JudikaturVfGH

E726/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
19. September 2023

Spruch

I. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

II. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art144 Abs2 B VG).

Die Beschwerde behauptet die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 BVG BGBl 390/1973), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Art47 GRC). Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu diesen Rechten lässt ihr Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:

Im Anwendungsbereich des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1979 über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen (Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz – ARHG) sind die subjektiven Rechte der auszuliefernden Person von den ordentlichen Gerichten wahrzunehmen (vgl insbesondere §§31 und 33 ARHG). Dabei haben die ordentlichen Gerichte gemäß §33 Abs3 ARHG die Zulässigkeit der Auslieferung in rechtlicher Hinsicht einschließlich aller sich aus den zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Voraussetzungen und Hindernisse für die Auslieferung des Betroffenen umfassend unter dem Gesichtspunkt der dem Betroffenen nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte zu prüfen. Demgegenüber befindet die Bundesministerin für Justiz gemäß §34 Abs1 ARHG über das Auslieferungsansuchen "nach Maßgabe zwischenstaatlicher Vereinbarungen und der Grundsätze des zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs", weshalb sie die Auslieferung nur mehr aus politischen oder allgemeinen völkerrechtlichen Erwägungen ablehnen darf (vgl ErlRV 294 BlgNR 22. GP, 33). Die Entscheidung der Bundesministerin für Justiz berührt daher die Rechtsstellung des Betroffenen nicht mehr unmittelbar und hat somit auch nicht in Bescheidform zu ergehen (VwGH 7.3.2008, 2008/06/0019; 12.2.2020, Ra 2020/03/0016; vgl zum Ersuchen um Übernahme der Vollstreckung einer Strafe nach §76 Abs9 ARHG VfSlg 18.199/2007). Es bestehen daher keine Bedenken dagegen, dass der auszuliefernden (bzw ausgelieferten) Person weder nach §9 Abs1 ARHG iVm §§51 bis 53 und 77 Abs1 StPO noch nach einer anderen Vorschrift (vgl ArtI Abs2 Z1 und ArtII EGVG iVm §17 AVG) Einsicht in die in diesem Zusammenhang bei der Bundesministerin für Justiz geführten Akten zusteht, zumal ihr zur Verfolgung allfälliger weiterer Ansprüche auch nach Abschluss des Verfahrens die Einsicht in die Akten des gerichtlichen Auslieferungsverfahrens offensteht (§9 Abs1 ARHG iVm §77 Abs1 StPO).

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG; zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).

Rückverweise