JudikaturVfGH

G987/2023 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
27. November 2023

Spruch

Die Behandlung des Antrages wird abgelehnt.

Begründung

1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140 Abs1b B VG; vgl VfGH 24.2.2015, G13/2015).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

3. Im (Haupt-)Antrag wird die Verfassungswidrigkeit des §43 Abs3 zweiter Satz JN idF BGBl I 61/2022, des §501, §502 Abs2 und 3 ZPO, einschließlich der Wortfolge "im §29 KSchG genannter" in §502 Abs5 ZPO idF BGBl 61/2022 behauptet. Diese Bestimmungen verstießen gegen Art83 Abs2 B VG, den Gleichheitsgrundsatz und das Rechtsstaatsprinzip. Im Eventualantrag wird die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge "Die Abs2 und 3 gelten nicht" in §502 Abs5 ZPO geltend gemacht.

4. Das Vorbringen im Antrag lässt die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

4.1. Die Jurisdiktionsnorm enthält klare und eindeutige Zuständigkeitsregelungen (vgl insbesondere §§41 ff, §§49 ff und §§65 ff). In §§41 ff JN wird festgelegt, dass die Gerichte ihre Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen haben und im Fall ihrer Unzuständigkeit die Klage zurückzuweisen haben. So ist etwa nach dem ersten Satz des §43 Abs1 JN die Klage von Amts wegen zurückzuweisen, wenn sich das angerufene Gericht für unzuständig erklärt. Sobald jedoch über die Klage die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung bestimmt, die Beantwortung der Klage aufgetragen oder ein bedingter Zahlungsbefehl erlassen worden ist, kann sich das Gericht nach dem zweiten Satz des §43 Abs1 JN unter anderem nur dann für unzuständig erklären, wenn der Beklagte rechtzeitig die Einrede des Fehlens der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit erhebt (Z1). Von dieser Regelung des §43 Abs1 zweiter Satz JN macht §43 Abs3 JN eine Ausnahme. Demnach kann die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit nicht darauf gestützt werden, dass für die Streitsache ein anderer Gerichtshof sachlich zuständig ist, wenn über die Streitsache der Einzelrichter eines Gerichtshofes zu entscheiden hat. Ebenso kann in Streitsachen, die vor ein Bezirksgericht gehören, die Einrede der Unzuständigkeit nicht darauf gestützt werden, dass für die Streitsache ein anderes Bezirksgericht sachlich zuständig ist. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, aus verfahrensökonomischen Gründen in solchen Konstellationen die Einrede der sachlichen Unzuständigkeit auszuschließen. Es ist in diesem Zusammenhang nicht erkennbar, dass die angefochtene Regelung gegen Art83 Abs2 B VG oder den Gleichheitsgrundsatz verstößt (vgl VfGH 4.10.2023, G547/2023, VfGH 4.10.2023, G543/2023; VfGH 4.10.2023, G412/2023; VfGH 18.9.2023, G298/2023; VfGH 18.9.2023, G271/2023; VfGH 18.9.2023, G236/2023; VfGH 18.9.2023, G226/2023; VfGH 18.9.2023, G217/2023; VfGH 18.9.2023, G194/2023; VfGH 18.9.2023, G307/2023).

4.2. Außerdem liegt es grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, Beschränkungen der Anfechtbarkeit von Entscheidungen im Rechtsmittelverfahren und damit einhergehend Beschränkungen der Kognitionsbefugnis der Rechtsmittelgerichte vorzusehen, sofern diese Beschränkungen sachlich gerechtfertigt sind, den Zugang zu Gericht nicht unverhältnismäßig behindern und nicht dem Rechtsstaatsprinzip zuwiderlaufen. Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des §501 ZPO (wonach ein Urteil, bei dem es um einen Streitgegenstand geht, der an Geld oder Geldeswert € 2.700,- nicht übersteigt, nur wegen Nichtigkeit und wegen einer dem Urteil zugrunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache angefochten werden kann) gegen diese verfassungsrechtlichen Vorgaben verstößt: Zum einen sieht §501 ZPO keinen generellen Ausschluss der Anfechtbarkeit vor, sondern beschränkt die Anfechtbarkeit nur auf bestimmte Gründe, zum anderen erscheint die Streitwertgrenze von € 2.700,- als angemessen für die Anwendung dieser Beschränkung.

4.3. Die in dem zu VfGH 26.11.2015, G430/2015, protokollierten Verfahren ergangenen verfassungsgerichtlichen Erwägungen sind auf Grund des engen sachlichen Zusammenhanges der verfahrensrechtlichen Bestimmungen auf die behauptete Verfassungswidrigkeit des §502 ZPO zu übertragen. Es ist demnach nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit den Regelungen des §502 Abs2 ZPO, §502 Abs3 ZPO und der angefochtenen Wortfolge in §502 Abs5 ZPO (wonach vorbehaltlich des §502 Abs5 ZPO gegen ein Urteil des Berufungsgerichts die Revision unzulässig ist, wenn der Streitgegenstand € 5.000,– nicht übersteigt oder € 30.000,– nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt hat) gegen die unter Punkt 4.2. genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben verstößt, zumal auch diese Bestimmungen keinen generellen Ausschluss der Anfechtbarkeit vorsehen, sondern auf bestimmte Gründe beschränken und die Streitwertgrenzen von € 5.000,– bzw € 30.000,–  ebenfalls als angemessen erscheinen.

4.4. Es entspricht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, dass auf den Eventualantrag nicht mehr einzugehen ist, sofern sich der (Haupt )Antrag als zulässig erweist (VfSlg 19.411/2011, 20.029/2015, 20.168/2017).

5. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des – nicht auf das Vorliegen sämtlicher Prozessvoraussetzungen hin geprüften – Antrages abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

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