JudikaturVfGH

V4/2023 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. November 2023

Spruch

I. 1. Der Bebauungsplan "B13 Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 17. Juni 2020, kundgemacht an der Amtstafel der Gemeinde Tösens vom 25. Juni 2020 bis zum 9. Juli 2020, wird, soweit er sich auf das Grundstück Nr 1521, KG Tösens, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Die Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 22. Jänner 2020, Planungsnr. 629-2019-00003, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. März 2020, elektronisch kundgemacht am 28. März 2020, wird, soweit sie sich auf das Grundstück Nr 1521, KG Tösens, bezieht, nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E250/2022 eine auf Art144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Tösens vom 3. Dezember 2020 wurde der mitbeteiligten Partei des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol die baubehördliche Bewilligung für den Neubau einer Gewerbehalle mit Büro, Ausstellungs- und Lagerräumen sowie integrierten und angebauten Garagen auf dem neu zu bildenden Grundstück Nr 1521, KG Tösens, welches als "eingeschränktes Gewerbe- und Industriegebiet" gewidmet ist, erteilt.

1.2. Die dagegen erhobene Beschwerde der im Anlassverfahren beschwerdeführenden Partei wies der Bürgermeister der Gemeinde Tösens mit Beschwerdevorentscheidung vom 10. Mai 2021 als unbegründet ab.

1.3. Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol den gegen die Beschwerdevorentscheidung erhobenen Vorlageantrag als unbegründet ab. Begründend führt das Landesverwaltungsgericht Tirol aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des mangelhaften Ermittlungsverfahrens zur Erlassung der anzuwendenden Verordnungen keine Deckung in §33 Abs3 TBO 2018 finde, der die subjektiven Nachbarrechte normiere. Im aufsichtsbehördlichen Genehmigungsverfahren seien weiters keine erheblichen Mängel der raumordnungsrechtlichen Vorgänge festgestellt worden. Konkrete Einwendungen zu §31b Abs2 TROG 2016 seien ebenso wenig erstattet worden.

2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 22. Jänner 2020, Planungsnr. 629 2019 00003, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. März 2020, sowie des Bebauungsplanes "B13 Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 17. Juni 2020, kundgemacht an der Amtstafel der Gemeinde Tösens vom 25. Juni 2020 bis zum 9. Juli 2020, jeweils soweit sie sich auf das Grundstück Nr 1521, KG Tösens, beziehen, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 29. November 2022 beschlossen, diese Verordnungsbestimmungen von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen. Klarstellend wird angemerkt, dass im Spruchpunkt I. des Prüfungsbeschlusses das Datum des Beschlusses der Änderung des Flächenwidmungsplanes 22. Jänner 2020 zu lauten hat.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hat der Erstellung und der Änderung eines Flächenwidmungsplanes (vgl zB VfSlg 17.571/2005, 20.030/2015 und 20.319/2019) oder eines Bebauungsplanes (vgl zB VfSlg 19.007/2010, 19.980/2015) eine ordnungsgemäße Grundlagenforschung sowie eine Interessenabwägung voranzugehen. Die Durchführung einer Grundlagenforschung ist jedenfalls – unabhängig davon, ob sie vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen ist oder nicht – unabdingbar (vgl etwa VfSlg 15.011/1997, 19.760/2013, 19.890/2014). Die für eine Änderung des Flächenwidmungs- bzw Bebauungsplanes herangezogenen Entscheidungsgrundlagen müssen zudem erkennbar im Verordnungsakt dokumentiert und nachvollziehbar sein (vgl ua VfSlg 14.537/1996, 14.780/1997, 15.853/2000, 18.640/2008 und 19.083/2010).

3.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt vor diesem Hintergrund gegen den Flächenwidmungsplan 'Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken' das Bedenken, dass der Verordnungsgeber im Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes allfällige Ermittlungsschritte, wie die Durchführung einer Grundlagenforschung oder einer Interessenabwägung, nicht gesetzt und ausreichend dokumentiert hat. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Unterlagen ist nicht ersichtlich, ob die herangezogenen Entscheidungsgrundlagen erkennbar im Verordnungsakt dokumentiert sind.

Dem Verfassungsgerichtshof liegen lediglich vereinzelte Auszüge aus Verordnungsentwürfen, Niederschriften über Sitzungen des Gemeinderates sowie Einsprüche und dazu ergangene Stellungnahmen von Sachverständigen vor. Zwar ergibt sich aus dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. März 2020, Z RO Bau 2 629/10002, mit dem die aufsichtsbehördliche Genehmigung für den Flächenwidmungsplan 'Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken' erteilt wurde, dass vor Erlassung der Verordnungen offenbar Gutachten eingeholt und Verfahrensschritte gesetzt wurden. Diese sind den übermittelten Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen.

Der Verfassungsgerichtshof kann sohin vorläufig nicht erkennen, nach welchen – sachlichen, im Rahmen der Grundlagenforschung abgesicherten – Kriterien die Widmung des Grundstückes Nr 1521, KG Tösens, erfolgt ist.

Darüber hinaus ergeben sich aus den vorgelegten Akten keine Hinweise auf eine ordnungsgemäße Kundmachung des Flächenwidmungsplanes 'Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken'. Der Verfassungsgerichtshof hegt daher vorläufig das weitere Bedenken, dass der Flächenwidmungsplan 'Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken' nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

3.3. Nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes bestehen auch Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des Bebauungsplanes 'B13 Gewerbegebiet Steinbrücken'. Anhand der Aktenlage ist nicht ersichtlich, ob der Verordnungsgeber sowohl eine Grundlagenforschung durchgeführt als auch eine Interessenabwägung vorgenommen hat. Auch eine Dokumentation im Verordnungsakt ist nicht erkennbar.

4. Der Verfassungsgerichtshof geht aus diesen Gründen vorläufig davon aus, dass die verordnungserlassende Behörde bei beiden in Prüfung gezogenen Verordnungen weder die erforderliche Grundlagenforschung noch eine Interessenabwägung in ausreichendem Maße durchgeführt hat. Auch erscheint es zweifelhaft, ob die herangezogenen Entscheidungsgrundlagen erkennbar im Verordnungsakt dokumentiert und nachvollziehbar sind. Der Verfassungsgerichtshof kann sohin vorläufig nicht feststellen, ob ein dem Gesetz entsprechendes, ordnungsgemäßes Verfahren zur Erlassung der jeweiligen Verordnungen geführt wurde."

4. Die Tiroler Landesregierung hat die Akten der aufsichtsbehördlichen Verfahren vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie zusammengefasst ausführt, dass sie den Bebauungsplan gemäß §122 Tiroler Gemeindeordnung 2001 geprüft habe und sich hiebei weder in raumordnungsfachlicher noch raumordnungsrechtlicher Sicht formelle oder inhaltliche Einwände ergeben hätten.

Die Vorlage der Unterlagen zum Bebauungsplan müsse in erster Linie durch die Gemeinde Tösens erfolgen, weil sämtliche Verfahrensunterlagen dieser nach Abschluss des Verordnungsprüfungsverfahrens retourniert worden seien.

Die Änderung des Flächenwidmungsplanes sei ordnungsgemäß im elektronischen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Tösens kundgemacht worden. Aus den ordnungsgemäß im Akt dokumentierten Unterlagen ergebe sich, dass sämtliche erforderlichen Entscheidungsgrundlagen eingeholt worden seien. Der Verordnungsgeber habe sowohl im Erläuterungsbericht als auch im Rahmen der Behandlung der eingelangten Stellungnahmen eine umfassende Grundlagenforschung sowie Interessenabwägung durchgeführt. Der Auflage- und Erlassungsbeschluss sei entsprechend den Bestimmungen des vormaligen Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 gefasst und die Auflage ordnungsgemäß kundgemacht worden. Im Rahmen des Auflageverfahrens seien drei Stellungnahmen eingebracht worden, welche durch den örtlichen Raumplaner aus fachlicher Sicht beurteilt worden seien. Anschließend habe der Gemeinderat der Gemeinde Tösens diese Stellungnahmen in der Gemeinderatssitzung vom 22. Jänner 2020 ordnungsgemäß behandelt. Die Ziele der örtlichen Raumordnung und des örtlichen Raumordnungskonzeptes seien auf Basis einer umfassenden, gutachterlich abgesicherten Grundlagenforschung geprüft und abgewogen worden. Auf Grund der Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit der Unterlagen sowie nach Prüfung der fachlichen Voraussetzungen und der Verfahrensunterlagen sei die aufsichtsbehördliche Genehmigung erteilt worden.

5. Die im Anlassfall beschwerdeführende Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie im Wesentlichen vorbringt, es sei hinsichtlich beider Verordnungen weder eine Grundlagenforschung noch eine Interessenabwägung durchgeführt worden, sowie Mängel des Planungsverfahrens geltend macht.

6. Die verordnungserlassende Behörde hat keine Akten betreffend das Zustandekommen der in Prüfung gezogenen Verordnungen vorgelegt und keine Äußerung erstattet.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, LGBl 101/2016, idF LGBl 122/2019 lauten − auszugsweise und ohne die Hervorhebungen im Original − wie folgt:

"§27

Aufgaben und Ziele der örtlichen Raumordnung

(1) Die örtliche Raumordnung dient der geordneten räumlichen Entwicklung der Gemeinde. Sie hat im Einklang mit den Raumordnungsprogrammen und, soweit solche nicht bestehen, unter Bedachtnahme auf die Ziele und Grundsätze der überörtlichen Raumordnung zu erfolgen. Weiters ist auf die örtlichen Raumordnungsinteressen der Nachbargemeinden, insbesondere im Bereich der gemeinsamen Grenzen, Bedacht zu nehmen.

(2) Ziele der örtlichen Raumordnung sind insbesondere:

a) die Erhaltung und Entwicklung des Siedlungsraumes und die Verhinderung der Zersiedelung durch die bestmögliche Anordnung und Gliederung der Bebauung, insbesondere des Baulandes im Hinblick auf die Erfordernisse des Schutzes des Landschaftsbildes, der Sicherung vor Naturgefahren, der verkehrsmäßigen Erschließung, insbesondere auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln, der Erschließung mit Einrichtungen zur Wasser-, Löschwasser- und Energieversorgung, zur Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung sowie der Schaffung sonstiger infrastruktureller Einrichtungen, wie Kindergärten, Schulen und dergleichen,

b) die Ausweisung ausreichender Flächen zur Befriedigung des dauernden Wohnbedarfes der Bevölkerung zu leistbaren Bedingungen und für die Erhaltung und Weiterentwicklung der Wirtschaft entsprechend dem bei einer zweckmäßigen und Boden sparenden Bebauung im jeweiligen Planungszeitraum (§31a) gegebenen Bedarf,

c) die weitestmögliche Vermeidung von Nutzungskonflikten und wechselseitigen Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Standorte von Seveso Betrieben und die für die Ansiedlung oder Erweiterung solcher Betriebe vorgesehenen Standorte,

d)–g) […]

h) die Erhaltung zusammenhängender landwirtschaftlich nutzbarer Gebiete, insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Bodenbonität,

i)–o) […]"

"§29

Planungsinstrumente

(1) Jede Gemeinde hat durch Verordnung ein örtliches Raumordnungskonzept, einen Flächenwidmungsplan sowie nach Maßgabe des §54 Bebauungspläne zu erlassen. Die Stadt Innsbruck kann das örtliche Raumordnungskonzept auch in Form von Teilkonzepten für einzelne Stadtteile und den Flächenwidmungsplan in Form von Teilplänen für größere funktional zusammenhängende Gebiete erlassen.

(2) Das örtliche Raumordnungskonzept besteht aus textlichen Festlegungen sowie aus Karten und Plänen samt Planzeichenerläuterung. Der Flächenwidmungsplan und die Bebauungspläne bestehen aus Plänen samt Planzeichenerläuterung und aus ergänzenden textlichen Festlegungen. Dem örtlichen Raumordnungskonzept, dem Flächenwidmungsplan und den Bebauungsplänen sind Erläuterungen anzuschließen, die eine zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen zu enthalten haben.

(3)–(4) […]"

"§36

Änderung

(1) […]

(2) Der Flächenwidmungsplan darf geändert werden, wenn die Änderung

a) den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widerspricht und ein Bedarf an der widmungsgemäßen Verwendung der betreffenden Grundflächen besteht, insbesondere zum Zweck der Befriedigung des Wohnbedarfes oder für Zwecke der Wirtschaft,

b) einer den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept entsprechenden Abrundung von Widmungsbereichen dient,

c) eine Festlegung nach §13 Abs3 zweiter und dritter Satz zum Inhalt hat.

(3) […]"

"§54

Bebauungspläne

(1) In den Bebauungsplänen sind unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung des Baulandes, von Sonderflächen und von Vorbehaltsflächen festzulegen. Die Bebauungspläne mit Ausnahme der ergänzenden Bebauungspläne (Abs9) sind möglichst für größere funktional zusammenhängende Gebiete zu erlassen.

(2) Bebauungspläne sind für die nach §31b Abs1 erster Satz im örtlichen Raumordnungskonzept festgelegten Gebiete und Grundflächen zu erlassen, sobald

a) diese Gebiete bzw Grundflächen als Bauland, als Sonderflächen oder als Vorbehaltsflächen gewidmet sind und

b) die Gemeinde finanziell in der Lage ist, die verkehrsmäßige Erschließung und die Erschließung dieser Gebiete bzw Grundflächen mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung vorzunehmen.

(3)–(9) […]"

"§63

Verfahren zur Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes,

Information der Gemeindebewohner, Umweltprüfung

(1)–(3) […]

(4) Der Entwurf über die Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes ist in einem mit der Beteiligung der Öffentlichkeit am Umweltprüfungsverfahren nach §6 des Tiroler Umweltprüfungsgesetzes aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderates zur allgemeinen Einsicht im Gemeindeamt während sechs Wochen aufzulegen. Die Auflegung ist während der gesamten Auflegungsfrist an der Amtstafel der Gemeinde kundzumachen und weiters auf der Internetseite der Gemeinde bekannt zu machen. Die Kundmachung und die Bekanntmachung haben die Auflegungsfrist und den Hinweis zu enthalten, dass es neben der Öffentlichkeit im Sinn der §§3 Abs3 und 6 Abs3 des Tiroler Umweltprüfungsgesetzes jedenfalls Personen, die in der Gemeinde ihren Hauptwohnsitz haben, und Rechtsträgern, die in der Gemeinde eine Liegenschaft oder einen Betrieb besitzen, das Recht zusteht, bis spätestens eine Woche nach dem Ablauf der Auflegungsfrist eine schriftliche Stellungnahme zum Entwurf abzugeben.

(5)–(8) […]

(9) Der Bürgermeister hat nach dem Abschluss des Verfahrens nach den Abs4 bis 8 den Entwurf zusammen mit den eingelangten Stellungnahmen und den maßgebenden Entscheidungsgrundlagen dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen."

"§68

Änderung von Flächenwidmungsplänen; Verfahren, Umweltprüfung,

aufsichtsbehördliche Genehmigung

(1)–(2) […]

(3) Im Übrigen gilt für das Verfahren zur Änderung des Flächenwidmungsplanes §63 Abs3 bis 9 sinngemäß mit der Maßgabe, dass

a) der Entwurf über die Änderung des Flächenwidmungsplanes in Form eines Ausdruckes der digitalen Daten aufzulegen ist,

b) die Eigentümer der vom Entwurf umfassten Grundstücke von der Auflegung nach §63 Abs4 schriftlich zu verständigen sind; dabei kann die Verständigung von Grundeigentümern, deren Aufenthalt nicht oder nur schwer feststellbar ist, unterbleiben; bei Wohnungsanlagen, für die ein gemeinsamer Verwalter bestellt ist, kann die Verständigung an diesen erfolgen; in der Verständigung ist auf die Auflegungs- und Stellungnahmefrist hinzuweisen; Mängel bei der Verständigung der Grundeigentümer berühren die Rechtmäßigkeit des Verfahrens nicht;

c) die Frist für die Auflegung des Entwurfes abweichend von §63 Abs4 erster Satz vier Wochen zu betragen hat,

d) der Gemeinderat anlässlich der im §63 Abs4 erster Satz vorgesehenen Beschlussfassung über die Auflegung des Entwurfes gleichzeitig den Beschluss über die dem Entwurf entsprechende Änderung fassen kann, wobei dieser Beschluss nur rechtswirksam wird, wenn innerhalb der Auflegungs- und Stellungnahmefrist keine Stellungnahme zum Entwurf von einer hierzu berechtigten Person oder Stelle abgegeben wurde,

e) die im §63 Abs5 vorgesehene Verständigung der Nachbargemeinden unterbleiben kann, wenn die Änderung nicht Grundflächen im Bereich der Gemeindegrenzen betrifft und auch sonst die örtlichen Raumordnungsinteressen von Nachbargemeinden nicht berührt werden.

Die Abweichungen nach den litc, d und e gelten nicht im Fall der Durchführung einer Umweltprüfung.

(4)–(9) […]"

"§70

Elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes

(1) Die elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes obliegt der Gemeinde. Diese hat derart zu erfolgen, dass

a) der Flächenwidmungsplan in der von der jeweiligen Gemeinde bestätigend elektronisch kundgemachten Fassung (§113), im Fall der Stadt Innsbruck in der erstmalig elektronisch kundgemachten Fassung (§118),

b) die in weiterer Folge erfolgten Änderungen des Flächenwidmungsplanes sowie

c) die in weiterer Folge kundzumachenden sonstigen nach diesem Gesetz vorgesehenen Inhalte des Flächenwidmungsplanes, darunter insbesondere Ersichtlichmachungen,

im elektronischen Flächenwidmungsplan dauerhaft zur Abfrage bereitgehalten werden. Die Daten sind derart bereitzuhalten, dass die elektronische Kundmachung des Flächenwidmungsplanes nach Grundstücken abgefragt werden kann.

(2) […]

(3) Wird der Flächenwidmungsplan geändert (Abs1 litb), so hat die elektronische Kundmachung eine planliche Darstellung des jeweiligen Änderungsbereiches mit den gegenüber dem bisherigen Flächenwidmungsplan vorgenommenen Änderungen und weiters folgende Daten zu enthalten:

a) außer in Fällen des §68 Abs4 das Datum der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Auflegung(en) des Entwurfes der Änderung des Flächenwidmungsplanes und des Beginns und des Endens dieser Auflegung(en),

b) das Datum der Beschlussfassung des Gemeinderates über die Änderung des Flächenwidmungsplanes,

c) das Datum und die Geschäftszahl der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bzw der aufsichtsbehördlichen Prüfung,

d) den Tag der Freigabe zur Abfrage.

Die der Änderung des Flächenwidmungsplanes zugrunde liegenden Daten sind vom Bürgermeister zur Abfrage freizugeben; die Freigabe hat unverzüglich, nachdem die betreffenden Daten im elektronischen Flächenwidmungsplan bereit stehen, zu erfolgen. Änderungen des Flächenwidmungsplanes treten mit dem Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage in Kraft.

(4)–(7) […]"

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" und des Bebauungsplanes "B13 Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, jeweils soweit sich diese Verordnungen auf das Grundstück Nr 1521, KG Tösens, beziehen, zweifeln ließe.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hegte in seinem Prüfungsbeschluss die Bedenken, dass die verordnungserlassende Behörde bei den beiden in Prüfung gezogenen Verordnungen keine Grundlagenforschung und Interessenabwägung in ausreichendem Maße durchgeführt und die herangezogenen Entscheidungsgrundlagen nicht erkennbar und nachvollziehbar im Verordnungsakt dokumentiert hat. Hinsichtlich der Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" hegte der Verfassungsgerichtshof weiters das Bedenken, dass dieser nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde.

2.2. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich der Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" konnten im Verordnungsprüfungsverfahren auf Grund der von der Tiroler Landesregierung vorgelegten Unterlagen zerstreut werden:

2.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt den Vorschriften des Raumplanungsrechtes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen für rechtsverbindliche Planungen besondere Bedeutung zu (vgl zB VfSlg 8280/1978; VfGH 15.3.2023, V300/2021 ua). Der Verfassungsgerichtshof hat in einem Verfahren gemäß Art139 B VG zu prüfen, ob der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise eingehalten hat. Insbesondere zur Durchsetzung der im §27 TROG 2016 angeführten Raumplanungsziele ist die Durchführung einer Grundlagenforschung – unabhängig davon, ob sie vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen ist oder nicht – unabdingbar (vgl auch VfSlg 15.011/1997, 19.126/2010, 19.760/2013, 19.890/2014 uva.). Die Grundlagenforschung hat im Allgemeinen aus Überlegungen zu bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung bilden und als solche auch erkennbar und nachvollziehbar sind (zB VfSlg 14.537/1996, 19.075/2010).

