JudikaturVfGH

V220/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
05. Dezember 2022

Spruch

I. Die Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II Nr 385/2017 wird – mit Ausnahme von §2 Abs5 und 6 – als gesetzwidrig aufgehoben.

II. §2 Abs5 und 6 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II Nr 385/2017 waren gesetzwidrig.

III. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Entscheidungsgründe

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E394/2021 eine auf Art144 B VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

1.1. Die Beschwerdeführer in dem zu E394/2021 protokollierten Verfahren stellten mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2015 beim (damals zuständigen) Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den Antrag, die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2012 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 260/2014 (im Folgenden: Verordnung Aktionsprogramm 2012) so zu novellieren bzw neu zu erlassen, dass die Verordnung den Vorgaben der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (im Folgenden: Nitrat-Richtlinie), ABl. 1991 L 375, 1, entspricht.

1.2. Die erstbeschwerdeführende Partei ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, die dazu verpflichtet ist, die öffentliche Aufgabe der Wasserversorgung in einem spezifisch umfassten Gebiet wahrzunehmen. Sie ist der viertgrößte Wasserversorger in Österreich und stellt die Versorgung von ungefähr 160.000 Menschen sicher. In ihrem Einzugsgebiet besteht für die Eigentümer von bebauten Grundstücken grundsätzlich eine Pflicht zum Anschluss an das Wassernetz. Damit das Wasser als Trinkwasser benutzt werden kann, muss der Nitratgehalt unter 50 mg/l liegen. An einzelnen Messstellen überschreitet der Nitratgehalt des entnommenen Grundwassers diesen Wert aber um mehr als 100 %. Dieses Wasser wird daher vor der Abgabe aufbereitet, um den Nitratgehalt unter 50 mg/l zu senken.

1.3. Der Zweitbeschwerdeführer besitzt einen Hausbrunnen. Das Wasser aus diesem Brunnen wies zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Änderung der Verordnung Aktionsprogramm 2012 einen Nitratgehalt von 59 mg/l auf. Im Dezember 2017 wurde zwar der Nitratgehalt von 50 mg/l nicht überschritten, doch schwanken die Werte, so dass eine Überschreitung des Nitratgehalts von 50 mg/l nicht ausgeschlossen ist.

1.4. Die drittbeschwerdeführende Partei, eine Gemeinde, betreibt einen Brunnen für kommunale Zwecke, dessen Wasser auf Grund des hohen Nitratwertes als nicht trinkbar eingestuft ist. Zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Änderung der Verordnung Aktionsprogramm 2012 betrug der Nitratgehalt 71 mg/l.

1.5. Die – zum Zeitpunkt der Antragstellung idF BGBl II 260/2014 geltende – Verordnung Aktionsprogramm 2012 wurde (danach weitere) drei Mal novelliert. Seit 19. Dezember 2017 steht die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung – NAPV; im Folgenden: NAPV 2017) in Kraft (s BGBl II 385/2017).

Nach Fassung des Prüfungsbeschlusses vom 5. Oktober 2022 wurde mit Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, mit der die Verordnung über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm – Verordnung) geändert wird, BGBl II 386/2022, die in Prüfung stehende NAPV 2017 novelliert. Die Änderungen treten gemäß §12 Abs7 NAPV idF BGBl II 386/2022 mit 1. Jänner 2023 in Kraft; lediglich §2 Abs5 und 6 NAPV 2017 sind bereits am 21. Oktober 2022 außer Kraft getreten (§12 Abs6 NAPV idF BGBl II 386/2022).

1.6. Mit Bescheid vom 30. Mai 2016 wies der (damals zuständige) Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den Antrag der Beschwerdeführer vom 2. Oktober 2015 wegen fehlender Antragslegitimation zurück. Begründend führte der Bundesminister im Wesentlichen aus, den Beschwerdeführern komme diesbezüglich kein Antragsrecht zu; der Antrag sei daher unzulässig.

1.6.1. Gegen den zurückweisenden Bescheid erhoben die Beschwerdeführer am 29. Juni 2016 Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien, das sich mit Beschluss vom 17. November 2016 für unzuständig erklärte. In der Folge hob der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss vom 17. November 2016 auf und erklärte das Verwaltungsgericht Wien für zuständig.

1.6.2. Das Verwaltungsgericht Wien setzte das Verfahren gemäß §38 AVG iVm §31 VwGVG mit Beschluss aus und legte dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art267 AEUV mehrere Fragen vor (EuGH 3.10.2019, Rs. C 197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua , Rz 28 f.).

1.6.3. Der Gerichtshof der Europäischen Union fasste die Vorlagefragen des Verwaltungsgerichtes Wien zusammen und beantwortete das Vorabentscheidungsersuchen im Wesentlichen wie folgt:

"28 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr 2 der Richtlinie 91/676 dahin auszulegen sind, dass natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens, die mit der Sicherstellung der Wasserversorgung betraut sind oder über eine Brunnennutzungsmöglichkeit verfügen, von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 dieser Richtlinie erlassen, um an jeder Entnahmestelle einen Nitrathöchstgehalt von 50 mg/l zu erreichen.

29 Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht als Erstes in Erfahrung bringen, ob und unter welchen Bedingungen das Unionsrecht Einzelnen eine entsprechende Antrags- bzw Klage- oder Beschwerdebefugnis vor den nationalen Behörden und Gerichten verleiht, als Zweites, welche Verpflichtungen sich aus der Richtlinie 91/676 konkret ergeben, und als Drittes, ob sich ein Einzelner gegenüber den zuständigen nationalen Behörden unmittelbar auf diese Verpflichtungen berufen kann.

[…]

Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr 2 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen sind dahin auszulegen, dass, sofern die Ableitung von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen erheblich zur Verunreinigung des betroffenen Grundwassers bei-trägt, natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 dieser Richtlinie erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer oder mehreren Messstellen im Sinne des Art5 Abs6 der Richtlinie 50 mg/l über-schreitet oder zu überschreiten droht."

1.6.4. Mit Erkenntnis vom 15. Oktober 2019 gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde vom 29. Juni 2016 statt und hob den zurückweisenden Bescheid des (damals zuständigen) Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 30. Mai 2016 auf.

1.6.5. Mit Bescheid vom 8. Juli 2020 stellte in der Folge die (damals zuständige) Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus im Wesentlichen fest, dass über die in der NAPV 2017 festgelegten Maßnahmen hinaus weitere Maßnahmen bzw verstärkte Aktionen erforderlich seien, damit der Nitratgehalt im Grundwasser an bestimmten Brunnen der Beschwerdeführer 50 mg/l nicht überschreite. Weiterhin führte die Bundesministerin aus, dass dem Antrag der Beschwerdeführer Folge gegeben und die NAPV 2017 zügig überarbeitet werde.

1.6.6. Mit Schriftsatz vom 6. August 2020 erhoben die Beschwerdeführer einerseits Beschwerde gegen den Bescheid der (damals zuständigen) Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus vom 8. Juli 2020 und andererseits Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht Wien.

1.6.7. Das Verwaltungsgericht Wien gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2020 unter Spruchpunkt A. dahingehend statt, dass es den Bescheid der (damals zuständigen) Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus aufhob. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer hätten die Novellierung bzw Neuerlassung der NAPV 2017 beantragt und hätte ein Abspruch in Form eines Verordnungserlassungsverfahrens erfolgen müssen. Mit Spruchpunkt B. des Erkenntnisses wies das Verwaltungsgericht Wien die Säumnisbeschwerde zurück, weil sich die verfahrensgegenständliche Verwaltungssache auf die Erlassung einer Verordnung beziehe und Verwaltungsgerichte nicht zur Erlassung von Verordnungen zuständig seien.

1.7. Gegen Spruchpunkt B. des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes Wien vom 15. Dezember 2020 erhoben die Beschwerdeführer die zur Zahl E394/2021 protokollierte, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde.

2. Bei der Behandlung der gegen Spruchpunkt B. dieser Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der NAPV 2017, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 385/2017 entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 5. Oktober 2022 beschlossen, diese Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3. Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar (ohne Hervorhebungen im Original):

"3. Der Verfassungsgerichtshof hegt gegen die in Prüfung gezogene Verordnung das Bedenken, dass sie gegen §55p Abs1 WRG 1959 verstößt:

3.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtes Wien – in dem von den Beschwerdeführern eingeleiteten Anlassverfahren – mit Urteil vom 3. Oktober 2019, Rs. C 197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, zusammenfassend festgestellt, Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A Nr 2 der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen seien dahin auszulegen, dass natürliche und juristische Personen wie die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 Nitrat-Richtlinie erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer Messstelle oder mehreren Messstellen im Sinne des Art5 Abs6 Nitrat-Richtlinie den Schwellenwert von 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht.

3.2. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sein Urteil im Wesentlichen folgendermaßen begründet:

3.2.1. Es wäre mit der einer Richtlinie durch Art288 AEUV zuerkannten Verbindlichkeit unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegten Verpflichtungen berufen können (EuGH 19.1.1982, Rs. C 8/81, Becker, Rz 22; 7.9.2004, Rs. C 127/02, Waddenvereniging und Vogelbeschermingsvereniging, Rz 66; 20.12.2017, Rs. C 664/15, Protect Natur , Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, Rz 34).

Aus diesem Grund müssten jedenfalls natürliche und juristische Personen, die unmittelbar von einer Verletzung von Richtlinienbestimmungen betroffen sind, die rechtliche Möglichkeit haben, die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen bei den zuständigen Verwaltungsbehörden oder Gerichten einzufordern. Im Übrigen seien 'Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen', Träger der Rechte aus Art9 Abs3 des Übereinkommens von Aarhus. Diese Bestimmung verpflichte in Verbindung mit Art47 GRC die Mitgliedstaaten dazu, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union verliehenen Rechte, insbesondere der umweltrechtlichen Bestimmungen, zu gewährleisten (vgl EuGH 20.12.2017, Rs. C 664/15, Protect Natur , Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation, Rz 45 f.).

3.2.2. Die Nitrat-Richtlinie habe gemäß ihrem Art1 zum Ziel, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen. Zu diesem Zweck bestimme Art5 Nitrat-Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten unter den darin vorgesehenen Bedingungen Aktionsprogramme festlegen und erforderlichenfalls zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen treffen.

Aus Art2 litj und Art3 Abs1 Nitrat-Richtlinie ergebe sich, dass bei einem Nitratgehalt, der im Grundwasser 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht, anzunehmen ist, dass die rechtmäßige Nutzung der Gewässer behindert wird.

Da der Nitratgehalt des betroffenen Grundwassers der Beschwerdeführer den Schwellenwert von 50 mg/l überschreite oder zu überschreiten drohe, werde die Nutzung dieses Wassers durch die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens behindert. Die Überschreitung dieses Schwellenwerts könne sie an der Möglichkeit einer normalen Nutzung ihres Brunnenwassers hindern oder sie zumindest zu Ausgaben für die Beseitigung der Wasserverunreinigung zwingen.

3.2.3. Da die Beschwerdeführer des Ausgangsverfahrens durch die Nitrat-Richtlinie unmittelbar betroffen seien, müssten sie bei den nationalen Behörden – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte – die Einhaltung der Verpflichtungen der Republik Österreich auf Grund der Nitrat-Richtlinie einfordern können.

3.2.4. Die in Art5 Abs4 und 5 Nitrat-Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsverpflichtungen seien klar, präzise und nicht an Bedingungen geknüpft, sodass sich Einzelne gegenüber dem Staat auf sie berufen können (vgl EuGH 26.6.2019, Rs. C 723/17, Craeynest ua, Rz 42).

Den Mitgliedstaaten obliege es zwar, vorbehaltlich des sich aus Anhang III Nitrat-Richtlinie ergebenden Rahmens zu bestimmen, welche Maßnahmen erforderlich seien, um diesen Verpflichtungen nachzukommen. Diese Maßnahmen müssten jedoch gemäß Art1 Nitrat-Richtlinie geeignet sein, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen. Auch wenn die Mitgliedstaaten insoweit über ein Ermessen verfügten, müssten die von den zuständigen Behörden getroffenen Entscheidungen gleichwohl Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sein können, insbesondere um zu überprüfen, ob die Behörden die der Ausübung dieses Ermessens gesetzten Grenzen nicht überschritten haben (vgl EuGH 24.7.2008, Rs. C 72/95, Kraaijeveld ua, Rz 59; 25.7.2008, Rs. C 237/07, Janecek, Rz 46; 26.6.2019, Rs. C 723/17, Craeynest ua, Rz 45).

3.3. Urteile, die im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art267 AEUV ergehen, sind jedenfalls für alle mit dem Ausgangsverfahren befassten, aber auch für sonstige Behörden oder Gerichte bindend, welche dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden haben (zB EuGH 24.6.1969, Rs. C 29/68, Milch , Fett und Eierkontor, Rz 2; 11.12.1997, Rs. C 246/96, Magorrian, Rz 30; vgl auch Öhlinger/Potacs, EU Recht und staatliches Recht 7 , 2020, 85 f.).

Aus dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union geht unzweifelhaft hervor, dass die Beschwerdeführer einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch haben müssen, die Änderung oder Neuerlassung der NAPV geltend zu machen.

Die staatlichen Behörden sind verpflichtet, einen unionsrechtskonformen Rechtszustand herzustellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union verbleibt den Behörden die Wahl der zu ergreifenden Maßnahmen; die von den Behörden gesetzten Maßnahmen müssen aber dafür sorgen, dass das nationale Recht so schnell wie möglich mit dem Unionsrecht im Einklang gebracht und den Rechten, die dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsen, die volle Wirksamkeit verschafft wird (EuGH 21.6.2007, Rs. C 231/06, C 232/06 und C 233/06, Jonkmann, Rz 38). Soweit unionsrechtliche Vorschriften in Bezug auf die Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle fehlen, kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaates zu, diese Modalitäten im Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie zu regeln, wobei diese nach dem Äquivalenzgrundsatz nicht ungünstiger sein dürfen als die Modalitäten, die für gleichartige interne Sachverhalte gelten, und nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH 16.12.1976, Rs. C 33/76, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral, Rz 5; 27.6.2013, Rs. C 93/12, Agrokonsulting, Rz 35 f.; 22.2.2018, Rs. C 572/16, INEOS Köln, Rz 42).

3.4. Wie das Beschwerdeverfahren zeigt, dürfte für die Beschwerdeführer keine gesetzlich ausdrücklich geregelte Rechtsschutzmöglichkeit bestehen, die auf den von ihnen geltend gemachten Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV 'zugeschnitten' ist.

3.4.1. Ein vor den ordentlichen Gerichten durchzuführendes Amtshaftungs- bzw Staatshaftungsverfahren dürfte nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes von Vornherein ausscheiden, weil damit nur sekundäre Ansprüche, nämlich Schadenersatzansprüche der Beschwerdeführer wegen Säumigkeit des Verordnungsgebers geltend gemacht werden können, nicht aber ihr primärer Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV rechtswirksam durchgesetzt werden kann.

Gleichermaßen dürfte ein Staatshaftungsanspruch nach Art137 B VG aus zwei Gründen von Vornherein ausscheiden: Zum Ersten handelt es sich auch dabei um ein Schadenersatzverfahren, in dem die Beschwerdeführer ihren primären Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV nicht rechtswirksam durchsetzen können. Zum Zweiten scheidet eine Klage gemäß Art137 B VG darüber hinaus aus, weil es sich bei der fehlenden bzw fehlerhaften Umsetzung der Nitrat-Richtlinie weder um Vollziehungsfehler der Höchstgerichte noch um legislatives Unrecht handelt (vgl zB VfSlg 18.505/2008, 18.557 18.866/2008, 18.787/2009, 19.688/2012), sodass hinsichtlich des rechtswidrigen Verhaltens des Verordnungsgebers nur ein Staatshaftungs- bzw Amtshaftungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten zulässig ist.

3.4.2. Ziel der amtswegigen Prüfung ist es, dem beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Anlassverfahren eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage zu geben (VfSlg 3431/1958). Im vorliegenden Fall scheint es daher nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes angesichts der besonderen Umstände des Falles notwendig, die gesamte NAPV von Amts wegen zu prüfen, weil der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft als oberstes Organ seiner aus dem Unionsrecht erwachsenden Verpflichtung, eine unionsrechtskonforme Verordnung zu erlassen, die die im Unionsrecht begründeten subjektiven Rechte der Beschwerdeführer umsetzt, nicht nachgekommen ist. Zudem scheint es für den Verfassungsgerichtshof geboten, die gesamte NAPV in Prüfung zu ziehen, weil die Verordnung gleichermaßen für das gesamte Bundesgebiet gilt und keine nach Gebieten differenzierende Regelungen trifft. Damit steht nicht fest, ob und inwieweit eine Reduzierung oder Verhinderung der Überschreitung des Schwellenwertes in Bezug auf den Nitratgehalt von 50 mg/l für andere Gebiete erforderlich ist, obwohl sich das bereits mehrfach zitierte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019 nur auf die Beschwerdeführer bezieht:

3.4.2.1. Gemäß §55p Abs1 WRG 1959 ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) verpflichtet, 'durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen'. Die im Rahmen dieser Programme zu ergreifenden Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen sowie deren Zielsetzungen werden in §55p Abs1 und 2 WRG 1959 näher beschrieben.

3.4.2.2. Die Verordnungsermächtigung in §55p WRG 1959 verpflichtet den Verordnungsgeber, die Vorgaben der Nitrat-Richtlinie umzusetzen. §55p WRG 1959 ist insbesondere im Hinblick auf die NAPV vom Verordnungsgeber richtlinienkonform, daher im Lichte der Nitrat-Richtlinie und deren Zielsetzung folgend auszulegen (VfSlg 14.391/1995). Der Verordnungsgeber hat dabei neben den Vorgaben der Nitrat-Richtlinie die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (insbesondere EuGH, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, sowie im Hinblick auf das Effektivitätsgebot EuGH 1.12.1998, Rs. C 326/96, Levez) zu beachten.

Nach vorläufiger Auffassung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet §55p Abs1 WRG 1959 im Lichte des zuvor genannten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union den zuständigen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft dazu, derartige Maßnahmen zu setzen, um die Überschreitung des in der Nitrat-Richtlinie festgelegten Schwellenwertes für den Nitratgehalt von 50 mg/l zu reduzieren bzw die Überschreitung dieses Schwellenwertes zu verhindern und damit auch die in den unionsrechtlichen Vorschriften gewährleisteten subjektiven Rechte umzusetzen.

Da der nach §55p Abs1 WRG 1959 zur Verordnungserlassung berufene Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) mit seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie seit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C 179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, säumig ist, dürfte die in Prüfung gezogene Verordnung gegen §55p Abs1 WRG 1959 verstoßen.

3.4.3. Im Verordnungsprüfungsverfahren wird zu erörtern sein, ob auch mit der Aufhebung einzelner Bestimmungen der NAPV das Auslangen gefunden werden kann, um einen verfassungs , gesetzes- und unionsrechtskonformen Zustand herzustellen, oder ob – ungeachtet der in §55p Abs1 WRG 1959 vorgeschriebenen Rechtsform der Verordnung – ein Weg zur Herstellung eines verfassungs , gesetzes- und unionsrechtskonformen Zustandes auch darin liegen könnte, dass die Beschwerdeführer ihren aus dem Unionsrecht resultierenden Anspruch auf Schaffung einer der Nitrat-Richtlinie entsprechenden Rechtslage im Sinne des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C 179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, in einem verwaltungsrechtlichen Bescheidverfahren bzw hier auf Grund der Säumnis in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien rechtswirksam durchsetzen können.

Auf Grund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C 179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua, scheint nämlich bereits festzustehen, dass die Beschwerdeführer von der Überschreitung bzw der Gefahr der Überschreitung des in der Nitrat-Richtlinie festgelegten Schwellenwertes von 50 mg/l unmittelbar betroffen sind und dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit der Schwellenwert der Nitrat-Richtlinie für den Nitratgehalt des Grundwassers nicht überschritten wird.

Es ist daher grundsätzlich nicht zu erörtern, ob die Beschwerdeführer ihren Anspruch auf Änderung bzw Neuerlassung der NAPV innerstaatlich geltend machen können. Es geht nur mehr um die Frage, wie die Beschwerdeführer, d.h. in welchem Verfahren und auf welche Weise die Beschwerdeführer ihren Anspruch innerstaatlich rechtlich durchsetzen können (zB EuGH 21.6.2007, Rs. C 231/06, C 232/06 und C 233/06, Jonkmann, Rz 38). Angesichts des zitierten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union wird jedoch zu prüfen sein, ob die Beschwerdeführer nur insoweit einen individuellen Anspruch auf Umsetzung der Nitrat-Richtlinie geltend machen können, als sie durch konkrete Maßnahmen bzw durch fehlende Maßnahmen der zuständigen Verwaltungsbehörde im Hinblick auf die Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie unmittelbar in ihrer rechtmäßigen Grundwassernutzung betroffen sind.

Da der nach §55p Abs1 WRG 1959 zuständige Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) bis heute nicht die notwendigen Maßnahmen mit Verordnung ergriffen hat, um den Nitratgehalt des Grundwassers im Sinne der Nitrat-Richtlinie zu verringern, dessen rechtmäßige Nutzung den Beschwerdeführern zusteht, wird der Verfassungsgerichtshof neben der Frage, ob mit der Aufhebung einzelner Bestimmungen der Verordnung oder der gesamten Verordnung das Auslangen gefunden werden kann, zu klären haben, ob die Beschwerdeführer auch einen Anspruch auf Erlassung eines Bescheides bzw in der konkret vorliegenden Konstellation der Säumnis einen Anspruch auf Erlass eines Erkenntnisses haben können, mit dem die notwendigen Maßnahmen zur Verhinderung der Überschreitung oder der Gefahr der Überschreitung des Schwellenwertes von 50 mg/l in Bezug auf das Grundwasser getroffen werden, dessen rechtmäßige Nutzung den Beschwerdeführern zukommt.

Diesbezüglich geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, dass es grundsätzlich dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bzw dem Verwaltungsgericht überlassen ist, wie das in einen Bescheid bzw das in ein Erkenntnis mündende Verfahren zu führen ist. Es müsste dabei aber sichergestellt werden, dass alle von den letztlich zu ergreifenden Maßnahmen Betroffenen im Verfahren ihre Rechte als Parteien geltend machen können und die Entscheidung in einer allen in Frage kommenden Parteien bzw allen Betroffenen zugänglichen Form kundgemacht wird (zB in sinngemäßer Anwendung des §44f Abs1 AVG)."

4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken im Wesentlichen wie folgt entgegengetreten wird:

Zur vom Verfassungsgerichtshof angenommenen Säumnis des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bezüglich seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie sei anzumerken, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 3. Oktober 2019, Rs. C 197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua , keine Feststellung über das Ausmaß der Beeinträchtigung der Brunnen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien und somit auch nicht das Ausmaß ihrer konkreten Betroffenheit getroffen habe. Ebenso gebe das Urteil auch nicht konkrete Maßnahmen vor, die zur Zielerreichung erforderlich seien, sondern weise die Auswahl der konkreten Maßnahmen dem Mitgliedstaat zu.

Für die Klärung dieser Fragen, die nach der Zustellung des Urteils umgehend vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft in die Wege geleitet worden sei, hätten daher – mit einem entsprechend zeitlichen Aufwand – weitere fachliche Grundlagen erstellt bzw beigeschafft werden müssen. Eine allfällige Säumnis des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bei der Umsetzung seiner Verpflichtungen habe nicht eintreten können, solange jene fachlichen Grundlagen nicht abschließend zur Verfügung gestanden seien, die in der Folge für die Auswahl der erforderlichen Maßnahmen essentiell gewesen seien. Auch der für die gebotene Durchführung des Begutachtungs- und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens erforderliche Zeitraum könne keine Säumnis des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft bei seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie zur Folge haben.

Da im Unterschied zu einem Antrag auf Erteilung eines Bewilligungsbescheides die Rechtsordnung keine gesetzlichen Vorgaben zur Behandlung eines Antrages auf Änderung bzw Neuerlassung einer Verordnung vorsehe, habe der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft eine Vorgehensweise gewählt, die den im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien die Ausübung von Parteienrechten einschließlich eines Rechtsschutzes ermögliche, indem ihnen Gelegenheiten zur Beteiligung an der Vorbereitung der Novelle in Form eines Parteiengehörs, einer Einbindung in das Begutachtungs- und Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren und durch Zustellung des Bescheides vom 8. Juli 2020 eingeräumt worden seien. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien hätten darauf aufbauend ihre Parteienrechte tatsächlich ausgeübt.

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft sei daher seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie nachgekommen und auch die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien seien in ihren Rechten als Parteien nicht beeinträchtigt gewesen.

5. Die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes im Wesentlichen beitreten:

Die Entwicklung der Nitratgehalte im Grundwasser der betroffenen Wasserversorgungsanlagen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien von 2015 bis 2022 zeigten, dass der Wert von 50 mg/l zum Teil erheblich überschritten worden sei. Die NAPV 2017 könne die Einhaltung des Schwellenwerts von 50 mg/l im Einzugsbereich ihrer Wasserversorgungsanlagen nicht gewährleisten.

Die Einhaltung des Schwellenwerts von 50 mg/l könne nur durch ein Bündel zusätzlicher Maßnahmen erreicht werden. Es sei nicht möglich, diesen Schwellenwert nur durch Düngebegrenzungen zu erreichen bzw einzuhalten, weil dies – zumindest im Einzugsgebiet der Wasserversorgungsanlagen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien – de facto einem Düngeverbot gleichkäme.

Es stehe fest, dass mit der Aufhebung einzelner Bestimmungen der NAPV 2017 kein Auslangen gefunden werden könne, um den Anforderungen der Nitrat-Richtlinie und deren innerstaatlichen Umsetzungsbestimmung des §55p Abs1 WRG 1959 zu entsprechen. Vielmehr bedürfe es der Ergänzung der NAPV 2017 durch zusätzliche Maßnahmen, um im Gebiet der Wasserversorgungsanlagen der im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien den maßgeblichen Schwellenwert zu erreichen und einhalten zu können.

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

1. §55p Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl 215/1959, idF BGBl I 98/2013 lautet:

"Programme im Rahmen der Europäischen Integration

§55p. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen. Diese Programme haben Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen insbesondere betreffend Düngeverbotszeiträume, das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und das Fassungsvermögen von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger zu enthalten. Durch diese Programme wird sichergestellt, dass bei landwirtschaftlichen Betrieben der auf den Boden ausgebrachte Wirtschaftsdünger, einschließlich des von den Tieren selbst ausgebrachten Dungs, eine Höchstmenge von 170 kg Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerungsverluste pro Hektar und Jahr nicht überschreitet. Diese Programme sind allgemein im öffentlichen Interesse einzuhalten.

(2) In einem Programm mit den Zielsetzungen gemäß Abs1 können zusätzliche Kriterien (zB lange Wachstumsphasen, Pflanzen mit hohem Stickstoffbedarf, hoher Nettoniederschlag), Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen festgelegt werden, deren Vorliegen bzw Einhaltung sicherstellen, dass die schrittweise Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) nicht gefährdet ist, wenn landwirtschaftliche Betriebe von der in Abs1 festgelegten Höchstmenge an Stickstoff abweichen. Zugleich sind in einem solchen Programm Vorhaltungsverpflichtungen sowie die zur Einhaltung der Ausnahmebestimmungen weiters erforderlichen Regelungen, insbesondere Meldeverpflichtungen, zu treffen. Strengere Regelungen gemäß §34 bzw §33f betreffend wasserrechtlich besonders geschützter Gebiete bleiben unberührt. Die Ausnahmebestimmungen bedürfen der Zustimmung der Europäischen Kommission gemäß Art9 iVm. Anhang III Z2 litb der Richtlinie 91/676/EWG."

2. Art3, 5 sowie Anhang I der Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, ABl. 1991 L 375, 1, lauten auszugsweise wie folgt:

"Artikel 3 (1) Gewässer, die von Verunreinigung betroffen sind, und Gewässer, die von Verunreinigung betroffen werden könnten, falls keine Maßnahmen nach Artikel 5 ergriffen werden, werden von den Mitgliedstaaten nach den Kriterien des Anhangs I bestimmt.

(2) Die Mitgliedstaaten weisen innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie alle in ihrem Gebiet bekannten Flächen, die in nach Absatz 1 bestimmte Gewässer entwässern und die zur Verunreinigung beitragen, als gefährdete Gebiete aus. Sie unterrichten die Kommission hiervon innerhalb von sechs Monaten nach erster Ausweisung.

(3) – (5) […]"

"Artikel 5 (1) Zur Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele legen die Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren nach der ersten Ausweisung der gefährdeten Gebiete nach Artikel 3 Absatz 2 oder innerhalb eines Jahres nach jeder ergänzenden Ausweisung nach Artikel 3 Absatz 4 Aktionsprogramme für die als gefährdet ausgewiesenen Gebiete fest.

(2) Ein Aktionsprogramm kann sich auf alle gefährdeten Gebiete im Gebiet eines Mitgliedstaates erstrecken, oder es können verschiedene Programme für verschiedene gefährdete Gebiete oder Teilgebiete festgelegt werden, wenn der Mitgliedstaat dies für angebracht hält.

(3) In den Aktionsprogrammen werden berücksichtigt:

a) die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten, insbesondere über die jeweiligen Stickstoffeinträge aus landwirtschaftlichen und anderen Quellen;

b) die Umweltbedingungen in den jeweiligen Regionen des Mitgliedstaates.

(4) Die Aktionsprogramme werden innerhalb von vier Jahren nach Aufstellung durchgeführt und enthalten folgende verbindlich vorgeschriebene Maßnahmen:

a) die Maßnahmen nach Anhang III;

b) Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten in den Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft nach Maßgabe von Artikel 4 vorgeschrieben haben, ausgenommen diejenigen, die durch die Maßnahmen nach Anhang III ersetzt wurden.

(5) Die Mitgliedstaaten treffen darüber hinaus im Rahmen der Aktionsprogramme die zusätzlichen Maßnahmen oder verstärkten Aktionen, die sie für erforderlich halten, wenn von Anfang an oder anhand der Erfahrungen bei der Durchführung der Aktionsprogramme deutlich wird, daß die Maßnahmen nach Absatz 4 zur Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht ausreichen. Bei der Wahl dieser Maßnahmen oder Aktionen tragen die Mitgliedstaaten deren Wirksamkeit und den damit verbundenen Kosten im Vergleich zu anderen möglichen Vorbeugungsmaßnahmen Rechnung.

(6) Die Mitgliedstaaten sorgen für die Aufstellung und Durchführung geeigneter Überwachungsprogramme, damit die Wirksamkeit der in diesem Artikel vorgesehenen Aktionsprogramme beurteilt werden kann. Die Mitgliedstaaten, die Artikel 5 in ihrem gesamten Gebiet anwenden, überwachen den Nitratgehalt der Gewässer (Oberflächengewässer und Grundwasser) an ausgewählten Meßstellen, an denen der Grad der Nitratverunreinigung der Gewässer aus landwirtschaftlichen Quellen festgestellt werden kann.

(7) Mindestens alle vier Jahre überprüfen die Mitgliedstaaten ihre Aktionsprogramme und schreiben sie, falls erforderlich, einschließlich zusätzlicher Maßnahmen nach Artikel 5 fort. Sie unterrichten die Kommission von allen Änderungen der Aktionsprogramme."

"ANHANG I KRITERIEN FÜR DIE BESTIMMUNG DER GEWÄSSER NACH ARTIKEL 3 ABSATZ 1

A. Gewässer nach Artikel 3 Absatz 1 werden unter anderem nach folgenden Kriterien bestimmt:

1. wenn Binnengewässer, insbesondere solche, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden oder bestimmt sind, eine höhere Nitratkonzentration als die nach der Richtlinie 75/440/EWG festgesetzte Konzentration enthalten oder enthalten können und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden;

2. wenn Grundwasser mehr als 50 mg/l Nitrat enthält oder enthalten könnte und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden;

3. wenn in Binnengewässern, Mündungsgewässern, Küstengewässern und in Meeren eine Eutrophierung festgestellt wurde oder in naher Zukunft zu befürchten ist und keine Maßnahmen im Sinne des Artikels 5 getroffen werden.

B. Bei Anwendung dieser Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten ferner

1. die physikalischen und ökologischen Eigenarten von Boden und Gewässern;

2. den Stand der Erkenntnisse über das Verhalten von Stickstoffverbindungen in der Umwelt (Boden und Gewässer);

3. den Stand der Erkenntnisse über die Auswirkungen der Maßnahmen im Sinne des Artikels 5."

3. Die – in Prüfung gezogene – Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 385/2017 lautet (von der Wiedergabe der – ebenso in Prüfung stehenden – Anlagen 1 bis 5 wird abgesehen):

"Auf Grund der §§55p und 133 Abs6 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), BGBl Nr 215, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 58/2017, wird verordnet:

Ziele und Begriffsbestimmungen

§1. (1) Ziel dieses Programms ist es, die durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verursachte oder ausgelöste Gewässerverunreinigung zu verringern und weiterer Gewässerverunreinigung dieser Art vorzubeugen.

(2) Für diese Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. Ackerflächen: für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen genutzte landwirtschaftliche Nutzflächen oder für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen verfügbare, aber brachliegende Flächen, unabhängig davon, ob sich diese Flächen unter Gewächshäusern oder anderen festen oder beweglichen Abdeckungen befinden.

2. Ackerfutterflächen: Ackerflächen mit den Kulturen Futtergräser, Wechselwiesen, Kleegras, Klee, Luzerne, Energiegräser und sonstiges Feldfutter mit mehrjährigen Kulturpflanzen.

3. bestockt: mit ein- oder mehrjährig auch verholzten Pflanzen bewachsen.

4. bodenbedeckender Bewuchs: im Boden verwurzelte lebende oder tote Pflanzen mit flächenhafter Bedeckung des Bodens.

5. Dauergrünland: landwirtschaftliche Nutzflächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden oder stillgelegt sind und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind.

6. Feldstück: eine im Bundesgebiet gelegene, eindeutig abgrenzbare Bewirtschaftungseinheit eines Betriebsinhabers mit nur einer Nutzungsart.

7. ganzjährig mit lebenden Pflanzen bewachsen: mit Dauergrünland, Ackerfutterflächen, Strauch oder Gehölz bepflanzt.

8. gut bestockt: mit ein- oder mehrjährig auch verholzten Pflanzen mit guter Flächendeckung bewachsen.

9. landwirtschaftliche Nutzflächen: Flächen, die als Ackerfläche, Dauergrünland oder als Obstanlage, Weingarten, Reb- und Baumschule, Forstbaumschule (auf Ackerflächen oder Dauergrünland), Energieholzfläche oder Christbaumfläche genutzt werden.

10. Mineralischer Dünger: Dünger, der Nährstoffe in anorganischer Form enthält, welche durch physikalische oder industrielle chemische Verfahren gewonnen werden; dazu zählen auch Kalkstickstoff, Harnstoff sowie seine Kondensate und Anlagerungsverbindungen.

11. Schlag: zusammenhängende landwirtschaftliche Nutzfläche eines Bewirtschafters, die mit einer Kulturart bebaut oder stillgelegt ist.

12. Stickstoff – in feldfallender Wirkung: ist Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerverluste sowie der Ausbringungsverluste. Die Stickstoffmenge aus Wirtschaftsdünger nach Abzug der Stall- und Lagerverluste ergibt sich gemäß Anlage 4. Die Ausbringungsverluste betragen für Gülle, Biogasgülle und Jauche 13%, für Stallmist und Kompost 9% des Stickstoffgehalts von Wirtschaftsdünger nach Abzug der Stall- und Lagerverluste. Der Stickstoff in mineralischen Düngemitteln gilt als Stickstoff in feldfallender Wirkung.

13. Stickstoff – jahreswirksam: ist das Produkt aus Stickstoff in feldfallender Wirkung und Faktor der Jahreswirksamkeit. Der Faktor der Jahreswirksamkeit beträgt für Stallmist 50%, für Rottemist 30%, für Kompost 10%, für Jauche 100%, für Rindergülle 70%, für Schweinegülle 80%, für Hühnergülle 85% und für mineralischen Dünger 100% des feldfallenden Stickstoffs. Der Faktor der Jahreswirksamkeit für Biogasgülle und Gärrückstände mit überwiegenden Anteilen aus tierischen Ausscheidungen entspricht dem Faktor des überwiegenden Anteils der tierischen Ausscheidung. Der Faktor der Jahreswirksamkeit für nicht entwässerten Klärschlamm (TM Gehalt 15%) entspricht dem Faktor für Rindergülle, für entwässerten Klärschlamm (TM Gehalt 15%) dem Faktor für Stallmist.

14. Wirtschaftsdünger: tierische Ausscheidungen (Stallmist, Jauche, Gülle) oder eine Mischung aus Einstreu und tierischen Ausscheidungen, auch in verarbeiteter Form.

Zeiträume, in denen stickstoffhältige Düngemittel nicht auf landwirtschaftlichen

Nutzflächen ausgebracht werden dürfen

§2. (1) Das Ausbringen von stickstoffhältigem mineralischen Dünger, Gülle, Biogasgülle, Gärrückständen, Jauche und nicht von Abs2 erfasstem Klärschlamm auf Dauergrünland und Ackerfutterflächen ist in der Zeit vom 30. November bis 15. Februar des Folgejahres, auf allen übrigen landwirtschaftlichen Nutzflächen – vorbehaltlich des dritten Absatzes – in der Zeit vom 15. Oktober bis zum 15. Februar des Folgejahres verboten. Abweichend davon beginnt der Verbotszeitraum für die Ausbringung solcher stickstoffhältiger Stoffe auf Ackerflächen, auf denen bis 15. Oktober eine Folgefrucht oder Zwischenfrucht angebaut worden ist, mit 15. November.

(2) Vorbehaltlich des dritten Absatzes ist das Ausbringen von Stallmist, Kompost, entwässertem Klärschlamm und Klärschlammkompost auf landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Zeit vom 30. November bis zum 15. Februar des Folgejahres verboten.

(3) Für frühanzubauende Kulturen wie Durumweizen und Sommergerste, für Gründeckungen mit frühem Stickstoffbedarf wie Raps und Wintergerste und für Kulturen unter Vlies oder Folie ist eine Düngung bereits ab 1. Februar zulässig.

(4) Weiterreichende Vorgaben gemäß §4 (Verbot der Ausbringung von stickstoffhältigen Düngemitteln auf wassergesättigten, gefrorenen und schneebedeckten Böden) und gemäß §7 (zeitliche und mengenmäßige bedarfsgerechte Düngung) sowie strengere Vorgaben in Schutz- und Schongebieten gemäß §§34 und 35 WRG 1959 bleiben unberührt.

(5) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann auf zeitgerechte und begründete Anregung des Landeshauptmannes mit Verordnung für Bezirke die in §2 bezeichneten Zeiträume, in denen stickstoffhältige Düngemittel nicht auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebracht werden dürfen, vorübergehend verändern, wenn

1. im betreffenden Gebiet die Niederschlagssumme im Zeitraum von 1. September bis 5. Oktober des laufenden Jahres zumindest 150% der langjährigen durchschnittlichen Niederschlagssumme für diesen Zeitraum beträgt,

2. die Anwendung von §2 Abs1 bis 3 unbillige Härten bewirken würde und

3. keine mehr als geringfügigen Auswirkungen auf Gewässer zu erwarten sind.

Die Anregung des Landeshauptmannes ist zeitgerecht und begründet, wenn sie spätestens fünf Werktage vor dem Beginn des Verbotszeitraums beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft einlangt und eine kurze fachlich nachvollziehbare und schlüssige schriftliche Darstellung zu den im ersten Satz angeführten Anforderungen enthält. Eine derartige Regelung tritt, sofern nicht in der Verordnung ein früherer Zeitpunkt angegeben ist, mit Ablauf des nächstfolgenden 15. Februar außer Kraft.

(6) Das Ausbringen stickstoffhältiger Düngemittel ab dem in Abs1 oder 2 genannten Beginn des Verbotszeitraums bis zu dem aufgrund einer Verordnung gemäß Abs5 vorübergehend geänderten Beginn des Verbotszeitraums ist der Behörde umgehend unter Bezeichnung des Betriebs und des Schlags (bzw des Feldstücks), auf dem Düngemittel ausgebracht werden sollen, zu melden. Über die Bewirtschaftung innerhalb dieses Zeitraums sind folgende Aufzeichnungen zu führen und der Behörde zu übermitteln:

1. Bezeichnung der nach der Ernte angebauten Kultur sowie Bezeichnung und Größe des Schlages bzw des Feldstückes, auf dem stickstoffhältige Düngemittel ausgebracht wurden,

2. Datum von Ernte der Hauptfrucht und Datum des Anbaus einer Folgefrucht auf dem Schlag bzw dem Feldstück sowie

3. Art und Menge der auf dem Schlag bzw Feldstück nach der Ernte der Hauptfrucht ausgebrachten Düngemittel, die Menge des darin enthaltenen jahreswirksamen Stickstoffs sowie das Datum der Ausbringung.

Die Meldungen und die Beurteilung der Auswirkungen auf die Gewässer sind vom Landeshauptmann bis 30. Juni des Folgejahrs im Internet zu veröffentlichen.

Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf stark geneigten

landwirtschaftlichen Nutzflächen

§3. (1) Das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln und von Klärschlamm auf einem Schlag, der in dem zur Böschungsoberkante des Gewässers angrenzenden Bereich von 20 m eine durchschnittliche Neigung von mehr als 10% aufweist, darf nur unter Einhaltung der Abs2 bis 4 erfolgen.

(2) Das Ausbringen stickstoffhältiger Düngemittel – ausgenommen Stallmist und Kompost – in derartigen Hanglagen hat bei einer Gesamtstickstoffgabe von mehr als 100 kg Stickstoff in feldfallender Wirkung pro ha jedenfalls in Teilgaben zu erfolgen. Unmittelbar vor dem Anbau dürfen stickstoffhältige Düngemittel bis höchstens 100 kg Stickstoff in feldfallender Wirkung pro ha ausgebracht werden und sind gemäß §7 Abs4 einzuarbeiten.

(3) Bei Kulturen mit besonders später Frühjahrsentwicklung (Rübe, Kartoffel, Mais, Sojabohne, Hirse und Sonnenblume) gilt zusätzlich zu den in Abs2 genannten Bestimmungen folgendes:

1. der Hang zum Gewässer ist durch Querstreifeneinsaat, Quergräben mit bodendeckendem Bewuchs oder sonstige gleichwertige Maßnahmen so in Teilstücke zu untergliedern, dass eine Abschwemmung des Düngers vermieden wird oder,

2. zwischen der zur Düngung vorgesehenen Ackerfläche und dem Gewässer hat ein mindestens 20 Meter breiter gut bestockter Streifen vorhanden zu sein oder,

3. der Anbau hat quer zum Hang oder mit anderen abschwemmungshemmenden Anbauverfahren (zB Schlitzsaat) zu erfolgen, oder

4. die Flächen sind über den Winter bestockt zu halten.

(4) Die Abs1 bis 3 gelten nicht für Schläge kleiner als ein Hektar in Berggebieten gemäß Artikel 32 der Verordnung (EG) Nr 1305/2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1698/2005, ABl. Nr L 347/487 vom 20.12.2013 S. 487, im alpinen Raum.

Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf wassergesättigten,

überschwemmten, gefrorenen oder schneebedeckten Böden

§4. (1) Auf gefrorenen Böden und auf allen wassergesättigten oder überschwemmten Böden sowie auf schneebedeckten Böden ist eine Düngung mit stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht zulässig.

(2) Wassergesättigt ist ein Boden, dessen Wasseraufnahmefähigkeit erschöpft ist.

(3) Ein schneebedeckter Boden liegt vor, wenn zum Zeitpunkt der Ausbringung von stickstoffhältigen Düngemitteln weniger als die Hälfte des Bodens des Schlages schneefrei ist.

Bedingungen für das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf

landwirtschaftlichen Nutzflächen in der Nähe von Wasserläufen

§5. (1) Bei der Düngung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen entlang von Oberflächengewässern ist

1. ein direkter Eintrag von Nährstoffen in oberirdische Gewässer durch Einhaltung eines im Folgenden angeführten Abstandes zwischen dem Rand der durch die Streubreite bestimmten Ausbringungsfläche und der Böschungsoberkante des jeweiligen oberirdischen Gewässers zu vermeiden und

2. dafür zu sorgen, dass kein Abschwemmen in oberirdische Gewässer erfolgt.

Wenn eine natürliche Böschungsoberkante nicht eindeutig erkennbar ist, so ist der im Folgenden angeführte Abstand zwischen dem Rand der durch die Streubreite bestimmten Ausbringungsfläche und der Anschlagslinie des Wasserspiegels bei Mittelwasser zuzüglich weiterer drei Meter einzuhalten.

(2) Der in Abs1 Z1 bezeichnete Abstand hat zu betragen:

*wenn es sich bei der an die Böschungsoberkante des Fließgewässers angrenzenden Fläche um einen ein Hektar nicht überschreitenden schmalen Schlag in Gewässerrichtung mit einer Breite von höchstens 50 Metern handelt, oder das Gewässer einen Entwässerungsgraben darstellt

Fassungsvermögen und Bauweise von Behältern zur Lagerung von

Wirtschaftsdünger

§6. (1) Die Lagerkapazität von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger und für die Lagerung von Stallmist auf technisch dichten Flächen mit geregeltem Abfluss der Sickersäfte in eine flüssigkeitsdichte Gülle , Jauche- oder Sammelgrube hat für jeden Betrieb einen Lagerungszeitraum von mindestens sechs Monaten abzudecken. Sofern die Lagerkapazität diesen Zeitraum nicht abdeckt, ist das Vorhandensein von ausreichendem Lagerraum über bestehende Betriebskooperationen, Güllebanken, Biogasanlagen oder andere umweltgerechte Verwertungen nachzuweisen. In diesem Ausmaß darf die Lagerkapazität verringert werden. Sie hat jedoch auch in diesen Fällen mindestens zwei Monate zu betragen. Nachweise für die über Abgaben von Wirtschaftsdünger geschlossenen Vereinbarungen sind sieben Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde vorzulegen.

(2) Soweit Stallmist auf Feldmieten zwischengelagert wird, kann das Ausmaß an Lagerkapazität für Stallmist für Betriebe mit einem Stickstoffanfall von bis zu 1 800 kg Stickstoff pro Jahr nach Abzug der Stall- und Lagerverluste entsprechend der Tabelle in Anlage 4 aliquot vermindert werden; das Mindestausmaß an technisch dichter Lagerfläche für Stallmist hat drei Monate zu betragen.

(3) Die Ermittlung der Bemessung des Fassungsraumes von Behältern und der Bemessung von Düngerlagerstätten hat entsprechend Anlage 1 zu erfolgen. Dabei können Zeiten, in denen das Vieh vom 1. Oktober bis 1. April des Folgejahres nicht im Stall steht, durch aliquote Abschläge berücksichtigt werden.

(4) Weitergehende Regelungen hinsichtlich des Fassungsvermögens von Behältern zur Lagerung von Wirtschaftsdünger in wasserrechtlich besonders geschützten Gebieten bleiben von den Festlegungen der Absätze 1 bis 3 unberührt.

(5) In technischer Hinsicht sind bei der Neuerrichtung und beim Umbau von in Abs1 genannten Anlagen allgemein anerkannte Richtlinien oder Merkblätter zu berücksichtigen. Im Falle der Neuerrichtung bzw beim Umbau von Anlagen zur Lagerung von flüssigem Wirtschaftsdünger ist ein nach Maßgabe der jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen erforderlicher Nachweis über die Funktionsweise bereitzuhalten und auf Verlangen der Behörde vorzulegen.

(6) Eine den Zeitraum von fünf Tagen übersteigende Zwischenlagerung von Stallmist in Form von Feldmieten ohne befestigte Bodenplatte darf auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nur erfolgen, wenn

1. die Verbringung des Stallmistes vom Hof frühestens nach drei Monaten erfolgt,

2. die Feldmiete mindestens 25 m von Oberflächengewässern einschließlich Entwässerungsgräben entfernt ist und auf möglichst flachem, nicht sandigen Boden gelagert wird,

3. an der betreffenden Stelle seit mindestens einem Jahr keine Feldmiete angelegt war,

4. keine Gefahr einer Gewässerverunreinigung durch das Abfließen des Sickersaftes in ein Oberflächengewässer einschließlich Entwässerungsgräben besteht,

5. es sich nicht um staunasse Böden handelt,

6. der Mindestabstand zwischen dem Grundwasserspiegel und der Geländeoberkante mehr als einen Meter beträgt,

7. spätestens nach acht Monaten – bei Schaf- und Ziegen , Lama- und Alpacamist sowie bei Pferdemist spätestens nach zwölf Monaten – eine Räumung mit landwirtschaftlicher Verwertung erfolgt und

8. der Stickstoffgehalt im zwischengelagerten Stallmist insgesamt nicht jene Menge an Stickstoff übersteigt, die auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebes, auf der sich die Feldmiete befindet oder die an die Feldmiete unmittelbar angrenzt, unter Einhaltung der in den §§7 und 8 festgeschriebenen Höchstgrenzen ausgebracht werden darf.

Stallmist von Küken und Junghennen für Legezwecke unter einem halben Jahr sowie von Legehennen und Hähnen darf nicht in Form von Feldmieten zwischengelagert werden

Verfahren für das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf

landwirtschaftlichen Nutzflächen

§7. (1) Stickstoffdünger sind zeitlich und mengenmäßig bedarfsgerecht auszubringen. Stickstoffgaben von mehr als 100 kg Nitrat N, Ammonium N oder Amid N je Hektar und Jahr aus mineralischen Düngemitteln sowie mehr als 100 kg Ammonium je Hektar und Jahr aus Wirtschaftsdüngern in feldfallender Wirkung, sonstigen organischen Düngern oder Klärschlamm sind zu teilen. Die Berechnung des Ammoniumanteils aus Wirtschaftsdüngern, sonstigen organischen Düngern oder Klärschlamm erfolgt gemäß Anlage 2. Ausgenommen von der Gabenteilung sind stickstoffhältige Düngemittel mit physikalisch oder chemisch verzögerter Stickstofffreisetzung und Stickstoffgaben bei Hackfrüchten und Gemüsekulturen, wenn der Boden eine mittlere bis hohe Sorptionskraft – dh einen mehr als 15% igen Tonanteil – aufweist. Die Bemessung der bedarfsgerechten Stickstoffdüngung hat sowohl in zeitlicher als auch mengenmäßiger Hinsicht auf Basis von Beratungsunterlagen oder Empfehlungen kompetenter Stellen wie insbesondere der Landwirtschaftskammern oder durch Anwendung von Düngungsrichtlinien des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, oder mit Hilfe sonstiger geeigneter Unterlagen und Hilfsmittel zu erfolgen. Durch die in §2 Abs1 genannten stickstoffhältigen Düngemittel dürfen

1. auf Ackerflächen nach der Ernte der letzten Hauptfrucht bis zum Beginn des jeweiligen Verbotszeitraums,

2. auf Dauergrünland und Ackerfutterflächen in der Zeit vom 1. Oktober bis zum Beginn des jeweiligen Verbotszeitraums oder

3. auf durch Auftauen am Tag des Aufbringens aufnahmefähige Böden, die nicht wassergesättigt sind und eine lebende Pflanzendecke aufweisen,

nicht mehr als 60 kg Stickstoff in feldfallender Wirkung pro Hektar ausgebracht werden.

(2) Bei der Düngung ist auf die Genauigkeit der Düngerverteilung auf die Fläche entsprechend nachfolgenden Bestimmungen sorgfältig zu achten.

1. Geräte zum Ausbringen der Düngemittel müssen eine sachgerechte Mengenbemessung und Verteilung gewährleisten.

2. Bei der Auswahl der Geräte ist hinsichtlich des Bodendrucks auf die Gelände- und Bodenbeschaffenheit angemessen Rücksicht zu nehmen.

(3) Die Ausbringung von stickstoffhältigen Düngemitteln und Klärschlamm – ausgenommen Mist, Kompost, Carbokalk, entwässertem Klärschlamm und Klärschlammkompost – darf nur auf einer lebenden Pflanzendecke oder unmittelbar vor der Feldbestellung erfolgen.

(4) Die Einarbeitung im Zuge der Ausbringung von Gülle, Jauche und Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Nutzflächen ohne Bodenbedeckung hat möglichst binnen vier Stunden zu erfolgen, zumindest jedoch während des auf die Ausbringung folgenden Tages.

(5) Über die Bewirtschaftung sind – vorbehaltlich der folgenden Absätze – folgende Aufzeichnungen zu führen:

1. die Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebes und der landwirtschaftlichen Nutzfläche, auf der stickstoffhältige Düngemittel ausgebracht wurden;

2. die Stickstoffmenge aus Wirtschaftsdünger nach Abzug der Stall- und Lagerverluste gemäß Anlage 4, die

a) am Betrieb anfiel,

b) an andere Betriebe abgegeben oder von anderen Betrieben übernommen wurde und

c) auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Betriebs ausgebracht wurde;

3. die auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgebrachte Stickstoffmenge aus Wirtschaftsdünger, organischem Dünger und Mineraldünger in feldfallender Wirkung (dh nach Abzug der Ausbringungsverluste) und als jahreswirksame Menge (dh die im Jahr der Anwendung wirksame Stickstoffmenge);

4. der Stickstoffbedarf der angebauten Kulturen entsprechend der Ertragslage gemäß Anlage 3 unter Berücksichtigung des aus der Vorfrucht zur Verfügung stehenden Stickstoffs sowie die Größe der jeweiligen Anbauflächen.

(6) Abs5 ist nicht auf Betriebe anzuwenden,

1. deren gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche (ohne Einrechnung von Almen und Gemeinschaftsweiden) höchstens fünfzehn Hektar beträgt, sofern auf weniger als zwei Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche Gemüse angebaut wird, oder

2. bei denen mehr als 90% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (ohne Einrechnung von Almen und Gemeinschaftsweiden) als Dauergrünland oder Ackerfutterfläche genutzt wird.

Für Almflächen und Gemeinschaftsweiden sind keine Aufzeichnungen zu führen.

(7) Die Aufzeichnungen gemäß Abs5 sind bis spätestens 31. März für das jeweils vorangegangene Kalenderjahr zu führen. Die Aufzeichnungen sind sieben Jahre ab Ablauf des Kalenderjahres aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde zu übermitteln

Begrenzung für das Ausbringen von stickstoffhältigen Düngemitteln auf

landwirtschaftlichen Nutzflächen

§8. (1) Die jahreswirksame Stickstoffausbringungsmenge an stickstoffhältigen Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Nutzflächen darf die in Anlage 3 entsprechend der Ertragslage festgelegten Mengenbegrenzungen nicht überschreiten.

(2) Der auf den Boden ausgebrachte Wirtschaftsdünger, einschließlich des von den Tieren selbst ausgebrachten Dungs, darf im Durchschnitt der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebes jene Menge nicht überschreiten, die 170 kg Stickstoff nach Abzug der Stall- und Lagerverluste je Hektar und Jahr beträgt. Die Berechnung des aus Wirtschaftsdünger anfallenden Stickstoffs erfolgt entsprechend der Tabelle in Anlage 4.

(3) Eine Bewilligungspflicht gemäß §32 Abs2 litf WRG 1959 bzw weitergehende Regelungen hinsichtlich des Ausbringens von Stickstoffdüngemitteln in wasserrechtlich besonders geschützten Gebieten oder nach bodenschutzrechtlichen Vorgaben bleiben unberührt.

Verstärkte Aktionen für in Gebieten gemäß Anlage 5 gelegene Betriebe

§9. (1) Die Lagerkapazität von Behältern zur Lagerung von flüssigem Wirtschaftsdünger hat für jeden in Gebieten gemäß Anlage 5 gelegenen Betrieb mit einem Stickstoffanfall aus der Schweinehaltung von mehr als 100 kg pro Jahr nach Abzug der Stall- und Lagerverluste (Anlage 4) einen Lagerungszeitraum von mindestens zehn Monaten abzudecken, wenn die Anlage nach dem 1. Jänner 2019 errichtet wird.

(2) Die Lagerkapazität von Behältern zur Lagerung von flüssigem Wirtschaftsdünger für in Gebieten gemäß Anlage 5 gelegene Betriebe mit einem Stickstoffanfall von mehr als 1 000 kg pro Jahr aus flüssigem Wirtschaftsdünger (Gülle, Jauche) nach Abzug der Stall- und Lagerverluste (Anlage 4),

1. bei denen auf mehr als 60% der landwirtschaftlichen Nutzflächen (ohne Einrechnung von Almen und Gemeinschaftsweiden) Mais angebaut wird oder

2. die keine landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaften oder einen Stickstoffanfall von mehr als 250 kg je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche (ohne Einrechnung von Almen und Gemeinschaftsweiden) nach Abzug der Stall- und Lagerverluste entsprechend der Tabelle in Anlage 4 aufweisen,

hat ab dem 1. Jänner 2021 einen Lagerungszeitraum von mindestens zehn Monaten abzudecken.

(3) Sofern die Lagerkapazität den gemäß Abs1 und 2 erforderlichen Zeitraum nicht abdeckt, ist das Vorhandensein von ausreichendem Lagerraum über bestehende Betriebskooperationen, Güllebanken, Biogasanlagen oder andere umweltgerechte Verwertungen nachzuweisen. In diesem Ausmaß darf die Lagerkapazität verringert werden. Sie hat jedoch auch in diesen Fällen mindestens sechs Monate zu betragen. Nachweise für die über Abgaben von Wirtschaftsdünger geschlossenen Vereinbarungen sind sieben Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde vorzulegen.

(4) Auf in Gebieten gemäß Anlage 5 gelegene Betriebe ist §7 Abs5 – in Abweichung von §7 Abs6 – anzuwenden, wenn

1. auf mindestens zwei Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche Gemüse angebaut wird oder deren gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche (ohne Einrechnung von Almen und Gemeinschaftsweiden) mindestens fünf Hektar beträgt und

2. weniger als 90% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche (ohne Einrechnung von Almen und Gemeinschaftsweiden) als Dauergrünland oder Ackerfutterfläche genutzt wird.

(5) In Gebieten gemäß Anlage 5 gelegene Betriebe, bei denen auf mehr als zwei Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche Gemüse angebaut wird oder die mehr als fünf Hektar Ackerflächen bewirtschaften, haben für die bewirtschafteten Ackerflächen ergänzend zu den Vorgaben gemäß §7 Abs5 folgende Aufzeichnungen zu führen:

1. Bezeichnung und Größe des Schlages bzw des Feldstückes, auf dem stickstoffhältige Düngemittel ausgebracht wurden, sowie der angebauten Kultur,

2. Art und Menge der auf dem Schlag bzw Feldstück ausgebrachten Düngemittel, der darin enthaltenen jahreswirksamen Stickstoffmenge sowie das Datum der Ausbringung und

3. Datum von Anbau und Ernte der auf dem Schlag bzw dem Feldstück angebauten Kultur sowie die Ertragslage des Schlages bzw des Feldstückes.

Diese Aufzeichnungen können für vergleichbare Schläge zusammengefasst werden. Die Aufzeichnungen sind jeweils zeitnah, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach der Ausbringung des Stickstoffs, des Anbaus oder der Ernte zu führen. Die Aufzeichnungen sind sieben Jahre ab Ablauf des Kalenderjahres aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde zu übermitteln.

(6) In Gebieten gemäß Anlage 5 gelegene Betriebe haben für nach dem 1. Jänner 2018 angelegte Zwischenlagerungen von Stallmist in Form von Feldmieten den Zeitpunkt der Errichtung, die Bezeichnung des Schlages bzw des Feldstückes sowie den Zeitpunkt der Räumung aufzuzeichnen. Aufzeichnungen sind jeweils innerhalb von 14 Tagen durchzuführen, sieben Jahre ab Ablauf des Kalenderjahres aufzubewahren und auf Verlangen der Behörde zu übermitteln.

Umsetzungsklausel

§10. Durch dieses Programm wird die Richtlinie 91/676/EWG des Rates zum Schutz der Gewässer vor Nitratverunreinigungen vom 12. Dezember 1991 umgesetzt.

Inkrafttreten

§11. (1) Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Kundmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung in Kraft.

(2) Mit dem im ersten Absatz bezeichneten Zeitpunkt tritt die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm 2003 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 5./6. Dezember 2003, Nr 235, zuletzt geändert durch die Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 23. März 2006, Nr 57, tritt mit Ablauf des 30. Jänner 2008 außer Kraft.

(3) §2 Abs6 in der Fassung BGBl II Nr 260/2014, tritt mit Ablauf des 16. November 2014 außer Kraft.

(4) §2 Abs1 dritter Satz in der Fassung BGBl II Nr 319/2015, tritt mit Ablauf des 16. Februar 2016 außer Kraft.

(5) Die Verordnung BGBl II Nr 385/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft.

Anlage 1

Wirtschaftsdüngeranfallsmengen für 6 Monate je Stallplatz in m³ bei verschiedenen Entmistungssystemen

[…]

Anlage 2

Ammoniumanteil von Wirtschaftsdüngern, sonstigen organischen Düngern oder Klärschlamm

[…]

Anlage 3

Mengenbegrenzung der auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen ausgebrachten, jahreswirksamen Stickstoffmenge

[…]

Anlage 4

Stickstoffanfall nach Abzug der Stall- und Lagerverluste

[…]

Anlage 5

Gebiete mit verstärkten Aktionen gemäß Art5 Abs5 der Richtlinie 91/676/EWG des Rates zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen

[…]"

4. §12 der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft über das Aktionsprogramm zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen (Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung – NAPV), Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 386/2022 lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Inkrafttreten

§12. (1) – (5) […]

(6) §2 Abs5 und 6 in der Fassung BGBl II Nr 385/2017 treten am Tag nach der Kundmachung des BGBl II Nr 386/2022 außer Kraft.

(7) Die Verordnung BGBl II Nr 386/2022 tritt mit 1. Jänner 2023 in Kraft. Auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, auf denen vor dem 1. Jänner 2023 eine Hauptkultur angebaut worden ist, sind spätestens innerhalb von vier Wochen nach Ernte dieser Hauptkultur alle Maßnahmen zu setzen, damit diese Flächen ehestmöglich einen Bewuchs oder eine Bepflanzung im Sinne des §5 Abs2 erster Satz aufweisen. Auf allen anderen landwirtschaftlichen Nutzflächen, bei denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung ein Bewuchs oder eine Bepflanzung im Sinne des §5 Abs2 erster Satz nicht vorhanden ist, müssen ehestmöglich, längstens aber bis zum 15. Mai 2023, alle Maßnahmen gesetzt werden, damit diese Flächen eine entsprechende Bepflanzung oder einen Bewuchs aufweisen."

III. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Das Verwaltungsgericht Wien hätte bei der Erlassung der angefochtenen Entscheidung die in Prüfung gezogene Verordnung zumindest denkmöglich anzuwenden gehabt und dementsprechend hätte auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen bei seiner Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden.

Dass der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft mit der Novelle BGBl II 386/2022, die im Wesentlichen am 1. Jänner 2023 in Kraft tritt, die NAPV 2017 geändert hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:

2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtes Wien mit Urteil vom 3. Oktober 2019, Rs. C 197/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua , zusammenfassend festgestellt, Art288 AEUV sowie Art5 Abs4 und 5 und Anhang I Punkt A der Nitrat-Richtlinie seien dahin auszulegen, dass natürliche und juristische Personen wie die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien von den zuständigen nationalen Behörden verlangen können müssen, dass diese ein bestehendes Aktionsprogramm ändern oder zusätzliche Maßnahmen oder verstärkte Aktionen gemäß Art5 Abs5 Nitrat-Richtlinie erlassen, solange der Nitratgehalt im Grundwasser ohne solche Maßnahmen an einer Messstelle oder mehreren Messstellen im Sinne des Art5 Abs6 Nitrat-Richtlinie den Schwellenwert von 50 mg/l überschreitet oder zu überschreiten droht.

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union haben die im Anlassfall beschwerdeführenden Parteien einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Erlassung entsprechender Maßnahmen, wie etwa die Aufhebung oder Änderung der NAPV 2017.

2.2. Urteile, die im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art267 AEUV ergehen, sind jedenfalls für alle mit dem Ausgangsverfahren befassten, aber auch für sonstige Behörden oder Gerichte bindend, welche dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden haben (zB EuGH 24.6.1969, Rs. C 29/68, Milch , Fett und Eierkontor , Rz 2; 11.12.1997, Rs. C 246/96, Magorrian , Rz 30; vgl auch Öhlinger/Potacs , EU Recht und staatliches Recht 7 , 2020, 85 f.).

Die staatlichen Behörden sind verpflichtet, einen unionsrechtskonformen Rechtszustand herzustellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union verbleibt den Behörden die Wahl der zu ergreifenden Maßnahmen; die von den Behörden gesetzten Maßnahmen müssen aber dafür sorgen, dass das nationale Recht so schnell wie möglich mit dem Unionsrecht in Einklang gebracht und den Rechten, die dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsen, die volle Wirksamkeit verschafft wird (EuGH 21.6.2007, Rs. C 231/06, C 232/06 und C 233/06, Jonkmann , Rz 38). Soweit unionsrechtliche Vorschriften in Bezug auf die Modalitäten der gerichtlichen Kontrolle fehlen, kommt es der innerstaatlichen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaates zu, diese Modalitäten in Einklang mit dem Grundsatz der Verfahrensautonomie zu regeln, wobei diese nach dem Äquivalenzgrundsatz nicht ungünstiger sein dürfen als die Modalitäten von gleichartigen Verfahren, die für innerstaatliches Recht gelten, und nach dem Effektivitätsgrundsatz die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (EuGH 16.12.1976, Rs. C 33/76, Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral , Rz 5; 27.6.2013, Rs. C 93/12, Agrokonsulting , Rz 35 f.; 22.2.2018, Rs. C 572/16, INEOS Köln , Rz 42).

2.3. Gemäß §55p Abs1 WRG 1959 ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) verpflichtet, "durch Verordnung Programme zur schrittweisen Reduzierung und Verhinderung der weiteren Verschmutzung der Gewässer (§30) durch direkte oder indirekte Ableitungen von Stickstoffverbindungen aus landwirtschaftlichen Quellen zu erlassen". Die im Rahmen dieser Programme zu ergreifenden Maßnahmen, Verfahren und Verhaltensweisen sowie deren Zielsetzungen werden in §55p Abs1 und 2 WRG 1959 näher beschrieben.

2.4. Die Verordnungsermächtigung in §55p WRG 1959 verpflichtet den Verordnungsgeber, die Vorgaben der Nitrat-Richtlinie umzusetzen. §55p WRG 1959 ist insbesondere im Hinblick auf die NAPV 2017 vom Verordnungsgeber richtlinienkonform, daher im Lichte der Nitrat-Richtlinie und deren Zielsetzung folgend auszulegen (VfSlg 14.391/1995). Der Verordnungsgeber hat bei der Auslegung der Vorgaben der Nitrat-Richtlinie die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (insbesondere EuGH, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua , sowie im Hinblick auf das Effektivitätsgebot EuGH 1.12.1998, Rs. C 326/96, Levez ) zu beachten.

§55p Abs1 WRG 1959 verpflichtet in der vorliegenden Konstellation auf Grund des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Union den zuständigen Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft dazu, Maßnahmen zu setzen, um die Überschreitung des in der Nitrat-Richtlinie festgelegten Schwellenwertes für den Nitratgehalt von 50 mg/l zu reduzieren bzw die Überschreitung dieses Schwellenwertes zu verhindern und damit die in den unionsrechtlichen Vorschriften gewährleisteten subjektiven Rechte umzusetzen.

Da der nach §55p Abs1 WRG 1959 zur Verordnungserlassung berufene Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (nun: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) mit seiner Verpflichtung zur Umsetzung der Nitrat-Richtlinie seit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Oktober 2019, Rs. C 179/18, Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland ua , säumig und seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, verstößt die in Prüfung gezogene Verordnung gegen §55p Abs1 WRG 1959.

2.5. Entgegen dem Vorbringen des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft ändert an der Gesetzwidrigkeit auch nichts, dass er die NAPV 2017 mit der Novelle BGBl II 386/2022 einer Änderung unterzogen hat, die im Wesentlichen mit 1. Jänner 2023 in Kraft tritt. Die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft gesetzten Schritte vermögen insbesondere vor dem Hintergrund des Zeitablaufes die Säumnis im Hinblick auf die geltende Verordnung nicht zu beseitigen.

Die bestehende Gesetzwidrigkeit der NAPV 2017 kann nur durch die Aufhebung der gesamten Verordnung beseitigt werden. Dem Verordnungsgeber stehen zur Umsetzung seiner im Lichte des Unionsrechts bestehenden Verpflichtungen gemäß §55p Abs1 WRG 1959 unterschiedliche Maßnahmen zur Verfügung. Eine Aufhebung einzelner Bestimmungen der Verordnung könnte eine Präformation der Entscheidung des Verordnungsgebers bewirken, die dem Verfassungsgerichtshof nicht zukommt. Zudem lässt auch der innere Zusammenhang der Verordnungsbestimmungen vor dem Hintergrund der umzusetzenden unionsrechtlichen Verpflichtungen eine Aufhebung einzelner Bestimmungen nicht zu.

Dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft steht es frei, neue bzw bereits in der NAPV 2017 enthaltene Bestimmungen, die für die Herstellung eines gesetzeskonformen Zustandes notwendig sind, zu erlassen. Eine Prüfung, inwieweit die Novelle BGBl II 386/2022, die mit 1. Jänner 2023 in Kraft tritt, §55p Abs1 WRG 1959 entspricht, ist dem Verfassungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren verwehrt.

IV. Ergebnis

1. Die Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 385/2017 ist daher wegen Verstoßes gegen §55p Abs1 WRG 1959 als gesetzwidrig aufzuheben. §2 Abs5 und 6 der Nitrat-Aktionsprogramm-Verordnung, Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 29. September 1999, Nr 188, idF BGBl II 385/2017 sind gemäß §12 Abs5 NAPV idF BGBl II 386/2022 mit 21. Oktober 2022 außer Kraft getreten. Der Verfassungsgerichtshof hat sich daher diesbezüglich auf die Feststellung zu beschränken, dass diese Bestimmungen gesetzwidrig waren (Art139 Abs4 B VG).

2. Die Verpflichtung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung bzw der Feststellung der Gesetzwidrigkeit erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z4 BGBlG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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