E883/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.
II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Begründung
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK und im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Bundesverwaltungsgericht zu Recht davon ausgeht, dass das Verfahren nach §38b ORF Gesetz ein selbstständiges, amtswegiges Rechtsaufsichtsverfahren darstellt, das nicht zwingend die Feststellung einer Rechtsverletzung durch den ORF in einem Verwaltungsstrafverfahren nach §38 ORF Gesetz oder einem Verfahren nach §2 Abs1 Z7 KOG voraussetzt (vgl aber auch VwGH 5.9.2018, Ra 2018/03/0030), insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Verfassungswidrigkeit des Fehlens einer Verjährungsfrist für den in §38b ORF Gesetz geregelten Abschöpfungsanspruch behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Art6 EMRK für bestimmte Konstellationen die gesetzliche Festlegung einer Verjährungsfrist erfordert (vgl für den Fall einer disziplinarrechtlichen Sanktion der Beendigung des Dienstverhältnisses EGMR 9.1.2013, 21.722/11, Oleksandr Volkov, Z137, 139), begegnet es im Hinblick auf die Bedeutung der Einhaltung der Vorschriften des 3. Abschnittes des ORF Gesetzes durch den öffentlich rechtlichen Rundfunkveranstalter ORF für einen fairen Wettbewerb keinen diesbezüglichen Bedenken, wenn für den Abschöpfungsanspruch gemäß §38b ORF Gesetz keine Frist für seine Geltendmachung und Durchsetzung bestehen sollte.
Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG; zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).