2.2.2. Die Änderung des in Rede stehenden Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" wird mit dem "langjährigen Bestreben" der Gemeinde Tösens betreffend die Entwicklung eines Gewerbegebietes und eines Gemeindebauhofes im von der Umwidmung betroffenen Bereich begründet. Ihr liegt, wie die von der Tiroler Landesregierung vorgelegten Unterlagen zeigen, eine im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinreichende Grundlagenforschung und Interessenabwägung zugrunde. Die Entscheidungsgrundlagen gehen insbesondere aus einem von der verordnungserlassenden Behörde eingeholten ortsplanerischen Gutachten hervor. Darin werden die bestehenden raumordnungsrechtlichen Festlegungen sowie die Voraussetzungen für die Änderung des Flächenwidmungsplanes dargelegt. Im Gutachten findet sich außerdem eine hinreichende Beschreibung sowie Beurteilung der Flächenwidmungsplanänderung. Die Behörde hat zudem eine landschaftspflegerische Begleitplanung und eine naturkundefachliche Stellungnahme eingeholt.

Zur Interessenabwägung wird festgehalten, dass zur Vermeidung von Nutzungskonflikten mit umliegenden Nutzungen bzw zur Vermeidung der Ansiedlung von flächenintensiven Betrieben mit verhältnismäßig wenigen Arbeitsplätzen eine entsprechende Einschränkung der Betriebsarten vorgesehen sei. Unter Ausschluss von Betrieben, die die Flächen zur Gänze oder überwiegend für Lagerzwecke nutzen, Betriebe der Asphalt-, Beton-, Schotterproduktion bzw Schotterverarbeitung und Schotterlagerung, Betriebe für Abfallverarbeitung und Abfalllagerung sowie Abfall- und Wertstoffdeponien sei die Entstehung von Nutzungskonflikten mit umliegenden Nutzungen (vorwiegend Landwirtschaft) nicht zu erwarten und werde gleichzeitig eine den hohen Standortqualitäten entsprechende Nutzung sichergestellt. Die großflächige Inanspruchnahme von derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen werde als vertretbar erachtet. Verwiesen wird im Gutachten des Ortsplaners auch auf die im Zuge der 1. Fortschreibung des örtlichen Raumordnungskonzeptes und der Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes durchgeführte Abwägung. Nach dem ortsplanerischen Gutachten zur Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes hat eine Auseinandersetzung mit den Interessen, die für eine Umwidmung als Gewerbegebiet notwendig sind, stattgefunden.

Die verordnungserlassende Behörde hat vor der Beschlussfassung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes weiters ein Gutachten der Wildbach- und Lawinenverbauung, Forsttechnischer Dienst, eingeholt. Darin wird der von der "Gelben Gefahrenzone" betroffene Bereich des Planungsgebietes für die vorgesehene Nutzung als geeignet bewertet. Aus der ferner im Akt erliegenden Stellungnahme des Bezirksbauamtes Imst, Straßenbau, ergibt sich, dass bei Einhaltung der darin genannten Voraussetzungen (etwa Einholung von Zustimmungserklärungen nach dem Tiroler Straßengesetz) und der Bestimmungen der Tiroler Bauordnung gegen die Umwidmung kein Einwand bestehe.

2.2.3. In der Sitzung des Gemeinderates der Gemeinde Tösens am 2. Dezember 2019 wurde die Auflage des Entwurfes der Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" zur allgemeinen Einsicht beschlossen und gleichzeitig ein Beschluss über die Erlassung der Änderung des Flächenwidmungsplanes mit der Bedingung gefasst, dass dieser nur rechtswirksam werde, wenn innerhalb der Auflegungs- und Stellungnahmefrist keine Stellungnahme abgegeben werde. Die Auflage erfolgte vom 5. Dezember 2019 bis einschließlich 2. Jänner 2020. Innerhalb dieser Frist langten drei Stellungnahmen ein.

