JudikaturVfGH

G158/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
18. Juni 2022

Spruch

Die Behandlung des Antrages wird abgelehnt.

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung eines Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG ablehnen, wenn er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (Art140 Abs1b B VG; vgl VfGH 24.2.2015, G13/2015).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Der Gesetzgeber hat seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn das Recht auf Widerspruch samt dadurch ausgelöstem Sichtungsverfahren (§112 StPO) auf jene Fälle beschränkt wird, in denen sich die sichergestellten Unterlagen und Datenträger beim Berufsgeheimnisträger selbst bzw in dessen Gewahrsame befinden (vgl OGH 11.10.2017, 13 Os 94/17y). Denn im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Sicherstellung bei einem Berufsgeheimnisträger – im Unterschied zu einer Sicherstellung andernorts – die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist, dass Unterlagen konfisziert werden, die das vertrauliche Verhältnis zwischen Beschuldigtem und Berufsgeheimnisträger betreffen.

Der Verfassungsgerichtshof vermag auch keinen Widerspruch der angefochtenen Vorschriften zu Art6 und 8 EMRK und Art90 Abs2 B VG zu erkennen: Denn die Kommunikation zwischen dem Beschuldigten und seinem Rechtsanwalt (oder einem anderen Berufsgeheimnisträger) ist bereits auf einfachgesetzlicher Ebene umfassend geschützt. Insbesondere ist es unzulässig, das Recht der in §157 Abs1 Z2 StPO angeführten Personen, die Zeugenaussage zu verweigern, zu umgehen, etwa durch Sicherstellung von Unterlagen (§144 Abs2 und 3, §157 Abs2 StPO). Wird gegen dieses Gebot verstoßen, stehen jedem davon Betroffenen die Rechtsbehelfe des Einspruchs wegen Rechtsverletzung gemäß §106 Abs1 Z2 StPO samt dem Antrag, ihm die Unterlagen wieder zurückzugegeben (§107 Abs4 StPO), und des Antrags auf gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung oder Fortsetzung der Sicherstellung (§111 Abs4 StPO) offen. Dieser Schutz ist im Lichte von Art6 und 8 EMRK und Art90 Abs2 B VG ausreichend. Diese Verfassungsbestimmungen verlangen keinen zusätzlichen Rechtsbehelf nach Art des Widerspruches, wie er in §112 StPO geregelt ist.

Die behaupteten Verfassungswidrigkeiten sind damit als so wenig wahrscheinlich zu erkennen, dass der Antrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung des Antrages abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

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