JudikaturVfGH

A22/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
27. November 2023

Spruch

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger ist schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit € 128,36 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Klage, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Gestützt auf Art137 B VG, begehrt der Kläger, den Bund schuldig zu erkennen, dem Kläger den Betrag von € 50 ,– samt 4 % Zinsen binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

1.1. Der Kläger bringt im Wesentlichen vor, er sei mit Organstrafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 20. Dezember 2022 zu einer Geldstrafe in Höhe von € 50,– verhalten worden, weil ihm eine Übertretung des §102 Abs3 fünfter Satz KFG 1967 zur Last gelegt worden sei. Dem Kläger sei angelastet worden, dass er während des Lenkens eines zweispurigen Kraftfahrzeuges mit dem Handy telefoniert habe. Der Kläger habe die Organstrafe beglichen. Die Organstrafverfügung sei jedoch rechtswidrig ausgestellt worden, weswegen kein Rechtstitel bestehe, den bezahlten Betrag zu behalten. Die Rufdatenaufzeichnung des Mobiltelephons des Klägers belege nämlich, dass er zur vermeintlichen Tatzeit nicht telefoniert habe. Dies beweise, dass er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.

1.2. Darüber hinaus werde gegen den Kläger ein Verfahren zur Verlängerung der Probezeit und zur Durchführung einer Nachschulung geführt. Der Kläger sei dazu mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 30. Dezember 2022 verpflichtet worden. Der Beschwerdeführer habe gegen diesen Bescheid eine Bescheidbeschwerde erhoben. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg habe die Bescheidbeschwerde mit Erkenntnis vom 2. Februar 2023 abgewiesen. Der Beschwerdeführer habe in weiterer Folge das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg mit einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft.

2. Die beklagte Partei legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie auszugsweise Folgendes auf das Klagebegehren erwidert:

"[…]

B. Zur Unbegründetheit der Klage

Entgegen der Rechtsauffassung der klagenden Partei besteht keine Rückzahlungsverpflichtung der beklagten Partei hinsichtlich des mit Organstrafverfügung vorgeschriebenen und bezahlten Strafbetrages, dies aus nachstehenden Gründen:

Der klagenden Partei ist einleitend zwar dahingehend zuzustimmen, dass die Rückzahlung von Strafbeträgen, die zu Unrecht entrichtet wurden, grundsätzlich beim VfGH mit Klage gemäß Art137 B VG geltend gemacht werden kann.

Im gegenständlichen Fall erfolgte die Entrichtung bzw Einhebung des mit der Organstrafverfügung vorgeschriebenen Strafbetrages jedoch rechtmäßig, zumal die klagende Partei diesen noch vor Ort bezahlte. Damit entfaltete die Organstrafverfügung die ihr zukommende Sperrwirkung. Eine Ausforschung und weitere behördliche Verfolgung hatte dadurch zu unterbleiben und gilt das Verwaltungsstrafverfahren als beendet.

Aufgrund der gesetzlich in §50 Abs6 VStG normierten Unzulässigkeit eines Rechtsmittels gegen Organstrafverfügungen scheidet eine nachträgliche Aufhebung aufgrund einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht, mangels Bescheidqualität aber auch eine Wiederaufnahme oder Wiedereinsetzung aus.

Die klagende Partei hätte gegen den angeblich zu Unrecht erfolgten Vorwurf bereits im Verwaltungsstrafverfahren vorgehen müssen, indem sie die mit Organstrafverfügung vorgeschriebene Geldstrafe schlicht nicht bezahlt, um ihren Einwand im Verwaltungsstrafverfahren zu erheben. Die Rückzahlung des geltend gemachten Strafbetrages in Höhe von EUR 50,00, der aufgrund einer dem Rechtsbestand unverändert angehörenden Organstrafverfügung rechtzeitig geleistet wurde, scheidet daher aus, zumal durch die Entrichtung des Strafbetrages das Verwaltungsstrafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

Für eine Nachholung dieses Versäumnisses der klagenden Partei besteht im gegenständlichen Verfahren gemäß Art137 B VG jedenfalls keine gesetzliche Grundlage.

[…]

C. Antrag

Aufgrund der obigen Ausführungen stellt die beklagte Partei den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Klage abweisen und die klagende Partei zum Ersatz der Verfahrenskosten zu Handen der Finanzprokuratur binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution verpflichten."

3. Der Kläger teilte dem Verfassungsgerichtshof mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2023 mit, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Juni 2023, Ra 2023/11/0032, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 2. Februar 2023 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben habe und das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg im zweiten Rechtsgang ein weiteres abweisendes Erkenntnis gegenüber dem Kläger erlassen habe. Der Kläger teilte dem Verfassungsgerichtshof darüber hinaus mit, dass er gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg erneut eine außerordentliche Revision eingebracht habe.

II. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.2. Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage insgesamt als zulässig (vgl zB VfSlg 14.323/1995, VfGH 12.6.2023, A13/2023).

2. In der Sache

Die Klage ist nicht begründet.

2.1. Der Kläger trägt vor, dass er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen habe und die Bezahlung der Organstrafverfügung rechtsgrundlos erfolgt sei. Die beklagte Partei sei deshalb verpflichtet, dem Kläger den von ihm gezahlten Betrag zurückzuzahlen. Die beklagte Partei brachte demgegenüber vor, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rückforderung einer innerhalb der in §50 Abs6 VStG genannten Frist bezahlten Organstrafverfügung habe.

2.2. §50 Abs7 VStG sieht vor, dass eine nach Ablauf der in §50 Abs6 VStG bezeichneten Frist geleistete Zahlung auf eine im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens verhängte Strafe anzurechnen ist, oder, wenn ein eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren ohne Verhängung einer Verwaltungsstrafe endet, der erst nach Ablauf der Frist gezahlte Betrag zurückzuzahlen ist. Eine Rückleistung hat aber dann nicht zu erfolgen, wenn sich die Behörde mit der wenn auch verspätet eingelangten Bezahlung der Organstrafverfügung begnügt. §50 Abs6 VStG sieht damit ein spezielles Rechtsschutzkonzept für die Organstrafverfügung vor. Wenn der Beanstandete sich gegen die Strafverfügung wehren will, hat er die Annahme des Beleges zu verweigern oder den Strafbetrag nicht zu bezahlen. Entrichtet er hingegen den Strafbetrag, ist das Verwaltungsstrafverfahren rechtskräftig abgeschlossen. Eine Rückforderung des bereits entrichteten Geldbetrages im Wege einer Klage gemäß Art137 B VG scheidet dementsprechend aus (VfSlg 14.323/1995; Reimann , Praktische Probleme der Organstrafverfügung, ÖJZ2023, 536 [540]).

III. Ergebnis

1. Das Klagebegehren besteht nicht zu Recht; die Klage ist daher abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §41 iVm §35 Abs1 VfGG und §41 ZPO.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

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