JudikaturVfGH

G126/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
21. September 2023

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller, die Wortfolgen "sind Mitteilungen an die Öffentlichkeit über den Verlauf und die Ergebnisse eines Disziplinarverfahrens, über den Inhalt der Disziplinarakten sowie", "und der Disziplinarentscheidungen" sowie "jedoch über den Ausgang des Disziplinarverfahrens" in §79 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter – DSt, BGBl 474/1990, idF BGBl I 190/2013 als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Antragsteller bringt zu seiner Antragslegitimation Folgendes vor:

2.1. Er sei von 2. September 2014 bis 30. Juni 2020 Rechtsanwalt in Wien gewesen und sei seit 1. Juli 2020 Rechtsanwalt in Innsbruck. Als Adressat von §79 DSt sei er durch die angefochtenen Wortfolgen unmittelbar nachteilig betroffen. Es bestehe kein anderer – zumutbarer – Weg, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Wortfolgen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Ein Verstoß gegen §79 DSt könne disziplinarrechtliche Folgen haben und hinsichtlich Mitteilungen über den Inhalt einer Disziplinarverhandlung gerichtliche Strafbarkeit nach §301 StGB bewirken.

2.2. Hinzu komme, dass der Oberste Gerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2022, 22 Ds 8/22d (22 Ds 9/22a), ausgesprochen habe, dass §79 DSt auch die Veröffentlichung offenkundigen rechtsanwaltlichen Fehlverhaltens eines Rechtsanwalts durch einen anderen Rechtsanwalt unterbinde und ein derartiges Verhalten selbst dem (zur Amtsverschwiegenheit verpflichteten) Justizpersonal nicht zur Kenntnis gelangen dürfe. Die angefochtenen Wortfolgen würden die öffentliche Äußerung tatsachenbasierender Kritik verwehren, selbst wenn eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, das Erkenntnis öffentlich verkündet worden sei und der Antragsteller den Verlauf und die Ergebnisse des betreffenden Disziplinarverfahrens sowie den Inhalt der Disziplinarakten kenne. Dies selbst dann, wenn die berufliche Verschwiegenheit überhaupt nicht verletzt werden würde.

3. Der Antrag ist unzulässig.

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 11.730/1988, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001).

3.2. Diesen Erfordernissen wird der vorliegende Antrag nicht gerecht.

3.2.1. Der Antragsteller legt in seinem Antrag lediglich dar, dass sich seine unmittelbare und aktuelle Betroffenheit daraus ergebe, dass er als Rechtsanwalt in Österreich tätig sei und daher ein Verstoß gegen §79 DSt disziplinarrechtliche Folgen hätte und eine gerichtliche Strafbarkeit bewirken könne.

3.2.2. Der Antragsteller hat allerdings nicht dargelegt, dass er durch die Bestimmung gehindert sei, über den Verlauf und die Ergebnisse einer konkreten Disziplinarsache zu berichten. Er hat damit nicht seine aktuelle Betroffenheit im Sinne der Rechtsprechung dargelegt. Soweit er sich auf das Verfahren bzw die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. Dezember 2022, 22 Ds 8/22d (22 Ds 9/22a), bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den eingeholten Gerichtsakten zur Entscheidung vom 12. Dezember 2022, 22 Ds 8/22d (22 Ds 9/22a), ergibt, dass der Antragsteller in diesem Disziplinarverfahren Beschuldigter war und er daher gemäß §79 DSt ohnehin über den Ausgang des Disziplinarverfahrens insoweit berichten darf, als er damit nicht seine berufliche Verschwiegenheit verletzt.

II. Ergebnis

1. Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

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