). Nach den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen ist der grundsätzliche Beweisbeschluss des COFAG Untersuchungsausschusses mit Stimmenmehrheit "(dafür: V, S, F, G, dagegen: N)" gefasst worden (vgl AB 2403 BlgNR 27. GP, 2). Der Verfassungsgerichtshof legt seiner Entscheidung bei Zusammenschau des Ausschussberichtes, des vorliegenden Antrages und der Präsenzliste der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses vom 14. Dezember 2023 mangels gegenteiliger Hinweise in den vorgelegten Unterlagen die Annahme zugrunde, dass insgesamt sechs Mitglieder des Nationalrates (nämlich die Abgeordneten Fürst, Hafenecker, Kassegger, Krainer, Kucharowits und Kucher), die im vorliegenden Verfahren als Antragsteller auftreten, für diesen Beschluss gestimmt haben. Daraus folgt, dass diese sechs Einschreiter mit dem vorliegenden Antrag den hinreichenden Umfang eines von ihnen (mit )gefassten grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates überprüfen lassen wollen (und diesbezüglich auch einen Begründungsmangel relevieren). Dafür fehlt ihnen jedoch die Legitimation (vgl VfGH 2.12.2022, UA95/2022, zu einem Verfahren nach Art138b Abs1 Z3 B VG).

Die übrigen 40 Antragsteller verkörpern wiederum weniger als ein (das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, unterstützendes) Viertel der 183 (vgl §1 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1992) Mitglieder des Nationalrates.

Der Antrag ist daher mangels Einbringung durch eine ausreichende Anzahl von – antragslegitimierten – Mitgliedern des Nationalrates zurückzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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