JudikaturVfGH

E1491/2022 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
19. September 2023

Spruch

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 19. April 2022 wird abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

1. Mit Erkenntnis vom 19. April 2022 über die Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich betreffend Wiederaufnahme Einkommensteuer 2016 bis 2019 sowie Einkommensteuer 2016 bis 2019, Wiederaufnahme Umsatzsteuer 2016 bis 2019 sowie Umsatzsteuer 2016 bis 2019 und Festsetzung Umsatzsteuer 12/2020 hat das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend Festsetzung Umsatzsteuer 12/2020 gemäß §278 Abs1 litb iVm §256 Abs3 BAO für gegenstandslos erklärt und die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2016 bis 2019 abgeändert.

Im Rahmen des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht wurde die beschwerdeführende Partei mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Februar 2022 gemäß §162 BAO aufgefordert, die Empfänger der in diesem Beschluss angeführten Rechnungsbeträge, die als Betriebsausgaben abgesetzt wurden, genau zu bezeichnen.

Gegen diese beiden Entscheidungen richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B VG an den Verfassungsgerichtshof.

2. Bei dem in der Beschwerde gemäß Art144 B VG gesondert angefochtenen Beschluss vom 16. Februar 2022, mit dem die beschwerdeführende Partei zur Empfängerbenennung gemäß §162 BAO aufgefordert wurde, handelt es sich um eine verfahrensleitende Verfügung.

Gemäß §88a Abs3 VfGG ist eine abgesonderte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gegen verfahrensleitende Beschlüsse nicht zulässig. Sie können nur in der Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.

Eine selbständige Anfechtung einer verfahrensleitenden Verfügung ist daher nicht zulässig, auch wenn sie gleichzeitig mit der Anfechtung der das Verfahren erledigenden Entscheidung erfolgt.

Es ist auch aus der Perspektive des Rechtsschutzsystems der Bundesverfassung nicht zu beanstanden, wenn der einfache Gesetzgeber verfahrensleitende Beschlüsse von der nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof ausnimmt, zumal diese mit dem die Rechtssache erledigenden Erkenntnis angefochten werden können (VfGH 11.10.2017, E2741/2017; vgl zu §88a Abs2 VfGG auch VfSlg 19.968/2015; VfGH 21.11.2014, E1571/2014; 23.2.2015, E186/2015; 30.6.2015, E366/2015).

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Februar 2022 ist daher zurückzuweisen.

3. Die Behandlung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 19. April 2022 wird abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B VG, Art2 StGG), auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) sowie auf Erwerbsausübungsfreiheit (Art6 StGG). Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sowie insbesondere der Frage, ob vom Bundesfinanzgericht innerstaatliche einfachgesetzliche Normen oder unionsrechtliche Normen anzuwenden waren, insoweit nicht anzustellen (VfSlg 14.886/1997). Auch begegnet die Anwendung der Vorschrift des §162 BAO in Anbetracht ihres Zwecks, die Besteuerung der abgesetzten Beträge beim Empfänger zu gewährleisten, im Beschwerdefall keinen Bedenken.

Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen in Anbetracht des Beschwerdefalles vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum objektiven Nettoprinzip (vgl zuletzt VfGH 16.3.2022, G228/2021) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG; zum System der Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch den Verfassungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 vgl VfSlg 19.867/2014).

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