2.2.4. Nach Einlangen der Stellungnahmen wurde von der verordnungserlassenden Behörde eine raumplanungsfachliche Beurteilung eingeholt, die sich mit den Stellungnahmen auseinandersetzt und diesen entgegentritt. Die Einwände seien aus raumplanungsfachlichen Gesichtspunkten nicht schlüssig und teilweise für die Festlegungen im Flächenwidmungsplan nicht relevant. Es werde daher empfohlen, die Änderung des Flächenwidmungsplanes zu beschließen.

2.2.5. In der Folge hat der Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 22. Jänner 2020 nach Auseinandersetzung mit den Einwänden und unter Berücksichtigung der raumplanungsfachlichen Stellungnahme die Änderung des Flächenwidmungsplanes beschlossen.

2.2.6. Mit Bescheid vom 27. März 2020, RO Bau-2-629/10002, genehmigte die Tiroler Landesregierung als Aufsichtsbehörde mit näherer Begründung die Änderung des Flächenwidmungsplanes.

2.2.7. Daraufhin wurde die Änderung des Flächenwidmungsplanes gemäß §70 Abs3 TROG 2016 am 28. März 2020 elektronisch kundgemacht. Das im Prüfungsbeschluss weiters gehegte Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, die Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gemeindegebiet Steinbrücken" sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, konnte daher ebenfalls zerstreut werden.

2.3. Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich des Bebauungsplanes "B13 Gewerbegebiet Steinbrücken" haben sich hingegen als zutreffend erwiesen:

2.3.1. Gemäß §54 Abs1 TROG 2016 sind in den Bebauungsplänen unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung des Baulandes, von Sonderflächen und von Vorbehaltsflächen festzulegen. Gemäß §29 Abs2 TROG 2016 sind dem Bebauungsplan Erläuterungen anzuschließen, die eine zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Entscheidungsgrundlagen zu enthalten haben.

2.3.2. Der Erlassung eines Bebauungsplanes muss eine hinreichende Grundlagenforschung vorangegangen sein. Die Grundlagenforschung hat im Allgemeinen aus Überlegungen zu bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung bilden und als solche auch erkennbar und nachvollziehbar sind (vgl zB VfSlg 14.537/1996, 19.075/2010).

2.3.3. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Unterlagen lässt sich nicht ableiten, dass vor Erlassung des in Prüfung stehenden Bebauungsplanes eine hinreichende Grundlagenforschung durchgeführt worden wäre (vgl VfSlg 19.007/2010). Die verordnungserlassende Behörde hat im Anlassverfahren bloß einzelne, das Verfahren zur Erlassung des Bebauungsplanes betreffende Unterlagen vorgelegt. Aus diesen geht die gebotene Grundlagenforschung ebenso wenig hinreichend hervor wie aus den von der Tiroler Landesregierung im Verordnungsprüfungsverfahren vorgelegten Unterlagen. Da die verordnungserlassende Behörde selbst im Verordnungsprüfungsverfahren weder eine Äußerung erstattet noch Unterlagen vorgelegt hat, hält der Verfassungsgerichtshof an seinen im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken fest.

IV. Ergebnis

1. Die Änderung des Flächenwidmungsplanes "Umwidmung Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 22. Jänner 2020, Planungsnr. 629 2019 00003, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. März 2020, elektronisch kundgemacht am 28. März 2020, ist, soweit sie sich auf das Grundstück Nr 1521, KG Tösens, bezieht, nicht als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Der Bebauungsplan "B13 Gewerbegebiet Steinbrücken" der Gemeinde Tösens, beschlossen vom Gemeinderat der Gemeinde Tösens am 17. Juni 2020, kundgemacht an der Amtstafel der Gemeinde Tösens vom 25. Juni 2020 bis zum 9. Juli 2020, ist, soweit er sich auf das Grundstück Nr 1521, KG Tösens, bezieht, als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj des Tir Landes-Verlautbarungsgesetzes 2021.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz im Verordnungsprüfungsverfahren (vom – hier nicht gegebenen – Fall des §61a VfGG abgesehen) im VfGG nicht vorgesehen ist.

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