JudikaturVfGH

V25/2022 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Juni 2022

Spruch

I. Die Verordnung der Gemeindevertretung St. Georgen bei Salzburg vom 30. April 1996 betreffend ein einseitiges Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg, der Verfassungsgerichtshof möge

"die Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 30.4.1996 betreffend 'linksseitigem Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen-Km 0,040 bis Straßen-Km 0,180' als gesetzwidrig [aufheben];

in eventu §1 samt Einleitungssatz der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 30.4.1996 betreffend 'linksseitigem Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen-Km 0,040 bis Straßen-Km 0,180' als gesetzwidrig [aufheben];

in eventu §1 der Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 30.4.1996 betreffend 'linksseitigem Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen Km 0,040 bis Straßen Km 0,180)' als gesetzwidrig [aufheben]".

Für den Fall, dass die im Antrag aufgezeigten Kundmachungsmängel zwischenzeitig behoben worden seien, werde beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, "dass die Verordnung vom 30.4.1996, in eventu Punkt 1. samt Einleitungssatz der Verordnung vom 30.4.1996, in eventu Punkt 1. der Verordnung vom 30.4.1996, je betreffend 'linksseitigem Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen Km 0,040 bis Straßen Km 0,180)' gesetzwidrig war".

II. Rechtslage

1. Die Gemeindevertretung St. Georgen bei Salzburg hat in ihrer Sitzung am 30. April 1996 – laut Protokoll (Auszug) vom selben Tag – "die Verordnung eines einseitigen Halte- und Parkverbotes auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes einstimmig" beschlossen. Diesem Beschluss lag ein Verordnungsentwurf zugrunde, in dem der Geltungsbereich dieses Halte- und Parkverbotes folgendermaßen festgelegt war: "auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen Km 0,040 bis Straßen Km 0,180)".

2. Die anzuwendenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt:

"§24. Halte- und Parkverbote.

(1) Das Halten und das Parken ist verboten:

a) im Bereich des Vorschriftszeichens 'Halten und Parken verboten' nach Maßgabe der Bestimmungen des §52 Z13b,

b)–o) […]

(2)–(8) […]

[…]

§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. […]

c)–d) […]

(1a)–(11) […]

§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(1a)–(5) […]

[…]

§52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

b) Gebotszeichen oder

c) Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

1.–13a. […]

13b. 'HALTEN UND PARKEN VERBOTEN'

[Zeichen]

Dieses Zeichen zeigt mit der Zusatztafel 'ANFANG' den Beginn und mit der Zusatztafel 'ENDE' das Ende eines Straßenabschnittes an, in dem das Halten und Parken verboten ist. Das Verbot bezieht sich auf die Straßenseite, auf der sich dieses Zeichen befindet.

Eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'AUSGENOMMEN ZUSTELLDIENSTE' zeigt an, dass das rasche Auf- oder Abladen geringer Warenmengen vom Halteverbot ausgenommen ist.

Eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'AUSGENOMMEN LADETÄTIGKEIT' zeigt eine Ladezone an.

Hinsichtlich weiterer Zusatztafeln gelten die Bestimmungen der Z13a sinngemäß.

[…]

§94d. Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde

Sofern der Akt der Vollziehung nur für das Gebiet der betreffenden Gemeinde wirksam werden und sich auf Straßen, die nach den Rechtsvorschriften weder als Autobahnen, Autostraßen, Bundesstraßen oder Landesstraßen gelten noch diesen Straßen gleichzuhalten sind, beziehen soll, sind folgende Angelegenheiten von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen:

1. die Erlassung von Verordnungen nach §20 Abs2a,

1a.–20. […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 20. April 2020 wurde dem Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht (im Folgenden: Beschwerdeführer) zur Last gelegt, er habe am 4. Dezember 2018, um 11.29 Uhr, in St. Georgen, Vollern, Vollerer Straße neben dem Objekt Nr 7, Waldseite, als Lenker ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Fahrzeug im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" gehalten. Über den Beschwerdeführer wurde daher wegen einer Übertretung des §24 Abs1 lita StVO 1960 gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von € 50,– (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 18 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben.

2. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen dieses Straferkenntnis stellt das Landesverwaltungsgericht Salzburg den vorliegenden, auf Art139 Abs1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 30.4.1996 betreffend 'linksseitigem Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen Km 0,040 bis Straßen Km 0,180", als gesetzwidrig aufheben sowie mehrere Eventualanträge.

2.1. Das antragstellende Landesverwaltungsgericht führt zunächst zur Präjudizialität aus, dass die angefochtene Verordnung eine Voraussetzung der Entscheidung im anhängigen Beschwerdeverfahren bilde.

Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit des vorliegenden Antrages weist das antragstellende Landesverwaltungsgericht darauf hin, dass die angefochtene Verordnung zum einen durch die Aufstellung von Straßenverkehrszeichen und zum anderen durch die vom 16. Juni bis 6. Juli 2000 an der Amtstafel der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg erfolgte Enuntiation ("Verordnung") des Bürgermeisters vom 4. Mai 2000 kundgemacht worden sei. Die angefochtene Verordnung habe daher jedenfalls ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sei und in Geltung stehe. Dem im Beschwerdeverfahren vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht angefochtenen Straferkenntnis sei als Tatort "St. Georgen, Vollern, Vollerer Straße neben Nr 7, Waldseite" zu entnehmen; die angefochtene Verordnung sei durch die Aufstellung der Straßenverkehrszeichen im Sinne des §52 lita Z13b StVO 1960 auf der Waldseite (der Südseite der Vollerer Straße) kundgemacht worden.

2.2. In der Sitzung der Gemeindevertretung der Gemeinde St. Georgen bei Salzburg vom 30. April 1996 habe diese über ein einseitiges Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes beraten. Dieser Beratung sei die Unterlage "Amtsberichte bzw Unterlagen für die Sitzung der Gemeindevertretung von St. Georgen b. S. am 30.04.1996" zugrunde gelegen. In dem Amtsbericht sei unter Top 10 nach Wiedergabe des Inhaltes der §§43 und 94d StVO 1960 und nach Ausführungen, weshalb das Halte- und Parkverbot für erforderlich erachtet werde, ein Entwurf der Verordnung angeführt.

2.3. In der Folge beschreibt das antragstellende Landesverwaltungsgericht die zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung bestehende Kundmachung der angefochtenen Verordnung:

Im Kreuzungsbereich der Landesstraße L 205 mit der Vollerer Straße seien "auf der Waldseite" zwei Straßenverkehrszeichen "Halten und Parken verboten" – in östlicher Richtung mit dem Vermerk "Anfang", in westlicher Richtung ohne Vermerk – auf einer Eisenstange unterhalb eines Straßenschildes mit der Namensbezeichnung "Vollerer Straße" angebracht gewesen. Erst zu einem späteren – nicht näher bestimmbaren – Zeitpunkt seien die Straßenverkehrszeichen "Halten und Parken verboten" auf eine wenige Meter weiter westlich befindliche Eisenstange unterhalb des Straßenverkehrszeichens "Vorrang geben" montiert worden.

2.4. Das antragstellende Landesverwaltungsgericht legt seine Bedenken gegen die angefochtene Verordnung folgendermaßen dar:

2.4.1. Es sei davon auszugehen, dass das Straßenverkehrszeichen "Halten und Parken verboten" mit dem Vermerk "Anfang" im Osten der Vollerer Straße zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung "nicht 40 m nach der Einfahrt von der L 205, also auf der Vollerer Straße bei Straßen KM 0,040 'von der Abzweigung der L 205 her gemessen', sondern vielmehr unmittelbar nach der Einfahrt von der L 205 angebracht" gewesen sei. Dieser Aufstellungsort weiche um rund 40 Meter, jedenfalls aber um mehr als 30 Meter von dem in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Aufstellungsort ab.

Die angefochtene Verordnung sei zum Zeitpunkt der Verwaltungsübertretung ferner dergestalt kundgemacht gewesen, dass "auf der Waldseite der Vollerer Straße (aus Sicht der Landesstraße L 205) wenige Meter vor dem Geräteschuppen mit der Bezeichnung 'Kaiser' auf einer Eisenstange jeweils zwei Verkehrszeichen 'Halten und Parken verboten' aufgestellt wurden, einmal mit dem Vermerk 'Anfang', in Richtung Westen, und einmal mit dem Vermerk 'Ende', in Richtung Osten". Das Straßenverkehrszeichen "Halten und Parken verboten" mit dem Vermerk "Ende" sei damit aber nicht – wie in der angefochtenen Verordnung vorgesehen – 140 Meter nach dem Straßenkilometer 0,040, also bei Straßenkilometer 0,180, angebracht gewesen. Der Aufstellungsort bei dem Geräteschuppen mit der Bezeichnung "Kaiser" weiche von dem in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Aufstellungsort um rund 37 Meter ab.

Dadurch, dass die Aufstellung der Straßenverkehrszeichen in Bezug auf den Anfang und das Ende des räumlichen Geltungsbereiches nicht den entsprechenden Anordnungen in der angefochtenen Verordnung entsprächen, erweise sich die Kundmachung der angefochtenen Verordnung im Hinblick auf die Bestimmung des §44 Abs1 StVO 1960 als gesetzwidrig.

2.4.2. Das antragstellende Landesverwaltungsgericht bringt ferner vor, dass sich im Verordnungsakt keine Unterlagen über durchgeführte Ortsaugenscheine betreffend die Parksituation im Bereich der Vollerer Straße befänden. Ebenso wenig würden sich dem Verordnungsakt Hinweise auf die Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens oder auf die Durchführung einer Interessenabwägung hinsichtlich der vorgenommenen Verkehrsbeschränkung entnehmen lassen. Das antragstellende Landesverwaltungsgericht gehe daher davon aus, dass anlässlich der Erlassung der angefochtenen Verordnung weder ein ausreichendes Ermittlungsverfahren noch eine ausreichende Interessenabwägung im Sinne des §43 StVO 1960 stattgefunden hätten.

3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Unterlagen betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung jedoch abgesehen.

4. Die Salzburger Landesregierung hat weder Akten vorgelegt noch eine Äußerung erstattet.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).

Die Kundmachung der angefochtenen Verordnung ist ausweislich des vorgelegten Akten- und Bildmaterials durch die Aufstellung von Straßenverkehrszeichen erfolgt.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Dem Beschwerdeverfahren vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht liegt ein Straferkenntnis zugrunde, in dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird, er habe am 4. Dezember 2018, um 11.29 Uhr, in St. Georgen, Vollern, Vollerer Straße neben dem Objekt Nr 7, Waldseite, als Lenker ein näher bestimmtes Fahrzeug im Bereich des angefochtenen Halte- und Parkverbotes gehalten. Es bestehen daher keine Zweifel an der Präjudizialität der angefochtenen Verordnung im Verfahren vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht.

1.3. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag als zulässig, sodass auf die Eventualanträge nicht weiter einzugehen ist.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.2.1. Das antragstellende Landesverwaltungsgericht macht zum einen geltend, dass die Aufstellung der Straßenverkehrszeichen in Bezug auf den Anfang und das Ende des räumlichen Geltungsbereiches nicht den entsprechenden Anordnungen in der angefochtenen Verordnung entsprächen, und zum anderen, dass es die verordnungserlassende Behörde unterlassen habe, vor Erlassung der angefochtenen Verordnung ein ausreichendes Ermittlungsverfahren bzw eine Interessenabwägung im Sinne des §43 Abs1 StVO 1960 durchzuführen.

2.2.2. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).

Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Zwar ist zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen keine "zentimetergenaue" Aufstellung der Verkehrszeichen erforderlich (vgl VwGH 13.2.1985, 85/17/0024; 25.1.2002, 99/02/0014; 10.10.2014, 2013/02/0276), jedoch wird dieser Vorschrift nicht Genüge getan und liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellungsort vom Ort des Beginns bzw Endes des verordneten Geltungsbereiches einer Verkehrsbeschränkung signifikant abweicht (vgl VfSlg 15.749/2000 mwN; zu den in der Judikatur entwickelten Kriterien vgl VwGH 3.7.1986, 86/02/0038; 16.2.1999, 09/02/0338; 22.2.2006, 2003/17/0138; 24.11.2006, 2006/02/0232; 5.9.2008, 2008/02/0011; 21.11.2008, 2008/02/0231; 25.11.2009, 2009/02/0095; 25.6.2014, 2013/07/0294; vgl auch VfSlg 20.251/2018).

2.2.3. Die Gemeindevertretung St. Georgen bei Salzburg beschloss in ihrer Sitzung am 30. April 1996 – laut Protokoll (Auszug) vom selben Tag – "die Verordnung eines einseitigen Halte- und Parkverbotes auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes". In diesem Protokoll wird ausdrücklich auf die von der verordnungserlassenden Behörde im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof vorgelegte Unterlage "Amtsberichte bzw Unterlagen für die Sitzung der Gemeindevertretung von St. Georgen b. S. am 30.04.1996" Bezug genommen. In dieser Unterlage findet sich ua ein Entwurf für die angefochtene Verordnung zu Top 10 der Tagesordnung ("Verordnung eines einseitigen Halte- und Parkverbotes auf der Gemeindestraße Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes"). Dieser Verordnungsentwurf umschreibt den Geltungsbereich des Halte- und Parkverbotes folgendermaßen: "auf der Gemeindestraße GP 816 der KG Jauchsdorf (Zufahrt Vollern auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes) in einer Länge von 140 m, von Straßen Km 0,040 bis Straßen Km 0,180)". Den vorgelegten Unterlagen ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die verordnungserlassende Behörde ihrem Beschluss vom 30. April 1996 einen davon abweichenden Geltungsbereich zugrunde gelegt hätte.

2.2.4. Die verordnungserlassende Behörde ist dem – durch die Vorlage entsprechenden Bildmaterials untermauerten – Vorbringen des antragstellenden Landesverwaltungsgerichtes, dass die Aufstellung der der Kundmachung dienenden Straßenverkehrszeichen in Bezug auf den Anfang und das Ende des räumlichen Geltungsbereiches des angefochtenen Halte- und Parkverbotes um 40 bzw um 37 Meter von den entsprechenden Anordnungen in der angefochtenen Verordnung abweiche, nicht entgegengetreten. Für den Verfassungsgerichtshof bestehen daher keine Zweifel daran, dass die Aufstellung der Straßenverkehrszeichen in Bezug auf den Anfang und das Ende des räumlichen Geltungsbereiches zum Tatzeitpunkt nicht den Anordnungen in der angefochtenen Verordnung entsprach.

2.2.5. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §44 Abs1 StVO 1960 führt eine signifikante Abweichung zu einer nicht ordnungsgemäßen Kundmachung (vgl VfSlg 20.251/2018 mwN). Auch wenn die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Kundmachung von Verordnungen iSd §44 Abs1 StVO 1960 je nach örtlichen Verkehrsverhältnissen eine bestimmte Fehlertoleranz vorsieht – die Aufstellung der entsprechenden Verkehrszeichen hat nicht "zentimetergenau" zu erfolgen –, bewirken die festgestellten Abweichungen von 40 bzw 37 Metern im vorliegenden Fall jedenfalls eine nicht ordnungsgemäße Kundmachung.

Die nicht den Anforderungen des §44 Abs1 StVO 1960 entsprechende Kundmachung der angefochtenen Verordnung bewirkt deren Gesetzwidrigkeit. Die Verordnung der Gemeindevertretung St. Georgen bei Salzburg vom 30. April 1996 ist daher schon deshalb aufzuheben, sodass sich ein Eingehen auf die weiteren Bedenken des antragstellenden Landesverwaltungsgerichtes erübrigt.

V. Ergebnis

1. Die Verordnung der Gemeindevertretung St. Georgen bei Salzburg vom 30. April 1996 betreffend ein einseitiges Halte- und Parkverbot auf der Gemeindestraße, Zufahrt Vollern, auf der Waldseite im Bereich des rechtsseitig verbauten Gebietes, ist als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Sbg L VerlautG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise