JudikaturVfGH

G763/2023 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
27. November 2023

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit vorliegendem, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag, begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. gemäß Art140 Abs3 iVm §64 Abs1 VfGG als verfassungswidrig aufheben: folgender Passagen der Bestimmung des §11 Schulpflichtgesetz BGBl Nr 76/1985 idF BGBl I Nr 37/2023, die in einem inneren Zusammenhang stehen (in eventu jeweils)

1.1. in §11 Abs4 leg cit im 1. Satz die Wortfolge 'zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres'

1.2. §11 Abs6 Z1, das ist die Wortfolge 'wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben ist, oder';

1.3. §11 Abs6 Z5 leg cit, das ist die Wortfolge 'Umstände hervortreten, aufgrund welcher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs2 dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist, oder,';

in eventu

1.3.1. in §11 Abs6 Z6 leg cit zusätzlich der letzte Satz 'Treten Umstände hervor, die eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, so sind, wenn nicht gemäß §78 der Strafprozessordnung 1975, BGBl Nr 631/1975 vorzugehen ist, die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren.';

2.1. §11 Abs4 2. Satz leg cit, das ist die Wortfolge 'Bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs2 hat ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien stattzufinden, wobei ein Rechtfertigungsgrund gemäß §9 Abs3 diese Frist hemmt.'

2.2. in §11 Abs4 leg cit 3. Satz, Z1 und 2. 'Das Reflexionsgespräch ist

1. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der Vorschulstufe oder der 1. bis 8. Schulstufe teilnehmen, an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, oder, wenn gemäß Abs3 Z2 litd der Lehrplan einer allgemeinbildenden höheren Schule angegeben wurde, an einer Schule dieser Schulart, und

2. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der 9. Schulstufe teilnehmen an einer Schule, an welcher der gemäß Abs3 Z2 litd angegebene Lehrplan geführt wird, durchzuführen.'

2.3. in §11 Abs4 leg cit 4. Satz 'Wenn das Kind gemäß Z1 vor Ablauf dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist und bei Reflexionsgesprächen gemäß Z2, hat das Reflexionsgespräch mit zumindest einem Mitglied der Prüfungskommission gemäß Abs5 zu erfolgen.';

2.4. §11 Abs5 leg cit;

2.5. in §11 Abs6 Z3 leg cit, das ist die Wortfolge 'das Reflexionsgespräch gemäß Abs4 nicht durchgeführt wurde, oder'

in eventu

3.1 §11 Abs4, 5 und 6 leg cit

3.2 §13 Abs3 leg cit, das ist die Wortfolge '§11 Abs4 findet sinngemäß Anwendung. Die Bildungsdirektion hat von einer Prüfung gemäß §11 Abs4 abzusehen, wenn der zureichende Erfolg durch die Vorlage von Zeugnissen öffentlicher oder diesen gleichzuhaltender Schulen glaubhaft gemacht wird.'

3.3 §27 Abs2 leg cit, das ist die Wortfolge 'In den Fällen des §11 Abs6 beträgt die Frist für die Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht fünf Tage. Das Bundesverwaltungsgericht hat ab Vorlage solcher Beschwerden binnen vier Wochen zu entscheiden.'

Sowie

4. gemäß Art140 Abs3 iVm §64 Abs1 VfGG als verfassungswidrig aufheben: folgender Passagen der Bestimmung des §42 Abs14 Schulunterrichtsgesetz, BGBl Nr 472/1986 zuletzt geändert durch BGBl I Nr 37/2023, die in einem inneren Zusammenhang stehen (in eventu jeweils)

4.1. §42 Abs14 letzter Satz leg cit, das ist die Wortfolge 'Externistenprüfungen auf Grund §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 dürfen nach gemäß §11 Abs6 Schulpflichtgesetz 1985 angeordnetem Schulbesuch bis zum Ende der beiden ersten Wochen des Schuljahres einmal wiederholt werden, wobei die Schülerin oder der Schüler bis zur Ablegung der Prüfung oder Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Entscheidung, dass diese Prüfung nicht bestanden wurde, berechtigt ist am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe teilzunehmen.'

4.2. In §73 Abs4 und Abs5 leg cit jeweils die nach der Wendung '§71 Abs2 litc' folgende, angefochtene Wendung 'und gegen das Ergebnis einer Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985'."

II. Rechtslage

1. §11 des Bundesgesetzes über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), BGBl 76/1985, idF BGBl I 37/2023 lautet (die im Hauptantrag angefochtenen Teile der Bestimmung sind hervorgehoben):

"Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht

§11. (1) Die allgemeine Schulpflicht kann – unbeschadet des §12 – auch durch die Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im §5 genannten Schule mindestens gleichwertig ist.

(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im §5 genannten Schule – ausgenommen die Polytechnische Schule – mindestens gleichwertig ist.

(2a) Die Abs1 und 2 gelten nicht für Schülerinnen und Schüler, die eine Deutschförderklasse gemäß §8h Abs2 oder einen Deutschförderkurs gemäß §8h Abs3 des Schulorganisationsgesetzes zu besuchen haben. Diese Schülerinnen und Schüler haben ihre allgemeine Schulpflicht jedenfalls für die Dauer des Bedarfes einer dieser besonderen Sprachförderungen in öffentlichen Schulen oder in mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu erfüllen.

(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion anzuzeigen. Die Anzeige hat

1. jeweils bis eine Woche nach dem Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres zu erfolgen und

2. jedenfalls die folgenden Angaben und Urkunden zu enthalten:

a) Vor- und Familiennamen, Geburtsdatum und Anschrift jener Person, welche das Kind führend unterrichten wird,

b) den Ort, an dem der Unterricht erfolgen soll,

c) das Jahreszeugnis über das vorangehende Schuljahr oder ein Zeugnis über die Externistenprüfung über die vorangehende Schulstufe,

d) den Lehrplan, nach welchem, und die Schulstufe, auf der der Unterricht erfolgen soll, sowie

e) eine Zusammenfassung des pädagogischen Konzepts für den Unterricht.

(4) Der zureichende Erfolg eines im Abs1 oder 2 genannten Unterrichtes ist jährlich zwischen dem 1. Juni und dem Ende des Unterrichtsjahres durch eine Prüfung an einer in §5 genannten entsprechenden Schule nachzuweisen, wenn die Schülerinnen und Schüler dieser Schulen am Ende des Schuljahres beurteilt werden. Bei Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs2 hat ein Reflexionsgespräch über den Leistungsstand bis spätestens zwei Wochen nach Ende der Semesterferien stattzufinden, wobei ein Rechtfertigungsgrund gemäß §9 Abs3 diese Frist hemmt. Das Reflexionsgespräch ist

1. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der Vorschulstufe oder der 1. bis 8. Schulstufe teilnehmen, an jener Schule, die bei Untersagung des häuslichen Unterrichts zu besuchen wäre, oder, wenn gemäß Abs3 Z2 litd der Lehrplan einer allgemeinbildenden höheren Schule angegeben wurde, an einer Schule dieser Schulart, und

2. mit Kindern oder Jugendlichen, die am häuslichen Unterricht auf der 9. Schulstufe teilnehmen an einer Schule, an welcher der gemäß Abs3 Z2 litd angegebene Lehrplan geführt wird,

durchzuführen.

Wenn das Kind gemäß Z1 vor Ablauf dieser Frist aus dem Sprengel dieser Schule verzogen ist und bei Reflexionsgesprächen gemäß Z2, hat das Reflexionsgespräch mit zumindest einem Mitglied der Prüfungskommission gemäß Abs5 zu erfolgen.

(5) Die Prüfung des zureichenden Erfolges gemäß Abs4 erster Satz muss an einer Schule im örtlichen Zuständigkeitsbereich jener Schulbehörde abgelegt werden, die für die Einhaltung der Schulpflicht zuständig ist. Die Schulbehörden haben mit Verordnung gemäß §42 Abs4 des Schulunterrichtsgesetzes zumindest zwei Prüfungskommissionen einzurichten.

(6) Die Bildungsdirektion hat die Teilnahme an einem solchen Unterricht zu untersagen und anzuordnen, dass das Kind seine Schulpflicht im Sinne des §5 zu erfüllen hat, wenn

1. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die im Abs1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist, oder

2. gemäß Abs2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist, oder

3. das Reflexionsgespräch gemäß Abs4 nicht durchgeführt wurde, oder

4. eine Prüfung aufgrund der Bestimmung gemäß §42 Abs6 letzter Satz des Schulunterrichtsgesetzes vor dem Ende des Unterrichtsjahres, für welche der häusliche Unterricht angezeigt wurde, nicht möglich ist, oder

5. Umstände hervortreten, aufgrund welcher mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs2 dem Besuch einer öffentlichen Schule nicht mindestens gleichwertig ist, oder

6. der Nachweis des zureichenden Erfolges vor dem Ende des Unterrichtsjahres nicht erbracht wurde. Treten Umstände hervor, die eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen, so sind, wenn nicht gemäß §78 der Strafprozessordnung 1975, BGBl Nr 631/1975 vorzugehen ist, die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung oder die Kinder- und Jugendhilfe zu informieren."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetzes – SchUG), BGBl 472/1986, idF BGBl I 37/2023 lauten wie folgt (die im Hauptantrag angefochtenen Teile der Bestimmung sind hervorgehoben):

"Externistenprüfungen

§42. (1)–(13) […]

(14) Die Bestimmungen über die Ablegung von Externistenprüfungen gelten auch für die auf Grund der §§11 Abs4, 13 Abs3 und §22 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 abzulegenden Prüfungen zum Nachweis des zureichenden Erfolges des Besuches von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht oder häuslichen Unterrichtes sowie des Besuches von im Ausland gelegenen Schulen. Externistenprüfungen auf Grund §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 dürfen nach gemäß §11 Abs6 Schulpflichtgesetz 1985 angeordnetem Schulbesuch bis zum Ende der beiden ersten Wochen des Schuljahres einmal wiederholt werden, wobei die Schülerin oder der Schüler bis zur Ablegung der Prüfung oder Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Entscheidung, dass diese Prüfung nicht bestanden wurde, berechtigt ist am Unterricht der nächsthöheren Schulstufe teilzunehmen.

(15) Die näheren Vorschriften über die Externistenprüfungen hat der zuständige Bundesminister auf Grund der vorstehenden Absätze durch Verordnung zu erlassen.

[…]

Entscheidungspflicht

§73. (1)–(3a) […]

(4) In den Fällen des §71 Abs2 hat die zuständige Schulbehörde über die eingelangten Widersprüche binnen drei Wochen bescheidmäßig zu entscheiden. In den Fällen des §71 Abs2 litc und gegen das Ergebnis einer Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 hat die zuständige Schulbehörde über die eingelangten Widersprüche binnen zwei Wochen bescheidmäßig zu entscheiden. Bis zur bescheidmäßigen Entscheidung der zuständigen Schulbehörde im Widerspruchsverfahren in den Fällen des §71 Abs2 litc und gegen das Ergebnis einer Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 ist der Schüler zum Besuch des Unterrichtes in der nächsten Schulstufe berechtigt.

(5) Die Frist zur Erhebung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht beträgt vier Wochen. In den Fällen des §71 Abs2 litc und gegen das Ergebnis einer Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 beträgt sie grundsätzlich zwei Wochen, in den Fällen der Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen (jeweils in Verbindung mit §25) fünf Tage. Das Verwaltungsgericht hat über Beschwerden aufgrund dieses Bundesgesetzes ab Beschwerdevorlage binnen drei Monaten zu entscheiden. In den Fällen des §71 Abs2 litc und gegen das Ergebnis einer Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht grundsätzlich ab Beschwerdevorlage binnen vier Wochen, in den Fällen der Entscheidung nach Ablegung von einer oder zwei Wiederholungsprüfungen (jeweils in Verbindung mit §25) binnen drei Wochen zu entscheiden. Bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Beschwerdeverfahren in den Fällen des §71 Abs2 litc und gegen das Ergebnis einer Externistenprüfung zum Nachweis des zureichenden Erfolges gemäß §11 Abs4 des Schulpflichtgesetzes 1985 ist der Schüler zum Besuch des Unterrichtes in der nächsten Schulstufe berechtigt."

Anlassverfahren und Antragsvorbringen

1. Der 2009 geborene Antragsteller hat seine Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 durch Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt. Zur am Ende des Schuljahres 2022 vorgesehenen Externistenprüfung ist der Antragsteller nicht angetreten. Nachdem kein Nachweis über den zureichenden Schulerfolg erbracht wurde, verpflichtete die Bildungsdirektion Niederösterreich den Antragsteller für das Schuljahr 2022/2023 mit Bescheid zum Besuch einer öffentlichen Schule bzw einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Privatschule. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. August 2022 als unbegründet abgewiesen.

2. Nachdem der Antragsteller im Schuljahr 2022/2023 dem Schulunterricht fernblieb, erstattete die ***schule eine Gefährdungsmitteilung an die Bezirkshauptmannschaft Horn. Im Frühjahr 2023 fanden mehrere Gespräche zwischen Behördenvertreterinnen, den Eltern des Antragstellers und dem Antragsteller selbst statt. Auf Grund des andauernden Fernbleibens vom Schulunterricht wurden seitens der ***schule Termine für eine Feststellungsprüfung bekannt gegeben. Dieser Feststellungsprüfung blieb der Antragsteller fern.

3. Gegen die Eltern des Antragstellers wurden im Zeitraum Juli 2022 bis Juli 2023 mehrere Verwaltungsstrafverfahren wegen Verstößen gegen das Schulpflichtgesetz 1985 geführt und Geldstrafen verhängt.

4. Die Bezirkshauptmannschaft Horn regte am 22. Juni 2023 beim Bezirksgericht Horn als Pflegschaftsgericht an, den Eltern des Antragstellers entsprechende Aufträge zu erteilen, um einen Schulbesuch des Antragstellers ab September 2023 zu gewährleisten.

5. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Horn vom 13. September 2023 wurde den Eltern des Antragstellers die Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung in schulischen Angelegenheiten und damit auch der Vertretung in diesem Bereich entzogen und in diesem Umfang dem Land Niederösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Horn, übertragen. Weiters wurde den Eltern aufgetragen, den Kinder- und Jugendhilfeträger bei der Erfüllung seiner Verpflichtung, insbesondere in Form der Gewährleistung eines regelmäßigen Schulbesuchs und rechtzeitiger Ablegung aller erforderlichen Prüfungen bis zum Pflichtschulabschluss zu unterstützen und alles zu unterlassen, was dies behindern könnte.

6. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller Rekurs und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag (Art140 Abs1 Z1 litd B VG). Darin legt der Antragsteller seine Bedenken zusammengefasst wie folgt dar:

Die gesetzlichen Bestimmungen zum häuslichen Unterricht und die Prüfungsmodalitäten für Externistenprüfungen seien zuletzt mit BGBl I 232/2021 und BGBl I 37/2023 geändert worden. Die geänderten Bestimmungen bedeuteten eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung von Schülern, die ihre Schulpflicht im häuslichen Unterricht absolvierten, gegenüber Schülern, die öffentliche oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schulen besuchten. Die angefochtenen Bestimmungen widersprächen deshalb dem Gleichheitsgrundsatz (Art7 Abs1 B VG) und verstießen gegen das Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen (Art18 B VG), die Rechte auf Bildung und Unterrichtsfreiheit (Art17 StGG, Art2 1. ZPMRK, Art14 Abs3 GRC), das Recht auf Freiheit der Berufswahl und Berufsausübung (Art18 StGG), das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art9 EMRK) sowie gegen Art1 und 4 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern.

Zulässigkeit

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 VfGG kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Horn vom 13. September 2023 gestellt. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140 Abs1 Z1 litd B VG).

3. Der Antragsteller ist Partei des ihn betreffenden Obsorgeverfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit er zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG berechtigt ist.

4. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat der Antragsteller jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass er den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Horn am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund der entsprechenden Mitteilung des Bezirksgerichtes Horn vom 10. Oktober 2023 davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

5.1. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl zB VfSlg 20.029/2015; vgl VfSlg 20.010/2015).

5.2. Vor diesem Hintergrund erweist sich der vorliegende Antrag als unzulässig:

Das Bezirksgericht Horn hat im Verfahren nach §181 ABGB zu prüfen, ob die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden und wenn eine solche Gefährdung vorliegt, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Leitende Kriterien für die Beurteilung des Kindeswohls enthält §138 ABGB. Das Bezirksgericht Horn hat festgehalten, dass die Eltern überzeugt seien, den Antragsteller im häuslichen Unterricht zu belassen, ohne die dafür erforderlichen Prüfungen abzulegen, wodurch eine weitere Verzögerung des Pflichtschulabschlusses drohe. Durch die länger andauernde Verweigerung des Schulbesuchs werde das Kindeswohl des Antragstellers gefährdet.

In diesem Verfahren wendete das Bezirksgericht Horn jene Regelungen bzw Teile von Regelungen des Schulpflichtgesetzes 1985 und des Schulunterrichtsgesetzes zum Zeitraum, in dem die Externistenprüfung abzulegen ist, und zu den Kriterien über die Untersagung des häuslichen Unterrichts, deren Verfassungswidrigkeit der Antragsteller behauptet, nicht an.

5. Die angefochtenen Bestimmungen sind daher allesamt nicht präjudiziell. Der Antrag ist daher unzulässig (vgl zB VfGH 20.6.2018, G117/2017; 1.3.2022, G28/2022).

6. Bei diesem Ergebnis hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob weitere Prozesshindernisse bestehen.

V. Ergebnis

Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Rückverweise