JudikaturVfGH

V148/2022 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
30. November 2022

Spruch

I. Der Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung der die Arzneispezialität Maviret betreffenden Wortfolge in der 207. Änderung des Erstattungskodex des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger wird abgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Anträge als unzulässig zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1. Gestützt auf Art139 Abs1 Z3 B VG, begehrt die antragstellende Gesellschaft mit ihrem zu V1/2022 protokollierten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge

"die Wort-, Zeichen- und Satzfolge

in Pkt. B5 (Streichung von im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten) der 207. Änderung des Erstattungskodex, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr 77/2021 am 23.12.2021, […]

in eventu

[…] Pkt. B5 (Streichung von im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten) der 207. Änderung des Erstattungskodex, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr 77/2021 am 23.12.2021" kostenpflichtig als gesetzwidrig aufheben sowie gemäß §20a VfGG die einstweilige Anordnung erlassen, mit der dem Dachverband der Sozialversicherungsträger aufgetragen wird, die Streichung von Maviret aus dem Erstattungskodex unverzüglich rückgängig zu machen und die Streichung bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in der Hauptsache zu unterlassen.

2. Mit dem zu V148, 149/2022 protokollierten, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, der Verfassungsgerichtshof möge "feststellen, dass

Hauptantrag

a) folgender Wortlaut der Verordnung des Dachverbandes, 207. Änderung des Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 77/2021, gesetzwidrig ist:"

[…]

"b) der Bestandteil 'Die Aufnahme ist befristet und endet mit 31.12.2021.' des folgenden Wortlauts der Verordnung des Dachverbandes, 189. Änderung des Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 71/2020, gesetzwidrig war:"

"in eventu

c) auch der Bestandteil 'Die Aufnahme ist befristet und endet mit 31.12.2019.' des folgenden Wortlauts der Verordnung des Dachverbandes, 159. Änderung des Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 171/2017, gesetzwidrig war:"

[…]

II. Rechtslage

1. §30, §30a, §30b, §350, §351c, §351d, §351e, §351f, §351g, §351h und §351i

des Bundesgesetzes vom 9. September 1955 über die Allgemeine Sozialversicherung (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG), BGBl 189/1955, idF BGBl I 100/2018 (§30, §351d, §351e, §351f, §351g, §351h und §351i), BGBl I 5/2020 (§30b), BGBl I 30/2022 (§350), BGBl I 42/2022 (§351c) und BGBl I 176/2022 (§30a), lauten (auszugsweise):

"Dachverband der Sozialversicherungsträger

Aufgaben

§30. (1) Die in den §§23 bis 25 bezeichneten Versicherungsträger und die Träger der im §2 Abs2 bezeichneten Sonderversicherungen gehören dem Dachverband der Sozialversicherungsträger (im Folgenden kurz Dachverband genannt) an.

(2) Dem Dachverband obliegt

1. die Beschlussfassung von Richtlinien zur Förderung der Zweckmäßigkeit und Einheitlichkeit der Vollzugspraxis der Sozialversicherungsträger;

2. die Koordination der Vollziehungstätigkeit der Sozialversicherungsträger;

3. die Wahrnehmung trägerübergreifender Verwaltungsaufgaben im Bereich der Sozialversicherung.

(3) Die vom Dachverband beschlossenen Richtlinien und im Rahmen seines gesetzlichen Wirkungskreises gefassten Beschlüsse sind für die dem Dachverband angehörenden Versicherungsträger verbindlich.

Beschlussfassung von Richtlinien

§30a. (1) Zur Förderung der Zweckmäßigkeit und der Einheitlichkeit der Vollzugspraxis der Sozialversicherungsträger sind folgende Richtlinien zu beschließen:

[…]

12. über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen; in diesen Richtlinien, die für die Vertragspartner/innen (§§338 ff) verbindlich sind, soll insbesondere auch unter Bedachtnahme auf die Art und Dauer der Erkrankung bestimmt werden, inwieweit Arzneispezialitäten für Rechnung der Sozialversicherungsträger abgegeben werden können; für Arzneispezialitäten im gelben Bereich des Erstattungskodex, die an Stelle der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes einer nachfolgenden Kontrolle unterliegen, ist in diesen Richtlinien eine einheitliche Dokumentation unter Beachtung einer Rahmenvereinbarung oder Verordnung nach §609 Abs9 festzulegen; durch die Richtlinien darf der Heilzweck nicht gefährdet werden; die Richtlinien sind vom Dachverband im übertragenen Wirkungsbereich zu erlassen; bei der Erlassung unterliegt der Dachverband den Weisungen der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz;

[…]

Koordination der Vollziehungstätigkeit

§30b. (1) Zur zentralen Erbringung von Dienstleistungen für die Sozialversicherungsträger gehören:

[…]

4. die Herausgabe eines Erstattungskodex der Sozialversicherung für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich; in dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten und Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs2) annehmen lassen. Die Arzneispezialitäten sind nach dem anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (ATC-Code) zu ordnen. Sie sind im Erstattungskodex jeweils einem der folgenden Bereiche zuzuordnen:

a) Roter Bereich (red box): Dieser Bereich beinhaltet zeitlich befristet jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und für deren Aufnahme in den Erstattungskodex ein Antrag nach §351c Abs1 gestellt wurde. Sie unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien nach §30a Abs1 Z12. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

b) Gelber Bereich (yellow box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten und Patientinnen aufweisen und die aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den grünen Bereich aufgenommen werden. Arzneispezialitäten dieses Bereiches unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien nach §30a Abs1 Z12. Bezieht sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesen Bereich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en, Mengenbegrenzung oder Darreichungsform), kann die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes durch eine nachfolgende Kontrolle der Einhaltung der bestimmten Verwendung ersetzt werden. Zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit darf einem Sozialversicherungsträger für eine Arzneispezialität dieses Bereiches höchstens der ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden.

c) Grüner Bereich (green box): Dieser Bereich beinhaltet jene Arzneispezialitäten, deren Abgabe ohne ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist. Die Aufnahme von Arzneispezialitäten in diesem Bereich kann sich auch auf bestimmte Verwendungen (zB Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en oder Darreichungsform) beziehen.

d) Die Stoffe für magistrale Zubereitungen gelten als Teil des grünen Bereiches, es sei denn, sie werden auf Grund einer Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausdrücklich im gelben Bereich angeführt.

Arzneispezialitäten und Stoffe für magistrale Zubereitungen können nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§350). In begründeten Einzelfällen ist die Erstattungsfähigkeit auch dann gegeben, wenn die Arzneispezialität nicht im Erstattungskodex angeführt ist, aber die Behandlung aus zwingenden therapeutische Gründen notwendig ist und damit die Verschreibung in diesen Einzelfällen nicht mit Arzneispezialitäten aus dem Erstattungskodex durchgeführt werden kann. Diese unterliegen der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes. Die nähere Organisation und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Dachverband in der Verordnung nach §351g. Er hat dazu als beratendes Gremium eine Heilmittel-Evaluierungs-Kommission einzurichten.

[…]

(2) Die Richtlinien nach Abs1 Z1 und die Vorschriften nach Abs1 Z2 sowie der Erstattungskodex nach Abs1 Z4 sind im Internet zu verlautbaren. Die Richtlinien nach Abs1 Z1 können entsprechend den Abschlüssen der Kollektivverträge für die Versicherungsträger auch rückwirkend geändert werden. §30a Abs4 und 5 ist anzuwenden.

Abgabe von Heilmitteln

§350. (1) Heilmittel (§136) und Heilbehelfe (§137) usw dürfen für Rechnung der Krankenversicherungsträger von Apothekern und Hausapotheken führenden Ärzten nur unter folgenden Voraussetzungen abgegeben werden:

1. Bestehen eines Vertragsverhältnisses mit dem Krankenversicherungsträger,

2. Verordnung

a) durch eine nach §1 des Rezeptpflichtgesetzes, BGBl Nr 413/1972, befugte Person, die in einem Vertragsverhältnis zum Krankenversicherungsträger steht oder in einer Vertrags-Gruppenpraxis oder Primärversorgungseinheit tätig ist oder

b) durch einen ermächtigten/eine ermächtigte Arzt/Ärztin oder Zahnarzt/Zahnärztin, der/die bei einer Vertragskrankenanstalt beschäftigt ist, welche mit dem zuständigen Sozialversicherungsträger eine Vereinbarung über Verordnungen abgeschlossen hat,

– bei der Entlassung von PatientInnen aus der stationären Pflege oder

– während der Nachtstunden, an Wochenenden oder Feiertagen, wenn die Verordnung wegen Unaufschiebbarkeit der ärztlichen oder zahnärztlichen Handlung erforderlich ist, und

3. Verschreibbarkeit nach den Regeln des vom Dachverband herausgegebenen Erstattungskodex (§30b Abs1 Z4) und nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise (§30a Abs1 Z12).

(1a) Von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen ihrer Berufsbefugnis (§15a GuKG) weiterverordnete Heilbehelfe dürfen von Apothekerinnen/Apothekern und Hausapotheken führenden Ärztinnen/Ärzten nur dann für Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegeben werden, wenn

1. die/der Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege im Rahmen einer Tätigkeit für eine Vertragseinrichtung des leistungszuständigen Krankenversicherungsträgers oder für eine/einen den Heilbehelf verordnende/n Vertragsärztin/Vertragsarzt oder Vertragsgruppenpraxis weiterverordnet und

2. sich die/der Anspruchsberechtigte nicht in Anstaltspflege befindet, deren Leistungen durch Zahlungen im Sinne der §§148 Z3 ff ASVG als abgegolten gelten.

(2) Verschreibungen von Heilmitteln durch Wahlärzte/Wahlärztinnen, Wahlzahnärzte/Wahlzahnärztinnen, Wahldentisten/Wahldentistinnen oder Wahl-Gruppenpraxen (§131 Abs1) sind, wenn die Anspruchsberechtigung gegeben und die Verordnung nach den Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise zugelassen ist, im Falle der Bestätigung durch den Versicherungsträger den von den Vertragsärzten/Vertragsärztinnen, Vertragszahnärzten/Vertragszahnärztinnen und Vertragsdentisten/Vertragsdentistinnen (Vertrags-Gruppenpraxen) ausgestellten Rezepten gleichzustellen.

(3) Bedarf eine Arzneispezialität oder ein Stoff für magistrale Zubereitungen, um auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden zu können, der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger, so ist diese Bewilligung unbeschadet des Bescheidrechtes des (der) Versicherten nach §367 vom/von der verordnenden Arzt/Ärztin oder Zahnarzt/Zahnärztin (Dentist/Dentistin) einzuholen. Die Einholung der Bewilligung darf nicht auf den Patienten (die Patientin) übertragen werden. Wird die Bewilligung von Arzneispezialitäten im gelben Bereich des Erstattungskodex durch die nachfolgende Kontrolle nach §30b Abs1 Z4 litb ersetzt, ist die Zulässigkeit der Verschreibung auf Kosten der Sozialversicherungsträger von der Durchführung einer Dokumentation (§30a Abs1 Z12) über Vorliegen und Einhaltung der bestimmten Verwendungen abhängig. Bei Verschreibungen ohne oder mit mangelhafter Dokumentation ist der Arzt/die Ärztin oder der Zahnarzt/die Zahnärztin (der Dentist/die Dentistin) nachweislich zu verwarnen; bei Wiederholung der Verletzung sind dem Sozialversicherungsträger die Kosten der Arzneispezialitäten vom/von der verschreibenden Arzt/Ärztin oder Zahnarzt/Zahnärztin (Dentist/Dentistin) zu ersetzen. Findet der Ersatz nicht statt oder nach wiederholtem Verstoß gegen die Dokumentationspflicht, kann dem Arzt/der Ärztin oder dem Zahnarzt/der Zahnärztin (dem Dentisten/der Dentistin) die ausnahmslose Bewilligungspflicht für Arzneispezialitäten des gelben Bereiches des Erstattungskodex befristet bis zur Dauer von drei Jahren auferlegt werden.

(4) Die Wahl der Apotheke nach Abs1 obliegt dem (der) Anspruchsberechtigten; die Zuweisung an eine bestimmte Apotheke ist unzulässig.

Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex

§351c. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen beantragt beim Dachverband die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder den grünen Bereich des Erstattungskodex. Mit Einlangen des Antrages, mit dem zumindest die Zulassungsnummer und ein Preis bekannt gegeben wird und dem eine Bestätigung der Lieferfähigkeit und eine Bestätigung über die Dauer der Patentlaufzeit angeschlossen ist, wird die Arzneispezialität zeitlich befristet in den roten Bereich aufgenommen. Stellt der Dachverband innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) nach Einlangen des Antrages fest, dass die Arzneispezialität nicht in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex aufzunehmen ist, so ist sie aus dem roten Bereich des Erstattungskodex zu streichen. Der Dachverband hat die Änderungen des Erstattungskodex monatlich im Internet kundzumachen.

(2) Der Dachverband hat eine Liste jener Arzneimittelkategorien zu erstellen, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des §133 Abs2 geeignet sind, da sie zB überwiegend

– zur Behandlung in Krankenanstalten,

– unter ständiger Beobachtung oder

– zur Prophylaxe

verwendbar sind. Diese Liste samt einer Begründung für die Anführung der Arzneimittelkategorien ist im Internet zu veröffentlichen.

(3) Zur Beurteilung eines Antrages nach Abs1, insbesondere inwieweit ein wesentlicher therapeutischer Nutzen für Patienten und Patientinnen oder eine wesentliche therapeutische Innovation vorliegt, sind vom Antragsteller pharmakologische, medizinisch-therapeutische und gesundheitsökonomische Unterlagen vorzulegen. Das vertriebsberechtigte Unternehmen ist verpflichtet, bei der Antragstellung auf Aufnahme in den Erstattungskodex mitzuteilen, wann der Patentschutz der in der jeweiligen Arzneispezialität enthaltenen Wirkstoffe in Österreich endet. Die näheren Bestimmungen über das Verfahren zur Aufnahme in den Erstattungskodex und über den Umfang, die Qualität und den Zeitpunkt der Vorlage von Unterlagen, werden in der Verfahrensordnung (§351g) geregelt. Abs1 letzter Satz ist anzuwenden.

(4) Bei Arzneispezialitäten, die vornehmlich der Behandlung von Akutkrankheiten dienen, ist nur jene Packungsgröße aufzunehmen, deren Inhalt für die Behandlung des Regelfalles ausreicht. Bei Arzneispezialitäten, die der Behandlung von chronischen Krankheiten dienen, ist eine Packungsgröße zur Anbehandlung oder Erprobung (Kleinpackung) und eine zweite Packungsgröße für die medikamentöse Versorgung für die Dauer eines Monates aufzunehmen.

(5) Der Dachverband ist berechtigt, das Verfahren über die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex von sich aus unter sinngemäßer Anwendung der Voraussetzungen und Prüfmaßstäbe nach Abs1 bis 4 und 7 bis 9 sowie nach §30b Abs1 Z4 einzuleiten. Das vertriebsberechtigte Unternehmen ist davon zu verständigen.

(6) Die Preiskommission (§9 Abs3 des Preisgesetzes 1992, BGBl Nr 145/1992) ermittelt für Zwecke der Preisfestsetzung einer Arzneispezialität im Rahmen des roten und gelben Bereiches des Erstattungskodex aus den Preisen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Berücksichtigung der in den jeweiligen Mitgliedstaaten gewährten gesetzlichen Rabatte den EU Durchschnittspreis. Dieser Preis ist von der Preiskommission sechs Monate nach Antragstellung nach Abs1 auf Basis der Meldungen der vertriebsberechtigten Unternehmen unter Beiziehung der Gesundheit Österreich GmbH zu ermitteln. Nach der erstmaligen Preisfeststellung hat die Preiskommission nach 18 Monaten sowie nach weiteren 24 Monaten neuerlich einen EU Durchschnittspreis festzustellen. Darüber hinaus kann die Preiskommission nach weiteren 18 Monaten neuerlich einen EU Durchschnittspreis feststellen. Die Preiskommission hat den jeweils ermittelten Preis dem Dachverband mitzuteilen. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat die Vorgehensweise der Preiskommission für die Preisermittlung im Internet zu veröffentlichen.

(7) Sonderbestimmungen für den roten Bereich (red box) des Erstattungskodex:

1. Der Preis der Arzneispezialität darf den EU Durchschnittspreis nicht überschreiten.

2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt wurde, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Wird durch die Preiskommission festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU-Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen den Differenzbetrag innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.

(8) Sonderbestimmungen für den gelben Bereich (yellow box) des Erstattungskodex: Eine Arzneispezialität kann in den gelben Bereich aufgenommen werden, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g) eine wesentliche therapeutische Innovation festgestellt hat.

(9) Sonderbestimmungen für den grünen Bereich (green box) des Erstattungskodex:

1. Eine Arzneispezialität wird dann in den grünen Bereich aufgenommen, wenn die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung eine gleiche oder ähnliche therapeutische Wirkung im Vergleich zu bereits im grünen Bereich vorhandenen Arzneispezialitäten festgestellt hat, und ein ausreichend großer Preisunterschied zu diesen Produkten vereinbart werden kann.

2. Wird für die beantragte Arzneispezialität ein höherer Preis, als der für die in diesem Bereich angeführten Vergleichspräparate geltende Preis angestrebt, so muss die Heilmittel-Evaluierungs-Kommission in ihrer Empfehlung einen therapeutischen Mehrwert im Vergleich zu Arzneispezialitäten im grünen Bereich feststellen.

(9a) Sonderbestimmungen für nicht im Erstattungskodex angeführte Arzneispezialitäten:

1. Der Preis der Arzneispezialität, sofern für diese in den vorangegangenen zwölf Monaten ein Umsatz über 750 000 € auf der Basis des Fabriksabgabepreises (maschinelle Heilmittelabrechnung) erzielt wurde, darf den EU-Durchschnittspreis nicht überschreiten. Bei der Umsatzermittlung sind die für Rechnung der Krankenversicherungsträger erzielten Umsätze aller Wirkstoffstärken und Packungsgrößen der Arzneispezialität, die nicht in den Erstattungskodex aufgenommen sind, zusammenzurechnen. Sobald diese Umsatzschwelle überschritten wurde, hat der Dachverband der Preiskommission diesen Umstand unverzüglich mitzuteilen. Innerhalb von acht Wochen nach dieser Mitteilung hat die Preiskommission einen EU-Durchschnittspreis festzustellen; Abs6 ist mit Ausnahme der im zweiten Satz genannten Frist anzuwenden.

2. So lange ein EU-Durchschnittspreis nicht festgestellt wurde, ist vorläufig der vom vertriebsberechtigten Unternehmen gemeldete Preis heranzuziehen. Wird durch die Preiskommission festgestellt, dass der vorläufige österreichische Erstattungspreis über dem ermittelten EU-Durchschnittspreis liegt, so hat das vertriebsberechtigte Unternehmen ab dem Zeitpunkt der Umsatzschwellenüberschreitung nach Z1 den Differenzbetrag und zusätzlich einen Abschlag von 6,5% zum ermittelten EU-Durchschnittspreis innerhalb von sechs Monaten ab begründeter Aufforderung an die Sozialversicherungsträger zurückzuzahlen.

3. Die Z1 und 2 gelten nicht für Arzneispezialitäten, die auf der vom Dachverband gemäß §351c Abs2 erstellten Liste aufgeführt sind.

(10) Liegt für eine Arzneispezialität ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt vor, so gilt zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit Folgendes:

1. Vereinbart der Dachverband bei Vorliegen eines Generikums

a) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30%, so verbleibt die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex.

b) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen für ein Generikum einen Preis, der um 28,6% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt, so ist dieses in den Erstattungskodex aufzunehmen. Alle weiteren Generika werden vom Dachverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Generikum besteht. Dieser Preisunterschied liegt jedenfalls dann vor, wenn

– für das zweite Generikum ein Preis vereinbart wird, der um 18% unter dem Preis des ersten Generikums und

– für das dritte Generikum ein Preis vereinbart wird, der um 15% unter dem Preis des zweiten Generikums liegt.

2. Vereinbart der Dachverband bei Vorliegen eines Biosimilars

a) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts eine Preisreduktion von 30%, so verbleibt die Arzneispezialität weiter im Erstattungskodex.

b) mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen für ein Biosimilar einen Preis, der um 11,4% unter dem abgesenkten Preis des Originalprodukts liegt, so ist dieses in den Erstattungskodex aufzunehmen. Alle weiteren Biosimilars werden vom Dachverband in den Erstattungskodex aufgenommen, wenn ein genügend großer Preisunterschied zum ersten Biosimilar besteht. Dieser Preisunterschied liegt jedenfalls dann vor, wenn

– für das zweite Biosimilar ein Preis vereinbart wird, der um 15% unter dem Preis des ersten Biosimilars und

– für das dritte Biosimilar ein Preis vereinbart wird, der um 10% unter dem Preis des zweiten Biosimilars

liegt.

3. Sobald durch ein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt eine dritte Preisreduktion erfolgt, hat der Dachverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen des Originalprodukts sowie der wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukte eine neuerliche Preisreduktion auf den Preis des dritten Generikums oder des dritten Biosimilars zu vereinbaren. Kann eine Einigung nicht erzielt werden, so ist die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen.

4. Der Dachverband kann bei ausgewählten Indikationsgruppen zur Förderung der Verfügbarkeit eines wirkstoffgleichen Nachfolgeprodukts abweichende Regelungen zur Anwendung bringen.

5. Ist abzusehen, dass bei einer Arzneispezialität trotz rechtlicher Möglichkeit in Österreich kein wirkstoffgleiches Nachfolgeprodukt vorliegen wird und der Dachverband mit dem vertriebsberechtigten Unternehmen ab diesem Zeitpunkt keine Preisreduktion vereinbaren kann, so kann der Dachverband ein Jahr davor den Wirkstoff oder die Wirkstoffklasse auf Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission ausschreiben.

(11) Sind für eine Arzneispezialität im grünen Bereich wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten (auf der 5. Ebene des ATC-Codes) im Erstattungskodex angeführt, so hat der Dachverband für Arzneispezialitäten, die die im §351c Abs10 Z1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 145/2003 und/oder §351c Abs10 Z1 bis 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 49/2017 vorgesehenen Preisreduktionen bereits durchlaufen haben, ein Preisband festzulegen, wobei der Höchstpreis der wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten 30% über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität desselben Wirkstoffs liegen darf. Der günstigste Preis ist, abgestellt auf die gleiche oder praktisch gleiche Darreichungsform und Wirkstoffstärke, mit Stichtag 1. Februar 2017 zu ermitteln. Das Preisband ist vom Dachverband bis 30. Juni 2017 nach vorheriger Anhörung der Wirtschaftskammer im Internet zu veröffentlichen. Die vertriebsberechtigten Unternehmen haben die Preise für wirkstoffgleiche Arzneispezialitäten längstens bis 1. Oktober 2017 innerhalb des Preisbandes entsprechend zu senken. Nimmt das vertriebsberechtigte Unternehmen diese Preissenkung nicht fristgerecht vor, sind die Arzneispezialitäten vom Dachverband mit schriftlicher Entscheidung aus dem Erstattungskodex zu streichen, wobei einer Beschwerde abweichend vom §351h Abs3 aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde zukommt. Das Preisband berechtigt nicht zu einer Preiserhöhung nach §351e Abs2.

(12) Abs11 ist auch auf jene Arzneispezialitäten anzuwenden, die nach §609 Abs13 aus dem Heilmittelverzeichnis in den Erstattungskodex überführt wurden. Dies gilt auch dann, wenn die im §351c Abs10 Z1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 145/2003 vorgesehenen Preisreduktionen nicht durchgeführt wurden.

(13) Im Jahr 2019 ist das in Abs11 und 12 vorgesehene Verfahren zu den Stichtagen 1. Februar 2019, 30. Juni 2019 und 1. Oktober 2019 erneut durchzuführen.

(14) Im Jahr 2021 ist das in Abs11 und 12 vorgesehene Verfahren zu den Stichtagen 1. Februar 2021, 30. Juni 2021 und 1. Oktober 2021 erneut durchzuführen.

(15) Im Jahr 2023 ist das in Abs11 und 12 vorgesehene Verfahren zu den Stichtagen 1. Februar 2023, 30. Juni 2023 und 1. Oktober 2023 letztmalig durchzuführen, wobei abweichend von Abs11 der Höchstpreis der wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten 20% über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität desselben Wirkstoffs liegen darf. Außerdem gilt zusätzlich, dass bei der Feststellung des Höchstpreises auf die günstigste, wirkstoffgleiche Arzneispezialität in der gleichen oder praktisch gleichen Darreichungsform in der Schlüsselstärke abzustellen ist. Liegt aber der Preis der günstigsten Arzneispezialität in der betroffenen Wirkstoffstärke unter dem Preis der günstigsten Arzneispezialität in der Schlüsselstärke, so darf der Höchstpreis 20% über dem Preis der günstigsten Arzneispezialität der betroffenen Wirkstoffstärke liegen. Als Schlüsselstärke gilt die Wirkstoffstärke, die bei Betrachtung über alle vertriebsberechtigten Unternehmen hinweg in Summe die meisten auf Rechnung der Krankenversicherungsträger abgegebenen Verordnungen aller Wirkstoffstärken gemäß maschineller Heilmittelabrechnung aufweist und somit auf Grund der Erfahrungen in der Praxis für eine Behandlung mit der betreffenden Arzneispezialität hauptsächlich angewendet wird.

(16) Bei einer aufgrund von Abs15 durchzuführenden Preissenkung muss der Preis nur soweit abgesenkt werden bis der mit den Sozialversicherungsträgern verrechnete Preis (inklusive Umsatzsteuer) der Rezeptgebühr (§136 Abs3) zum 1. Februar entspricht. Arzneispezialitäten, deren mit den Sozialversicherungsträgern verrechneter Preis (inklusive Umsatzsteuer) die am 1. Februar 2023 geltende Rezeptgebühr nicht überschreitet, sind zur Feststellung des Höchstpreises heranzuziehen, jedoch von der Verpflichtung zur Preissenkung nach Abs15 ausgenommen.

Entscheidung des Dachverbandes

§351d. (1) Der Dachverband hat schriftlich über den Antrag auf Aufnahme in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex innerhalb von 90 Tagen (wird auch über den Preis entschieden, innerhalb von 180 Tagen) ab Antragstellung auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission im Rahmen des ihm nach diesem Bundesgesetz eingeräumten Ermessens zu entscheiden. Der Fristenlauf wird gehemmt, wenn die vom vertriebsberechtigten Unternehmen vorzulegenden Unterlagen (zB Studien, Gutachten usw) nicht, nicht vollständig oder nicht in der aktuellen Fassung vorgelegt werden. Bei der Entscheidung über die Aufnahme in den Erstattungskodex sind für alle Arzneispezialitäten die selben Prüfmaßstäbe anzulegen.

(3) Ist ein Verfahren abgeschlossen, so ist der Dachverband zur Entscheidung über einen neuerlichen Antrag hinsichtlich ein und der selben Arzneispezialität erst dann verpflichtet, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen dem Dachverband das Vorliegen wesentlicher neuer Erkenntnisse nachweist.

Änderung der Verschreibbarkeit, Preiserhöhung

§351e. (1) Das vertriebsberechtigte Unternehmen kann die Änderung der Verschreibbarkeit seiner im gelben und grünen Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialität (entweder allgemein oder nur für bestimmte Verwendungen) beantragen. Der Dachverband entscheidet schriftlich über den Antrag (einschließlich des Preises) innerhalb von 180 Tagen im Rahmen des ihm nach diesem Bundesgesetz eingeräumten Ermessens.

(2) Das vertriebsberechtigte Unternehmen kann die Erhöhung des Preises seiner im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialität beantragen. §351d Abs1 ist so anzuwenden, dass der Dachverband bereits innerhalb von 90 Tagen zu entscheiden hat. Bei einer außergewöhnlich hohen Zahl von Anträgen kann diese Frist ein einziges Mal um 60 Tage verlängert werden; die Verlängerung ist dem vertriebsberechtigten Unternehmen vor Ablauf der 90-Tage-Frist mitzuteilen.

Streichung aus dem Erstattungskodex

§351f. (1) Der Dachverband hat den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfmaßstäben nach den §§30b Abs1 Z4 und 351c entsprechen. Er hat im Rahmen des ihm nach diesem Bundesgesetz eingeräumten Ermessens mit schriftlicher Entscheidung eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, insbesondere weil neue pharmakologische oder medizinisch-therapeutische oder gesundheitsökonomische Umstände eingetreten sind. Der Dachverband hat vor der Entscheidung, eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen oder in einen anderen Bereich zu übernehmen, dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 30 Tagen zu geben. Das vertriebsberechtigte Unternehmen legt dem Dachverband auf Verlangen binnen 60 Tagen jene Unterlagen vor, die geeignet sind, die Zweifel aus pharmakologischer oder medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Sicht auszuräumen. Allfällige Kosten für die Erstellung diesbezüglicher Gutachten oder Studien trägt das vertriebsberechtigte Unternehmen.

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat jede Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität dem Dachverband mitzuteilen. Die Arzneispezialität ist unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen.

Verordnungsermächtigung, Werbeverbot

§351g. (1) Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex regelt der Dachverband durch Verordnung, die der Genehmigung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen bedarf. Vor Genehmigung hat eine Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich zu erfolgen. Diese Verfahrensordnung hat insbesondere Zahl, Qualität, Form und Zeitpunkt der vorzulegenden Unterlagen festzusetzen und Regeln darüber zu enthalten, in welchen Fällen weiterführende Studien notwendig sind. Die Verordnung ist vom Dachverband im Internet kundzumachen.

(1a) Anbringen einschließlich aller im Verfahren zu berücksichtigenden Unterlagen sind schriftlich über das Internetportal www.sozialversicherung.at einzubringen. Zur Erörterung dieser Anbringen ist eine mündliche Kommunikation zwischen Dachverband und vertriebsberechtigtem Unternehmen zulässig. Erscheint diese im Einzelfall nicht zweckmäßig, so kann der Dachverband dem vertriebsberechtigten Unternehmen die schriftliche Einbringung als Anbringen binnen angemessener Frist auftragen. Eine mündliche Verhandlung vor dem Dachverband findet nicht statt. Die Verfahrensordnung nach Abs1 hat Regelungen über die Voraussetzungen und den Ablauf einer Anhörung vor der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission für vertriebsberechtigte Unternehmen zu enthalten. Die Akteneinsicht erfolgt über das Internetportal www.sozialversicherung.at. Patentrechtliche Vorfragen sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Dachverband.

(1b) Die §§69 und 70 AVG sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die in den §§351d Abs1 und 351e festgelegten Fristen mit der Zustellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens neu zu laufen beginnen. §69 Abs2 AVG ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ablauf von einem Jahr ab Erlassung des Bescheides nicht mehr gestellt werden kann. Der Dachverband hat über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens binnen vier Wochen zu entscheiden.

(1c) Die §§71 und 72 AVG sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die in den §§351d Abs1 und 351e festgelegten Fristen mit der Zustellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bis zur Zustellung des die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligenden Bescheides in ihrem Fortlauf gehemmt werden. Der Dachverband hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen vier Wochen zu entscheiden.

(2) In der Verordnung nach Abs1 wird das Verfahren der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission geregelt. Dieser Kommission sind alle Anträge auf Aufnahme (einschließlich aller Änderungen) einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex vorzulegen. Diese Kommission ist auch anzuhören, wenn der Dachverband von sich aus eine Veränderung im Erstattungskodex beabsichtigt. Die Kommission hat dem Dachverband insbesondere zu empfehlen,

1. ob und für welche Indikationen und Gruppen von Patienten und Patientinnen ein wesentlicher zusätzlicher therapeutischer Nutzen einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den gelben Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

2. ob und welcher therapeutische Mehrwert (Zusatznutzen für Patienten und Patientinnen) einer Arzneispezialität vorliegt und wie dieser ökonomisch bewertet werden kann, damit die Arzneispezialität in den grünen Bereich aufgenommen werden oder dort verbleiben kann,

3. ob im Sinne einer sicheren und wirtschaftlichen Versorgung der Patienten und Patientinnen ein Vergabeverfahren für Wirkstoffe oder Wirkstoffgruppen eingeleitet werden sollte, um günstigere Bedingungen für die Heilmittelerstattung zu erreichen (zB wenn das Preisband zu breit oder keine Nachfolge durch ein Generikum möglich ist) und

4. bei welchen medizinischen Bedürfnissen und epidemiologischen Notwendigkeiten die ärztliche Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger angewendet werden sollte.

Die Empfehlungen der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission haben den Kriterien der Wissenschaft, der Transparenz und der gesundheitsökonomischen Bewertungen zu entsprechen. Die Sitzungen sind nicht öffentlich.

(3) Der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission gehören zwei Vertreter/innen des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, acht Vertreter/innen der Sozialversicherung, drei unabhängige Vertreter der Wissenschaft aus einschlägigen Fachrichtungen (Pharmakologen und Mediziner von Universitätsinstituten), je zwei Vertreter der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer und der Österreichischen Ärztekammer sowie ein Vertreter der Österreichischen Apothekerkammer an. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission eine Vertreterin/ein Vertreter der Bundesländer an, mit der/dem Empfehlungen, ob neue Arzneispezialitäten intra- und/oder extramural verabreicht werden können, abzustimmen sind, ohne dass sich die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission dadurch ändern. Weiters gehört der Heilmittel-Evaluierungskommission ein/e Vertreter/in der Patientenanwaltschaften in beratender Funktion ohne Stimmrecht an.

(4) Der Dachverband hat durch Verordnung pauschalierte Kostenersätze für die Kosten der Verfahren nach den §§351c Abs1 und 351e festzusetzen. Die Höhe der pauschalierten Kostenersätze hat sich nach den Kosten eines durchschnittlichen Verfahrens zu richten, wobei jedenfalls zwischen Verfahren zur Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex und Verfahren zur Änderung der Verschreibbarkeit oder zur Preiserhöhung der im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten zu unterscheiden ist. Die Antragsteller/Antragstellerinnen haben die Kostenersätze gleichzeitig mit der Antragstellung an den Dachverband zu entrichten, anderenfalls der Antrag als unvollständig gilt. Die Verordnung ist im Internet zu veröffentlichen. Der V. Teil des AVG über die Kosten ist nicht anzuwenden.

(5) Für die im Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten, insbesondere für rezeptfreie Produkte, ist jegliche Werbung, die für die Verbraucher/innen bestimmt ist, zu unterlassen; ausgenommen von diesem Werbeverbot sind rezeptfreie Arzneispezialitäten, die vom Dachverband von sich aus (§351c Abs5) gegen den Willen des vertriebsberechtigten Unternehmens in den Erstattungskodex aufgenommen wurden.

Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Erstattungskodex

§351h. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet

1. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens,

a) dessen Antrag auf Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des Erstattungskodex (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurde oder

b) über dessen Antrag nicht fristgerecht (§351d Abs1) entschieden wurde;

2. über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens, dessen Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen bzw von Amts wegen aufgenommen wird.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet auch über Beschwerden des vertriebsberechtigten Unternehmens gegen Entscheidungen des Dachverbandes, mit denen Anträge nach einer Änderung der Verschreibbarkeit oder nach einer Preiserhöhung von Arzneispezialitäten (teilweise) ab- oder zurückgewiesen wurden, oder wenn über diese Anträge nicht fristgerecht (§351e Abs1 und 2) entschieden wurde.

(3) Beschwerden nach Abs1 und 2 sind binnen vier Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Dachverbandes beim Dachverband über das Internetportal www.sozialversicherung.at einzubringen. Eine Beschwerdevorentscheidung und eine Nachholung des Bescheides nach den §§14 bis 16 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013, sind unzulässig. Der Dachverband hat dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich die Beschwerde unter Anschluss der Verfahrensakten vorzulegen. Dem Dachverband steht es frei, binnen vier Wochen ab Einbringung der Beschwerde eine Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht abzugeben. Die Beschwerden haben aufschiebende Wirkung; Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität nach §351c Abs10 Z1 aus dem grünen Bereich des Erstattungskodex haben aufschiebende Wirkung im Ausmaß von 90 Tagen ab Einbringung der Beschwerde. Beschwerden gegen die Streichung einer Arzneispezialität auf Grund mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) haben keine aufschiebende Wirkung. §13 Abs2 VwGVG ist nicht anzuwenden.

(4) In der Beschwerde oder in der Stellungnahme nach Abs3 können sich das vertriebsberechtigte Unternehmen und der Dachverband nur auf Tatsachen und Beweise beziehen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Dachverbandes vom vertriebsberechtigten Unternehmen oder vom Dachverband bereits eingebracht worden sind. Das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise im Beschwerdeverfahren ist nur zur Stützung oder zur Widerlegung der in der ersten Instanz rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen und Beweise zulässig. Solche neuen Tatsachen und Beweise dürfen überdies nur dann berücksichtigt werden, wenn diese entweder in der Beschwerde oder der Stellungnahme des Dachverbandes nach Abs3 bereits eingebracht wurden. Diese Stellungnahme des Dachverbandes ist vom Bundesverwaltungsgericht als Bestandteil der Begründung der Entscheidung des Dachverbandes nach Abs3 erster Satz zu berücksichtigen. Eine Einschränkung oder Klarstellung des Antragbegehrens ist ausgeschlossen. Zum Ergebnis eines vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten allfälligen neuen Beweisverfahrens ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Patentrechtliche Vorfragen sind nicht Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Dachverbandes im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen nach §28 Abs2 VwGVG bei Rechtswidrigkeit abzuändern. Der Dachverband hat im Falle einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nach §28 Abs4 VwGVG innerhalb von 120 Tagen nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung neu zu entscheiden, widrigenfalls der Antrag als angenommen gilt oder die Arzneispezialität wieder in den Erstattungskodex aufzunehmen ist oder die Einschränkung der Verschreibbarkeit aufzuheben ist. Für die Zeit der Einholung eines Gutachtens eines/einer unabhängigen Experten/Expertin auf Betreiben des antragstellenden vertriebsberechtigten Unternehmens nach Maßgabe der Verordnung nach §351g wird der Lauf der Frist von 120 Tagen gehemmt. Wird jedoch eine Entscheidung des Dachverbandes aufgehoben, mit der ein Antrag wegen mangelnder Erstattungsfähigkeit (§351c Abs2 und 4) der Arzneispezialität nach §351c Abs1 abgewiesen wurde, beginnt mit dem Tag der Zustellung der Aufhebungsentscheidung an den Dachverband die Frist nach §351c Abs1 neu zu laufen.

Bundesverwaltungsgericht, Mitwirkung fachkundiger Laienrichter/Laienrichterinnen

§351i. (1) In Angelegenheiten nach §351h hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, der aus dem/der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen besteht, wobei zwei davon Fachärzte/Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte/Fachärztinnen mit dem Additivfach klinische Pharmakologie und zwei Ökonomen/Ökonominnen mit spezifischen Kenntnissen im Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich (Gesundheitsökonomen/Gesundheitsökonominnen) sind. Die Zusammensetzung der Laienrichter/Laienrichterinnen im Senat hat das paritätische Nominierungsrecht nach Abs2 abzubilden.

(2) Die fachkundigen Laienrichter/Laienrichterinnen werden vom Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundesministers für Gesundheit bestellt. Der Bundesminister für Gesundheit hat hierfür Vorschläge der Bundesarbeitskammer und der Wirtschaftskammer Österreich einzuholen. Die Bundesarbeitskammer und die Wirtschaftskammer Österreich haben jeweils in ihren Vorschlägen Fachärzte/Fachärztinnen für Pharmakologie und Toxikologie oder Fachärzte/Fachärztinnen mit dem Additivfach Klinische Pharmakologie sowie Gesundheitsökonomen/Gesundheitsökonominnen namhaft zu machen. Für die fachkundigen Laienrichter/Laienrichterinnen sind Stellvertreter/Stellvertreterinnen in gleicher Anzahl und auf dieselbe Weise zu bestellen.

(3) Sachverhalte, die ein Naheverhältnis zur Sozial- oder Privatversicherung oder zu Pharmaunternehmen begründen könnten, sind vor der Bestellung sowie nach ihrem Eintreten gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesminister für Gesundheit offen zu legen. Mitglieder der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission nach §351g Abs3 und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen des Dachverbandes sind als Laienrichter/Laienrichterinnen (Stellvertreter/Stellvertreterinnen) ausgeschlossen."

2. Die 159. Änderung des Erstattungskodex, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der Sozialversicherung im Internet Nr 171/2017, lautet auszugsweise:

"Der Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 110/2004, zuletzt geändert durch die Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 154/2017, wird wie folgt geändert:

[…]

B. Gelber Bereich des Erstattungskodex

B1. Aufnahmen von Arzneispezialitäten in den Gelben Bereich des Erstattungskodex:

[…]

[…]

[…]"

3. Die 183. Änderung des Erstattungskodex, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der Sozialversicherung im Internet Nr 177/2019, lautet auszugsweise:

"Der Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 110/2004, zuletzt geändert durch die Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 157/2019, wird wie folgt geändert:

[…]

B. Gelber Bereich des Erstattungskodex

B1. Aufnahmen von Arzneispezialitäten in den Gelben Bereich des Erstattungskodex:

[…]

B2. Änderung der Verwendung von im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten:

[…]"

4. Die 189. Änderung des Erstattungskodex, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der Sozialversicherung im Internet Nr 71/2020, lautet auszugsweise:

"Der Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 110/2004, zuletzt geändert durch die Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 67/2020, wird wie folgt geändert:

[…]

B. Gelber Bereich des Erstattungskodex

B1. Aufnahmen von Arzneispezialitäten in den Gelben Bereich des Erstattungskodex:

[…]

B2. Änderung der Verwendung von im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten:

[…]"

5. Die 207. Änderung des Erstattungskodex, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der Sozialversicherung im Internet Nr 77/2021, lautet auszugsweise:

"Der Erstattungskodex, Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 110/2004, zuletzt geändert durch die Amtliche Verlautbarung im Internet Nr 68/2021, wird wie folgt geändert:

[…]

B. Gelber Bereich des Erstattungskodex

B1. Aufnahmen von Arzneispezialitäten in den Gelben Bereich des Erstattungskodex:

[…]

B5. Streichung von im Gelben Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialitäten:

[…]

[…]"

6. Art1 und Art6 der Richtlinie 89/105/EWG vom 21. Dezember 1988, betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme, ABl. 1989 L 40, 8 (im Folgenden: Transparenzrichtlinie) lauten:

"Artikel 1

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß alle einzelstaatlichen Maßnahmen in Form von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Kontrolle der Preise von Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch oder zur Einschränkung der unter ihre staatlichen Krankenversicherungssysteme fallenden Arzneimittel die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.

(2) Die Definition der 'Arzneimittel' in Artikel 1 der Richtlinie 65/65/EWG gilt auch für die vorliegende Richtlinie.

(3) Diese Richtlinie enthält keine Bestimmungen, die das Inverkehrbringen von Arzneispezialitäten zulassen, für die keine Genehmigung gemäß Artikel 3 der Richtlinie 65/65/EWG erteilt wurde.

Artikel 6

Ist ein Arzneimittel durch das staatliche Krankenversicherungssystem nur gedeckt, wenn die zuständigen Behörden beschlossen haben, das betreffende Arzneimittel in eine Positivliste der unter das staatliche Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel aufzunehmen, so gilt folgendes:

1. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, daß eine Entscheidung über einen Antrag auf Aufnahme eines Arzneimittels in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Arzneimittel, der vom Inhaber einer Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß den Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats gestellt worden ist, innerhalb von neunzig Tagen nach Eingang des Antrags getroffen und dem Antragsteller mitgeteilt wird. Kann ein Antrag nach diesem Artikel gestellt werden, bevor die zuständigen Behörden dem Preis zugestimmt haben, der für das Erzeugnis gemäß Artikel 2 verlangt werden soll, oder wird über den Preis eines Arzneimittels und über dessen Aufnahme in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse in einem einzigen Verwaltungsverfahren entschieden, wird die Frist um neunzig Tage verlängert. Der Antragsteller macht den zuständigen Behörden ausreichende Angaben. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, so wird die Frist ausgesetzt, und die zuständigen Behörden teilen dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Läßt ein Mitgliedstaat nicht zu, daß ein Antrag nach diesem Artikel gestellt werden kann, bevor die zuständigen Behörden dem Preis zugestimmt haben, der für das Erzeugnis gemäß Artikel 2 verlangt werden soll, so muß er sicherstellen, daß die Dauer der beiden Verfahren zusammen 180 Tage nicht übersteigt. Diese Frist kann nach Artikel 2 verlängert oder nach Unterabsatz 1 ausgesetzt werden.

2. Eine Entscheidung, ein Arzneimittel nicht in die Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse aufzunehmen, muß eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten; gegebenenfalls sind zugrundeliegende Stellungnahmen oder Empfehlungen von Sachverständigen hierin anzugeben. Der Antragsteller ist über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren.

3. Vor dem in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitpunkt veröffentlichen die Mitgliedstaaten in einer geeigneten amtlichen Bekanntmachung die Kriterien, die die zuständigen Behörden bei ihrer Entscheidung, ein Arzneimittel in die Liste aufzunehmen oder nicht, zu beachten haben, und teilen sie der Kommission mit.

4. Innerhalb eines Jahres nach dem in Artikel 11 Absatz 1 genannten Zeitpunkt veröffentlichen die Mitgliedstaaten in einer geeigneten amtlichen Bekanntmachung eine vollständige Liste der Erzeugnisse, die unter ihr Krankenversicherungssystem fallen, sowie deren von ihren zuständigen Behörden festgelegte Preise und übermitteln sie der Kommission. Diese Informationen werden mindestens einmal jährlich auf den neuesten Stand gebracht.

5. Eine Entscheidung, ein Erzeugnis aus der Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse zu streichen, muß eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Sie ist der zuständigen Person gegebenenfalls mit Angabe zugrundeliegender Stellungnahmen oder Empfehlungen von Sachverständigen sowie unter Belehrung über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen mitzuteilen.

6. Eine Entscheidung, eine Arzneimittelkategorie aus der Liste der unter das Krankenversicherungssystem fallenden Erzeugnisse zu streichen, muß eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten; sie ist in einer geeigneten amtlichen Bekanntmachung zu veröffentlichen."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführende und zu V1/2022 antragstellende Gesellschaft vertreibt die für die Behandlung von Patienten mit chronischer Hepatitis C bestimmte Arzneispezialität "Maviret 100 mg/40 mg Filmtabletten".

1.2. Auf Grund des Bescheides des (damaligen) Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 16. November 2017 wurde diese Arzneispezialität mit der 159. Änderung des Erstattungskodex (Amtliche Verlautbarung der Sozialversicherung im Internet [im Folgenden kurz: AVSV] Nr 171/2017) mit Wirkung vom 1. Jänner 2018 – befristet bis zum 31. Dezember 2019 – in den Gelben Bereich des Erstattungskodex (AVSV Nr 110/2004) aufgenommen.

1.3. Über Antrag der vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführenden Gesellschaft vom 25. Juni 2019, der ua auf "unbefristeten" Verbleib der Arzneispezialität im Erstattungskodex gerichtet war, entschied der (damalige) Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Bescheid vom 20. November 2019, die genannte Arzneispezialität im Gelben Bereich des Erstattungskodex – befristet bis zum 31. Dezember 2021 – zu belassen. Die 183. Änderung des Erstattungskodex (AVSV Nr 177/2019) setzte diese Entscheidung im Erstattungskodex um.

1.4. Dem Antrag der vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführenden Gesellschaft vom 19. März 2020, der (bloß) auf "die Anpassung der Verwendungsregel für Maviret: Therapieverkürzung auf 8 Wochen" zielte, gab der Dachverband der Sozialversicherungsträger mit Bescheid vom 22. Mai 2020, – unter Beibehaltung der Befristung bis zum 31. Dezember 2021 – statt. Die 189. Änderung des Erstattungskodex (AVSV Nr 71/2020) setzte diese Entscheidung im Erstattungskodex um.

1.5. Am 26. Juni 2021 beantragte die vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführende Gesellschaft neuerlich die Änderung des Erstattungskodex ("Änderung der Verwendung") durch Entfall der Befristung und weiterer Streichungen im Regeltext des Erstattungskodex für diese Arzneispezialität.

1.5.1. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger erachtete im Verfahren einen (weiteren) Preisabschlag für den Verbleib der Arzneispezialität im Erstattungskodex als erforderlich. Wegen des Ablaufes der befristeten Aufnahme der Arzneispezialität in den Erstattungskodex sei ein neuerliches Aufnahmeverfahren durchzuführen, weshalb auch eine neuerliche Beurteilung der Wirtschaftlichkeit stattzufinden habe; ein Preisvergleich mit der therapeutischen Alternative führe dazu, dass die Wirtschaftlichkeit der in Rede stehenden Arzneispezialität nicht (mehr) gegeben sei (hingegen sei aus "rein medizinischer Sicht" eine unbefristete Aufnahme in den Erstattungskodex "vertretbar").

1.5.2. Mit Bescheid vom 16. Dezember 2021 wies der Dachverband der Sozialversicherungsträger den Antrag auf Änderung der Verwendung der Arzneispezialität, soweit er sich auf den Zeitraum ab 31. Dezember 2021 bezog, wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit ab und – soweit er sich auf die in Rechtskraft erwachsenen Vorbescheide bezog – gemäß §68 Abs1 AVG zurück. Der Antrag auf Feststellung, dass für den Fall der Erhebung einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung bis zum Ende des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß §351h Abs3 ASVG gegeben sei, wurde ebenfalls zurückgewiesen.

1.6. Gegen diesen Bescheid des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger erhob das vertriebsberechtigte Unternehmen am 20. Dezember 2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.7. Mit der 207. Änderung des Erstattungskodex (AVSV Nr 77/2021), kundgemacht am 23. Dezember 2021, wurde die Arzneispezialität mit Wirkung vom 1. Jänner 2022 aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex gestrichen.

2. Am 2. Jänner 2022 stellte das vertriebsberechtigte Unternehmen den zu V1/2022 protokollierten Individualantrag.

2.1. Die antragstellende Gesellschaft begründet die Zulässigkeit ihres Antrages wie folgt: Die Streichung von Maviret aus dem Erstattungskodex bilde einen zulässigen Anfechtungsgegenstand gemäß Art139 B VG und greife in die Rechtssphäre, insbesondere in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Erwerbsfreiheit (Art6 StGG), der antragstellenden Gesellschaft als vertriebsberechtigtes Unternehmen ein (Hinweis auf VfSlg 17.585/2005). Die Streichung sei ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Der Dachverband habe die Streichung von Maviret aus dem Erstattungskodex vorgenommen, ohne das in §351f Abs1 ASVG vorgesehene Verfahren einzuhalten und ohne den in dieser Bestimmung vorgesehenen Streichungsbescheid zu erlassen, der gemäß §351h Abs1 Z2 ASVG beim Bundesverwaltungsgericht bekämpft werden könnte. Die Streichung – als Änderung der Verordnung (Erstattungskodex) – sei daher für die antragstellende Gesellschaft unmittelbar und aktuell mit 1. Jänner 2022 wirksam geworden. Die antragstellende Gesellschaft verfüge auch über keinen anderen zumutbaren Weg, die Frage der Gesetzmäßigkeit der die Streichung bewirkenden Verlautbarung anders als im Wege ihrer unmittelbaren Anfechtung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Der Verfahrensweg gemäß §351h Abs1 Z2 ASVG stehe nicht offen, weil die Streichung der betreffenden Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex ohne Streichungsbescheid verlautbart worden sei.

2.2. Die antragstellende Gesellschaft legt ihre Bedenken der Sache nach im Wesentlichen wie das Bundesverwaltungsgericht in den zu V148, 149/2022 protokollierten Anträgen (unten 3.2.) dar.

3. Aus Anlass des oben bezeichneten Bescheidbeschwerdeverfahrens (1.6.) stellte in weiterer Folge auch das Bundesverwaltungsgericht den zu V148, 149/2022 protokollierten Verordnungsprüfungsantrag.

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmungen aus, dass der Erstattungskodex "unter Listung der verfahrensgegenständlichen Arzneispezialität" eine Rechtsgrundlage für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bilde, zumal einer Bescheidbeschwerde gemäß §351h Abs3 ASVG aufschiebende Wirkung zukomme. "Durch Ablauf der Frist vom '31.12.2021'" sei die Arzneispezialität jedoch mit Wirkung vom 1. Jänner 2022 aus dem Erstattungskodex gestrichen worden (207. Änderung des Erstattungskodex, AVSV Nr 77/2021). Beim Bundesverwaltungsgericht sei der Beschwerdegegenstand ein "Antrag auf Änderung der Verwendung einer im EKO gelisteten Arzneispezialität", und eine Änderung des ursprünglichen Antrages an den Dachverband sei im Beschwerdeverfahren gemäß §351h Abs4 ASVG ausgeschlossen. Infolge der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf Grundlage der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Sach- und Rechtslage liege somit die Voraussetzung für einen derartigen Antrag mangels Listung im EKO nicht (mehr) vor. Auch der Dachverband sei auf Grund der nunmehr geltenden Rechtslage für eine Bescheiderlassung unzuständig und der Antrag selbst unzulässig. Das Begehren auf Verordnungsprüfung umfasse daher die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Streichung der Arzneispezialität durch die 207. Änderung des Erstattungskodex sowie die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der Befristung in der 183. Änderung des Erstattungskodex. Da mit dieser Verordnung die ursprünglich ebenfalls befristete Aufnahme der Arzneispezialität mit dem Instrument der "Änderung der Verwendung" bis zum 31. Dezember 2021 verlängert worden sei, umfasse das Begehren auf Verordnungsprüfung in eventu auch die erstmalige (befristete) Aufnahme der Arzneispezialität durch die 159. Änderung des Erstattungskodex. Auch in diesem Zusammenhang sei von der Präjudizialität auszugehen, weil der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf rückwirkende unbefristete Aufnahme der Arzneispezialität durch den Dachverband der Sozialversicherungsträger gemäß §68 AVG zurückgewiesen worden sei. Beschwerdegegenstand vor dem Bundesverwaltungsgericht sei demnach die Rechtsfrage, ob diese Zurückweisung wegen entschiedener Sache zu Recht erfolgt sei.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

3.2.1. Die Streichung der Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex sei ohne entsprechenden Streichungsbescheid erfolgt. Gemäß §351f Abs1 ASVG bedürfe eine solche Streichung einer "schriftlichen Entscheidung" des Dachverbandes. Zuvor sei dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ein Streichungsbescheid sei gemäß §351h Abs1 Z2 ASVG mit Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpfbar, wobei dieser Beschwerde gemäß §351h Abs3 ASVG (mit Ausnahme von Streichungsbescheiden infolge mangelnder Lieferfähigkeit) aufschiebende Wirkung zukomme. Im vorliegenden Fall sei keine schriftliche Entscheidung des Dachverbandes gemäß §351f Abs1 ASVG ergangen und in Rechtskraft erwachsen, weshalb keine taugliche individuell-hoheitliche Grundlage für eine Verordnung, mit der die Streichung aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex zu verlautbaren wäre, existiere. Die angefochtene Verordnungsbestimmung sei somit gesetzwidrig (Hinweis auf VfSlg 17.585/2005).

3.2.2. Die befristete Aufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex sei aus folgenden Gründen gesetzwidrig:

"IV.2. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit von Befristungen im Erstattungskodex:

a) Das ASVG selbst kennt eine befristete Aufnahme von Arzneispezialitäten dezidiert nur für den Roten Bereich des EKO. Sowohl dem System des ASVG als auch der Rechtsprechung und den Gesetzesmaterialien folgend, ist eine Aufnahme in den Gelben und Grünen Bereich des EKO 'auf Dauer angelegt' (vgl VfSlg 18.821/2009 mHa AB 316 BIgNR 22. GP 5; siehe auch VwSlg 19.415 A/2016, VwSlg 19.460 A/2016 und VwGH 28.3.2017, Ro 2016/08/0023, wo nur iZm dem Roten Bereich des EKO von einer zeitlichen Befristung der Aufnahme die Rede ist).

So wird auch in der Literatur mehrheitlich darauf hingewiesen, dass eine solche Befristung mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig sei (Mayrhofer, Befristete Aufnahme von Arzneimitteln in den Erstattungskodex rechtmäßig? ZfG 2019, 4 [5 ff]; Plank, Erstattungskodex - Reformbedarf oder verdeckte Rationierung? ZfG 2016, 12 (13) ['Befristung nicht vorgesehen'] und Erstattungskodex NEU, RdM Ö G 2018, 2 (8 f); Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], SV-Komm [254. Lfg 2020] §351c ASVG Rz55/1; Hellbert, Handbuch Pharmarecht 2 (2020) 282; Seyfried in Sonntag [Hrsg], ASVG12 [2021] §351f ASVG Rz 1a ['gesetzlich nicht vorgesehen']).

Dem System des ASVG folgend, bedarf eine Verordnung, mit welcher der EKO geändert wird, zunächst einer 'schriftlichen Entscheidung' (Bescheid) über die Aufnahme (§351d) oder Nichtaufnahme (§351c Abs1), über die Änderung der Verwendung (§§351e und 351f) oder über die Streichung aus dem EKO (§351d Abs11 letzter Satz, §351f), gegen die Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht erhoben werden kann. Selbst im Falle der mangelnden Lieferfähigkeit sieht das System des ASVG keine 'automatische Streichung', sondern ebenso eine zuvor notwendige 'schriftliche Entscheidung' des Dachverbandes vor, welche im Rechtsweg angefochten werden kann.

Befristungen im Aufnahmebescheid würden nun zu dem Ergebnis führen, dass der Dachverband als Verordnungsgeber durch bloßen Wegfall der Rechtswirksamkeit dieses Aufnahmebescheides — ohne eines im ASVG vorgesehenen Streichungsverfahrens — berechtigt, wäre, den EKO durch Verordnung zu ändern. Eine derartige Kompetenz ist dem ASVG aber nicht zu entnehmen.

b) Wie dem Verfahrensgang zu entnehmen ist, bedarf es entsprechend der Praxis des Dachverbandes bei einer befristeten Listung im EKO für einen weiteren Verbleib im EKO eines Antrags des vertriebsberechtigten Unternehmens auf 'Änderung der Verwendung'. Die Befristung selbst wird im EKO auch als Teil der 'bestimmten Verwendung' normiert.

Das Bundesverwaltungsgericht hegt in diesem Zusammenhang weiters Bedenken, inwieweit Befristungen Bestandteil einer 'bestimmten Verwendung' einer Arzneispezialität sein können. Gemäß §30b Abs1 litc und d ASVG kann sich die Aufnahme von Arzneispezialitäten im Grünen oder Gelben Bereich auch auf bestimmte Verwendungen beziehen. Beispielhaft nennt der Gesetzgeber dahingehend 'Gruppen von Krankheiten, ärztliche Fachgruppen, Altersstufen von Patient/inn/en oder Darreichungsform'. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist eine 'bestimmte Verwendung' 'inhaltlich' auf die jeweilige Arzneispezialität in Bezug auf Patientenkollektiv/Patientinnenkollektiv und eben auf dessen Anwendung beschränkt; somit erscheint die Befristung einer Listung im EKO in dem Bereich der 'bestimmten Verwendung' gesetzlich nicht gedeckt.

c) Im konkreten Fall tritt auch zu Tage, dass vertriebsberechtigte Unternehmen, deren Arzneispezialitäten im Grünen oder Gelben Bereich des EKO befristet gelistet sind, gegenüber solchen, deren Arzneispezialitäten in diesen Bereichen unbefristet gelistet sind, ungleich behandelt werden.

So bedarf es nämlich für vertriebsberechtigte Unternehmen, deren Arzneispezialitäten im Grünen oder Gelben Bereich des EKO befristet gelistet sind, eines neuerlichen Aufnahmeantrages (in der Praxis mit dem Mittel des Antrags 'auf Änderung der Verwendung') um weiterhin — nach Ablauf der Frist — im EKO aufgenommen zu sein. Hiermit verbunden ist ein Kostenersatz, der im Falle eines amtswegig eingeleiteten 'Streichungsverfahrens' nicht entsteht.

d) Soweit seitens des Dachverbandes argumentiert werden sollte, dass vertriebsberechtigte Unternehmen einer Befristung mehrheitlich zustimmen und es sich bei der Befristung allenfalls um eine privatrechtliche Vereinbarung handle, ist auf Folgendes zu verweisen:

Für nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln ist eine gesetzliche Grundlage — bei bestehenden Determinierungserfordernissen (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 31ff) — zwar nicht erforderlich. Als Grenzen der Inanspruchnahme der 'Privatwirtschaftsverwaltung' aus eigenem Ermessen ist jedoch Folgendes hervorzuheben:

Der nicht-hoheitlichen Verwaltung ist ein Tätigkeitwerden dort verwehrt, wo die Verfassung gesetzliche Aufgabenzuweisungen an die Privatwirtschaftsverwaltung ausschließt, sondern etwa vielmehr eine hoheitliche Verwaltung vorsieht (Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 187ff). Ein Zusammenspiel von hoheitlichen und nicht-hoheitlichen Gestaltungsakten der Verwaltung ist zwar grundsätzlich zulässig; dies aber nur insoweit, als dem nicht gesetzliche Anordnungen (insbesondere die den hoheitlichen Verwaltungsakten zugrundliegende Gesetze) entgegenstehen. Auch hier kommt es somit auf den Sinngehalt der gesetzlichen Bestimmungen an. Es widerspricht jedenfalls der Bindung der gesamten Verwaltung an die Gesetze, dass durch nicht-hoheitliches Verwaltungshandeln hoheitliche Regelungen — wie im gegenständlichen Fall - unterlaufen oder konterkariert werden (im Detail dazu: Holoubek, ÖZW 1993, 59ff; OGH 18.12.1992, 6 Ob 563/92; VfGH 15.12.1992, V93/94/91; Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung, 193).

Gerade in Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Befristungen ist auf die Entscheidung des VfGH vom 11. März 2014, B390/2012, hinzuweisen, in welcher ua ausgeführt wird: 'Beim Gesamtvertrag handelt es sich - ähnlich dem arbeitsrechtlichen Kollektivvertrag - um einen zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der jeweils örtlich zuständigen Ärztekammer abgeschlossenen privatrechtlichen Normenvertrag, der, soweit er Rechte und Pflichten der Ärzte und der Sozialversicherungsträger als Partner des Einzelvertrags regelt, auf Letzteren unmittelbar einwirkt (§341 Abs3 ASVG). Der Gesamtvertrag beruht daher nicht auf der Privatautonomie der vertragschließenden Parteien, sondern auf gesetzlicher Ermächtigung; er kann daher nur in Angelegenheiten, die das Gesetz bestimmt, abgeschlossen werden, und er ist insoweit, als sein zulässiger Regelungsgegenstand durch Gesetz und Verordnung inhaltlich determiniert ist, an diese Vorgaben gebunden (VfSlg 15697/1999). Eine Gesetz oder Verordnung widersprechende Bestimmung eines Gesamtvertrages wäre nach §879 ABGB nichtig (VfSlg 19251/2010).'

e) Einem allfälligen Argument des Dachverbandes, wonach eine Befristung als Nebenbestimmung eines Bescheides zulässig wäre, ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes zu entgegnen:

Als hoheitliche Anordnungen unterliegen auch Nebenbestimmungen dem Legalitätsprinzip des Art18 B VG (VwGH 28.1.2003, 2002/05/0072), bedürfen also einer gesetzlichen Grundlage (vgl VwSlg 6400 A/1964; 12.191 A/1986; 13.975 A/1993) in den maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (Hengstschläger/Leeb, AVG §59 Rz 19 [Stand 1.7.2005, rdb.at]). Wie bereits betont, ist die Möglichkeit einer befristeten Aufnahme einer Arzneispezialität in den Grünen oder Gelben Bereich des EKO dem ASVG nicht zu entnehmen.

In der Lehre wird teilweise die Ansicht vertreten, dass die Behörde auch ohne explizite gesetzliche Ermächtigung Nebenbestimmungen in einen Bescheid aufnehmen dürfe, soweit ihr bei Erlassung des Bescheides die Wahrung bestimmter Interessen übertragen sei und die Nebenbestimmung der Wahrung dieser Interessen diene. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn die Nebenbestimmung dazu bestimmt sei, das (Antrags-)Projekt bewilligungsfähig zu machen (Wieser, Nebenbestimmungen in Bescheiden - Feinsteuerungsoption der Verwaltung oder Vollziehungskorsett?, ZfV 2010, 575; Hengstschläger/Leeb, AVG §59 Rz 19 [Stand 1.7.2005, rdb.at]).

Dieser Teil der Lehre betont aber auch, dass es einer Gesamtanalyse des betreffenden Gesetzes, insbesondere auch mit den Mitteln der systematisch-teleologischen Interpretation, bedürfe, um festzustellen, ob im konkreten Fall die Beifügung einer Nebenbestimmung (ohne gesetzliche Grundlage) erlaubt bzw geboten sei (Wieser, Nebenbestimmungen in Bescheiden - Feinsteuerungsoption der Verwaltung oder Vollziehungskorsett?, ZfV 2010, 575 mwN).

Unbestritten ist der EKO eine Verordnung, mit der der Erstattungsbetrag für die in den Gelben und Grünen Bereich aufgenommen Arzneispezialitäten verbindlich festgesetzt wird. Jene Rechtsakte, mit denen der EKO verändert wird (zB Aufnahme, Streichung Überführung in einen anderen Bereich) sind ebenso Verordnungen. Für Nebenbestimmungen (Befristungen, Bedingungen oder Auflagen) verbleibt somit auch im individuellen hoheitlichen Verfahren nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere dort kein Raum, wo die gesetzlichen Grundlagen und die Verfahrensvorschriften (sowohl VO-EKO als auch das subsidiär anzuwendende AVG) ausreichende Instrumente vorsehen, sollten die im Bescheid über die Aufnahme festgesetzten Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sein (vgl Abschnitte V. - VIII. VO-EKO). Grundsätzlich ist nämlich jede im EKO angeführte Arzneispezialität nur 'bedingt' gelistet, soweit sie nämlich in Österreich zugelassen, erstattungsfähig und gesichert lieferbar ist, nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten / Patientinnen im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung annehmen lässt und der festgesetzte Preis wirtschaftlich vertretbar ist."

4. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und jeweils eine Äußerung erstattet, in der den in den Anträgen erhobenen Bedenken der Sache nach übereinstimmend entgegengetreten wird. In der zu V148, 149/2022 erstatteten Äußerung führt der Dachverband der Sozialversicherungsträger wie folgt aus (ohne die Hervorhebungen im Original):

"5. Zur fehlenden Berechtigung der Normbedenken

5.1. Zur angeblichen Rechtswidrigkeit befristeter Aufnahme in den EKO

Auf S. 20 seines Antrags meint das BVwG, dass die Rechtsprechung und die überwiegende Literatur die befristete Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben und grünen Bereich des EKO als rechtswidrig ansehen würden. Dazu verweist das BVwG auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg 18.821/2009, die es jedoch unvollständig wiedergibt. Richtigerweise hat der Verfassungsgerichtshof (unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien) ausgesprochen, dass die Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich 'grundsätzlich' (!) unbefristet erfolgt; über die Zulässigkeit einer befristeten Aufnahme in begründeten Einzelfällen trifft der Verfassungsgerichtshof hingegen keine Aussage.

Wie das BVwG zutreffend aufzeigt, ist grundsätzlich jede im EKO angeführte Arzneispezialität nur bedingt gelistet, soweit sie nämlich in Österreich zugelassen, erstattungsfähig und gesichert lieferbar ist (S. 23, letzter Satz des Antrags). Eine befristete Aufnahme sehen Schrattbauer/Rebhahn zumindest für jene Arzneimittel als gerechtfertigt an, die im Wege eines erleichterten/beschleunigten Verfahrens zugelassen worden sind (Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §351c ASVG Rz 55/1 und §351d Rz 10). Daneben bejahen etwa auch Drs/Jobst (SozSi 2016, 356 [365]) und Plank (Erstattungskodex NEU – Für Ärzte relevante Änderungen zum Erstattungskodex (EKO), RdM-ÖG 2018/2, 2), die [das vertriebsberechtigte Unternehmen] im Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vertritt, die grundsätzliche Zulässigkeit einer befristeten Aufnahme in den grünen oder gelben Bereich des Erstattungskodex.

Gerade bei den beispielsweise immer häufiger auftretenden, zeitlich begrenzten, bedingten Zulassungen nach Art14a VO (EU) 726/2004 wird umso deutlicher, dass eine bedingte Listung im EKO ebenfalls zulässig sein muss. Denn nach Art14a VO (EU) 726/2004 wird in diesen Fällen eine Zulassung bereits erteilt, noch ehe umfassende klinische Daten zur Nutzenbewertung vorliegen, eine solide medizinische und ökonomische Beurteilung zu diesem Zeitpunkt sohin noch nicht möglich ist. Wäre eine bedingte Aufnahme in den EKO nicht möglich, stünden der Mangel an Daten zum Nutzen und das Fehlen der unbefristeten Zulassung einer allfälligen Aufnahme in den EKO entgegen, da eine abschließende medizinisch-therapeutische sowie ökonomische Einstufung bei vorliegenden nichtfinalen, präliminären Daten nicht möglich wäre. Vor diesem Hintergrund ist in solchen Fällen eine antragsgemäße, befristete Aufnahme in den EKO das gelindere Mittel als die Nichtaufnahme und ermöglicht eine frühe und ökonomisch vertretbare, erste Versorgung der Versichertengemeinschaft.

Im Falle mehrerer aufeinander folgender 'Ketten-Befristungen' will Plank allerdings einen Mangel an Rechtssicherheit erkennen, wenn die Versorgung immer nur für einen befristeten Zeitraum sichergestellt wird, weil es chronisch Erkrankten nicht zumutbar sei, das Medikament häufig zu wechseln (Plank, aaO [8 f]). Die von Plank befürchtete Rechtsunsicherheit stellt sich im konkreten Fall aber nicht, weil die Therapiedauer von Maviret in der Regel nur acht Wochen beträgt und ein Versorgungsengpass mit direkten antiviralen Medikamenten (DAAs) nicht zu befürchten ist und auch im Zeitpunkt des Ausscheidens von Maviret aus dem EKO nicht zu befürchten war. Aus leistungsrechtlicher Sicht ist wiederum festzuhalten, dass eine allfällig kurz vor Ausscheiden von Maviret aus dem EKO begonnene Therapie (mangels Zumutbarkeit einer Therapieumstellung) auch zu Ende geführt worden wäre (vgl zur Erstattung von Arzneispezialitäten außerhalb des EKO in begründeten Einzelfällen §30b Abs1 Z4, 4.-letzter Satz ASVG). Die von Plank vorgebrachten Bedenken gegen eine Befristung greifen daher gegenständlich nicht.

'Überschießend' seien 'Ketten-Befristungen' nach Ansicht von Plank ferner dann, wenn sie sich nicht auf medizinische Neuerungen oder ein sich rasch änderndes Umfeld gründen. Auch dieses Argument verfängt hier nicht, weil die befristete Aufnahme von Maviret sowohl aus medizinischer als auch gesundheitsökonomischer Notwendigkeit erfolgte:

Medizinisch ausschlaggebende Gründe für die befristete Aufnahme waren die mangelnde Evidenz und Datenlage zur Wirksamkeit und Sicherheit unter Realbedingungen, weshalb es (als Teil der bestimmten Verwendung) auch erforderlich war, behandelte PatientInnen in das Hepatitis-C-Register des damaligen Hauptverbandes aufzunehmen. Ein spezifisches ungeklärtes Sicherheitsbedenken war dabei vor allem das (Wieder-)Auftreten eines hepatozellulären Karzinoms. Angesichts dessen wurde [dem vertriebsberechtigten Unternehmen] von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) letztlich auch die Durchführung einer 'non-interventional post-authorisation safety study' (PASS) aufgetragen, die beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen registriert und bis 1.6.2020 geführt wurde. Da alle DAAs gleichermaßen von den Wirksamkeits- und Sicherheitsbedenken betroffen waren, wurde nicht nur Maviret, sondern auch alle anderen therapeutischen Alternativen befristet in den EKO aufgenommen.

Hinzu kommt, dass die damals vorherrschende epidemiologische Situation ungeklärt war und erhebliche Unsicherheiten in Bezug auf die zu versorgende Anzahl an PatientInnen bestanden. Anhand der Literatur konnte für Österreich von einer Hepatitis-C-Prävalenz von 0,5 bis zu 1 % ausgegangen werden [Bruggmann 2014, Mühlberger 2009], was bei einer Gesamtbevölkerung von 8,6 Mio. im Jahr 2015 rund 43.000 bis 86.000 potenzielle PatientInnen bedeutet hätte. Bei anfänglichen Therapiekosten von über EUR 50.000 pro PatientIn standen somit mögliche Therapiekosten in Milliardenhöhe für eine einzige Indikation (!) im Raum.

Dass die Befristung der Aufnahme aus den genannten Gründen gerechtfertigt war, gestand selbst [das vertriebsberechtigte Unternehmen] zu. So etwa führte sie im Dokument 'Doku weitere wichtige Aspekte', das ihrem Antrag vom 25.6.2019 beigefügt war, wörtlich wie folgt aus:

'Die befristete Aufnahme von 2 Jahren ergab sich aus der mangelnden Evidenz und Datenlage für Österreich. Zu diesem Zeitpunkt lagen keine Studiendaten von Maviret®, bezüglich der Wirksamkeit (SVR-12 Raten) und Sicherheit, auch in der tatsächlichen Behandlungspraxis ("real-life") vor.'

Die befristete Aufnahme von Maviret erfolgte daher keineswegs grundlos (oder mit dem von [dem vertriebsberechtigten Unternehmen] nachträglich unterstellten Ziel, Preisabschläge zu erwirken), sondern aus medizinischer und gesundheitsökonomischer Notwendigkeit.

Abgesehen davon muss eine befristete Aufnahme von Arzneispezialitäten ganz allgemein in jenen Fällen zulässig sein, in denen das vertriebsberechtigte Unternehmen selbst einen darauf gerichteten Antrag stellt. Erachtet das vertriebsberechtigte Unternehmen eine befristete Aufnahme der konkreten Arzneispezialität für nicht gerechtfertigt oder unzulässig, steht es ihm selbstverständlich frei, (weiterhin) die unbefristete Aufnahme zu beantragen und einen allfällig abweisenden Bescheid des Dachverbandes im Verwaltungsweg zu bekämpfen. Setzt es die Aufnahme hingegen unter die Voraussetzung der Befristung, kann es die Stattgebung der beantragten Befristung nicht nachträglich beanstanden.

In diesem Zusammenhang vertreten auch Schrattbauer/Rebhahn, dass bedingte oder befristete Aufnahmen in den EKO jedenfalls dann zulässig sind, wenn dem Antrag nur unter deren Beisetzung stattgegeben werden kann und der Antragsteller ihnen – etwa im geänderten Antrag – zustimmt. Zu denken sei dabei insbesondere an die auflösende Bedingung zur Aufnahme für den Fall, dass der Anbieter nicht die vereinbarte stufenweise Preissenkung durchführt; in diesem Fall könne der Dachverband die Streichung ohne Verfahren nach §351f Abs1 ASVG verfügen. Ebenso zulässig sei die bedingte oder befristete Aufnahme einer Arzneispezialität, die die arzneimittelrechtliche Zulassung 'erleichtert' und damit vorzeitig erhalten hat. Bei 'erleichtert' zugelassenen Arzneimitteln sei eine Befristung schon deshalb gerechtfertigt, weil der therapeutische Nutzen (und in der Folge die ökonomische Evaluation) schon nach den allgemeinen arzneimittelrechtlichen Standards nicht ausreichend klar sei, was eine vorläufige Entscheidung rechtfertige (Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV Komm §351d Rz 10).

Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall gelten, in dem die Befristung der Aufnahme aufgrund fehlender Evidenz und unklarer Datenlage zur Wirksamkeit von Maviret unter Realbedingungen, aufgrund von Sicherheitsbedenken und gesundheitsökonomischer Aspekte geboten war. [Das vertriebsberechtigte Unternehmen] selbst hat die Notwendigkeit der Befristung anerkannt und ihrem Antrag vom 25.6.2019 zugrunde gelegt. Da die Befristung bis 31.12.2021 dem Antrag vom 25.6.2019 entsprach, ist sie – Schrattbauer/Rebhahn folgend – jedenfalls zulässig.

Der befristeten Aufnahme von DAAs ist es zu verdanken, dass Österreich von Beginn an zu jenen wenigen Ländern zählte, die es (trotz enormer Kosten) bewerkstelligt haben, alle neuen Hepatitis-C-Therapien von Beginn an zu finanzieren und zur Behandlung von PatientInnen mit Hepatitis C zur Verfügung zu stellen. Die österreichische Sozialversicherung hat den raschen Zugang zu diesen neuen Therapien ermöglicht und die Kosten für PatientInnen, die diese Therapie am dringendsten brauchen, von Anfang an übernommen und gleichzeitig eine finanzielle Überlastung des Gesundheitssystems verhindert.

Dass [das vertriebsberechtigte Unternehmen] die Befristung nun, nachdem sie die durch die befristete Aufnahme erst möglich gewordenen Umsätze mit der Sozialversicherung lukriert hat, in ihrer Beschwerde vom 20.12.2021 als rechtswidrig bekämpft und sogar die rückwirkende Aufhebung der Befristung unter Wiederherstellung der ursprünglichen (höheren) Preise fordert, widerspricht ihren bisherigen Erklärungen und Anträgen in den jeweiligen Verfahren und ist ganz offensichtlich ihrem Streben geschuldet, mit der Sozialversicherung Umsätze zu generieren. Nur der Vollständigkeit halber weist der Dachverband zudem darauf hin, dass [das vertriebsberechtigte Unternehmen] auch in einem anderen Verfahren die befristete Aufnahme einer Arzneispezialität beantragt hat, um Umsätze mit der Sozialversicherung zu generieren (vgl dazu den aktuellen Stand des EKO, in dem ein Produkt von [dem vertriebsberechtigten Unternehmen] mit Befristung angeführt ist). Daraus kann abgeleitet werden, dass [das vertriebsberechtigte Unternehmen] zur Befristung der Aufnahme eine durchaus situationsabhängige Rechtsansicht vertritt.

Die Behauptung von [dem vertriebsberechtigten Unternehmen] in ihrer Beschwerde vom 20.12.2021, wonach der Dachverband die beantragte Befristung nur deswegen aufgenommen hätte, um nach Ablauf der Befristung eine Reduktion des Preises zu erwirken, ist unrichtig und wird nachdrücklich bestritten. Bemerkenswert ist dabei, dass [die vertriebsberechtigte Gesellschaft] in ihrer Beschwerde gar nicht das Ergebnis der gesundheitsökonomischen Evaluation des Dachverbandes in Zweifel zieht, wonach der für Maviret gebotene Preis überhöht und gemäß §25 Abs2 iVm Abs5 VO-EKO und §25 Abs3 Z1 iVm Abs6 VO-EKO wirtschaftlich nicht vertretbar ist; vielmehr bestreitet sie nur die Zulässigkeit einer neuerlichen Überprüfung der Wirtschaftlichkeit an sich, weil diese ja bereits im Zuge der Aufnahme in den EKO evaluiert wurde, und stellt Nachforderungen gegen die einzelnen Krankenversicherungsträger in Aussicht, sollte ihrem Antrag auf unbefristete Listung nicht stattgegeben werden. [Das vertriebsberechtigte Unternehmen] verkennt jedoch, dass sich auch vertriebsberechtigte Unternehmen von unbefristet aufgenommenen Arzneispezialitäten neuerliche (und laufende) Überprüfungen der Wirtschaftlichkeit gefallen lassen müssen (vgl §351f Abs1 ASVG). Ist der Preis der Arzneispezialität im Vergleich zu ihren therapeutischen Alternativen unangemessen hoch, ist auch das unbefristet aufgenommene Produkt aus dem EKO zu streichen.

Dass der Dachverband im Rahmen eines Verfahrens zur Änderung der Verschreibbarkeit eine Evaluation der Arzneispezialität vorzunehmen hat, ergibt sich aus §28 Abs2 VO-EKO und entspricht auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (19.9.2014, B828/2012; vgl auch Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §351e ASVG Rz 1). Entgegen der Ansicht von [dem vertriebsberechtigten Unternehmen] war daher gegenständlich auch eine gesundheitsökonomische Evaluation durchzuführen, dies umso mehr, als sich die gesundheitsökonomischen Umstände seit Aufnahme von Maviret in den EKO deutlich geändert haben.

Von einer unsachlichen Differenzierung von befristet aufgenommenen Arzneispezialitäten gegenüber unbefristet aufgenommenen (litc auf S. 21 des Antrags) kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn die befristete Aufnahme – wie hier – aus sachlichen Gründen geboten war. Entgegen der Ansicht des BVwG vermag das Anfallen von Verfahrenskosten zur Stellung eines Antrags auf unbefristete Listung daher keine unsachliche Ungleichbehandlung zu begründen. An dieser Stelle weist der Dachverband auch nochmals darauf hin, dass nicht nur Maviret befristet bis 31.12.2021 aufgenommen worden war, sondern auch alle anderen therapeutischen Alternativen in den EKO. Auch diesbezüglich liegt somit keine unsachliche Differenzierung vor.

Welchen Antrag ein vertriebsberechtigtes Unternehmen stellt, um – im Anschluss an eine befristete Aufnahme seiner Arzneispezialität im EKO – eine unbefristete Aufnahme zu erwirken, und welche 'Praxis' des Dachverbandes dazu angeblich besteht (vgl litb auf S. 21 des Antrags), ist nicht Gegenstand der vom Verfassungsgerichtshof vorzunehmenden Prüfung der angefochtenen Verordnungen. Entscheidungsrelevant ist vielmehr, ob die Streichung von Maviret aus dem EKO bzw die Annahme der beantragten befristeten Aufnahme gesetzmäßig war. Das ist nach dem oben Gesagten der Fall.

Soweit das BVwG schließlich unterstellt, der Dachverband könnte allenfalls argumentieren, dass es sich bei der Befristung um eine privatrechtliche Vereinbarung handeln würde (vgl litd auf S. 21 f des Antrags), ist dem zu entgegnen, dass der Dachverband solches nicht behauptet hat. Die befristete Aufnahme beruhte auf medizinischen und gesundheitsökonomischen Gründen sowie einem darauf ausdrücklich gerichteten Antrag von [dem vertriebsberechtigten Unternehmen]. Auch die vom BVwG angestellten Erwägungen in Bezug auf etwaige Parallelen zu Gesamtverträgen iSd §338 ASVG stellen sich nicht.

Im Ergebnis erfolgte die Befristung der Aufnahme von Maviret ua aus medizinischer Notwendigkeit mit Zustimmung von [dem vertriebsberechtigten Unternehmen] und war somit keineswegs rechtswidrig. Die gegenteilige Rechtsansicht vermag nicht zu überzeugen.

5.2. Zur angeblichen Notwendigkeit eines Streichungsbescheides nach §351f Abs1 ASVG

In seinem Antrag vertritt das BVwG ferner die Ansicht, dass eine Streichung aus dem EKO nur auf Grundlage eines Streichungsbescheides nach Durchführung eines Streichungsverfahrens gemäß §351f Abs1 ASVG zulässig sei (S. 20 f des Antrags). Richtig ist zwar, dass eine Streichung aus dem EKO im Regelfall auf einem Verfahren gemäß §351f Abs1 ASVG beruht; entgegen den Ausführungen des BVwG kennt das Gesetz jedoch auch Änderungen des EKO, die nicht §351f Abs1 ASVG unterfallen:

So etwa ist eine Arzneispezialität 'unverzüglich' ohne weiteres Verfahren aus dem EKO zu streichen, wenn ihre Zulassung nach dem AMG aufgehoben wird (§351f Abs2 ASVG; §37 Abs2 VO-EKO). Ebenso wenig ist ein Streichungsverfahren erforderlich, wenn eine Arzneispezialität als Teil des EKO kundgemacht wurde, ohne dass eine Aufnahmeentscheidung vorliegt; in diesem Fall bedarf es auch keines Streichungsbescheides. Kein gesondertes Streichungsverfahren ist auch für den Fall vorgesehen, dass der Dachverband die Aufnahme einer Arzneispezialität, die sich im roten Bereich des EKO befindet, in den grünen oder gelben Bereich ablehnt und aus dem roten Bereich streicht. Gemäß §61 Abs3 VO-EKO sind schließlich auch all jene Arzneispezialitäten ohne weiteres Verfahren aus dem EKO ausgeschieden, die zum 31.12.2004 nicht in den gelben oder grünen Bereich des EKO übernommen wurden (zu all diesen Konstellationen vgl Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §351f ASVG Rz 3; ebenso Rohregger in Mazal, Erstattungskodex, 31).

Festzuhalten ist daher, dass die Ausgangsthese, jeder Streichung aus dem EKO müsse ein Streichungsbescheid aufgrund eines Streichungsverfahrens gemäß §351f ASVG zugrunde liegen, unrichtig ist. Auch für das Ausscheiden einer im Vorhinein (laut Bescheid) nur befristet aufgenommenen Arzneispezialität ist ein (separater) Streichungsbescheid nach §351f Abs1 ASVG keine Voraussetzung. Tatsächlich regelt §351f Abs1 ASVG auch eine ganz andere Konstellation: Zu einem Streichungsverfahren nach §351f Abs1 ASVG kommt es aufgrund einer amtswegigen Überprüfung der im EKO angeführten Arzneispezialitäten im Hinblick darauf, ob die jeweiligen Arzneispezialitäten nach wie vor den Prüfmaßstäben gemäß §§30b Abs1 Z4 und 351c ASVG entsprechen, sowie der dabei vorgefundenen geänderten Umstände im Tatsächlichen (namentlich neuer pharmakologischer, medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Umstände). Im Zuge dieses Verfahrens wird das betreffende vertriebsberechtigte Unternehmen erstmals von der beabsichtigten Streichung seiner Arzneispezialität in Kenntnis gesetzt und erhält Gelegenheit zur Stellungnahme. Seiner Konzeption nach betrifft dieses Verfahren somit (nur) den Fall, dass der Dachverband beabsichtigt, die Rechtslage in Bezug auf eine bestimmte Arzneispezialität abzuändern, indem ihre Streichung aus dem EKO verfügt wird.

Das ist bei Arzneispezialitäten, deren Aufnahme von Vorneherein mit einem bestimmten Datum befristet ist, aber nicht der Fall. Diesbezüglich kommt es zu keiner materiellen Änderung der Rechtslage, weil die Aufnahme ja von Anfang an befristet ist. Die Löschung des Eintrags der betreffenden Arzneispezialität dient nur der Bereinigung des EKO, indem nicht mehr gültige Eintragungen (bzw nicht mehr dem Erstattungssystem des EKO angehörende Arzneispezialitäten) gelöscht werden.

Dass die Arzneispezialität nach Ablauf der Befristung aus dem EKO ausscheidet, ist dem vertriebsberechtigten Unternehmen zudem schon bei Ausspruch der befristeten Aufnahme bewusst. Es kann und darf sich nicht darauf verlassen, dass die Arzneispezialität über die Befristung hinaus im EKO verbleibt. Die Streichung bei Ablauf der Befristung erfolgt somit weder 'überraschend' noch unvermittelt; sie ist aber v.a. auch nicht Folge einer zwischenzeitigen Änderung pharmakologischer, medizinisch-therapeutischer oder gesundheitsökonomischer Umstände und einer (unerwarteten) amtswegigen Überprüfung des EKO durch den Dachverband gemäß §351f Abs1 ASVG.

Für das Ausscheiden einer befristet aufgenommenen Arzneispezialität ist die Bestimmung des §351f Abs1 ASVG somit weder einschlägig, noch ist dafür – wie in den anderen oben genannten Konstellationen – die Erlassung eines Streichungsbescheides erforderlich. Grundlage für das Ausscheiden aus dem EKO ist vielmehr der (Aufnahme-)Bescheid selbst, der das Ende der Aufnahme zu einem bestimmten Datum bereits anordnet. Zutreffend zeigen auch Schrattbauer/Rebhahn in diesem Zusammenhang auf, dass der Dachverband im Falle einer bedingten Aufnahme die Streichung ohne Verfahren nach §351f Abs1 ASVG verfügen kann (Schrattbauer/Rebhahn in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV Komm §351f ASVG Rz 10).

Im Falle einer befristet aufgenommenen Arzneispezialität ist §351f Abs1 ASVG daher nicht anwendbar. Die Streichung erfolgt vielmehr auf Grundlage des Ausspruchs im Aufnahmebescheid, der die Aufnahme der Arzneispezialität zeitlich begrenzt und ihr Ausscheiden mit einem konkreten Datum bestimmt (hier: 31.12.2021). Eines (gesonderten) Streichungsbescheides nach §351f Abs1 ASVG bedarf es für die Streichung dazu nicht.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Dachverband darauf hin, dass auch die Transparenzrichtlinie 89/105/EWG vom 21.12.1988 ('Transparenz-RL') nicht einen solchen (gesonderten) Streichungsbescheid voraussetzt. Zwar sieht Art6 Abs5 Transparenz-RL eine Begründungspflicht für Streichungsbescheide vor; diese gilt aber erkennbar nur für solche Entscheidungen, mit denen dem Antrag des vertriebsberechtigten Unternehmens nicht vollinhaltlich stattgegeben wird: Hinter-grund von Art6 Abs5 Transparenz-RL und §351f ASVG ist nämlich, einem vertriebsberechtigten Unternehmen im Fall einer ablehnenden Entscheidung effizienten Rechtsschutz zu gewähren, indem es die Behörde dazu verpflichtet, seine Entscheidung entsprechend zu begründen. Nur bei (auch bloß teilweise) abweisenden Entscheidungen ist das vertriebsberechtigte Unternehmen beschwert und spielen Rechtsschutzaspekte eine Rolle. Der Zweck der Entscheidungsbegründung entfällt jedoch, wenn dem Antrag des vertriebsberechtigen Unternehmens ohnehin vollinhaltlich stattgegeben wird, es durch die Entscheidung nicht beschwert wird und ein Rechtsmittel daher nicht zulässig ist. Das gilt auch für den Fall, dass das Unternehmen das Ende der Listung der Arzneispezialität selbst vorwegnimmt, indem es deren Aufnahme befristet beantragt, und die Behörde diesem Antrag vollinhaltlich stattgibt.

Im vorliegenden Fall ergingen der Bescheid vom 20.11.2019 und die darin ausgesprochene befristete Aufnahme von Maviret bis 31.12.2021 in vollinhaltlicher Stattgebung des damaligen Antrags vom 25.6.2019. [Das vertriebsberechtigte Unternehmen] war durch den Bescheid vom 20.11.2019 somit nicht beschwert, sodass auch keine Begründungspflicht nach der Transparenz-RL bestand.

Zusammengefasst kann eine befristete Aufnahme einer Arzneispezialität in den gelben oder grünen Bereich des EKO in begründeten Einzelfällen gerechtfertigt sein, so insbesondere im gegenständlichen Fall, in dem die Wirksamkeit und Sicherheit von Maviret mit erheblichen Unsicherheiten behaftet waren. Diesfalls bildet bereits der (Aufnahme-)Bescheid, der das Ausscheiden aus dem EKO mit einem bestimmten Datum festlegt, die Grundlage für die Streichung; eines (gesonderten) Streichungsbescheides nach §351f Abs1 ASVG bedarf es dazu nicht. Die angefochtenen Verordnungen erweisen sich daher auch nicht als gesetzwidrig."

5. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat jeweils von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge zu V148, 149/2022

1.1. Dem Erstattungskodex kommt ebenso wie jeder seiner Änderungen Verordnungscharakter zu (vgl nur zB VfSlg 17.585/2005).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmungen aus, dass es über einen "Antrag auf Änderung der Verwendung einer im EKO gelisteten Arzneispezialität" zu entscheiden habe. Auf Grund seiner meritorischen Entscheidungspflicht zur Sach- und Rechtslage im Entscheidungszeitpunkt lägen die Voraussetzungen für einen solchen Antrag mangels Listung der Arzneispezialität seit 1. Jänner 2022 nicht mehr vor.

1.2.2. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger zieht in seiner Äußerung die Präjudizialität der angefochtenen Verordnungsbestimmungen in Zweifel; es stehe – wie das vertriebsberechtigte Unternehmen in seinem Individualantrag unter Hinweis auf VfSlg 17.585/2005 ausführe – der Weg über eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nämlich dann nicht offen, "wenn – wie vorliegend – im Antrag behauptet wird, die Streichung sei ohne Vorliegen einer entsprechenden Streichungsentscheidung verlautbart worden". Zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides vom 16. Dezember 2021 bedürfe es weder der Anwendung der 159. noch der 165., der 183., der 189. oder der 207. Änderung des Erstattungkodex. Anzuwenden sei vielmehr der Erstattungskodex in der geltenden Fassung nach seiner letzten (211.) Änderung; darin sei Maviret nicht gelistet.

1.2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag dem Bundesverwaltungsgericht nicht entgegenzutreten, wenn es davon ausgeht, dass es bei der Beurteilung der Frage, wie ein Antrag auf "Änderung der Verwendung" (einer im "Erstattungskodex angeführten Arzneispezialität", vgl §351e ASVG) zu erledigen ist, die diese Arzneispezialität betreffenden Bestimmungen des Erstattungskodex zumindest denkmöglich anzuwenden hat. Die die Arzneispezialität Maviret betreffende aktuelle Fassung des Erstattungskodex resultiert aus der Streichungsanordnung in der 207. Änderung des Erstattungskodex und – im Fall von deren Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof – aus der Befristungsanordnung in der 189. Änderung des Erstattungskodex. Entgegen der Auffassung des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger lässt sich für diese Frage aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 17.585/2005 nichts gewinnen. Die angefochtenen Bestimmungen der 207. Änderung des Erstattungskodex und der 189. Änderung des Erstattungskodex sind daher präjudiziell. Hingegen fehlt es hinsichtlich der 159. Änderung des Erstattungskodex, mit der Maviret erstmalig in dessen Gelben Bereich aufgenommen worden war, an der Präjudizialität, weil diese Bestimmung (auch) zur Beurteilung der Frage, ob eine rückwirkende Änderung von Aufnahmebescheiden zu Recht gemäß §68 AVG zurückgewiesen worden ist, offenkundig ohne Belang ist.

1.3. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Antrag auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit näher bezeichneter Bestimmungen in den genannten Verordnungen zur Änderung des Erstattungskodex. Gemäß §15 Abs2 iVm §57 Abs1 VfGG fehlt in diesem Antrag das Begehren, die angefochtenen Verordnungsbestimmungen als gesetzwidrig aufzuheben. Ungeachtet der unpassenden Verwendung des Wortes "festzustellen", ist der Antrag als Aufhebungsbegehren zu verstehen (vgl zB VfSlg 17.695/2005, VfGH 23.2.2017, V73/2016, und zuletzt etwa VfGH 26.11.2018, V53-54/2018; 14.6.2022, V52/2022).

1.4. Entgegen der Auffassung des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger ergibt sich aus dem Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes (Seiten 2 ff der Eingabe) klar, auf welche Änderungen des Erstattungskodex das Aufhebungsbegehren bezogen ist (nämlich auf die 207. und die 189. Änderung); der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Begründung seines Antrages teilweise auf die 183. Änderung Bezug nimmt, schadet nicht.

1.5. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist die Anfechtung einer Novellierungsanordnung nur dann zulässig, wenn eine Bestimmung durch die betreffende Novelle aufgehoben worden ist und sich das Bedenken gegen diese Aufhebung richtet und die Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit auf keinem anderen Wege beseitigt werden kann (vgl zB VfSlg 19.658/2012 und 20.213/2017 sowie zuletzt VfGH 12.6.2019, G34/2019 ua; 13.12.2019, G 67/2019 ua).

1.6. Daher begegnet zwar das Begehren auf Aufhebung der Streichungsanordnung durch die 207. Änderung des Erstattungskodex unter dem Blickwinkel der Zulässigkeit keinem Einwand (vgl VfSlg 17.585/2005). Hingegen erweist sich die mit dem Hauptantrag des Weiteren vorgenommene Anfechtung einer bestimmten Wortfolge in der Novellierungsanordnung der 189. Änderung des Erstattungskodex (anstelle der Anfechtung dieser Wortfolge im Erstattungskodex in der Fassung der 189. Novelle) aus diesem Grund als unzulässig.

1.7. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag auf Aufhebung der näher bezeichneten Wortfolge in der 207. Änderung des Erstattungskodex als zulässig. Hingegen sind der Hauptantrag, soweit er sich auf die 189. Änderung des Erstattungskodex bezieht, und der – als Zusatzantrag zu verstehende –, auf die Aufhebung einer Wortfolge in der 159. Änderung des Erstattungskodex gerichtete "Eventualantrag" als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zur Zulässigkeit des Antrages zu V1/2022

2.1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung – im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 13.944/1994, 15.234/1998, 15.947/2000).

2.2. Die Verlautbarung der Streichung einer bislang im (Gelben Bereich des) Erstattungskodex angeführten Arzneispezialität aus diesem greift auch – gemessen an den Rechtswirkungen des Erstattungskodex – in die Rechtssphäre des betroffenen vertriebsberechtigten Unternehmens ein (vgl VfSlg 17.585/2005, ferner VfSlg 17.023/2003, S. 664; zur Zulässigkeit der Anfechtung einer Novellenbestimmung, welche eine Norm aufhebt, vgl insbesondere VfSlg 16.764/2002, 17.585/2005).

2.3. Zum Zeitpunkt der Antragstellung (2. Jänner 2022) hatte die antragstellende Gesellschaft bereits ein Verfahren zur "Änderung der Verwendung der im gelben Bereich des Erstattungskodex gelisteten Arzneispezialität Maviret" durch "unbefristeten Verbleib" im Erstattungskodex anhängig gemacht und am 20. Dezember 2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, das aus Anlass dieser Beschwerde den zu V148, 149/2022 protokollierten – teilweise zulässigen (siehe oben 1.) – Antrag gestellt hat. Damit erweist sich der zu V1/2022 protokollierte Antrag aber infolge der Möglichkeit und Zumutbarkeit eines anderen Weges, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, als unzulässig. Daran vermag auch der Verweis der antragstellenden Gesellschaft auf das Erkenntnis VfSlg 17.585/2005 nichts zu ändern, dem eine Konstellation zugrunde lag, in der kein Verwaltungsverfahren anhängig war, zu dem die angefochtene Norm präjudiziell war.

2.4. Der zu V1/2022 protokollierte Verordnungsprüfungsantrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

3. In der Sache

3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

3.2. Soweit zulässig, ist der zu V148, 149/2022 protokollierte Antrag nicht begründet.

3.3. Zur Rechtslage:

3.3.1. Der Erstattungskodex der Sozialversicherung ist eine vom Dachverband der Sozialversicherungsträger (§30 Abs2 Z2 und §30b Abs1 Z4 ASVG) zu erlassende Verordnung (VfSlg 17.585/2005) für die Abgabe von Arzneispezialitäten auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers im niedergelassenen Bereich (§30b Abs1 Z4 ASVG). In dieses Verzeichnis sind jene für Österreich zugelassenen, erstattungsfähigen und gesichert lieferbaren Arzneispezialitäten aufzunehmen, die nach den Erfahrungen im In- und Ausland und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine therapeutische Wirkung und einen Nutzen für Patienten im Sinne der Ziele der Krankenbehandlung (§133 Abs2 ASVG) annehmen lassen (§30b Abs1 Z4 ASVG). Arzneispezialitäten können (in der Regel) nur dann als Leistung der Krankenbehandlung auf Rechnung eines Sozialversicherungsträgers abgegeben werden, wenn sie im Erstattungskodex angeführt sind (§30b Abs1 Z4 iVm §350 ASVG). Der Erstattungskodex ordnet die (aufgenommenen) Arzneispezialitäten drei verschiedenen Bereichen zu:

3.3.1.1. Dem Grünen Bereich werden Arzneispezialitäten zugeordnet, deren Abgabe auf Grund ärztlicher Verschreibung medizinisch und gesundheitsökonomisch sinnvoll und vertretbar ist, ohne dass es einer Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger bedarf (§30b Abs1 Z4 litc ASVG).

3.3.1.2. Der Gelbe Bereich enthält Arzneispezialitäten, die einen wesentlichen zusätzlichen therapeutischen Nutzen für Patienten aufweisen, die aber aus medizinischen oder gesundheitsökonomischen Gründen nicht in den Grünen Bereich aufgenommen werden (§30b Abs1 Z4 litb ASVG). Ihre Abgabe für Rechnung der Krankenversicherungsträger bedarf (grundsätzlich) der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln (§30a Abs1 Z12 ASVG), wobei dem Sozialversicherungsträger nur der (von der Preiskommission [§9 Abs3 PreisG 1992; §351c Abs6 ASVG]) ermittelte EU Durchschnittspreis (dazu VfSlg 18.821/2009) verrechnet werden darf.

3.3.1.3. Der Rote Bereich enthält – zeitlich befristet – jene Arzneispezialitäten, die erstmalig am österreichischen Markt lieferbar sind und deren Aufnahme in den Erstattungskodex beantragt (§351c Abs1 ASVG) wurde (§30b Abs1 Z4 lita ASVG). Ihre Abgabe für Rechnung der Krankenversicherungsträger bedarf der ärztlichen Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes der Sozialversicherungsträger nach Maßgabe der Richtlinien über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln (§30a Abs1 Z12 ASVG), wobei dem Sozialversicherungsträger nur der (von der Preiskommission [§9 Abs3 PreisG 1992; §351c Abs6 ASVG]) ermittelte EU-Durchschnittspreis verrechnet werden darf.

3.3.1.4. Arzneispezialitäten, die nicht im Erstattungskodex angeführt sind, sind nur in begründeten Einzelfällen – bei ärztlicher Bewilligung des chef- und kontrollärztlichen Dienstes – erstattungsfähig, wenn die Behandlung mit ihnen aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und nicht mit Arzneispezialitäten des Erstattungskodex durchgeführt werden kann (§30b Abs1 Z4 ASVG, zum Preis vgl §351c Abs9a ASVG).

3.3.2. Der Erstattungskodex ist im Internet zu verlautbaren (§30b Abs2 ASVG) und gestaltet zunächst die Rechtsstellung der Versicherten (VfSlg 17.023/2003) und der dem Dachverband angehörenden Versicherungsträger (vgl §30 Abs3 ASVG), hinsichtlich der Abgabe für Rechnung der Krankenversicherungsträger auch der Apotheken und hausapothekenführenden Ärzte (vgl §350 Abs1 Z3 ASVG).

3.3.3. Die §§351c ff ASVG regeln ua die Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex und die Streichung aus diesem:

3.3.3.1. In der Regel (vgl aber auch die Möglichkeit zur amtswegigen Verfahrenseinleitung, §351c Abs5 ASVG) beantragt das vertriebsberechtigte Unternehmen die Aufnahme einer Arzneispezialität in den Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex beim Dachverband der Sozialversicherungsträger (§351c Abs1 ASVG, woraufhin die Arzneispezialität vorübergehend in den Roten Bereich aufgenommen und dann entweder in den Grünen oder Gelben Bereich überführt oder gestrichen wird). Der Dachverband hat über diesen Antrag schriftlich binnen bestimmter Frist (mit Bescheid) auf Grundlage der Empfehlung der Heilmittel-Evaluierungs-Kommission (§351g Abs2 und 3 ASVG) im Rahmen des eingeräumten Ermessens zu entscheiden (§351d Abs1 ASVG).

3.3.3.2. Das vertriebsberechtigte Unternehmen kann die Änderung der Verschreibbarkeit einer im Gelben oder Grünen Bereich des Erstattungskodex angeführten Arzneispezialität (entweder allgemein oder nur für bestimmte Verwendungen) sowie eine Erhöhung des Preises beantragen; der Dachverband hat über solche Anträge schriftlich zu entscheiden (§351e ASVG).

3.3.3.3. Gemäß §351f Abs1 ASVG hat der Dachverband den Erstattungskodex regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob die angeführten Arzneispezialitäten den Prüfungsmaßstäben nach §30b Abs1 Z4 und §351c ASVG entsprechen. Wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme nicht oder nur mehr für bestimmte Verwendungen erfüllt sind, hat der Dachverband im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens mit schriftlichem Bescheid eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zu streichen, in einen anderen Bereich zu übernehmen oder die Anführung auf bestimmte Verwendungen einzuschränken. Dem vertriebsberechtigten Unternehmen ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Aufhebung der Zulassung einer Arzneispezialität ist diese unverzüglich aus dem Erstattungskodex zu streichen. Eine beschlossene Streichung darf (grundsätzlich) erst dann im Erstattungskodex verlautbart werden, wenn sie in Rechtskraft erwachsen ist (vgl VfSlg 17.585/2005).

3.3.4. Die nähere Organisation zur Aufnahme einer Arzneispezialität und das Verfahren zur Herausgabe des Erstattungskodex hat der Dachverband in einer Verordnung zu regeln (§30b Abs1 Z4 iVm §351g ASVG, vgl die Verfahrensordnung zur Herausgabe des Erstattungskodex nach §351g ASVG – VO-EKO, kundgemacht als Amtliche Verlautbarung der österreichischen Sozialversicherung im Internet Nr 47/2004 idgF).

3.3.5. Über Beschwerden (ua) gegen Bescheide, mit denen ein Antrag auf Aufnahme in den Grünen oder Gelben Bereich des Erstattungskodex ab- oder zurückgewiesen oder die Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex gestrichen wurde, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht (§351h Abs1 ASVG; zur aufschiebenden Wirkung siehe §351h Abs3 leg cit).

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht hegt gegen die Streichung von Maviret aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex durch die 207. Änderung des Erstattungskodex das Bedenken, dass diese Streichung entgegen §351f Abs1 ASVG ohne entsprechenden Streichungsbescheid erfolgt sei. Nach dieser Bestimmung bedürfe eine solche Streichung einer "schriftlichen Entscheidung" des Dachverbandes. Zuvor sei dem vertriebsberechtigten Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ein Streichungsbescheid sei gemäß §351h Abs1 Z2 ASVG mit Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpfbar, wobei dieser Beschwerde gemäß §351h Abs3 ASVG (mit Ausnahme von Streichungsbescheiden infolge mangelnder Lieferfähigkeit) aufschiebende Wirkung zukomme. Da im vorliegenden Fall keine schriftliche Entscheidung des Dachverbandes gemäß §351f Abs1 ASVG ergangen und in Rechtskraft erwachsen sei, existiere keine taugliche individuell-hoheitliche Grundlage für eine Verordnung, mit der die Streichung aus dem Gelben Bereich des Erstattungskodex zu verlautbaren wäre. Die angefochtene Verordnungsbestimmung sei somit gesetzwidrig (Hinweis auf VfSlg 17.585/2005).

3.5. Der Dachverband der Sozialversicherungsträger hält dem auf das Wesentliche zusammengefasst Folgendes entgegen: Die Literatur schließe die Zulässigkeit der befristeten Aufnahme von Arzneispezialitäten in den Erstattungskodex nicht grundsätzlich aus. Dies sei beispielsweise bei den immer häufiger auftretenden, zeitlich begrenzten, bedingten Zulassungen nach Art14a VO (EU) 726/2004 indiziert. Im konkreten Fall sei die mangelnde Evidenz und Datenlage zur Unwirksamkeit und Sicherheit unter Realbedingungen medizinisch ausschlaggebend gewesen. Eine befristete Aufnahme müsse auch zulässig sein, wenn das vertriebsberechtigte Unternehmen selbst einen darauf gerichteten Antrag stelle. Bedingte oder befristete Aufnahmen in den Erstattungskodex seien jedenfalls dann zulässig, wenn dem Antrag nur unter deren Beisetzung stattgegeben werden könne und der Antragsteller zustimme. Eine Streichung aus dem Erstattungskodex beruhe im Regelfall auf einem Verfahren gemäß §351f Abs1 ASVG. Das Gesetz kenne aber auch Änderungen des Erstattungskodex, die nicht dieser Bestimmung unterfallen würden. So sei eine Arzneispezialität unverzüglich und ohne weiteres Verfahren zu streichen, wenn ihre Zulassung nach dem AMG aufgehoben werde (§351f Abs2 ASVG, §37 Abs2 VO-EKO). Ebenso wenig sei eine Streichung erforderlich, wenn eine Arzneispezialität als Teil des Erstattungskodex kundgemacht worden sei, ohne dass eine Aufnahmeentscheidung vorliege. Kein gesondertes Streichungsverfahren sei auch für den Fall vorgesehen, dass der Dachverband die Aufnahme einer Arzneispezialität, die sich im Roten Bereich des Erstattungskodex befinde, in den Grünen oder Gelben Bereich ablehne und aus dem Roten Bereich streiche. Schließlich seien gemäß §61 Abs3 VO-EKO auch jene Arzneispezialitäten ohne weiteres Verfahren auszuscheiden gewesen, die zum 31. Dezember 2004 nicht in den Erstattungskodex übernommen worden seien. Auch für das Ausscheiden einer von vornherein nur befristet aufgenommenen Arzneispezialität sei ein Streichungsbescheid keine Voraussetzung. Bei der Streichung einer befristet aufgenommenen Arzneispezialität komme es zu keiner materiellen Änderung der Rechtslage, weil die Aufnahme von Anfang an befristet sei. Die Streichung diene nur der Bereinigung des Erstattungskodex. Grundlage für das Ausscheiden aus dem Erstattungskodex sei vielmehr der (Aufnahme-)Bescheid selbst. Nach Schrattbauer/Rebhahn ( Schrattbauer/Rebhahn , §351f ASVG, in: Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg.], Der SV-Komm, Rz 10) sei auch im Falle einer bedingten Aufnahme die Streichung ohne Verfahren nach §351f Abs1 ASVG zulässig.

3.6. Die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes sind im Ergebnis nicht berechtigt:

3.6.1. Der Erstattungskodex ist eine Rechtsverordnung, die im Wesentlichen (mit allgemeiner Wirkung ua gegenüber Versicherungsträgern und Versicherten) die Summe aller Aufnahme-, Änderungs- und Streichungsbescheide abbildet (vgl Rebhahn , Probleme der Normsetzung durch die und in der Sozialversicherung, in: Tomandl/Schrammel [Hrsg.], Sozialversicherungsträger und Hauptverband in einem veränderten Umfeld, 2005, 67 [91]: "Zusammenfassung der einzelnen Entscheidungen gegenüber den Anbietern"). Im Rahmen der Verfahren zur Erlassung dieser Bescheide hat das vertriebsberechtigte Unternehmen jeweils Parteistellung und Rechtsmittellegitimation.

3.6.2. Im vorliegenden Fall lagen dem Erstattungskodex Bescheide (zuletzt jener vom 20. Mai 2020) zugrunde, welche die Aufnahme der Arzneispezialität Maviret jeweils bloß befristet vorgesehen haben. Dabei ist der Umstand, dass diese Befristung äußerlich als Teil des "Regeltextes" der Arzneispezialität (und nicht etwa als gesonderter Spruchpunkt) formuliert worden ist, nicht entscheidend, weil im jeweiligen Bescheidspruch dennoch der klare Bescheidwille zum Ausdruck kommt, die Aufnahme in den Erstattungskodex zu befristen. Damit liegen im Bescheid des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger vom 20. Mai 2020 zugleich die Rechtsgrundlagen zur (wiederholten) Aufnahme in den Erstattungskodex einerseits und zur Streichung aus dem Erstattungskodex nach Ablauf der Befristung andererseits.

3.6.3. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, dass mit dieser Vorgangsweise das Rechtsschutzsystem des §351h ASVG und die Vorgaben des Art6 der Transparenzrichtlinie 89/105/EWG (vgl EuGH 27.11.2001, Rs C-424/99, Kommission/Österreich ) unterlaufen würden, denn das vertriebsberechtigte Unternehmen hatte die Möglichkeit, gegen die Anordnung der (bloß) befristeten Aufnahme in den Erstattungskodex das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben und (gegebenenfalls) anschließend die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anzurufen (woran nichts ändert, wenn aus verfahrensrechtlichen Gründen eine Befristung nur gemeinsam mit der Aufnahmeanordnung in Beschwerde gezogen werden kann). In diesem Bescheid liegt damit auch die durch Art6 Z5 der Transparenzrichtlinie 89/105/EWG gewährleistete "Entscheidung", und zwar auch dann, wenn der Umstand der Befristung nicht hinreichend begründet sein sollte, denn auch gegen diesen Mangel steht der Rechtsschutz offen. Wird der Rechtsschutz gegen die Anordnung der Befristung der Aufnahme einer Arzneispezialität in den Erstattungskodex oder auch nur gegen eine (iSd Art6 Z5 der Transparenzrichtlinie 89/105/EWG) nicht hinreichende Begründung der Befristung nicht ergriffen, so kann eine darin allenfalls liegende Fehlerhaftigkeit des Bescheides nicht mehr später im Wege eines Verordnungsprüfungsverfahrens releviert werden.

3.7. Soweit zulässig, ist der zu V148, 149/2022 protokollierte Antrag daher abzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung der die Arzneispezialität Maviret betreffenden Wortfolge in der 207. Änderung des Erstattungskodex des Dachverbandes der Sozialversicherungsträger ist daher abzuweisen.

2. Im Übrigen sind die Anträge als unzulässig zurückzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Der verordnungserlassenden Behörde sind die für die abgegebene Äußerung im zu V148, 149/2022 protokollierten Verfahren begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).

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