E2681/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei, und gegen die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise, abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK verletzt worden.
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist ein irakischer Staatsangehöriger und stellte nach einer Rücküberstellung aus Tschechien am 17. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.
2. Mit Bescheid vom 9. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab. Es erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung in den Irak zulässig sei. Des Weiteren räumte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht – nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung – mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 30. März 2021, schriftlich ausgefertigt am 31. Mai 2021, ab. In Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die damit zusammenhängenden Aussprüche führt das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Beziehung zu seinen beiden Kindern im Wesentlichen Folgendes aus:
"Der BF ist ledig und lebt in keiner Lebensgemeinschaft. Er hat mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwei Kinder (geb. 2018 und 2020). Der BF lebt mit der Mutter seiner Kinder nicht an gemeinsamer Adresse, ein solches Zusammenleben hat es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Seit Beginn der Coronakrise ist der Kontakt mit den Kindern beinahe abgebrochen, der letzte Kontakt zu den Kindern war im Sommer 2020. Davor hatte der BF entsprechend einer Besuchsvereinbarung stundenweise Kontakt mit seiner Tochter, den Sohn hat der BF erst ein- oder zweimal gesehen. Der BF hat bis dato nie Unterhaltszahlungen geleistet. Die Kindesmutter lehnt weitere Besuche des BF und auch jegliche Beziehung zum BF ab. Ein Verfahren zur Regelung des Besuchsrechts ist in Schwebe.
[…]
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]
Wenngleich der BF nach wie vor ledig ist und in keiner Lebensgemeinschaft lebt, so stellt durch die Geburt der beiden Kinder die Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet nunmehr einen Eingriff in seine durch Art8 EMRK geschützten Rechte, nämlich in sein Familienleben, dar. Auch ist das Kindeswohl jedenfalls in Betracht zu ziehen. Von einem bestehenden Privatleben ist schon aufgrund der Aufenthaltsdauer von fünf Jahren des BF in Österreich auszugehen.
- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]
Der BF begründete sein Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt des BF zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.
Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor, auch wenn der BF nunmehr Vater zweier Kinder ist.
Der EGMR erklärte in seinem Urteil vom 03.10.2014, Nr 12.738/10, J. gegen die Niederlande: 'Gestattet ein Mitgliedstaat einer fremden Person, den Ausgang eines auswanderungsrechtlichen Verfahrens im Inland abzuwarten und ermöglicht er ihr so, ein Familienleben zu begründen, führt dies nicht automatisch zu einer aus Artikel 8 EMRK resultierenden Verpflichtung, die Niederlassung zu erlauben. Wurde das Familienleben zu einer Zeit begründet, während der sich die betroffene Person über die Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus im Klaren war, kann ihre Ausweisung nur unter außergewöhnlichen Umständen gegen Artikel 8 EMRK verstoßen. Solche außergewöhnlichen Umstände können sich insbesondere aus einer sehr langen Aufenthaltsdauer und den Auswirkungen der Ausweisung auf die dadurch betroffenen Kinder ergeben. Wo Kinder betroffen sind, muss das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt werden. Die Behörden müssen die Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Wohl der betroffenen Kinder prüfen. Im gegenständlichen Fall hatte der EGMR entschieden, dass die Ausweisung der Beschwerdeführerin, die seit mehr als 16 Jahren in den Niederlanden war und nie strafrechtlich verurteilt worden war, nicht rechtmäßig sei. Sie hatte in den Niederlanden drei Kinder und einen Ehemann, die alle die niederländische Staatsbürgerschaft hatten. Es war auch die Beschwerdeführerin, die sich im Alltag vorrangig um die Kinder kümmerte, sodass offensichtlich war, dass dem Wohl der Kinder am besten entsprochen werde, wenn ihre derzeitigen Lebensumstände nicht durch einen zwangsweisen Umzug der Mutter gestört würden. Auch wenn die Interessen der Kinder allein nicht entscheidend sein können, muss solchen Interessen auf jeden Fall erhebliches Gewicht beigemessen werden. Im gegenständlichen Fall war es daher unerheblich, dass das Familienleben zu einer Zeit geschaffen worden war, zu der den beteiligten Personen bekannt war, dass das Fortbestehen von Familienleben im Gaststaat wegen des Einwanderungsstatus einer von ihnen von Beginn an unsicher war.'
Im gegenständlichen Fall liegen allerdings andere Voraussetzungen vor: Der BF hält sich erst seit Oktober 2015 – somit seit fünfeinhalb Jahren – in Österreich auf. Spätestens seit der Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 09.05.2017 – somit bereits eineinhalb Jahre nach seiner Einreise – war sich der BF seines unsicheren Aufenthaltes bewusst. Erst nach diesem Zeitpunkt lernte er die nunmehrige Mutter seiner beiden Kinder kennen, das erste gemeinsame Kind kam im Juni 2018, das zweite Kind im Juli 2020, zur Welt. War aber ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua, Zl 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl 28770/05; 14.02.2012, Antwi ua, Zl 26940/10, vgl dazu auch VwGH 14.10.2008, 2008/22/0545) und ist der Schutz eines Ausländers vor einer Ausweisung geringer, wenn dieser nicht mit seinem minderjährigen Kind zusammenlebt (EGMR, Urteil vom 08.01.2009 – 10606/07; Gant vs. UK), was im Fall des BF eben auch zutreffend ist.
Im gegenständlichen Fall wären die Kinder des BF bei einer Abschiebung des Vaters auch nicht gezwungen, das Bundesgebiet zu verlassen oder eine Trennung von der Kindesmutter in Kauf zu nehmen, da sowohl die obsorgeberechtigte Kindesmutter als auch die beiden Kinder des BF über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügen.
Zudem gestaltet sich der Alltag des BF mit seinen Kindern so, dass diese nicht in einem gemeinsamen Haushalt wohnen und ein solcher auch nie bestanden hat. Da die Kindesmutter einem Kontakt des BF mit seinen Kindern ablehnend gegenübersteht, war bislang ein Kontakt nur eingeschränkt möglich und besteht de facto seit Beginn der Coronakrise nicht mehr. Es wird zwar nicht verkannt, dass der Umgang mit beiden Eltern dem Kindeswohl entspricht, jedoch besteht im gegenständlichen Fall - trotz der Anwesenheit des Kindesvaters (BF) in Österreich - kein Kontakt zu den Kindern. Wenngleich dem BF zugute zu halten ist, dass der Kontakt zu den Kindern in erster Linie von der Kindesmutter unterbunden wurde, so ist dennoch von der derzeit bestehenden Faktenlage, nämlich dem letzten Kontakt mit der dreijährigen Tochter im Sommer 2020, auszugehen. Den Sohn hat der BF überhaupt erst ein- oder zweimal gesehen. Eine Beziehung der Kinder zum Vater besteht daher nicht. Eine weitere Relativierung des Familienlebens ist auch darin zu sehen, dass der BF bislang keine Unterhaltszahlungen für seine Kinder geleistet hat. Der erkennende Richter verkennt dabei nicht, dass der BF nur über Leistungen aus der Grundversorgung verfügt, es ist aber dennoch kein erkennbares Bemühen des BF ersichtlich, eine Selbsterhaltungsfähigkeit – und damit die Möglichkeit, auch für den Unterhalt der Kinder (mit)zusorgen – zu erlangen. Die Alimentationszahlungen werden daher vom Staat geleistet. Die Kinder sind auch nicht auf die Pflege des BF angewiesen, da beide Kinder noch im Kleinkindalter sind und deren primäre Bezugsperson die Mutter ist, sodass auch aus dieser Hinsicht für die Versorgung und Pflege der Kinder gesorgt ist und dem Kindeswohl ausreichend Rechnung getragen wird.
Des Weiteren ist anzuführen, dass der BF neben seinen Kindern und deren Mutter, mit denen er in keinem gemeinsamen Haushalt lebt und die einem Kontakt bzw einer Beziehung mit dem BF auch ablehnend gegenübersteht, keine weiteren familiären oder privaten Beziehungen in Österreich hat.
[…]
- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Dem bei Antragstellung volljährigen BF musste klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.
Das Familienleben wurde zudem zu einem Zeitpunkt eingegangen, als den Beteiligten der unsichere rechtliche Status des BF bekannt sein musste, zumal sein Antrag auf internationalen Schutz bereits im Mai 2017 abgewiesen wurde. Aufgrund dieser Abweisung durften daher beide Betroffenen nicht mehr darauf vertrauen, dass der BF in Österreich zum Aufenthalt berechtigt werden würde. Aufgrund des Eingehens des Familienlebens trotz auf vorübergehender Basis fußenden Aufenthaltsstatus kann eine Verletzung von Art8 EMRK nicht bejaht werden.
Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen, um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich zu legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl hierzu auch das Estoppel-Prinzip ['no one can profit from his own wrongdoing'], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
[…]
Das Familienleben des BF beschränkt sich derzeit auf den Umstand, dass der BF zwei Kinder hat, für die er zudem keinen Unterhalt leistet. Weder liegt ein gemeinsamer Haushalt vor – und hat auch in der Vergangenheit ein solcher nie bestanden – noch gibt es derzeit Kontakt des BF zu seinen Kindern. Der Kontakt zu den Kindern ist – so er wieder aktiviert werden kann – auch durch elektronische Medien bzw durch Besuche möglich. Eine Regelung des Besuchsrechts ist auch aus dem Ausland unter Inanspruchnahme eines Vertreters möglich."
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens iSd Art8 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
4.1. Begründend wird dazu hinsichtlich des Familienlebens im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
4.2. Die Kinder des Beschwerdeführers würden in Österreich als österreichische Staatsbürger leben. Auf Grund der schlechten Sicherheitslage im Irak würde im Falle einer Ausreise der Kontakt abbrechen. Zudem habe der Beschwerdeführer auch abseits des aufrechten Familienlebens seine in Österreich verbrachte Zeit zur Integration genutzt. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erweise sich im gegenständlichen Verfahren ob des Vorliegens eines schützenswerten Familien- und Privatlebens als mit den Vorgaben des Art8 EMRK als nicht vereinbar. Zunächst habe das Bundesverwaltungsgericht verabsäumt, eine nachvollziehbare Kindeswohlprüfung vorzunehmen. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass vom Beschwerdeführer nicht erwartet werden könne, während des Rechtsmittelverfahrens keine persönlichen Bindungen einzugehen, die in der Folge auch zur Entstehung eines schutzwürdigen Familienlebens führen können, dies insbesondere vor dem Hintergrund der Dauer des Beschwerdeverfahrens von vier Jahren. Dass der schlichte Umstand, dass das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden sei, als sich die Beteiligten des ungewissen Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht zu begründen vermöge, ergebe sich auch aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.
4.3. Es seien im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, dass der Kontakt des Beschwerdeführers zu seinen Kindern zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde; jedenfalls seien keine entsprechenden Ermittlungsergebnisse von Seiten des Bundesverwaltungsgerichtes erhoben bzw im Rahmen der Erkenntnisbegründung angeführt worden. Ein Abbruch der Beziehung sei demnach weder mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Einklang zu bringen, noch mit dem verfassungsgesetzlich garantierten Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen gemäß Art2 Abs1 BVG Kinderrechte.
4.4. In Bezug auf die Erwägung des Gerichts, die Kontakte zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern könnten durch gegenseitige Besuche bzw Telefonate aufrechterhalten werden, sei zunächst festzuhalten, dass es sich vorliegend um eine dreijährige Tochter und einen einjährigen Sohn handle. Wie der Beschwerdeführer mit seinen Kindern, die offenkundig noch nicht in der Lage seien, Telekommunikationsgeräte eigenständig zu bedienen, telefonisch kommunizieren solle, erschließe sich nicht. Ungeachtet der faktischen Undurchführbarkeit habe das Bundesverwaltungsgericht mit dieser Annahme auch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verkannt.
Nicht nachvollziehbar sei zudem, inwiefern es dem Beschwerdeführer bzw seinen Kindern möglich sein solle, die gegenseitigen Besuche stattfinden zu lassen; dies insbesondere angesichts des Umstands, dass die Kindesmutter den Kontakt bereits in Österreich unterbinden möchte, sodass Besuche nur nach pflegschaftsgerichtlich beschlossener Regelung begleitet und unter Aufsicht möglich seien. Dass die Kindesmutter ihre Kinder alleine in den Irak reisen lassen würde, sei bereits angesichts des Alters ausgeschlossen. Doch auch, dass sie mit ihnen in den Irak reisen würde, sei angesichts der dortigen Sicherheitslage nur bei Gefährdung des Lebens der Familie möglich und sei auch angesichts der schwierigen Beziehung zwischen den ehemaligen Partnern höchst unwahrscheinlich.
4.5. Wie sich aus dem Verhalten des Beschwerdeführers bei der mündlichen Verhandlung und insbesondere auch aus dem Verhandlungsprotokoll ergebe, sei der Beschwerdeführer ein engagierter Vater, der am Leben seiner Kinder teilhaben möchte und für den eine dauerhafte Trennung nicht vorstellbar sei.
4.6. Es sei dem Erkenntnis vor dem Hintergrund der hohen Bedeutung des Kindeswohls und der Beziehung zu beiden Elternteilen keine nachvollziehbare Begründung zu entnehmen, weswegen in diesem konkreten Einzelfall die öffentlichen Interessen derart schwer wiegen würden, um eine dauerhafte Trennung des Vaters von seinen Kinder rechtfertigen zu können. Das Bundesverwaltungsgericht habe einen wesentlichen Gesichtspunkt des konkreten Sachverhalts, nämlich die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und insbesondere auf die Beziehung zu seinen Kindern, sowie das Kindeswohl dieser Kinder im Rahmen der Interessenabwägung beinahe gänzlich außer Acht gelassen.
5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
II. Erwägungen
Die Beschwerde ist zulässig.
A. Soweit sie sich gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, die Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und die Frist für die freiwillige Ausreise richtet, ist sie auch begründet:
1. Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).
2. Dem Bundesverwaltungsgericht ist bei der gemäß Art8 Abs2 EMRK gebotenen Abwägung ein solcher in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen:
2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 17.340/2004 ausgeführt hat, darf eine Aufenthaltsbeendigung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Betroffenen verletzt würde. Bei der Beurteilung nach Art8 EMRK ist eine Interessenabwägung vorzunehmen (vgl die in VfSlg 18.223/2007 und 18.224/2007 wiedergegebene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl etwaiger Kinder des Betroffenen zu erörtern (vgl hiezu VfGH 24.9.2018, E1416/2018; 26.2.2019, E3079/2018; zur Bedeutung der mit einer Trennung des Beschwerdeführers von seinem Kind verbundenen Auswirkungen vgl VfSlg 19.362/2011). Einer mit der Ausweisung verbundenen Trennung von Familienmitgliedern kommt eine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (vgl VfSlg 18.388/2008, 18.389/2008, 18.392/2008). Die Intensität der privaten und familiären Bindungen im Inland ist dabei zu berücksichtigen (VfSlg 18.748/2009).
2.2. Dabei sind insbesondere die Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Familienleben zwischen Eltern und Kindern in der Abwägung zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entsteht ein von Art8 Abs1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt (vgl EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab , Appl 10.730/84 [Z21]; 26.5.1994, Fall Keegan , Appl 16.969/90 [Z44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (vgl EGMR 19.2.1996, Fall Gül , Appl 23.218/94 [Z32]). Ferner ist es nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein grundlegender Bestandteil des Familienlebens, dass sich Eltern und Kinder der Gesellschaft des jeweiligen anderen Teiles erfreuen können; die Familienbeziehung wird insbesondere nicht dadurch beendet, dass das Kind in staatliche Pflege genommen wird (vgl VfSlg 16.777/2003 mit Hinweis auf EGMR 25.2.1992, Fall Margareta und Roger Andersson , Appl 12.963/87 [Z72] mwN; zu den Voraussetzungen für ein [potentielles] Familienleben zwischen einem Kind und dessen Vater siehe auch EGMR 15.9.2011, Fall Schneider , Appl 17.080/07 [Z81] mwN). Davon ausgehend kann eine unzureichende Berücksichtigung des Kindeswohles zur Fehlerhaftigkeit der Interessenabwägung und somit zu einer Verletzung des Art8 EMRK führen (vgl VfGH 28.2.2012, B1644/10 mit Hinweis auf EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer , Appl 50.435/99, sowie insbesondere EGMR 28.6.2011, Fall Nunez , Appl 55.597/09; 12.10.2016, E1349/2016).
2.3. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind die konkreten Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für einen Elternteil auf das Wohl eines Kindes zu ermitteln und bei der Interessenabwägung nach Art8 Abs2 EMRK zu berücksichtigen (vgl VfSlg 19.362/2011; VfGH 25.2.2013, U2241/12; 19.6.2015, E426/2015; 9.6.2016, E2617/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 14.3.2018, E3964/2017; 11.6.2018, E343/2018 ua; 11.6.2018, E435/2018). Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, es sei lebensfremd anzunehmen, dass der Kontakt zwischen einem Kleinkind und einem Elternteil über Telekommunikation und elektronische Medien aufrechterhalten werden könne (vgl dazu VfGH 25.2.2013, U2241/12; 19.6.2015, E426/2015; 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343/2018 ua).
2.4. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Interessenabwägung nach Art8 Abs2 EMRK, die das Bundesverwaltungsgericht vornimmt, als unzureichend:
2.5. Bezüglich der Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl (zur grundrechtlichen Verpflichtung, die Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Kindern und das Kindeswohl zu ermitteln, vgl VfGH 24.9.2018, E1416/2018 mwN) beschränkt sich das Bundesverwaltungsgericht darauf, anzunehmen, dass der "Kontakt zu den Kindern […] – so er wieder aktiviert werden kann – auch durch elektronische Medien bzw durch Besuche möglich [ist]. Eine Regelung des Besuchsrechts ist auch aus dem Ausland unter Inanspruchnahme eines Vertreters möglich."
2.6. Vor dem Hintergrund der konkreten Situation ist für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, inwieweit ein Kontakt mit den beiden (Klein-)Kindern durch elektronische Medien bzw durch Besuche möglich sein soll: Zum Ersten widerspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl zB VfGH 12.10.2016, E1349/2016; 11.6.2018, E343/2018 ua; 21.9.2020, E738/2020) anzunehmen, der Kontakt könne mit Kindern im Alter von vier Jahren und einem Jahr bloß über Telekommunikation bzw elektronische Medien aufrechterhalten werden. Zum Zweiten hat das Bundesverwaltungsgericht dabei das ablehnende Verhalten der Kindesmutter außer Acht gelassen, das trotz gerichtlich vereinbartem Besuchsrecht dazu führt, dass der Beschwerdeführer keinen Kontakt zu seinen Kindern haben kann. Zum Dritten hat es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, darzulegen, wie sich die Besuchsmöglichkeit zwischen den Kindern, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, und dem Beschwerdeführer – insbesondere unter Berücksichtigung des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers, in den er mit vorliegender Entscheidung auch abgeschoben werden soll – gestalten soll.
3. Indem das Bundesverwaltungsgericht die Auswirkungen der den Beschwerdeführer treffenden aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf den Kontakt mit seinen Kindern bei seiner Interessenabwägung nicht ausreichend berücksichtigt hat, hat es seine Entscheidung mit einem in die Verfassungssphäre reichenden Fehler belastet (vgl VfGH 3.10.2019, E3456/2019; 24.11.2020, E3806/2019 jeweils mwN).
B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:
1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
2. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak und gegen die Feststellung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.