JudikaturVfGH

V252/2022 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
28. November 2023

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg,

"1. die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21.2.2020, Zahl 30205 367/A/651/9 2020, mit der das Ortsgebiet im Bereich des Ortsteils St. Margarethen im Gemeindegebiet von Bad Vigaun kundgemacht wird, als gesetzwidrig aufzuheben;

in eventu: Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21.2.2020, Zahl 30205-367/A/651/9-2020, mit der das Ortsgebiet im Bereich des Ortsteils St. Margarethen im Gemeindegebiet von Bad Vigaun kundgemacht wird, soweit sie sich auf die Ortstafel 'Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen' in der St. Margarethenstraße von Hallein kommend vor den Objekten an der Adresse St. Margarethenstraße 19 und St. Margarethenstraße 10 bezieht, als gesetzwidrig aufzuheben.

Für den Fall, dass die Bezirkshauptmannschaft Hallein den aufgezeigten Mangel bereits behoben haben sollte, wird eventualiter beantragt festzustellen, dass die Verordnung vom 21.2.2020, Zahl 30205 367/A/651/9 2020, eventualiter auch nur im Aufhebungsumfang laut Eventualantrag, gesetzwidrig war.

2. die Verordnung der Ortsgemeinde Bad Vigaun vom 11.3.2020 (ohne Zahl), mit welcher eine Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 30 km/h für die Straßen innerhalb des Ortsgebietes Bad Vigaun im Ortsteil St. Margarethen gemäß einem Übersichtsplan festgelegt wurde, als gesetzwidrig aufzuheben;

in eventu: Die Verordnung der Ortsgemeinde Bad Vigaun vom 11.3.2020 (ohne Zahl), mit welcher eine Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 30 km/h für die Straßen innerhalb des Ortsgebietes Bad Vigaun im Ortsteil St. Margarethen gemäß einem Übersichtsplan festgelegt wurde, soweit sie sich auf die Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 in der St. Margarethenstraße von Hallein kommend vor den Objekten an der Adresse St. Margarethenstraße 19 und St. Margarethenstraße 10 bezieht, als gesetzwidrig aufzuheben.

Für den Fall, dass die Ortsgemeinde Bad Vigaun den aufgezeigten Mangel bereits behoben haben sollte, wird eventualiter beantragt festzustellen, dass die Verordnung vom 11.3.2020 (ohne Zahl), eventualiter auch nur im Aufhebungsumfang laut Eventualantrag, gesetzwidrig war."

II. Rechtslage

1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9-2020, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Gemäß §§43 Abs1 litb Z1 und 94b Abs1 litb Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960), BGBl 159/1960, in der derzeit geltenden Fassung, erlässt die Bezirkshauptmannschaft Hallein für das Gemeindegebiet von Bad Vigaun nachstehende

Verordnung

§1

'Ortstafel' gemäß §53 Z17 a StVO 1960 und 'Ortsende' gemäß §53 Z17 b StVO 1960 im Bereich Ortsteil St. Margarethen laut beiliegendem Plan, Plantitel 20190506 3_BVig StMarg_Ortsgebiet, im Gemeindegebiet von Bad Vigaun.

§2

Diese Verordnung ist gemäß §44 StVO 1960 durch Aufstellen der zitierten Straßenverkehrszeichen gemäß StVO 1960 idgF kundzumachen.

Sie tritt mit Anbringung der genannten Verkehrszeichen in Kraft.

§3

Über den Zeitpunkt der Aufstellung der Verkehrszeichen ist die Bezirkshauptmannschaft Hallein schriftlich zu verständigen.

§4

Die Kosten der Anbringung und Erhaltung der Verkehrszeichen sind gemäß §32 StVO 1960 vom Straßenerhalter zu tragen.

Für den Bezirkshauptmann:

[…]

Ergeht an:

[…]"

2. Die Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Bad Vigaun vom 24. Februar 2020, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Bad Vigaun vom 24. Februar bis 11. März 2020, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"VERORDNUNG

Gemäß §44 Abs3 Sbg Gemeindeordnung 2019 i.d.g.F. und auf Grund des Gemeindevertretungsbeschlusses vom 13.06.2013 erlässt die Gemeinde Bad Vigaun nachstehende Verordnung

'Übertragung von straßenpolizeilichen Kompetenzen des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde an den Bürgermeister'

Diese Verordnung liegt im Gemeindeamt während der Amtsstunden zur Einsichtnahme auf.

Diese Verordnung tritt mit 10.03.2020 in Kraft.

[…]

Für die Gemeindevertretung

Der Bürgermeister: […]"

3. Die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März 2020, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März bis 1. April 2020, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Verordnung

des Bürgermeisters

im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde

Hiermit wird verordnet:

Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 30 km/h für die Straßen innerhalb des Ortsgebietes Bad Vigaun im Ortsteil St. Margarethen

gemäß Übersichtsplan Anlage 1, welcher einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung darstellt:

Kundmachung mittels Verkehrszeichen gem. §52 lita Z10a und Z10b StVO '30' auf sämtlichen Verkehrszeichen 'Ortstafel Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen' und 'Ortsende Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen'

Inkrafttreten: Tag der Kundmachung

Rechtsgrundlage:

- §20 Abs2a Staßenverkehrsordnung 1960 – StVO

- Übertragungsverordnung auf den Bürgermeister vom 24.02.2020

Der Bürgermeister: […]

Anlage:

1 Übersichtsplan '20190506-3_Bvig-StMarg_Tempo30'

Verteiler:

[…]"

4. Die für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungen anzuwendenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"§20. Fahrgeschwindigkeit.

(1) Der Lenker eines Fahrzeuges hat die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, daß er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, daß er den übrigen Verkehr behindert.

(2) Sofern die Behörde nicht gemäß §43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

(2a) Die Behörde kann, abgesehen von den in §43 geregelten Fällen, durch Verordnung für ein gesamtes Ortsgebiet eine geringere als die nach Abs2 zulässige Höchstgeschwindigkeit festlegen, sofern dies auf Grund der örtlichen oder verkehrsmäßigen Gegebenheiten nach dem Stand der Wissenschaft zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe und zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen geeignet erscheint. Sofern dadurch der beabsichtigte Zweck der Verordnung nicht gefährdet wird, sind einzelne Straßen, Straßenabschnitte oder Straßenarten vom Geltungsbereich der Verordnung auszunehmen.

(3)–(4) […]

[…]

§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. […]

c)–d) […].

(1a)–(11) […]

§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(1a)–(3) […]

(4) Verordnungen, die sich durch ein Vorschriftszeichen ausdrücken lassen und für ein ganzes Ortsgebiet oder für Straßen mit bestimmten Merkmalen innerhalb eines Ortsgebietes gelten, werden mit den entsprechenden Vorschriftszeichen und der etwa erforderlichen Zusatztafel in unmittelbarer Verbindung mit dem Hinweiszeichen 'Ortstafel' gehörig kundgemacht. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung dieser Zeichen ist in einem Aktenvermerk (§16 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl Nr 51/1991) festzuhalten. Solche Verordnungen sind im Ortsgebiet überdies ortsüblich zu verlautbaren.

(5) […]

[…]

§52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

b) Gebotszeichen oder

c) Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

1.–9d. […]

10a. 'GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG (ERLAUBTE HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT)'

[Zeichen]

Dieses Zeichen zeigt an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Ob und in welcher Entfernung es vor schienengleichen Eisenbahnübergängen anzubringen ist, ergibt sich aus den eisenbahnrechtlichen Vorschriften.

10b. 'ENDE DER GESCHWINDIGKEITSBESCHRÄNKUNG'

[Zeichen]

Dieses Zeichen zeigt das Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung an. Es ist nach jedem Zeichen gemäß Z10a anzubringen und kann auch auf der Rückseite des für die Gegenrichtung geltenden Zeichens angebracht werden. Es kann entfallen, wenn am Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung eine neue Geschwindigkeitsbeschränkung, sei es auch nicht aufgrund dieses Bundesgesetzes, beginnt.

11.–14b. […]

b) Gebotszeichen.

15.–22a. […]

c) Vorrangzeichen

23.–25b. […]

§53. Die Hinweiszeichen

(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:

1a.–16c. […]

17a. 'ORTSTAFEL'

[Zeichen]

Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist.

Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit der weißen Aufschrift 'Erholungsdorf' - bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen - oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen.

17b. 'ORTSENDE'

[Zeichen]

Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens 'Ortstafel' anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden.

18.–29. […]

(2) […].

[…]

§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde

(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde

a) […]

b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,

c)–h) […].

(2) […]

[…]

§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde

Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:

1. die Erlassung von Verordnungen nach §20 Abs2a,

1a.–21. […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 19. April 2022 wurde über den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg wegen einer Übertretung des §52 lita Z10a StVO 1960 gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von € 40,– und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe am 4. Jänner 2022, um 10.38 Uhr, in der Gemeinde Bad Vigaun, Höhe St. Barbarastraße 50 in Fahrtrichtung Kurzentrum, als Lenker eines nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagens die am angeführten Ort, welcher im Ortsgebiet liege, durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h überschritten.

2. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Salzburg den vorliegenden, auf Art139 Abs1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge 1. die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9 2020, zur Gänze, in eventu, soweit sie sich auf die Ortstafel "Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen" in der St. Margarethenstraße von Hallein kommend vor den in der St. Margarethenstraße Nr 10 und Nr 19 befindlichen Objekten bezieht, und 2. die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März 2020 zur Gänze, in eventu soweit sie sich auf die Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h gemäß §52 lita Z10a StVO 1960 in der St. Margarethenstraße von Hallein kommend vor den in der St. Margarethenstraße Nr 10 und Nr 19 befindlichen Objekten bezieht, als gesetzwidrig aufheben.

2.1. Zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungen wird zunächst Folgendes ausgeführt:

"Dem Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg liegt ein Straferkenntnis zugrunde, in welchem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird, am 4.1.2022 um 10:38 Uhr die Geschwindigkeitsbeschränkung im Ortsgebiet der Gemeinde Bad Vigaun an einer näher bezeichneten Örtlichkeit von 30 km/h um 7 km/h (nach Abzug der Messtoleranz) überschritten zu haben.

Mit Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 11.3.2020 (ohne Zahl) wurde — unter anderem — für diesen Bereich eine 'Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) 30 km/h für die Straßen innerhalb des Ortsgebietes Bad Vigaun im Ortsteil St. Margarethen' gemäß Übersichtsplan Anlage 1, welcher einen integrierenden Bestandteil dieser Verordnung darstellt, verordnet.

Die Kundmachung erfolgte mittels Verkehrszeichen gemäß §52 lita Z10a und Z10b StVO '30' auf sämtlichen Verkehrszeichen 'Ortstafel Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen' und 'Ortsende Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen'.

Dieses Ortsgebiet wurde mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21.2.2020, Zahl 30205 367/A/651/9 2020, durch die Verkehrszeichen 'Ortsgebiet' und 'Ortsende' räumlich definiert.

Die für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Verkehrszeichen, welche vom Beschwerdeführer vor der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung passiert wurden, befinden sich aus Richtung Hallein kommend in der St. Margarethenstraße vor den Objekten mit der Adresse St. Margarethenstraße 19 und St. Margarethenstraße 10."

2.2. Die Bedenken gegen die angefochtenen Verordnungen werden dargelegt wie folgt:

"Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgesprochen, dass aus der Verordnung selbst sowie aus allenfalls beigelegten, planlichen Darstellungen oder dergleichen zweifelsfrei zum Ausdruck kommen muss, für welche Bereiche die Anordnungen gelten, sodass sich Normunterworfene danach richten können (vgl VfGH V397/2020).

Der Verordnungsgeber ist verpflichtet, den örtlichen Geltungsbereich einer verkehrsbeschränkenden Maßnahme möglichst genau zu umschreiben (vgl VfGH V67/2018). Den örtlichen Geltungsbereich nur in groben Zügen anzuführen, ist daher unzulässig (vgl VfGH V114/2017).

Aus den in den Verordnungen angeführten Plandarstellungen geht mit hinreichender Deutlichkeit der Aufstellungsort der Verkehrszeichen 'Ortsgebiet' sowie 'Geschwindigkeitsbeschränkung 30 km/h' in der St. Margarethenstraße auf Höhe der Objekte an den Adressen St. Margarethenstraße 19 bzw St. Margarethenstraße 10 hervor.

Gemäß §2 Abs1 Z15 StVO 1960 handelt es sich beim Ortsgebiet um das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen 'Ortstafel' (§53 Z17a) und 'Ortsende' (§53 Z17b). Wesentlich ist dabei, dass es sich um das Straßennetz einer Gemeinde handeln muss. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von §94d StVO 1960 und der verfassungsrechtlichen Grundlage hinsichtlich der Mitwirkung der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich in Angelegenheiten der Straßenpolizei gemäß Art118 Abs2 und 3 B VG.

Die Festlegung einer Beschränkung für ein gesamtes Ortsgebiet wird nur dadurch möglich, dass sie in Verbindung mit den Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Z17a StVO 1960 'Ortstafel' kundgemacht wird, hierzu bedarf es einer das gesamte Ortsgebiet umfassenden Verordnung.

Die Verordnung der Gemeinde Bad Vigaun vom 11.3.2020 regelt eine Geschwindigkeitsbeschränkung für die Straßen innerhalb des Ortsgebietes Bad Vigaun im Ortsteil St. Margarethen, allerdings befindet sich aufgrund der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21.2.2020 ein Teil dieses Ortsgebietes (ca 42 m) im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Hallein.

Bei einer derartigen, die Gemeindegrenzen überschreitenden Festlegung von Ortsgebieten könnte durch Verordnungsakte der Bezirkshauptmannschaft der eigene Wirkungsbereich der jeweils betroffenen Gemeinden im Bereich der Straßenpolizei außer Kraft gesetzt werden und es würden diese jeweils in ihrem verfassungsgesetzlich garantierten eigenen Wirkungsbereich in unzulässiger Weise beschränkt werden. Eine derartige Verordnungsermächtigung findet sich jedoch weder im Gesetz noch wäre eine solche im Einklang mit der dargelegten verfassungsrechtlichen Bestimmung.

Aus diesem Grund erweist sich die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21.2.2020 als rechtswidrig — infolgedessen ist auch die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun mit einem wesentlichen Mangel behaftet."

3. Sowohl der Bürgermeister der Gemeinde Bad Vigaun als auch die Bezirkshauptmannschaft Hallein haben die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnungen vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung jedoch abgesehen.

4. Die Salzburger Landesregierung hat weder eine Äußerung erstattet noch Akten vorgelegt.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).

Aus den vorgelegten Verordnungsakten ist ersichtlich, dass die Kundmachung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9 2020, durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen und die Kundmachung der Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März 2020 durch Aufstellung von Straßenverkehrszeichen sowie durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März bis 1. April 2020 erfolgt ist, sodass sie jeweils mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sind.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Salzburg wird eine Übertretung der für die Straßen innerhalb des Ortsgebietes "Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen" verordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Last gelegt. Es ist daher offenkundig, dass das Landesverwaltungsgericht Salzburg bei seiner Entscheidung sowohl die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9 2020, mit welcher die Aufstellung der Straßenverkehrszeichen gemäß §53 Z17a und 17b StVO 1960 für das Ortsgebiet "Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen" verordnet wird, als auch die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März 2020, mit welcher für die Straßen innerhalb dieses Ortsgebietes eine Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) von 30 km/h verordnet wird, anzuwenden hat und diese daher präjudiziell sind.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag als zulässig, sodass auf den Eventualantrag nicht weiter einzugehen ist.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist nicht begründet.

2.2.1. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg macht geltend, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9 2020, gesetzwidrig sei, weil sich in der Straßenverkehrsordnung 1960 keine gesetzliche Grundlage für die Festlegung von Gemeindegrenzen überschreitenden Ortsgebieten finde. Durch derartige Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft werde der eigene Wirkungsbereich der betroffenen Gemeinden im Bereich der Straßenpolizei außer Kraft gesetzt.

Entgegen dem Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg findet sich die gesetzliche Grundlage für die Festlegung eines Gemeindegrenzen überschreitenden Ortsgebietes in §94b Abs1 litb StVO 1960, wonach die Bezirksverwaltungsbehörde zur Erlassung von Verordnungen zuständig ist, sofern diese nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden sollen und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde ergibt. Das mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9 2020, festgelegte Ortsgebiet "Bad Vigaun Ortsteil St. Margarethen" befindet sich zum – überwiegenden – Teil in der Gemeinde Bad Vigaun, ein Teil dieses Ortsgebietes befindet sich im Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Hallein. Da beide Gemeinden dem politischen Bezirk Hallein angehören, war die Bezirkshauptmannschaft Hallein gemäß §94b Abs1 litb StVO 1960 zur Festlegung des die Gemeindegrenzen überschreitenden Ortsgebietes zuständig.

Das Vorbringen des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg, dass durch derartige Gemeindegrenzen überschreitende Verordnungen der eigene Wirkungsbereich der betroffenen Gemeinden im Bereich der Straßenpolizei außer Kraft gesetzt werde, geht schon deshalb ins Leere, weil die Erlassung von Verordnungen nach §20 Abs2a StVO 1960 gemäß §94d Z1 StVO 1960 – in einer vor dem Hintergrund des Art118 Abs2 und 3 B VG verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Weise – nicht pauschal der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich vorbehalten ist, sondern nur dann, wenn der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden soll.

Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg gegen die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 21. Februar 2020, 30205 367A/651/9 2020, treffen daher nicht zu.

2.3. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die – ausschließlich auf die Gesetzwidrigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Hallein gestützten – Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg gegen die Verordnung des Bürgermeisters der Gemeinde Bad Vigaun vom 11. März 2020 ebenfalls als nicht zutreffend.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise