JudikaturVfGH

SV1/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
29. September 2022

Spruch

I. 1. Art5 Abs1 und 2 und Art9 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder, BGBl Nr 382/1974, idF BGBl III Nr 108/2010 sind verfassungswidrig.

2. Diese Bestimmungen sind von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen mit Ablauf des 30. September 2024 nicht mehr anzuwenden.

3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt III verpflichtet.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B VG, begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

"nachstehende Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder (BGBl Nr 382/1974 idF BGBl III Nr 108/2010) als verfassungswidrig auf[…]heben:

1. Das Wort 'vollständige' und die Wortfolge 'in jeder Beziehung' im ersten Satz des Art4 Abs1, die Wortfolge '..., welche mit einer der von der OPEC im Rahmen dieses Artikels erlassenen Vorschriften unvereinbar sind,' und das Wort 'solche' und 'nicht' im zweiten Satz des Art4 Abs1, sowie die Wortfolge '..., als von der OPEC seine Unvereinbarkeit mit der Vorschrift der OPEC behauptet wird' im vierten Satz des Art4 Abs1

in eventu den gesamten Art4 Abs1 mit [dem] Wortlaut […]

2. Den gesamten Art5 Abs1 und 2 mit dem Wortlaut […]

in eventu nur Art5 Abs1 mit dem Wortlaut […]

3. Art9 mit dem Wortlaut […]

in eventu nur die Wortfolge 'Die OPEC und' in Art9

4. Art10 mit dem Wortlaut […]

in eventu die Wortfolge 'Vollzugs ,' und 'Gerichts ' in Art10."

II. Rechtslage

1. Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder, BGBl 382/1974, idF BGBl III 108/2010 (im Folgenden: Amtssitzabkommen) lautet (die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Die Republik Österreich und die Organisation der erdölexportierenden Länder, in dem Wunsche, ein neues Abkommen betreffend den Sitz der Organisation der erdölexportierenden Länder in Wien sowie über die Regelung der damit im Zusammenhang stehenden Fragen zu schließen, sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1

Im Sinne dieses Abkommens ist zu verstehen:

a) unter 'OPEC' die Organisation der erdölexportierenden Länder;

b) unter 'Regierung' die Bundesregierung der Republik Österreich;

c) unter 'Generalsekretär' der Generalsekretär der OPEC oder jeder Funktionär, der beauftragt ist, in seinem Namen zu handeln;

d) – g) […]

h) unter 'Archive der OPEC' Aufzeichnungen und Schriftverkehr, Schriftstücke, Manuskripte, photographische Aufnahmen und Filmaufnahmen, Filme und Tonaufnahmen, die im Eigentum oder Besitz der OPEC stehen;

i) unter 'Angestellte der OPEC' der Generalsekretär und alle Angehörigen des Personals der OPEC mit Ausnahme des an Ort und Stelle aufgenommenen und nach Stundenlohn bezahlten Personals;

j) unter 'Eigentum' alles Eigentum einschließlich Kapitalien und anderer Vermögenswerte, die Eigentum der OPEC sind oder in Durchführung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben in ihrem Besitz oder in ihrer Verwaltung stehen, sowie alle Einkünfte der OPEC; und

k) unter 'Amtssitz' der Amtssitz der OPEC gemäß Artikel 2 Absatz 2 sowie die Residenz des Generalsekretärs und gegebenenfalls jedes sonstige Gebäude, welches auf Grund der Bestimmungen des Artikels 2 Absatz 3 als zu diesem Bereich vorübergehend zugehörig anzusehen ist.

Artikel 2

(1) […]

(2) Der Amtssitz der OPEC umfasst das Grundstück, die Anlagen und Büros, die die OPEC ständig für ihre Tätigkeiten benützt. Sein Ort wird im gegenseitigen Einverständnis zwischen der Regierung und der OPEC festgelegt.

(3) Jedes Gebäude außerhalb des Amtssitzbereichs, das mit Zustimmung der Regierung für Tagungen verwendet wird, die von der OPEC einberufen werden, wird vorübergehend in den Amtssitzbereich einbezogen.

(4) […]

Artikel 3

(1) Die Regierung anerkennt die Exterritorialität des Amtssitzbereichs, der nach den Bestimmungen dieses Abkommens der Aufsicht und der Verfügungsgewalt der OPEC unterworfen ist.

(2) Soweit in diesem Abkommen nichts anderes vorgesehen ist und vorbehaltlich allfälliger gemäß Artikel 4 erlassener Vorschriften gelten innerhalb des Amtssitz-bereichs die Gesetze der Republik Österreich.

(3) Soweit in diesem Abkommen nichts anderes vorgesehen ist, sind die innerhalb des Amtssitzbereichs gesetzten Handlungen und vorgenommenen Rechtsgeschäfte der Jurisdiktion der Gerichte oder sonst zuständigen Organe der Republik Österreich auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen unterworfen.

Artikel 4

(1) Die OPEC ist befugt, für den Amtssitzbereich geltende Vorschriften zu erlassen, um darin alle für die vollständige Wahrnehmung ihrer Funktionen in jeder Beziehung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Gesetze der Republik Österreich , welche mit einer der von der OPEC im Rahmen dieses Artikels erlassenen Vorschriften unvereinbar sind, sind in dem Ausmaß, in dem eine solche Unvereinbarkeit gegeben ist, für den Amtssitzbereich nicht anwendbar. Jede Meinungsverschiedenheit zwischen der Republik Österreich und der OPEC darüber, ob eine Vorschrift der OPEC als im Rahmen des vorliegenden Artikels erlassenen Vorschrift der OPEC unvereinbar ist, ist unverzüglich nach dem in Artikel 29 vorgesehenen Verfahren beizulegen. Bis zu einer solchen Beilegung bleibt die Vorschrift der OPEC in Geltung und das Gesetz der Republik Österreich ist in dem Ausmaß für den Amtssitzbereich nicht anwendbar , als von der OPEC seine Unvereinbarkeit mit der Vorschrift der OPEC behauptet wird .

(2) Die OPEC wird die Regierung erforderlichenfalls von Zeit zu Zeit über die von ihr gemäß Absatz 1 erlassenen Vorschriften unterrichten.

(3) Dieser Artikel steht der angemessenen Anwendung der Feuerschutz- bzw Gesundheitsvorschriften der zuständigen österreichischen Behörden nicht entgegen.

Artikel 5

(1) Der Amtssitzbereich ist unverletzlich. Kein Funktionär oder Beamter der Republik Österreich noch irgendeine in der Republik Österreich Hoheitsrechte ausübende Person darf den Amtssitzbereich betreten, um dort Amtshandlungen zu setzen, außer mit Zustimmung des Generalsekretärs und unter den von ihm festgelegten Bedingungen. Jedoch kann bei Feuer oder einer anderen Katastrophe, wenn sofortige Schutzmaßnahmen erforderlich sind, die Zustimmung des Generalsekretärs vermutet werden.

(2) Gerichtliche Vollzugshandlungen, einschließlich der Beschlagnahme privaten Eigentums, dürfen im Amtssitzbereich nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Generalsekretärs und unter den von ihm festgelegten Bedingungen stattfinden.

Artikel 6

(1) Die zuständigen österreichischen Behörden werden entsprechende Vorsorge treffen, um zu gewährleisten, daß die Ruhe im Amtssitzbereich nicht durch Personen oder Personengruppen gestört wird, die ihn ohne Erlaubnis zu betreten versuchen oder in der unmittelbaren Umgebung des Amtssitzbereiches Unruhe stiften; sie werden ferner an den Grenzen des Amtssitzbereiches den zu diesem Zweck erforderlichen Polizeischutz beistellen.

(2) Wenn dies vom Generalsekretär gewünscht wird, so werden die zuständigen österreichischen Behörden eine ausreichende Zahl von Polizisten zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Amtssitzbereich beistellen.

(3) Die zuständigen österreichischen Behörden werden alle entsprechenden Vorkehrungen treffen, um zu gewährleisten, daß die durch die örtlichen Gegebenheiten bedingten Vorteile des Amtssitzbereiches nicht beeinträchtigt werden und die Erfüllung der Aufgaben, denen der Amtssitzbereich dient, nicht durch irgendeine Verwendung der Grundstücke oder der Gebäude in der Umgebung derselben erschwert wird. […]

Artikel 7

Die Regierung anerkennt die Rechtspersönlichkeit der OPEC und im besonderen ihre Fähigkeit:

a) Verträge zu schließen;

b) bewegliches und unbewegliches Eigentum zu erwerben und darüber zu verfügen; und

c) gerichtliche Verfahren anhängig zu machen.

[…]

Artikel 9

Die OPEC und ihr Eigentum, wo immer es liegt und in wessen Händen es sich befindet, ist von jeglicher Jurisdiktion befreit, es sei denn, daß die OPEC in einem besonderen Fall ausdrücklich auf ihre Immunität verzichtet hat. Es besteht jedoch Einverständnis, daß der Verzicht sich nicht auf Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erstrecken kann.

Artikel 10

Das Eigentum der OPEC, wo immer es liegt und in wessen Händen es sich befindet, ist vor jeder Durchsuchung, Requisition, Beschlagnahme, Enteignung oder sonstigen Form von Zwangsmaßnahmen der Vollzugs , Verwaltungs , Gerichts- oder gesetzgebenden Behörden geschützt.

Artikel 11

Die Archive der OPEC sind unverletzlich, wo immer sie sich befinden.

[…]

Artikel 28

Der Generalsekretär trifft alle Vorkehrungen dafür, daß mit den im Rahmen dieses Abkommens gewährten Privilegien oder Immunitäten kein Mißbrauch getrieben wird. Falls die Regierung der Ansicht ist, daß mit den im Rahmen dieses Abkommens gewährten Privilegien oder Immunitäten Mißbrauch getrieben wurde, wird der Generalsekretär über Ersuchen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich Rücksprache pflegen, um festzustellen, ob ein solcher Mißbrauch vorliegt. Führen derartige Rücksprachen innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zu keinem für die Regierung und den Generalsekretär befriedigenden Ergebnis, dann kann die Angelegenheit von jeder Partei einem aus drei Schiedsrichtern zusammengesetzten Schiedsgericht zur endgültigen Entscheidung unterbreitet werden; von diesen ist einer vom Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich, einer vom Generalsekretär und der dritte, der als Vorsitzender des Schiedsgerichtes fungieren soll, von den beiden ersten Schiedsrichtern auszuwählen. Falls sich das Schiedsgericht nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt des Antrages, die Streitigkeit einem schiedsrichterlichen Spruch zu unterwerfen, konstituiert, wird die Ernennung der noch nicht bestimmten Schiedsrichter auf Ersuchen der Regierung oder der OPEC vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes vorgenommen.

Artikel 29

Alle zwischen der Regierung und der OPEC über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens entstehenden Streitigkeiten sind auf Antrag einer der beiden Parteien einem schiedsrichterlichen Spruch zu unterbreiten. Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern; von diesen ist einer vom Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich, einer vom Generalsekretär und der dritte, der als Vorsitzender des Schiedsgerichtes fungieren soll, von den beiden ersten Schiedsrichtern auszuwählen. Falls sich das Schiedsgericht nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt des Antrages, die Streitigkeit einem schiedsrichterlichen Spruch zu unterwerfen, konstituiert, wird die Ernennung der noch nicht bestimmten Schiedsrichter auf Ersuchen der Regierung oder der OPEC vom Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes vorgenommen.

Artikel 30

(1) Dieses Abkommen tritt nach einem Notenaustausch zwischen dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Österreich und dem hiefür durch Beschluß der Konferenz der OPEC gehörig bevollmächtigten Generalsekretär in Kraft.

(2) Mit Inkrafttreten dieses Abkommens tritt das 'Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder' vom 24. Juni 1965 außer Kraft.

(3) Beratungen über die Abänderung dieses Abkommens werden über Ersuchen der Regierung oder der OPEC aufgenommen. Jede derartige Abänderung erfolgt im gegenseitigen Einvernehmen.

(4) Die Auslegung dieses Abkommens hat im Geiste seines obersten Zieles zu erfolgen, das darin besteht, die OPEC in die Lage zu versetzen, an ihrem Amtssitz in der Republik Österreich die ihr gestellten Aufgaben voll und ganz zu erfüllen und ihrer Zweckbestimmung nachzukommen."

2. Die von den Gründungsmitgliedern der Organisation der erdölexportierenden Länder (im Folgenden: OPEC) im Jänner 1961 angenommene, von der Ministerkonferenz im April 1965 revidierte und zuletzt im November 2020 geänderte Satzung der OPEC (im Folgenden: OPEC-Satzung) lautet auszugsweise wie folgt:

"CHAPTER I

Organization and Objectives

Article 1

The Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC), hereinafter referred to as 'the Organization', created as a permanent intergovernmental organization in conformity with the Resolutions of the Conference of the Representatives of the Governments of Iran, Iraq, Kuwait, Saudi Arabia and Venezuela, held in Baghdad from September 10 to 14, 1960, shall carry out its functions in accordance with the provisions set forth hereunder.

Article 2

A.  The principal aim of the Organization shall be the coordination and unification of the petroleum policies of Member Countries and the determination of the best means for safeguarding their interests, individually and collectively.

B.  The Organization shall devise ways and means of ensuring the stabilization of prices in international oil markets with a view to eliminating harmful and unnecessary fluctuations.

C.  Due regard shall be given at all times to the interests of the producing nations and to the necessity of securing a steady income to the producing countries; an efficient, economic and regular supply of petroleum to consuming nations; and a fair return on their capital to those investing in the petroleum industry.

Article 3

The Organization shall be guided by the principle of the sovereign equality of its Member Countries. Member Countries shall fulfil, in good faith, the obligations assumed by them in accordance with this Statute.

[…]

Article 5

The Organization shall have its Headquarters at the place the Conference decides upon.

[…]

Article 6A

1.  The Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC), its property and assets wherever located and by whomsoever held, shall enjoy immunity from every form of legal process except insofar as in any particular case the Secretary General has expressly waived its immunity. It is, however, understood that no waiver of immunity shall extend to any measure of execution.

The Organization, the property and assets of the Organization, wherever located and by whomsoever held, shall enjoy immunity from search, requisition, confiscation, expropriation and any other form of interference, whether by executive, administrative, judicial or legislative action.

2.  The officials of OPEC and representatives of all Member Countries shall be accorded such privileges and immunities as necessary for the independent exercise of their functions in connection with the Organization.

3.  The Organization of the Petroleum Exporting Countries shall make provisions for appropriate modes of settlement of:

a.  disputes arising out of contracts or other disputes of a private law character to which the Organization is a party;

b.  employment disputes between the Organization and its staff members, which shall be settled by a dispute resolution mechanism that protects the rights of the staff members, in accordance with the Organization’s internal regulations.

4.  The privileges and immunities to be accorded by the host country and the Member Countries to the Organization, its officials, and the representatives of its Member Countries shall be equivalent to the privileges and immunities stipulated in the Convention on the Privileges and Immunities of the Specialized Agencies, approved by the General Assembly of the United Nations on 21 November 1947.

5.  The privileges and immunities conferred under the present Article are granted in the interest of OPEC and not for the personal benefit of the individuals themselves.

[…]

CHAPTER III

Organs

Article 9

The Organization shall have three organs:

I.  The Conference;

II.  The Board of Governors; and

III.  The Secretariat.

I.  The Conference

Article 10

The Conference shall be the supreme authority of the Organization.

Article 11

A.  The Conference shall consist of delegations representing the Member Countries. A delegation may consist of one or more delegates, as well as advisers and observers. […]

B. – D. […]

[…]

Article 15

The Conference shall:

1.  formulate the general policy of the Organization and determine the appropriate ways and means of its implementation;

2.  decide upon any application for membership of the Organization;

3.  confirm the appointment of Members of the Board of Governors;

4.  direct the Board of Governors to submit reports or make recommendations on any matters of interest to the Organization;

5.  consider, or decide upon, the reports and recommendations submitted by the Board of Governors on the affairs of the Organization;

6.  consider and decide upon the Budget of the Organization, as submitted by the Board of Governors;

7.  consider and decide upon the Statement of Accounts and the Auditor’s Report, as submitted by the Board of Governors;

8.  call a Consultative Meeting for such Member Countries, for such purposes, and in such places, as the Conference deems fit;

9.  approve any amendments to this Statute;

10.  appoint the Chairman of the Board of Governors and an Alternate Chairman;

11.  appoint the Secretary General; and

12.  appoint the Auditor of the Organization for a duration of one year.

Article 16

All matters that are not expressly assigned to other organs of the Organization shall fall within the competence of the Conference.

II.  Board of Governors

Article 17

A.  The Board of Governors shall be composed of Governors nominated by the Member Countries and confirmed by the Conference.

B. – E. […]

[…]

Article 20

The Board of Governors shall:

1.  direct the management of the affairs of the Organization and the implementation of the decisions of the Conference;

2.  consider and decide upon any reports submitted by the Secretary General;

3.  submit reports and make recommendations to the Conference on the affairs of the Organization;

4.  draw up the Budget of the Organization for each calendar year and submit it to the Conference for approval;

5.  nominate the Auditor of the Organization for a duration of one year;

6.  consider the Statement of Accounts and the Auditor’s Report and submit them to the Conference for approval;

7.  approve the appointment of Directors of Divisions and Heads of Departments, upon nomination by Member Countries, due consideration being given to the recommendations of the Secretary General;

8.  convene an Extraordinary Meeting of the Conference; and

9.  prepare the Agenda for the Conference.

[…]

III.  The Secretariat

Article 25

The Secretariat shall carry out the executive functions of the Organization in accordance with the provisions of this Statute under the direction of the Board of Governors.

Article 26

The Secretariat of the Organization shall consist of the Secretary General and such Staff as may be required. It shall function at the Headquarters of the Organization.

Article 27

A.  The Secretary General shall be the legally-authorised representative of the Organization.

B.  The Secretary General shall be the chief officer of the Secretariat, and, in that capacity, shall have the authority to direct the affairs of the Organization in accordance with directions of the Board of Governors.

Article 28

A.  The Conference shall appoint the Secretary General for a period of three years, which term of office may be renewed once for the same period of time. This appointment shall take place upon nomination by Member Countries and after a comparative study of the nominees’ qualifications. […]

B. – E. […]

Article 29

The Secretary General shall:

1.  organize and administer the work of the Organization;

2.  ensure that the functions and duties assigned to the different departments of the Secretariat are carried out;

3.  prepare reports for submission to each Meeting of the Board of Governors concerning matters which call for consideration and decision;

4.  inform the Chairman and other Members of the Board of Governors of all activities of the Secretariat, of all studies undertaken and of the progress of the implementation of the Resolutions of the Conference; and

5.  ensure the due performance of the duties which may be assigned to the Secretariat by the Conference or the Board of Governors.

Article 30

A.  The Directors of Divisions and Heads of Departments shall be appointed by the Secretary General with the approval of the Board of Governors.

B.  Officers of the Secretariat, upon nomination by their respective Government or by direct recruitment, shall be appointed by the Secretary General in accordance with the Staff Regulations. In making such appointments, the Secretary General shall give due consideration, as far as possible, to an equitable nationality distribution among Members, but such consideration shall not be allowed to impair the efficiency of the Secretariat.

Article 31

The staff of the Secretariat are international employees with an exclusively international character. In the performance of their duties, they shall neither seek nor accept instructions from any government, or from any other authority outside the Organization.

They shall refrain from any action which might reflect on their position as international employees and they shall undertake to carry out their duties with the sole object of bearing the interests of the Organization in mind.

Article 32

A.  The Secretary General shall be assisted in the discharge of his duties by a Division of Research, a Division of Support Services, his own Office, and any division or department the Conference may see fit to create;

B.  Notwithstanding the provisions of Article 33, and where the efficient functioning of the divisions and departments of the Secretariat so requires, the Board of Governors may, upon recommendation of the Secretary General, authorise the Secretary General to transfer functions or units from one division or department to another."

3. Die vom Gouverneursrat im April 1978 genehmigten "Staff Regulations" der OPEC in der dem Antrag beigelegten, zuletzt im Juni 2016 aktualisierten Fassung (im Folgenden: OPEC-Personalstatut) lauten auszugsweise wie folgt:

"PURPOSE AND SCOPE

Article 0.1

Purpose

These Regulations govern the conditions of employment of the Staff of the Secretariat of the Organization of the Petroleum Exporting Countries, and define their rights, duties and obligations.

They set forth the principles of personnel policy for the staffing and administration of the Secretariat, and shall be enforced by the Secretary General, assisted by the Support Services Division, and the Committees mentioned in Chapter XII.

[…]

CHAPTER I

DUTIES, OBLIGATIONS AND PRIVILEGES

Article 1.1

Status

The Staff of the Secretariat are international employees […]. They are subject to the authority of the Secretary General and are responsible to him/her for the discharge of their duties. […]

[…]

CHAPTER II

ORGANIZATION OF THE STAFF

[…]

Article 2.4

Line of Responsibility

Every Staff Member shall be directly responsible to the next higher position, and through the line of responsibility to the Head of Department or General Legal Counsel, Director of Division and the Secretary General. […]

CHAPTER III

APPOINTMENT AND PROMOTION

Article 3.1

Chief Executive

The Secretary General is the Chief Executive of the Secretariat and in this capacity, the responsibilities assigned to the different Divisions, Departments and Committees are exercised on his/her behalf and under his/her authority.

[…]

CHAPTER XII

COMMITTEES

Article 12.1

Personnel Committee

a) A Personnel Committee shall be established by the Secretary General to perform the functions specified in Annex I and to hear complaints and appeals under the provisions of Articles 13.1 and 13.2.

b) The Personnel Committee shall consist of the Director of the Research Division, all Heads of Departments, the Head, Human Resources Section, and the General Legal Counsel. The Director of the Research Division, and in his/her absence the most senior Head of Department, shall act as Chairman. If a Committee Member is unable to attend a meeting, he/she may deputise a senior member of his/her Department or Division to represent him/her.

c) The Personnel Committee will normally meet six times a year at intervals of two months, but may be convened at other times if needed.

d) The procedures and responsibilities of the Committee are described in Annex I and Articles 13.1 and 13.2.

[…]

CHAPTER XIII

COMPLAINTS AND APPEAL

Article 13.1

Complaints and Appeal

Any complaints by a Staff Member who thinks that he/she has been unfairly treated as regards the application of the provisions of these Regulations or the terms and conditions of his/her employment, or that he/she has been subjected to unjustifiable treatment by his/her superior, may be submitted to the Secretary General, copy to the superior and to the Director, Support Services Division within three months from the date of such treatment. The Secretary General may refer the complaint to the Personnel Committee for observation and report. The Secretary General shall take appropriate measures within three months.

Article 13.2

Procedures of the Personnel Committee

a) The Committee shall be convened by the Chairman within 15 days of the matter having been referred to it. Where the appeal is against a decision made by a member of the Committee, that member shall not be present at the proceedings.

b) When the Committee considers a case it shall hear the Staff Member or the person presenting the case on his/her behalf and/or shall consider correspondence and documents submitted by either party. lt shall have the authority to call upon any Member of the Secretariat who may be able to provide information relevant to the issue before it.

c) The Committee shall by unanimity or by majority vote, adopt and submit a report to the Secretary General. This report should contain a summary of the matter, as well as the Committee's opinion and shall constitute the record of proceedings.

A dissenting member may, if he/she so requests, have his/her opinion recorded in the report.

d)  The report to the Secretary General shall be submitted within 30 days of the date when the case was referred to the Committee. For practical reasons, the Secretary General may modify this time limit."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Der Antragsteller war bei der Organisation der erdölexportierenden Länder (im Folgenden: OPEC) vom 1. Juli 1999 bis zum 5. Dezember 2017 als "Internal Auditor" angestellt. Mit am 4. Dezember 2020 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingebrachter Klage begehrte der Antragsteller das Urteil, die OPEC sei schuldig, ihm das aus dem am 5. Dezember 2017 mit Wirkung zum selben Tag zu Unrecht gekündigten Arbeitsvertrag für den Zeitraum vom 1. Dezember 2019 bis zu seiner Pensionierung am 31. Jänner 2023 zustehende Entgelt in der Höhe von € 664.409,– zuzüglich 8,58 % Zinsen seit 1. Jänner 2018 zu bezahlen sowie die Verfahrenskosten zu ersetzen. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien wies die Klage mit Beschluss vom 13. April 2021 gemäß §42 Abs1 JN zurück, weil die OPEC nach Art9 Amtssitzabkommen von jeglicher Jurisdiktion befreit sei und erklärt habe, im vorliegenden Fall nicht auf ihre Immunität zu verzichten.

2. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller Rekurs an das Oberlandesgericht Wien und stellte aus Anlass dieses Rechtsmittels den vorliegenden Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit des Amtssitzabkommens. Darin legt der Antragsteller seine Bedenken wie folgt dar:

2.1. Art4 Abs1 Amtssitzabkommen räume der OPEC die Befugnis ein, für ihren Amtssitzbereich Vorschriften zu erlassen, die den Gesetzen der Republik Österreich, insbesondere auch den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK, auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK sowie auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 1. ZPEMRK in der Anwendung vorgingen. Tatsächlich habe die OPEC interne Regeln iSd Art4 Abs1 Amtssitzabkommen erlassen, insbesondere das OPEC-Personalstatut, welches Angestellten der OPEC in Punkt 13.1 die Möglichkeit der Beschwerde an den Generalsekretär einräume und den Antragsteller in den genannten Rechten betreffe, weil es diesen nach Ansicht der OPEC vorgehen könnte.

2.2. Art5 Abs1 und 2 Amtssitzabkommen verletze den Antragsteller in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK, auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK sowie auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 1. ZPEMRK, weil damit, wie der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. November 2020, SV1/2019 ua, erkannt habe, die – einen Hoheitsakt darstellende – wirksame Zustellung von Klagen und sonstigen Schriftstücken ordentlicher Gerichte an die OPEC ohne ihre Einwilligung und damit die wirksame Rechtsverfolgung im Anlassfall ausgeschlossen würden. Im vorliegenden Fall habe die OPEC die gegen sie beim Arbeits- und Sozialgericht Wien erhobene Klage zwar über Vermittlung des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten übernommen, sich auf das Verfahren aber nicht eingelassen. Der Antragsteller könne die OPEC dazu auch nicht zwingen.

2.3. Art9 Amtssitzabkommen verletze den Antragsteller in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK, auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 1. ZPEMRK, weil damit die OPEC von jeglicher Jurisdiktion befreit werde, obwohl deren (aktuelle wie ehemalige) Angestellte über keine alternativen Rechtsschutzmittel verfügten:

2.3.1. Art6 Abs1 EMRK gewähre jedermann das Recht, dass über "civil rights", um die es vorliegend zweifellos gehe, ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes "Gericht" entscheide. Die im Amtssitzabkommen begründete Befreiung der OPEC von der österreichischen Gerichtsbarkeit verfolge als Eingriff in dieses Recht grundsätzlich ein legitimes Ziel. Die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen solle ihr ordnungsgemäßes Funktionieren unabhängig von einseitigen staatlichen Eingriffen gewährleisten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe in seinen Urteilen vom 18. Februar 1999 (GK), Fall Waite and Kennedy , Appl 26.083/94, sowie Fall Beer and Regan , Appl 28.934/95, die als Leitentscheidungen gälten, betont, dass es für die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung des Zuganges zur staatlichen Gerichtsbarkeit entscheidend sei, ob eine vernünftige Alternative zur wirksamen Rechtsdurchsetzung zur Verfügung stehe. In seinem Urteil vom 6. Jänner 2015, Fall Klausecker , Appl 415/07, habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgeführt, dass ein Schiedsgericht eine angemessene Alternative zum staatlichen Rechtsweg darstelle.

Die OPEC räume ihrer Belegschaft nach Art13.1 OPEC-Personalstatut das Recht ein, Beschwerde an den Generalsekretär zu erheben. Der Generalsekretär könne Beschwerden zur Beobachtung und Berichterstattung an den Personalausschuss weiterleiten. Berichte des Personalausschusses erhalte der Generalsekretär, dem es in der Folge obliege, adäquate Maßnahmen zu setzen. Der Generalsekretär sei an die Berichte des Personalausschusses, dem keine eigene Entscheidungsbefugnis zukomme, nicht gebunden. Den Erfordernissen des Art6 Abs1 EMRK werde damit nicht annähernd entsprochen, weil mangels Unabhängigkeit des Generalsekretärs kein Zugang zu einem "Gericht" bestehe. Dem Generalsekretär mangle es auch an der gebotenen Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit. Im vorliegenden Fall sei es der Generalsekretär gewesen, der die Kündigung des Antragstellers veranlasst habe. Zudem seien weder die Gewährung von Parteiengehör noch eine Begründungspflicht vorgesehen.

Als ehemaligem Angestellten sei dem Antragsteller die Beschwerdeerhebung an den Generalsekretär von vornherein verwehrt. Dies gehe aus der Verwendung des Wortes "Mitarbeiter" in Art13.1 OPEC-Personalstatut sowie dem Umstand hervor, dass es nur hinsichtlich aktuell Angestellter Sinn ergebe, das weitere dienstliche Verhalten zu beobachten und darüber zu berichten.

Die OPEC habe sich überdies nicht dem Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation unterworfen, das – vorbehaltlich einer näheren Prüfung – ein angemessenes anderweitiges Mittel zur Rechtsdurchsetzung böte.

Der Antragsteller habe in seiner Funktion als "Internal Auditor" beobachtet, dass sich die OPEC mehrmals auf den Einwand der ihr durch Art9 Amtssitzabkommen eingeräumten Immunität zurückgezogen habe, um sich diversen Ansprüchen zu entziehen. Auch wenn der Verdacht des Missbrauches der Immunität naheliege, sei der Antragsteller nicht zur Einleitung eines Schiedsverfahrens zwischen der Republik Österreich und der OPEC gemäß Art28 Amtssitzabkommen legitimiert. Auch insoweit komme ihm kein Rechtsschutz zu.

2.3.2. Da Art9 Amtssitzabkommen in der Auslegung durch die österreichischen Arbeitsgerichte die Durchsetzung des Rechts auf ein faires Verfahren iSd Art6 Abs1 EMRK vereitle, verstoße diese Bestimmung auch gegen das Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK. Art9 Amtssitzabkommen verletze das Recht auf eine wirksame Beschwerde auch in Verbindung mit dem Recht auf Unversehrtheit des Eigentums iSd Art1 1. ZPEMRK, welches ein "civil right" iSd Art6 Abs1 EMRK sei und nach der Judikatur des Europäischen Gerichthofes für Menschenrechte staatliche Gewährleistungspflichten dahingehend umfasse, dass Angestellten im Kündigungsfall wirksamer Rechtsschutz zur Verfügung steht.

2.4. Art10 Amtssitzabkommen verletze den Antragsteller in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren gemäß Art6 Abs1 EMRK, auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art1 1. ZPEMRK, weil ihm damit – auch nach Wegfall des Art9 Amtssitzabkommen – die zwangsweise Durchsetzung eines gegen die OPEC erwirkten Leistungsurteiles eines ordentlichen Gerichtes im Rahmen eines Exekutionsverfahrens verwehrt würde. Das Vollstreckungsverfahren bilde jedoch laut Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 19. März 1997, Fall Hornsby , Appl 18.357/91, einen integralen Bestandteil eines fairen Verfahrens gemäß Art6 Abs1 EMRK. Art10 Amtssitzabkommen stehe auch der Klagszustellung entgegen.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung und in eventu die Abweisung des Antrages beantragt und die Äußerungen, die sie in den zu SV1/2019, G124/2020, SV3/2020 und SV6/2020 protokollierten Verfahren sowohl zur Zulässigkeit als auch in der Sache erstattet hat, zur Gänze zu deren Inhalt erhebt. Unter sinngemäßer Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zum Gesetzesprüfungsverfahren bringt die Bundesregierung gegen die Zulässigkeit des Antrages (erneut) vor, dass selbst bei Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolgen und Abkommensbestimmungen die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt würde. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang (erneut) ausdrücklich darauf, dass die Immunität der OPEC nicht nur im Amtssitzabkommen, sondern auch völkergewohnheitsrechtlich verankert sei. Da die OPEC als internationale Organisation schon auf Grund des Völkergewohnheitsrechts absolute Immunität genieße, sei es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, den Bedenken des Antragstellers angemessen Rechnung zu tragen.

4. Darüber hinaus hält die Bundesregierung den Antrag aus folgenden Gründen für unzulässig:

4.1. Der Antrag sei im Hinblick auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 2020, SV1/2019 ua, zu eng gefasst: Gemäß Art3 Abs1 Amtssitzabkommen anerkenne die (österreichische) Regierung die "Exterritorialität des Amtssitzbereichs" der OPEC. Bei der vom Verfassungsgerichtshof im angeführten Beschluss angesprochenen Unverletzlichkeit des Amtssitzbereiches gemäß Art5 Amtssitzabkommen handle es sich daher "um einen Ausfluss der 'Exterritorialität des Amtssitzbereichs' der OPEC gemäß Art3 Abs1 des OPEC-Amtssitzabkommens". Somit schließe auch diese – nicht angefochtene – Bestimmung die Möglichkeit einer wirksamen Zustellung von Klagen und sonstigen Schriftstücken ordentlicher Gerichte an die OPEC ohne deren Einwilligung und damit die Rechtsverfolgung im Anlassverfahren aus. Die vom Antragsteller behauptete Verfassungswidrigkeit bliebe daher auf Grund der weiter bestehenden Unverletzlichkeit des OPEC-Amtssitzes aufrecht.

4.2. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG habe der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Diesen Anforderungen werde der vorliegende Antrag nicht gerecht:

"Der Antragsteller behauptet pauschal einen Verstoß aller angefochtenen Wortfolgen und Bestimmungen gegen Art6 Abs1 EMRK, Art13 EMRK und Art1 (1.) ZPEMRK, ordnet jedoch in der Folge diese Bedenken nicht vollständig den einzelnen Abkommensbestimmungen zu: So werden im Antrag gegen die Art4 und 9 des OPEC-Amtssitzabkommens lediglich die Bedenken hinsichtlich Art6 Abs1 EMRK und Art13 EMRK dargelegt, gegen die Art5 und 10 des OPEC-Amtssitzabkommens überhaupt nur die Bedenken hinsichtlich Art6 EMRK. Auch legt der Antragsteller an keiner Stelle dar, weshalb sämtliche angefochtenen Wortfolgen und Bestimmungen im Einzelnen gegen Art1 (1.) ZPEMRK verstoßen würden."

5. Die OPEC, der der Antrag über Vermittlung des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten zugestellt wurde, hat von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art140a B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof in sinngemäßer Anwendung des Art140 Abs1 Z1 litd B VG über die Rechtswidrigkeit von Staatsverträgen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines rechtswidrigen Staatsvertrages iSd Art50 Abs1 Z1 B VG in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG, der gemäß §66 VfGG sinngemäß zur Anwendung gelangt, kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines rechtswidrigen Staatsvertrages iSd Art50 Abs1 Z1 B VG in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, die Rechtswidrigkeit des Staatsvertrages festzustellen.

Das angefochtene Amtssitzabkommen ist ein gemäß Art50 Abs1 Z1 B VG vom Nationalrat genehmigter (gesetzesrangiger) Staatsvertrag.

1.2. Der vorliegende Antrag wurde aus Anlass des Rekurses gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. April 2021 gestellt. Mit diesem Beschluss wurde die Rechtssache in erster Instanz durch ein ordentliches Gericht entschieden (Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B VG).

1.3. Als Kläger ist der Antragsteller Partei des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht, womit er zur Antragstellung gemäß Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B VG berechtigt ist.

1.4. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat der Antragsteller jedenfalls dadurch Rechnung getragen, dass er den vorliegenden Antrag und das Rechtsmittel gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. April 2021 am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl VfSlg 20.074/2016).

Im Übrigen geht der Verfassungsgerichtshof auf Grund einer entsprechenden Mitteilung des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Mai 2021 davon aus, dass das erhobene Rechtsmittel rechtzeitig und zulässig ist.

1.5. Der Antragsteller begehrt die Aufhebung von (Teilen des) Art4 Abs1, Art5 Abs1 und 2, Art9 und Art10 Amtssitzabkommen. Dieses Begehren ist dahingehend zu werten, dass es auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Vertragsbestimmungen gerichtet ist (vgl zB VfSlg 16.628/2002, 16.634/2002).

1.6. Ein auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützter Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes oder von bestimmten Stellen eines solchen kann gemäß §62 Abs2 VfGG nur dann gestellt werden, wenn das Gesetz vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes eine Vorfrage für die Entscheidung der beim Gericht anhängigen Rechtssache ist oder nach Ansicht des Antragstellers wäre. Eine Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG setzt daher voraus, dass die angefochtene Bestimmung eine Voraussetzung der Entscheidung des ordentlichen Gerichtes im Anlassfall bildet (VfSlg 20.029/2015; vgl VfSlg 20.010/2015).

1.7. Die folgenden für das Verfahren nach Art140 B VG aufgestellten Grundsätze gelten sinngemäß auch für das Verfahren zur Feststellung der Rechtswidrigkeit gesetzesrangiger Staatsverträge nach Art140a B VG (§66 VfGG; s. VfGH 29.9.2021, SV4/2020, G250/2020 ua):

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrages macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Zunächst ist ein Antrag nicht zu weit gefasst, soweit der Antragsteller solche Normen anficht, die präjudiziell sind und mit präjudiziellen Bestimmungen in untrennbarem Zusammenhang stehen; dabei darf aber nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (s mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103 104/2016 ua). Ist ein solcher Antrag in der Sache begründet, hebt der Verfassungsgerichtshof aber nur einen Teil der angefochtenen Bestimmungen als verfassungswidrig auf, so führt dies — wenn die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen — im Übrigen zur teilweisen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013 ua).

Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die nicht präjudiziell sind (insofern ist der Antrag zu weit gefasst), die mit den präjudiziellen (und nach Auffassung des Antragstellers den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden) Bestimmungen aber vor dem Hintergrund der Bedenken in einem Regelungszusammenhang stehen, so ist zu differenzieren: Sind diese Bestimmungen von den den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden präjudiziellen Bestimmungen offensichtlich trennbar, so führt dies zur teilweisen Zurückweisung des Antrages. Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die mit den präjudiziellen, den Sitz der verfassungsrechtlichen Bedenken des Antragstellers bildenden Bestimmungen in einem so konkreten Regelungszusammenhang stehen, dass es nicht von vornherein auszuschließen ist, dass ihre Aufhebung im Fall des Zutreffens der Bedenken erforderlich sein könnte (sind diese Bestimmungen also nicht offensichtlich trennbar), so ist der Antrag insgesamt zulässig (VfSlg 20.111/2016). Dies gilt nach dem vorhin Gesagten aber keinesfalls dann, wenn Bestimmungen mitangefochten werden (etwa alle eines ganzen Gesetzes), gegen die gar keine konkreten Bedenken vorgebracht werden und zu denen auch kein konkreter Regelungszusammenhang dargelegt wird (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

Der Verfassungsgerichtshof entscheidet daher – vor dem Hintergrund der Bedenken und der Erforderlichkeit, die den Sitz der Bedenken bildenden Bestimmungen (bei geringstmöglichem Eingriff in den Gehalt der Rechtsordnung) zu ermitteln – über die Frage, ob gegebenenfalls auch Bestimmungen aufzuheben sind, die nicht präjudiziell sind, aber mit präjudiziellen Bestimmungen in einem untrennbaren Zusammenhang stehen (vgl VfSlg 19.939/2014, 20.086/2016), nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit des Antrages, sondern im Einzelnen erst dann, wenn der Verfassungsgerichtshof, erweist sich der Antrag als begründet, den Umfang der aufzuhebenden Bestimmungen abzugrenzen hat.

1.8. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat die Klage im Anlassverfahren gemäß §42 Abs1 JN wegen fehlender inländischer Gerichtsbarkeit zurückgewiesen, weil die OPEC nach Art9 Amtssitzabkommen von jeglicher Jurisdiktion befreit sei und erklärt habe, im vorliegenden Fall nicht auf ihre Immunität zu verzichten. Die Präjudizialität des Art9 Amtssitzabkommen, dessen erster und zweiter Satz untrennbar zusammenhängen, ist damit offenkundig.

1.9. Art5 Amtssitzabkommen ist schon deshalb zulässigerweise angefochten, weil diese Bestimmung – wie der Verfassungsgerichtshof im Beschluss vom 25. November 2020, SV1/2019 ua, dargelegt hat – untrennbar mit Art9 Amtssitzabkommen zusammenhängt.

1.10. Da Art4 Abs1 und Art10 Amtssitzabkommen im vorliegenden Verfahren nicht präjudiziell – sowie von den präjudiziellen Bestimmungen vor dem Hintergrund der erhobenen Bedenken offensichtlich trennbar – sind, ist der Antrag insoweit zu weit gefasst.

1.11. Die Bundesregierung wendet gegen die Zulässigkeit des Antrages ein, dass die antragstellende Partei den Anfechtungsumfang zu eng gewählt habe, weil die Unverletzlichkeit des Amtssitzbereiches gemäß Art5 Amtssitzabkommen Ausfluss der Exterritorialität des Amtssitzbereiches gemäß Art3 Abs1 Amtssitzabkommen sei und damit auch Art3 Abs1 Amtssitzabkommen der Möglichkeit der wirksamen Zustellung von Klagen und anderen Schriftstücken ordentlicher Gerichte an die OPEC ohne deren Einwilligung und damit der Rechtsverfolgung im Anlassfall entgegenstehe.

Mit diesem Vorbringen ist die Bundesregierung nicht im Recht. Insoweit genügt der Hinweis, dass der (nur) an die Bundesregierung gerichtete Art3 Abs1 Amtssitzabkommen insofern lediglich einen proklamatorischen Verweis auf die in Art5 Amtssitzabkommen geregelte Unverletzlichkeit des Amtssitzbereiches enthält. Diese erst durch die folgenden Bestimmungen konkretisierte Verpflichtung steht der Ausübung der österreichischen Gerichtsbarkeit nicht entgegen (s auch Art3 Abs2 bzw Abs3 Amtssitzabkommen).

1.12. Die Bundesregierung wendet gegen die Zulässigkeit des Antrages darüber hinaus auch ein, dass die Immunität der OPEC nicht nur im Amtssitzabkommen, sondern auch völkergewohnheitsrechtlich verankert sei. Das Völkergewohnheitsrecht gehöre zu den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts, die gemäß Art9 Abs1 B VG als Bestandteil des Bundesrechts gälten und daher auch von den österreichischen Gerichten und Behörden von Amts wegen zu berücksichtigen seien. Die Bundesregierung meint unter Verweis auf VfSlg 17.415/2004, die völkergewohnheitsrechtliche Immunität von internationalen Organisationen sei vom Verfassungsgerichtshof bereits unter Verweis auf die Judikatur ausländischer (Höchst )Gerichte festgestellt worden. Dies entspreche der Rechtsprechung anderer nationaler und internationaler Gerichte. Da auch die OPEC als internationale Organisation bereits auf Grund des Völkergewohnheitsrechtes absolute Immunität genieße, sei es dem Verfassungsgerichtshof insoweit verwehrt, den Bedenken des Antragstellers angemessen Rechnung zu tragen. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit bloß des Art9 Amtssitzabkommen würde nichts an der Immunität der OPEC ändern und somit die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigen. Der Antrag sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

Mit diesem Vorbringen zur Zulässigkeit des Antrages ist die Bundesregierung nicht im Recht. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine allgemeine, als Recht anerkannte Übung (vgl Art38 Z1 litb Statut des Internationalen Gerichtshofes, BGBl 120/1956, idF BGBl 70/1960) existiert, nach welcher Österreich verpflichtet wäre, einer internationalen Organisation, deren Mitglied Österreich nicht ist, jedenfalls auch dann Immunität zu gewähren, wenn kein angemessener alternativer Rechtsweg zur Beilegung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten besteht. Völkergewohnheitsrecht, das den Verfassungsgerichtshof im Sinne des Vorbringens der Bundesregierung daran hinderte, den Bedenken des Antragstellers gegebenenfalls Rechnung zu tragen, und das daher der Zulässigkeit des Antrages entgegenstünde, vermag der Verfassungsgerichtshof insoweit nicht zu erkennen.

1.13. Der Umstand, dass die Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Art5 Abs1 und 2 Amtssitzabkommen nur in Bezug auf Art6 Abs1 EMRK, nicht aber auch in Bezug auf Art13 EMRK und Art1 1. ZPEMRK hinreichend deutlich ausgeführt sind (§66 iVm §62 Abs1 zweiter Satz VfGG), macht den Antrag entgegen der Auffassung der Bundesregierung nicht – auch nicht teilweise – unzulässig (vgl VfSlg 16.752/2002).

1.14. Da hinsichtlich Art5 Abs1 und 2 und Art9 Amtssitzabkommen auch im Übrigen keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insoweit als zulässig. Soweit sich der Antrag auch gegen (Teile des) Art4 Abs1 und Art10 Amtssitzabkommen richtet, ist er hingegen zu weit gefasst und daher zurückzuweisen.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003). Diese Grundsätze gelten auch für Anträge nach Art140a B VG (vgl §66 VfGG).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Der Antragsteller macht geltend, Art9 Amtssitzabkommen verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren nach Art6 Abs1 EMRK, weil die OPEC damit von der staatlichen Gerichtsbarkeit befreit werde, obwohl ihre (auch ehemaligen) Angestellten über keine anderen Mittel verfügten, um die ihnen aus dem Arbeitsverhältnis zukommenden Rechte bei einem Gericht geltend zu machen. Die OPEC biete ihren (ehemaligen) Angestellten keinen Rechtsschutz, der die Erfordernisse des Art6 Abs1 EMRK auch nur annähernd erfüllte.

2.4. Nach Art6 Abs1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat. Art6 Abs1 EMRK umfasst nicht zuletzt ein Recht auf Zugang zu einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht (vgl bereits EGMR 21.2.1975, Fall Golder , Appl 4451/70 [Z36]). Dieses Recht, das schon seinem Wesen entsprechend der staatlichen Ausgestaltung bedarf, wird indes nicht absolut gewährt. Es kann nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Einschränkungen unterworfen werden. Solche Einschränkungen dürfen den Wesensgehalt des Rechtes nicht verletzen und sind nur zulässig, wenn sie ein legitimes Ziel verfolgen und soweit ein vernünftiges Verhältnis zwischen den eingesetzten Mitteln und den damit angestrebten Zielen besteht (EGMR 28.5.1985, Fall Ashingdane , Appl 8225/78 [Z57]; 19.6.2001, Fall Kreuz , Appl 28.249/95 [Z55]; vgl VfSlg 20.264/2018; s. auch Grabenwarter , Art6 EMRK, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 8. Lfg. 2007, Rz 70).

2.5. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass diese Anforderungen grundsätzlich auch für dienstrechtliche Streitigkeiten gelten, an denen eine internationale Organisation beteiligt ist, der von einem Konventionsstaat vertraglich Immunität eingeräumt wurde ( Ullrich , Die Immunität internationaler Organisationen von der einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit, ZaöRV 2011, 157 [163 ff.]).

2.6. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dient die verbreitete Praxis, internationalen Organisationen vertraglich Immunität einzuräumen, dem legitimen Ziel, das ordnungsgemäße Funktionieren der Organisationen frei von einseitigen Eingriffen durch einzelne Staaten sicherzustellen. Die Bedeutung dieser Praxis ist im Lichte der Ausweitung und Stärkung der internationalen Zusammenarbeit in allen Bereichen moderner Gesellschaften zu sehen (EGMR 18.2.1999 [GK], Fall Waite und Kennedy , Appl 26.083/94 [Z63]; 18.2.1999 [GK], Fall Beer und Regan , Appl 28.934/95 [Z53]).

Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten hat, wäre es aber mit Ziel und Zweck der EMRK unvereinbar, wenn sich die Vertragsstaaten durch die Einräumung von (Privilegien und) Immunitäten an internationale Organisationen ihrer Verantwortung nach der EMRK begeben könnten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erinnert daran, dass die EMRK nicht theoretische und illusorische, sondern praktische und wirksame Rechte gewährleisten soll. In Ansehung der zentralen Rolle, die dem Recht auf ein faires Verfahren in einer demokratischen Gesellschaft zukommt, gilt dies in besonderem Maße für das Recht auf Zugang zu einem Gericht (EGMR, Fall Waite und Kennedy , Z67; s. rezent auch EGMR 6.1.2015, Fall Perez , Appl 15.521/08 [Z93]).

Ob die mit der Befreiung einer internationalen Organisation von der staatlichen Gerichtsbarkeit einhergehende Beschränkung des Zugangs zu einem Gericht iSd Art6 Abs1 EMRK verhältnismäßig ist, hängt dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zufolge wesentlich davon ab, ob ein angemessener alternativer Rechtsweg besteht (grundlegend EGMR, Fall Waite und Kennedy , Z68; Fall Beer und Regan , Z58; vgl auch EGMR 6.1.2015, Fall Klausecker , Appl 415/07, [Z69 ff.]). Es ist nicht erforderlich, dass der alternative Rechtsschutz einem staatlichen Gerichtssystem in jeder Hinsicht entspricht; gefordert ist ein vergleichbarer, dh gleichwertiger, kein identischer Rechtsschutz (vgl EGMR 9.9.2008, Fall Boivin , Appl 73.250/01 [Z2]). Geringfügig niedrigere Garantien begründen keine Verletzung von Art6 Abs1 EMRK; eine Verletzung von Art6 Abs1 EMRK liegt aber vor, wenn das alternative Rechtsschutzsystem einer internationalen Organisation offenkundig unzulänglich ist (s EGMR 12.5.2009, Fall Gasparini , Appl 10.750/03; 16.6.2009, Fall Rambus , Appl 40.382/04).

Für internationale Organisationen wird im Allgemeinen angenommen, dass ein angemessener alternativer Rechtsweg in der Möglichkeit der Anrufung gerichtsähnlicher organisationsinterner Einrichtungen bestehen kann (vgl etwa zum Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss der NATO EGMR 11.5.2000, Fall A.L. , Appl 41.387/98; zum Verfahren vor dem Appeals Board der Europäischen Weltraumorganisation EGMR, Fall Waite und Kennedy , Z69; Fall Beer und Regan , Z59). Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat, können auch die Beschwerdemöglichkeit an das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsorganisation oder die Möglichkeit eines Schiedsverfahrens einen angemessenen alternativen Streitbeilegungsmechanismus darstellen (vgl EGMR, Fall Klausecker , Z70 ff.).

2.7. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung verstößt Art9 Amtssitzabkommen gegen Art6 Abs1 EMRK:

2.7.1. Art9 Amtssitzabkommen bezieht sich (auch) auf die Zuständigkeit österreichischer Gerichte in arbeitsrechtlichen Verfahren. Die Bestimmung betrifft daher jedenfalls auch zivilrechtliche Streitigkeiten und damit "civil rights" im Sinne von Art6 Abs1 EMRK.

2.7.2. Art9 Amtssitzabkommen beschränkt den Zugang zu Gericht insofern, als österreichische Gerichte nur angerufen werden können, wenn die OPEC in einem besonderen Fall ausdrücklich auf ihre Immunität verzichtet hat. Art9 Amtssitzabkommen verfolgt damit das Ziel, dass die internationale Organisation (hier: die OPEC) frei von einseitigen Eingriffen durch den Sitzstaat (hier: die Republik Österreich) funktionieren kann. Dieses Ziel bildet ein legitimes Ziel im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des EGMR.

2.7.3. Solange das Amtssitzabkommen nicht gewährleisten kann, dass – wie von der OPEC in dem im November 2020 neu eingeführten Art6A ihrer Satzung bereits in Aussicht genommen – ein angemessener, die Rechte der Angestellten wahrender Mechanismus zur Beilegung arbeitsrechtlicher Streitigkeiten eingerichtet ist (vgl auch die Erläut zur RV zu der im Lichte von Art6 Abs1 EMRK für notwendig erachteten Einführung von Art9 Abs2 in das von der Republik Österreich mit dem OPEC-Fonds für internationale Entwicklung geschlossene Amtssitzabkommen, 5 BlgNR 27. GP, 2), kann jedoch selbst unter Berücksichtigung eines Beurteilungsspielraumes der Konventionsstaaten nicht angenommen werden, dass die Republik Österreich durch Art9 Amtssitzabkommen den Zugang zu Gericht in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten wie im Anlassverfahren auf verhältnismäßige Weise beschränkt und die internationale Organisation damit im Einklang mit Art6 Abs1 EMRK von der staatlichen Gerichtsbarkeit freigestellt hat.

V. Ergebnis

1. Art5 Abs1 und 2 und Art9 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Organisation der erdölexportierenden Länder über den Amtssitz der Organisation der erdölexportierenden Länder, BGBl 382/1974, idF BGBl III 108/2010 sind wegen Verstoßes gegen Art6 Abs1 EMRK verfassungswidrig. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.

2. Die als verfassungswidrig festgestellten Bestimmungen sind von den zu ihrer Vollziehung berufenen Organen mit Ablauf des 30. September 2024 nicht mehr anzuwenden (Art140a Z1 B VG iVm §66 Z2 VfGG). Die Bestimmung einer Frist, innerhalb der die als verfassungswidrig festgestellten Bestimmungen – außer auf den Anlassfall (Art140a iVm Art140 Abs7 B VG) – weiterhin anzuwenden sind, gründet sich auf Art140a Z1 B VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche erfließt aus Art140a iVm Art140 Abs5 B VG und §66 Z4 VfGG iVm §5 Abs1 Z3 BGBlG.

4. Dem Antragsteller sind die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages nach Art140a iVm Art140 Abs1 Z1 litd B VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 20.102/2016, 20.112/2016).

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise