V425/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Gipslöcher" in Lech, LGBl Nr 41/2019, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Vorarlberger Landesgesetzblatt verpflichtet.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z6 B VG gestützten Antrag begehrt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg, die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Gipslöcher" in Lech, Vbg LGBl 41/2019, als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vbg Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (im Folgenden: Vbg NSchG), Vbg LGBl 22/1997, idF Vbg LGBl 78/2017, wie sie zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung der Landesregierung über das Naturschutzgebiet Gipslöcher in Lech, Vbg LGBl 41/2019, in Kraft waren, lauteten:
"§7
Entwicklungskonzepte
(1) Die Landesregierung kann auf der Grundlage der Inventare unter Einbeziehung der Gemeinden überörtliche Entwicklungskonzepte der Natur- und Landschaftsräume erarbeiten, die geeignet sind, als Grundlage für Planungen des Landes und der Gemeinden zu dienen. In gleicher Weise können die Gemeinden örtliche Entwicklungskonzepte für das jeweilige Gemeindegebiet erstellen. Ins Landesrecht umzusetzende Rechtsakte im Rahmen der Europäischen Union sind zu berücksichtigen.
(2) Die Entwicklungskonzepte können insbesondere Vorschläge enthalten zur
a) Sicherstellung einer ökologischen Mindestausstattung von Naturräumen und zur Herstellung vernetzter Natur- und Landschaftsräume,
b) Erhaltung oder Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und der nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,
c) Erhaltung oder Wiederherstellung einer möglichst unbeeinträchtigten Landschaft,
d) Verminderung von Beeinträchtigungen von Natur oder Landschaft, die durch nach diesem Gesetz bewilligte Eingriffe entstehen.
(3) Der Entwurf eines Entwicklungskonzeptes des Landes ist jenen Gemeinden und sonstigen öffentlichen Stellen, deren Interessen durch die Verordnung wesentlich berührt werden, unter Einräumung einer angemessenen Frist zur Stellungnahme zu übermitteln.
(4) Die Gemeinden haben den Entwurf eines Entwicklungskonzeptes des Landes oder eines örtlichen Entwicklungskonzeptes während vier Wochen im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen und die Auflage ortsüblich kundzumachen. Eingelangte Stellungnahmen zum Entwurf eines Entwicklungskonzeptes des Landes sind der Landesregierung innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der Auflagefrist vorzulegen.
[…]
§26
Schutzgebiete
(1) Die Landesregierung kann durch Verordnung Vorschriften über den Schutz bestimmter, genau abgegrenzter Gebiete erlassen, wenn ein besonderer Schutz der Natur oder einzelner ihrer Teile sowie der Landschaft in diesen Gebieten aufgrund ihrer Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen Verordnung liegen insbesondere vor, wenn das Gebiet,
a) sich durch völlige oder weit gehende Ursprünglichkeit auszeichnet,
b) großflächige Lebensräume der Tierwelt, die sich durch weit gehende Ruhe auszeichnen, aufweist,
c) seltene oder gefährdete Tier- oder Pflanzenarten oder Lebensgemeinschaften von Tieren und Pflanzen beherbergt,
d) seltene oder wissenschaftlich interessante Mineralien oder Fossilien enthält,
e) einen in seiner Art im Land seltenen Natur- oder Landschaftsraum darstellt,
f) von besonderer landschaftlicher Schönheit oder Eigenart oder für die Erholung der Bevölkerung von besonderer Bedeutung ist und seine Störung durch bestimmte Tätigkeiten zu erwarten ist, oder
g) als kleinräumiger, naturnah erhaltener Landschaftsteil oder als Kulturlandschaft das Landschafts- oder Ortsbild besonders prägt, zur Belebung oder Gliederung des Landschafts- oder Ortsbildes beiträgt oder für die Erholung der Bevölkerung bedeutsam ist.
(2) Eine Verordnung gemäß Abs1 ist zu erlassen, wenn dies aufgrund von Rechtsakten im Rahmen der Europäischen Union geboten ist.
(3) Die Schutzmaßnahmen in einer Verordnung gemäß Abs1 können sich auf die gesamte Natur des bestimmt abgegrenzten Gebietes oder auch nur auf Teile derselben erstrecken. In einer Verordnung gemäß Abs1 kann insbesondere auch festgelegt werden, dass bestimmte Maßnahmen, die eine Gefährdung der Natur oder der Landschaft des betreffenden Gebietes oder einzelner ihrer Teile darstellen können, einer Bewilligung bedürfen oder können bestimmte Maßnahmen gänzlich untersagt werden. Ins Landesrecht umzusetzende Rechtsakte im Rahmen der Europäischen Union sind zu berücksichtigen.
(4) Gebiete, die zur Bewahrung, Entwicklung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der in ihnen vorkommenden Lebensräume des Anhangs I oder der Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II der Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen oder der in ihnen vorkommenden Vogelarten des Anhangs I der Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten geeignet und von gemeinschaftlicher Bedeutung sind, können durch Verordnung der Landesregierung zu Europaschutzgebieten erklärt werden.
(5) Durch Verordnung gemäß Abs1 geschützte Gebiete, in denen die Natur in ihrer Gesamtheit geschützt wird, können als Naturschutzgebiete, wenn sich der Schutz vorwiegend auf die Abwehr von Störungen der Ruhe durch den Freizeit- und Erholungsbetrieb bezieht, als Ruhezonen, wenn sich der Schutz vorwiegend auf die Landschaft bezieht, als Landschaftsschutzgebiete, wenn sich der Schutz auf Pflanzen bezieht, als Pflanzenschutzgebiete bezeichnet werden.
(6) Bei der Erlassung von Verordnungen gemäß Abs1 ist §7 Abs3 und 4 sinngemäß anzuwenden.
[…]
§35
Bewilligung
[…]
(5) In Verordnungen nach den §§15, 16 und 26 bis 30 dieses Gesetzes können, soweit dies zur Erreichung des Schutzzweckes erforderlich ist, auch strengere als in den vorangegangenen Absätzen enthaltene Voraussetzungen für die Erteilung von Bewilligungen aufgenommen werden. Diese sowie strengere Bewilligungsvoraussetzungen, die sich unmittelbar aus anderen Bestimmungen dieses Gesetzes ergeben, sind zu beachten."
2. Art11 der Alpenkonvention im Protokoll "Naturschutz und Landschaftspflege", BGBl III 236/2002, idF BGBl III 113/2005 (im Folgenden: Naturschutzprotokoll) lautet:
"Artikel 11
Schutzgebiete
(1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie treffen alle geeigneten Maßnahmen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden.
(2) Sie fördern im weiteren die Einrichtung und die Unterhaltung von Nationalparks.
(3) Sie fördern die Einrichtung von Schon- und Ruhezonen, die wild lebenden Tier- und Pflanzenarten Vorrang vor anderen Interessen garantieren. Sie wirken darauf hin, in diesen Zonen die für den ungestörten Ablauf von arttypischen ökologischen Vorgängen notwendige Ruhe sicherzustellen, und reduzieren oder verbieten alle Nutzungsformen, die mit den ökologischen Abläufen in diesen Zonen nicht verträglich sind.
(4) Die Vertragsparteien prüfen, inwieweit besondere Leistungen der ansässigen Bevölkerung nach nationalem Recht zu entschädigen sind."
3. Die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über das Naturschutzgebiet "Gipslöcher" in Lech, Vbg LGBl 41/2011 (Stammfassung), lautete auszugsweise wie folgt:
"Auf Grund der §§26 und 35 Abs5 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl Nr 22/1997, wird verordnet:
§1
Geschützte Flächen
Das in der zeichnerischen Darstellung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 30.06. 2011, Zl IVe 131.14, Maßstab 1:5.000, planlich ausgewiesene Gebiet in der Gemeinde Lech wird zum Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' erklärt. […] Das Naturschutzgebiet umfasst den gesamten Bereich der Gipsdolinen im Gebiet zwischen Oberlech und dem Kriegerhorn mit den drei Teilflächen der unteren, mittleren und oberen Gipslöcher.
§2
Schutzzweck
Zweck der Errichtung des Naturschutzgebietes ist es insbesondere:
a) die Gipslöcher als geomorphologische und landschaftsbildliche Besonderheit mit ihren bizarren Geländeformen in ihrem besonderen ästhetischen Reiz zu erhalten,
b) die darin auftretenden mikroklimatischen und bodenbezogenen Mosaikstrukturen mit ihrer standorttypischen Pflanzenvielfalt zu schützen und vor Veränderungen durch Nutzungen zu bewahren.
§3
Verbote
(1) Im Naturschutzgebiet dürfen keine Veränderungen oder sonstigen Einwirkungen vorgenommen werden, die geeignet sind, Interessen des Naturschutzes zu beeinträchtigen. Danach ist es im Naturschutzgebiet insbesondere verboten,
a) Geländeveränderungen vorzunehmen sowie Maßnahmen durchzuführen, die die Beschaffenheit oder Gestalt des Bodens, den Wasserhaushalt oder die Wassergüte beeinflussen können; ausgenommen ist die Beschneiung von bereits bestehenden Schipisten und Winterwanderrouten,
b) Anlagen wie Gebäude, Aufstiegshilfen, Schipisten, Straßen und Wege, Ankündigungen und Werbeanlagen zu errichten,
c) den Bewuchs insbesondere durch Düngen oder sonstige chemische Einwirkungen, durch Saat oder Anpflanzung oder durch Beseitigen von Pflanzen oder Pflanzenteilen zu verändern,
d) mit Fahrzeugen gleich welcher Art zu fahren; ausgenommen ist das Befahren bereits bestehender Fahrwege durch Nutzungsberechtigte im unbedingt erforderlichen Ausmaß zur widmungsgemäßen Nutzung der Liegenschaften sowie das Befahren bereits bestehender Schipisten und Winterwanderrouten mit Pistenfahrzeugen zur Präparierung im unbedingt erforderlichen Ausmaß,
e) zu kampieren,
f) sich außerhalb bereits bestehender Wege aufzuhalten; ausgenommen sind der winterliche Schilauf auf den bereits bestehenden Schipisten sowie das Winterwandern auf den dafür präparierten Routen,
g) Abfälle zurückzulassen sowie
h) unnötigen Lärm zu erregen oder sonst den Naturgenuss zu beeinträchtigen.
(2) Einwirkungen, die mit der bisher üblichen landwirtschaftlichen Nutzung als Mahd- oder Weidefläche sowie der Ausübung der Jagd notwendigerweise verbunden sind, bleiben von Abs1 unberührt.
§4
Ausnahmebewilligung
(1) Von den Verboten des §3 können auf Antrag oder von Amts wegen Ausnahmen bewilligt werden, wenn ein Vorhaben die Natur oder Landschaft des Schutzgebietes nicht oder nur vorübergehend beeinträchtigt und andere öffentlichen Interessen überwiegen.
(2) Durch Bedingungen oder Auflagen oder durch eine Befristung der Bewilligung ist sicherzustellen, dass die Interessen des Naturschutzes durch das Vorhaben nicht oder möglichst wenig beeinträchtigt werden.
§5
Außerkrafttreten
Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 42/1988, außer Kraft."
4. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Gipslöcher" in Lech, Vbg LGBl 41/2019 (ausgegeben am 13. Juni 2019), lauten wie folgt:
"Die Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 41/2011, wird wie folgt geändert:
1. Der §1 lautet:
'§1
Geschützte Flächen
Die in der Anlage, einschließlich den Erläuterungen dazu, rot umrandeten Grundflächen in der Gemeinde Lech sind nach dieser Verordnung als Naturschutzgebiet geschützt.'
2. Der §5 entfällt.
3. Die Anlage wird durch die angeschlossene Anlage sowie die Erläuterungen dazu ersetzt."
5. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über das Naturschutzgebiet Gipslöcher in Lech, Vbg LGBl 41/2011 idF Vbg LGBl 41/2019, lauten wie folgt:
"§1
Geschützte Flächen
Die in der Anlage, einschließlich den Erläuterungen dazu, rot umrandeten Grundflächen in der Gemeinde Lech sind nach dieser Verordnung als Naturschutzgebiet geschützt.
§2
Schutzzweck
Zweck der Errichtung des Naturschutzgebietes ist es insbesondere:
a) die Gipslöcher als geomorphologische und landschaftsbildliche Besonderheit mit ihren bizarren Geländeformen in ihrem besonderen ästhetischen Reiz zu erhalten,
b) die darin auftretenden mikroklimatischen und bodenbezogenen Mosaikstrukturen mit ihrer standorttypischen Pflanzenvielfalt zu schützen und vor Veränderungen durch Nutzungen zu bewahren.
§3
Verbote
(1) Im Naturschutzgebiet dürfen keine Veränderungen oder sonstigen Einwirkungen vorgenommen werden, die geeignet sind, Interessen des Naturschutzes zu beeinträchtigen. Danach ist es im Naturschutzgebiet insbesondere verboten,
a) Geländeveränderungen vorzunehmen sowie Maßnahmen durchzuführen, die die Beschaffenheit oder Gestalt des Bodens, den Wasserhaushalt oder die Wassergüte beeinflussen können; ausgenommen ist die Beschneiung von bereits bestehenden Schipisten und Winterwanderrouten,
b) Anlagen wie Gebäude, Aufstiegshilfen, Schipisten, Straßen und Wege, Ankündigungen und Werbeanlagen zu errichten,
c) den Bewuchs insbesondere durch Düngen oder sonstige chemische Einwirkungen, durch Saat oder Anpflanzung oder durch Beseitigen von Pflanzen oder Pflanzenteilen zu verändern,
d) mit Fahrzeugen gleich welcher Art zu fahren; ausgenommen ist das Befahren bereits bestehender Fahrwege durch Nutzungsberechtigte im unbedingt erforderlichen Ausmaß zur widmungsgemäßen Nutzung der Liegenschaften sowie das Befahren bereits bestehender Schipisten und Winterwanderrouten mit Pistenfahrzeugen zur Präparierung im unbedingt erforderlichen Ausmaß,
e) zu kampieren,
f) sich außerhalb bereits bestehender Wege aufzuhalten; ausgenommen sind der winterliche Schilauf auf den bereits bestehenden Schipisten sowie das Winterwandern auf den dafür präparierten Routen,
g) Abfälle zurückzulassen sowie
h) unnötigen Lärm zu erregen oder sonst den Naturgenuss zu beeinträchtigen.
(2) Einwirkungen, die mit der bisher üblichen landwirtschaftlichen Nutzung als Mahd- oder Weidefläche sowie der Ausübung der Jagd notwendigerweise verbunden sind, bleiben von Abs1 unberührt.
§4
Ausnahmebewilligung
(1) Von den Verboten des §3 können auf Antrag oder von Amts wegen Ausnahmen bewilligt werden, wenn ein Vorhaben die Natur oder Landschaft des Schutzgebietes nicht oder nur vorübergehend beeinträchtigt und andere öffentlichen Interessen überwiegen.
(2) Durch Bedingungen oder Auflagen oder durch eine Befristung der Bewilligung ist sicherzustellen, dass die Interessen des Naturschutzes durch das Vorhaben nicht oder möglichst wenig beeinträchtigt werden."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (Zitate ohne die Hervorhebungen im Original, Fußnoten in eckigen Klammern ausgewiesen):
"[...]
1. Antragslegitimation
Die Legitimation des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg zur Beantragung der abstrakten Normenkontrolle ergibt sich aus Art60 Abs2 der Vorarlberger Landesverfassung in Verbindung mit Art148i Abs2 B VG und der seit der Entscheidung V49/86 vom 25.09.1986 hierzu gleichbleibend ergangenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.
Gemäß Art60 Abs2 der Vorarlberger Landesverfassung ist der Landesvolksanwalt zur Anfechtung von Verordnungen legitimiert, die im Bereich der Verwaltung des Landes ergangen sind. Zur Verwaltung des Landes im Sinne der Bestimmungen der Vorarlberger Landesverfassung sowie des Gesetzes über den Landesvolksanwalt, LGBl Nr 29/1985 idgF zählen gemäß §2 Abs6 leg. cit.
a) alle Verwaltungsangelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes einschließlich der Tätigkeit des Landes als Träger von Privatrechten, die von Organen des Landes selbst oder von anderen Rechtspersonen im Auftrag des Landes besorgt werden;
b) die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden und sonstiger Selbstverwaltungskörper, soweit er Angelegenheiten aus dem Bereich der Landesvollziehung umfasst und die Tätigkeiten der Gemeinden und sonstiger landesgesetzlich geregelter Selbstverwaltungskörper als Träger von Privatrechten.
2. Gegenstand des Antrages
Gegenstand des Antrages ist die Verordnung der Landesregierung Vorarlberg über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 41/2019, welche die Herausnahme einer Teilfläche des aufgrund der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 41/2011, bestehenden Naturschutzgebietes 'Gipslöcher' zum Gegenstand hat.
Die Verordnung wurde in der 19. Sitzung der Vorarlberger Landesregierung am 04.06.2019 beschlossen und am 13.06.2019 im Landesgesetzblatt kundgemacht.
3. Sachverhalt
3.1. Anlassfall Projekt 'Grubenalpbahn'
Mit Erlass der Verordnung der Landesregierung Vorarlberg über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 41/2019, und Kundmachung derselben am 13.06.2019 wurde eine Fläche von 0,25 % der Gesamtfläche des Naturschutzgebiets 'Gipslöcher' in Lech herausgenommen. Dies entspricht etwa einer Fläche von 900 m 2 .
Die Verordnungsänderung resultierte aus einem Änderungsbedarf der Schutzgebietsgrenzen auf Grund der geplanten Errichtung der Liftanlage 'Grubenalpbahn' im Ortsteil Oberlech, im Gemeindegebiet von Lech. Die geplante 6er-Sesselbahn führt von der derzeitigen Talstation des Schlepplifts 'Anfänger' in nordwestliche Richtung auf eine markante Geländekuppe oberhalb der Grubenalpe auf ca. 1844 müA. Dadurch kommt es zu einer Überspannung des Naturschutzgebietes 'Gipslöcher' am nordöstlichen Rand der Unteren Gipslöcher auf ca. 84,8 m Länge und ca. 20,6 m Breite.
Im Zuge der Projektplanung erfolgte eine Alternativenprüfung, welche 3 Varianten des Verlaufes der geplanten Grubenalpbahn gegenüberstellte.
In ihrer ursprünglichen Planung umfasste die Anlage auf einer Gesamtlänge von ca. 1036 m 11 Stützbauwerke sowie einen Kabelgraben zwischen Tal- und Bergstation. Auf einer Länge von ca. 140 m hätte die Grubenalpbahn zwischen den Stützbauwerken 9 und 10 das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' überspannt. Vom gesamten Schutzgebiet, welches die Unteren, Mittleren und Oberen Gipslöcher umfasst, wäre dadurch der äußerst nördliche Rand der Unteren Gipslöcher überspannt worden.
In einer weiteren Variante wurde die Errichtung der Grubenalpbahn ohne Überspannung des Naturschutzgebietes 'Gipslöcher' geprüft. Nach dieser Variante hätte die Bahntrasse sehr knapp am Naturschutzgebiet vorbeigeführt. Gegen diese Variante wurde vorgebracht, dass die Bergstation im Gegensatz zu den anderen geprüften Varianten vom Tal einsehbar wäre, da sie direkt neben dem Kreuz auf der Hügelspitze errichtet werden müsste. Die Ausstiegshöhe wäre um 5 m tiefer, sodass es dadurch nicht mehr möglich sei, mit dem Schiweg oberhalb der Waldgrenze zu verbleiben und ein Geländeeinschnitt für die Erstellung der Zufahrt in Richtung Abfahrt Weibermahd durchgeführt werden müsste. Diese Abfahrt würde darüber hinaus durch wesentlich steileres Gelände führen, sodass auch eine Lawinenverbauung erforderlich wäre.
Weiters müsste den zugrundeliegenden Unterlagen zufolge bei Stütze 7 ein Heustadel entfernt werden, wobei sich die Verhandlungen mit dem Eigentümer aufgrund unerfüllbarer Forderungen an die Seillifte Oberlech (zB Einräumen einer Winterzufahrt zum Stadel und Umwidmung der Stadelflächen in Bauland) äußerst schwierig gestalten könnte. Zudem würde die Bahntrasse beim Hotel Mohnenfluh um ca. 10 m näher ans Hotel Mohnenfluh heran reichen und wäre die Bahntrasse dadurch nur 18 m von der Hotelliegenschaft entfernt.
In der letztlich gewählten Variante erfolgt eine Überspannung des Naturschutzgebietes 'Gipslöcher' in seinem Bestand vor Herausnahme der Teilfläche durch die gegenständliche Verordnung der Landesregierung Vorarlberg, LGBl Nr 41/2019, durch die Grubenalpbahn über eine Distanz von 84,8 m.
3.2. Naturschutzgebiet 'Gipslöcher'
In der Verordnung der Landesregierung über das Naturschutzgebiet Gipslöcher in Lech, LGBl.Nr 41/2011, werden die geschützten Flächen in den Anlagen zur Verordnung rot umrandet dargestellt und werden der Schutzzweck und die Verbote in diesem Gebiet wie folgt normiert:
[…]
Zwischen Oberlech und den Mohnenmäder erstreckt sich auf einer Fläche von ca. 28,54 ha die Gipsdolinenlandschaft der Unteren (1770 – 1900 m), Mittleren (1920 – 1990 m), und Oberen (2000 – 2020 m) Gipslöcher. Die drei Teilbereiche stehen räumlich nicht miteinander in Verbindung und können nur aus großer Distanz als Einheit wahrgenommen werden. Das Naturschutzgebiet ist bislang nicht durch Liftanlagen erschlossen bzw überspannt und völlig frei von skitechnischer Erschließung. Anthropogene Eingriffe beschränken sich auf den Geologielehrpfad in den Unteren Gipslöchern sowie Güterwegquerungen im Bereich der Mittleren und Oberen Gipslöcher. Berglandschaftliche Nutzungen sind in den Randbereichen abschnittsweise bis in das Gebiet ausgedehnt.
Die Gipslöcher sind als besonders schützens- und erhaltenswerte Lebensräume im Vorarlberger Biotopinventar erfasst (Biotopnummer 11317) und stehen seit 1988 als Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' (LGBl Nr 42/1988 bzw LGBl Nr 41/2011) unter Schutz.
Aufgrund ihrer geomorphologischen Besonderheit und landschaftsbildlichen Attraktivität durch die bizarren Geländeformen, heben sich die Gipslöcher von der touristisch intensiv genutzten und von Schipisten-Hängen geprägten Umgebung deutlich ab und sind ein Blickfang. Die stark strukturierte Oberfläche mit alternierenden Sonnen- und Schattenhängen führt zu vielfältigen Variationen des Kleinklimas und bildet ein interessantes Vegetationsmosaik mit großem Artenreichtum. [Naturschutzfachliches Gutachten, Mag. […], Zl BHBL II 960 145/2016 36, vom 22.12.2017]
Zum Schutz der Gipslöcher wurde das Gebiet in Oberlech in der Gemeinde Lech bereits im Jahr 1988 mit der Verordnung LGBl Nr 42/1988 zum Naturschutzgebiet erklärt. Mit der Verordnung LGBl Nr 41/2011 wurde die zeichnerische Darstellung aktualisiert und entsprechend dem Stand der technischen Möglichkeiten angepasst sowie eine Präzisierung der Gebietsgrenzen und geringfügige Ausweitung des Schutzgebietes vorgenommen.
Novelle der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech im Jahr 2011, LGBl Nr 41/2011
Mit Schreiben vom 15.12.2010, IVe 131.14, wurde der Entwurf einer Verordnung der Landesregierung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech in Begutachtung gegeben.
Begründend wurde angeführt, dass eine Evaluierung der bestehenden Verordnung gezeigt habe, dass die Plan-Darstellung zur Verordnung aus dem Jahr 1988 von der tatsächlichen Lage der Gipslöcher abweiche und der Verordnungsinhalt demnach geringfügig zu ergänzen sei. Mit den neuen technischen Möglichkeiten konnte eine entsprechende Präzisierung an den Gegebenheiten in der Natur vorgenommen werden und in diesem Zuge die Form der Darstellung an den aktuellen technischen Stand angepasst werden.
In Folge der Präzisierung der Gebietsgrenzen wurden folgende zusätzliche Grundstücke unter Schutz gestellt: GST NR 175, 176, 177, 178, 184/1, 185, 188/3, .126, 245, 246, 247, 270, KG Lech.
Seitens der Abteilung Raumplanung und Baurecht wurde im Begutachtungsverfahren eine aus geologischer Sicht etwas großzügigere Gebietsausweisung angeregt, da sich der gipshaltige Untergrund nicht auf die optisch direkt sichtbaren Bereiche, sondern jedenfalls auch auf einen daran angrenzenden Randstreifen erstrecken würde. Auch seitens der Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg wurde ergänzt, dass sich die Hohlräume unterhalb der Erdoberfläche fortsetzen und durch bauliche Eingriffe zerstört werden können, weshalb empfohlen wurde, die Gebietsgrenzen in Abstimmung mit einem geologischen Sachverständigen entsprechend auszuweiten.
Die Plandarstellung wurde in Folge entsprechend angepasst und mit Schreiben vom 10.02.2011, IVe 131.14, erneut einem Begutachtungsverfahren unterworfen. Darin wurde insbesondere betont, dass die geologischen Gegebenheiten eine entscheidende Rolle bei der Ausgestaltung der schutzwürdigen Landschaftsform und Vegetation spielen und dieser Aspekt für die Gebietsabgrenzung insofern von großer Relevanz sei.
In der Sitzung der Landesregierung vom 30.08.2011 wurde der Erlassung der Verordnung, gestützt auf das Begutachtungsverfahren sowie die daran geknüpften Abklärungen und der zugrundeliegenden Zustimmung aller betroffenen Grundeigentümer, zugestimmt.
Verordnung der Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech im Jahr 2019, LGBl Nr 41/2019
Aufgrund der geplanten Errichtung der Liftanlage 'Grubenalpbahn' im Gemeindegebiet von Lech im Ortsteil Oberlech und dem damit einhergehenden Änderungsbedarf der Schutzgebietsgrenzen erfolgte eine erneute Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech. Mit Schreiben vom 20.05.2019, ZI Ive 131.14 44, wurde die Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech bei der Landesregierung beantragt.
Darin wurde ausgeführt, dass das vorliegende Schutzgebiet der Gipslöcher durch die geplante Liftanlage 'Grubenalpbahn' auf einer Fläche von 0,25 % überspannt werde. Andere Bahnteile würden das Schutzgebiet nicht berühren, da beide Stützen samt Rollenbatterien außerhalb des bisherigen Schutzgebietes lägen. Eingriffe wie Geländeveränderungen, Rodungen oder Bauwerke seien durch das Projekt im Schutzgebiet nicht erforderlich.
In den Erläuterungen zur Verordnung der Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech wurde begründend ausgeführt, dass von der Gebietsverkleinerung überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen berührt werden. Auf diesen sei der landwirtschaftliche Einfluss durch Beweidung und Düngung anhand der Stickstoffzeiger und der verringerten Artenzusammensetzung deutlich erkennbar. In den Luftbildern 2015 und 2018 sei überdies die Zaunlinie als Abgrenzung der Beweidungsflächen zum Gipsloch an der Vegetation deutlich ersichtlich.
Von der Gebietsverkleinerung betroffen sind die Grundstücke GST NRN 451/1 und 176, KG Lech. Alle Änderungsflächen auf dem Gst 451/1 KG Lech liegen in der Beweidungsfläche der Grubenalpe, dem obersten Bereich des Muldenausläufers aus dem Gipsloch. Im Übergang zum GST NR 176, KG Lech, unterhalb des Zaunes (=Nutzungsgrenze) zeigt sich eine deutlich artenreichere Vegetation ohne starken Düngeeinfluss. Diese Flächen können als Magerwiesen trockener Prägung bewertet werden und werden im Ausmaß von ca. 8 m² berührt. Im Biotopinventar werden die Flächen den Erläuterungen zufolge nicht erwähnt. [Erläuterungen zur Verordnung der Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, Zl IVe 131.14, Abt. Umweltschutz]
Mit Änderung der Verordnung wurde die ursprüngliche Ausweisung des Gebietes in der Karte vom 30.06.2011 durch einen digitalen Plan ersetzt, in dem die neuen Gebietsgrenzen sowie die Teilflächen des Naturschutzgebietes ersichtlich sind.
Aufgrund der Dringlichkeit und der geringfügigen Grenzänderung wurde auf ein Begutachtungsverfahren verzichtet.
Die Verordnung wurde in der 19. Sitzung der Vorarlberger Landesregierung am 04.06.2019 beschlossen und am 13.06.2019 im Landesgesetzblatt kundgemacht.
3.3. Negative Beurteilung des Vorhabens 'Grubenalpbahn' durch naturschutzfachliche Gutachten
Im Vorfeld der Herausnahme der genannten Fläche aus dem Naturschutzgebiet 'Gipslöcher', wurde das Projekt 'Grubenalpbahn' bereits in zwei aufeinanderfolgenden naturschutzfachlichen Gutachten negativ beurteilt.
Aus dem ersten Gutachten des Amtssachverständigen […] vom 16.05.2017, ZI BHBL I1 960 145/2016 15, geht hervor, dass die Errichtung der Grubenalpbahn das Landschaftsbild dauerhaft nachteilig beeinflusst und somit nicht mit dem Schutzzweck des Gebietes zu vereinbaren ist.
Wie vom Sachverständigen ausgeführt wurde, seien vom Standpunkt der derzeitigen Bergstation des Anfängerliftes die Ausläufer der Gipsdolinen einsehbar. Die Gipsdolinenlandschaft trete mit der angrenzenden, extensiv genutzten Kulturlandschaft noch als Freiraum in Erscheinung. Nach Norden, Westen und Osten seien im Nahbereich bislang keine Liftanlagen einsehbar. Die nächstgelegenen Bahnen Weibermahd und Petersboden liegen hinter Geländeerhebungen verborgen. Dem Betrachter würden sich bislang Perspektiven offenbaren, die als technisch annähernd unbelastet zu bezeichnen seien.
Der ungetrübte und offene Blick auf den nordöstlichen Teilbereich des Naturschutzgebietes fasse das besondere Gepräge auf kleinstem Raum zusammen und vermittle die Wildheit und Authentizität dieser Naturlandschaft. Es seien diese Randbereiche, die zwischen Natur- und Kulturlandschaft vermitteln und fließende und harmonische Übergänge ermöglichen.
Die Landschaft des Schutzgebietes sei von hoher erlebbarer Landschaftsqualität, die sich in der Naturbelassenheit, Ursprünglichkeit und landschaftsbildlichen Authentizität begründe. Es sei eine Landschaft, deren Sensibilität sowohl im Ökosystem, wie auch in der Einzigartigkeit ihrer Reliefenergie und Oberflächenbeschaffenheit liege. Die Einmaligkeit, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet habe, sei nur in diesem räumlichen Zusammenhang wahrnehmbar und nicht reproduzierbar. Ihr besonderes Gepräge sei vorarlbergweit einzigartig.
Die Unvereinbarkeit des geplanten Projektes mit dem Schutzzweck des Gebietes begründete der Sachverständige dahingehend, dass mit der Errichtung der Grubenalpbahn freie und technisch unbelastete Blickbeziehungen in diesem Bereich dauerhaft und unabhängig von Jahreszeiten unterbunden werden. Harmonische Übergänge zum Umgebungsgelände seien dadurch nicht mehr gegeben, da die Liftanlage landschaftszerschneidend wirke.
Die Gipslöcher seien auch im Winter inselartige, annähernd unberührte Naturräume von hoher landschaftsbildlicher Qualität in einem ansonsten monotonen, skitouristisch überprägten Umfeld. Eine Überspannung des Schutzgebietes durch die Grubenalpbahn breche diese obligatorische Grenze und würde ein Vordringen anthropogener Strukturen in einen bisher unberührten Naturraum bedeuten.
Im Sommer seien insbesondere die Stützbauwerke und Tragseile landschaftsbildlich wirksam. Auch wenn die Tragseile nur aus dem Nahbereich wahrnehmbar seien, werde mit den Stützbauwerken die lineare Struktur einer Seilliftanlage assoziiert und eine Verbindung zwischen den Stützbauwerken hergestellt. Eine nachteilige landschaftsbildliche Wirkung sei dadurch auch aus größeren Distanzen gegeben.
Ergänzend führte der Sachverständige aus, dass die Intensität des Eingriffs umso größer sei, je mehr die Charakteristik des Eingriffsobjekts der Charakteristik der Landschaft widerspreche. Beim vorliegenden Projekt, widerspreche der technogene Charakter der Seilbahn in jeder Hinsicht den natürlich gewachsenen Landschaftsformen der Gipslöcher und bilde zu diesen einen formalen Kontrapunkt. Die Seilbahn werde als dominierendes Störelement dauerhaft in Erscheinung treten und im Landschaftsraum keine Unterordnung zeigen. Unabhängig von der Jahreszeit würden sowohl die beweglichen Objekte (Liftsessel) bzw die farblich und in ihrer Form deutlich sich vom Umgebungsgelände abhebenden Stützbauwerke und Liftsessel den Blick des Betrachters weg von der Attraktivität der Landschaft des Schutzgebietes, hin zur replizierbaren 'Allerweltskonstruktion' lenken. Da sich diese Elemente nicht in die Umgebung einfügen, würde die Dominanz der weithin sichtbaren Artefakte zu einer Störung des bestehenden Landschaftsbildes führen.
Im Zuge des Vorhabens werde eine Fläche von über 16.000 m 2 dauerhaft oder durch Geländeveränderung vorübergehend zerstört. Die geplanten Geländekorrekturen würden zum Verlust natürlich gewachsener Geländeformen führen und eine weitere Monotonisierung der landschaftlichen Vielfalt, Einzigartigkeit und Vielgestaltigkeit bedeuten.
Dieses Ergebnis wurde auch vom zweiten Gutachten des Amtssachverständigen vom 22.12.2017, BHBL II 960 145/2016 36, bestätigt, welches die Projektänderung (Überspannung des Naturschutzgebietes 'Gipslöcher' auf einer Länge von max. 69 m) berücksichtigte und die Beurteilung der Auswirkungen auf das Schutzgebiet auf die innerhalb des Naturschutzgebietes geplanten Anlagenteile beschränkte und somit das Naturschutzgebiet isoliert betrachtete. Ergänzend wurde vom Amtssachverständigen festgehalten, dass die Errichtung der Seilbahn innerhalb des Schutzgebietes nicht der Fürsorgepflicht und Schutzverantwortung für ein Naturschutzgebiet von überregionalem Stellenwert entspreche.
Hervorgehoben wurde insbesondere die Einmaligkeit, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet habe, die nur in diesem räumlichen Zusammenhang wahrnehmbar und nicht reproduzierbar sei. Das besondere Gepräge sei im Alpenbogen einzigartig. Aufgrund der Natürlichkeit, der Einzigartigkeit, des hohen ästhetischen Eigenwerts und der Schutzwürdigkeit sei die landschaftsbildliche Empfindlichkeit des Naturschutzgebietes als hoch einzustufen.
Die Landschaft der Gipslöcher werde über das Vorhandensein charakteristischer natürlicher Geofaktoren, den Gipsdolinen, definiert, die bisher vollkommen frei von der Erschließung durch skitechnische Anlagen geblieben waren. Wie bereits im ersten Gutachten wurde auch hier festgestellt, dass sich die skitechnischen Elemente nicht in das Wirkungsgefüge der bestehenden Geofaktoren einfügen und so zu einer dauerhaften Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führen.
Eine Überspannung würde dem Amtssachverständigen zufolge ein Vordringen anthropogener Strukturen in einen bisher unberührten Naturraum und dadurch einen negativen Eingriff in die Harmonie und Ästhetik der Landschaft der Gipslöcher bedeuten.
4. Darlegung der Bedenken
4.1. Verstoß gegen die Zielbestimmungen der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech
Die Herausnahme der Teilfläche aus dem Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' und die damit einhergehende Verkleinerung des geschützten Gebietes stellt einen klaren Verstoß gegen die Zielbestimmungen der Verordnung der Landesregierung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 41/2011, dar.
Wie in §2 leg cit normiert, wurde das Naturschutzgebiet errichtet, um die Gipslöcher als geomorphologische und landschaftsbildliche Besonderheit mit ihren bizarren Geländeformen in ihrem besonderen ästhetischen Reiz zu erhalten, sowie die darin auftretenden mikroklimatischen und bodenbezogenen Mosaikstrukturen mit ihrer standorttypischen Pflanzenvielfalt zu schützen und vor Veränderungen durch Nutzungen zu bewahren.
Eine Erhaltung des Naturschutzgebietes ist durch Herausnahme der Teilfläche definitionsgemäß nicht mehr gegeben. Ein Schutz der Pflanzenvielfalt vor Veränderungen durch Nutzungen kann durch nachträgliche Einwirkungen auf die entnommene Teilfläche in Folge skitouristischer Nutzung dieser Fläche nicht mehr sichergestellt werden.
Wie bereits im Begutachtungsverfahren der Novelle der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech im Jahr 2011, LGBl Nr 41/2011, sowohl von der Abteilung für Raumplanung und Baurecht als auch der Naturschutzanwaltschaft Vorarlberg vorgebracht wurde, erstreckt sich der gipshaltige Untergrund nicht nur auf die optisch direkt sichtbaren Bereiche, sondern jedenfalls auch auf einen daran angrenzenden Randstreifen. Aus eben diesem Grund wurde zum damaligen Zeitpunkt eine großzügigere Gebietsausweitung angeregt.
Die nunmehrige Herausnahme einer Fläche, welche im Verfahren zur Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech im Jahr 2011 zusätzlich unter Schutz gestellt wurde, widerspricht der damaligen Intention des Verordnungsgebers, den angrenzenden Randstreifen ebenfalls als schutzwürdig zu betrachten und in das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' miteinzubeziehen.
Eine Änderung der (geologischen) Verhältnisse, welche einen Schutz dieses Flächenabschnittes nicht mehr notwendig erscheinen ließen, wurde im Verfahren zur Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech im Jahr 2019 nicht vorgebracht. Begründend wurde hier lediglich ausgeführt, dass die von der Gebietsverkleinerung berührten Flächen überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen seien, auf denen der landwirtschaftliche Einfluss durch Beweidung und Düngung anhand der Stickstoffzeiger und der verringerten Artenzusammensetzung deutlich erkennbar sei.
Diese Argumentation lässt verkennen, dass es im Naturschutzgebiet gemäß §3 Abs1 litc der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech verboten ist, den Bewuchs insbesondere durch Düngen oder sonstige chemische Einwirkungen, durch Saat oder Anpflanzung oder durch Beseitigen von Pflanzen oder Pflanzenteilen zu verändern.
Die Düngung der landwirtschaftlich genutzten Flächen des Naturschutzgebietes stellt damit einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Verordnung zum Schutz des Naturschutzgebietes 'Gipslöcher' dar. Anstelle der Untersagung einer Düngung dieser Flächen, wird die daraus resultierende Veränderung der Bodenbeschaffenheit als Argument herangezogen, eine fehlende Schutzwürdigkeit dieser Flächen aufzuzeigen und damit die Zulässigkeit der Herausnahme der Flächen aus dem Naturschutzgebiet zu begründen.
Während das Grundstück GST NR 176, KG Lech, durch die Novelle der gegenständlichen Verordnung im Jahr 2011 als geschützte Fläche deklariert und vom Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' zusätzlich erfasst wurde, hat man mit der neuerlichen Novelle im Jahr 2019 eben dieses Grundstück ohne nähere Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit dieser Fläche wieder aus dem Naturschutzgebiet herausgenommen. Dies, obzwar sich im Übergang zum GST NR 176, KG Lech, eine deutlich artenreichere Vegetation ohne starken Düngeeinfluss zeige. Diese Flächen werden als Magerwiesen trockener Prägung bewertet und vom gegenständlichen Vorhaben im Ausmaß von ca. 18 m 2 berührt.
Folglich stellt die Herausnahme der Teilfläche einen klaren Verstoß gegen die Bestimmungen über den Schutzzweck der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech dar.
4.2. Verfahrensablauf - Herausnahme der Teilfläche nach Versagung der Bewilligung des Projektes 'Grubenalpbahn' durch die Behörde
Kritisch zu betrachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch die zeitliche Einordnung der Verordnungsänderung in Zusammenschau mit dem Bewilligungsverfahren des Projektes 'Grubenalpbahn'.
Nachdem im Bewilligungsverfahren des Projektes das erste Gutachten zum Landschaftsbild negativ ausfiel, wurde dem Sachverständigen aufgetragen, lediglich die Auswirkungen des Projektes auf das Naturschutzgebiet selbst zu untersuchen. Auch dieses zweite Gutachten war negativ und wurde die Errichtung der Grubenalpbahn als nicht mit dem Schutzzweck der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' vereinbar beurteilt.
Daraufhin erfolgte die Herausnahme der Teilfläche aus dem Naturschutzgebiet durch die Landesregierung, welche ohne ausreichende Berücksichtigung fachlicher Positionen und umfassender Grundlagenforschung durchgeführt wurde.
Auf ein Begutachtungsverfahren wurde verzichtet.
Der Zweck der Herausnahme dieser Teilfläche und der damit einhergehenden Verordnungsänderung liegt einzig in der Schaffung einer Möglichkeit zur Verwirklichung des Projektes 'Grubenalpbahn'. Eine ausreichende Berücksichtigung naturschutzrechtlicher Bestimmungen erfolgte in diesem Zusammenhang nicht.
Wie sich im angeführten Sachverhalt umfassend zeigt und wie zuvor ausgeführt, wurde nicht ausreichend dargelegt, wie die Herausnahme der Teilfläche aus dem Naturschutzgebiet mit dem Schutzzweck der Verordnung vereinbar ist. Demgegenüber wurde die durch Düngung der betroffenen Flächen entstandene Veränderung der Bodenbeschaffenheit als Indiz einer fehlenden Schutzwürdigkeit dieser Flächen herangezogen und der dadurch vorliegende Verstoß gegen die Verbotsbestimmung des §3 Abs1 litc der Verordnung nicht thematisiert. Eine Begründung, weshalb die Herausnahme einer zuletzt mit Novelle der Verordnung im Jahr 2011 neu hinzugenommenen Fläche zulässig erscheine, wurde davon abgesehen nicht vorgebracht.
Im vorliegenden Verfahren wurden sohin Verstöße gegen Verbotsbestimmungen der Verordnung hingenommen und diese als Begründung für die Herausnahme der Teilfläche, welche entgegen dem Schutzzweck der Verordnung erfolgte, herangezogen.
Gemäß §26 Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (GNL), LGBl Nr 22/1997, kann die Landesregierung durch Verordnung Vorschriften über den Schutz bestimmter, genau abgegrenzter Gebiete erlassen, wenn ein besonderer Schutz der Natur oder einzelner ihrer Teile sowie der Landschaft in diesen Gebieten aufgrund ihrer Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt und werden die konkreten Voraussetzungen zur Erlassung einer solchen Verordnung durch taxative Aufzählung in §26 Abs1 lita – g GNL normiert.
Bei Erlassung von Planungsnormen kommt den Vorschriften des Gesetzes über die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen gemäß der Rechtsprechung des VfGH besondere Bedeutung zu. [Vgl. VfSlg 8280/1978] Zum einen müssen die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sein, zum anderen muss der Verordnungsgeber die im Gesetz zur Gewinnung einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage vorgesehene Vorgangsweise einhalten. Sind die erkennbaren Entscheidungsgrundlagen so mangelhaft, dass eine Aussage darüber, ob die Verordnung den vom Gesetz vorgegebenen Zielen entspricht, nicht möglich erscheint, ist eine solche Verordnung gesetzwidrig. [Vgl. VfSlg 8280/1978, 8330/1978, 10.711/1985, 14.358/1995, 20.030/2015]
Eine ähnliche Rechtssystematik findet sich auch im österreichischen Raumordnungsrecht. So kommt im Bereich der örtlichen Raumordnung Flächenwidmungsplänen erhöhte Bestandskraft zu und ist das freie Planungsermessen der Behörde aus Vertrauensschutzgründen dadurch beschränkt. Bei der erstmaligen Erlassung einer Verordnung kommt einer Behörde sohin größerer Ermessensspielraum zu, als bei einer folgenden Änderung derselben.
Diese Rechtssystematik muss auch für Verfahren nach dem GNL gelten. Die Herausnahme der Flächen, insbesondere des GST Nr 176, erscheint willkürlich und ist nicht nachvollziehbar. Es kann nicht sein, dass binnen weniger Jahre die Ausweitung des Schutzgebietes rechtlich genauso richtig ist wie dessen Einschränkung und dieselben Grundstücke betroffen sind. Dadurch wurde der Ermessensspielraum der Behörde, der bei der Änderung einer Verordnung deutlich kleiner ist, deutlich überschritten.
Entgegen der vorliegenden Verpflichtung zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens sowie einer nach den Bestimmungen des §26 GNL erforderlichen Interessenabwägung, wurden den obigen Ausführungen zufolge bei Erlass der gegenständlichen Verordnung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech die erforderlichen Verfahrensbestimmungen nicht umfassend berücksichtigt. So ist im vorliegenden Verfahren kein nachweislich durchgeführtes Ermittlungsverfahren mit Grundlagenforschung erkennbar und fehlt eine begründete Interessenabwägung.
Sieht das Gesetz bestimmte Verfahrensvorschriften zum Erlass von Verordnungen vor, so belastet die Unterlassung der Durchführung zwingender Verfahrensvorschriften die Verordnung mit Rechtswidrigkeit. Dies gilt sowohl für den Erlass neuer Verordnungen, wie auch die Änderung bestehender.
4.3. Fehlende Berücksichtigung der Bestimmungen des Artikel 11 Abs1 des Durchführungsprotokolls der Alpenkonvention 'Naturschutz und Landschaftspflege' ('Naturschutzprotokoll')
Gemäß Artikel 11 Abs1 des Durchführungsprotokolls der Alpenkonvention 'Naturschutz und Landschaftspflege', BGBI III Nr 236/2002 idF BGBI III Nr 113/2005, verpflichten sich die Vertragsparteien dazu, bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern sowie nach Möglichkeit neue Schutzgebiete auszuweisen. Sie haben alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden.
Die Alpenkonvention ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Alpenländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz und Slowenien) sowie der EU für eine nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Alpen. Die Alpenkonvention ist als Rahmenvertrag ausgestaltet, welcher Ziele, Grundsätze und allgemeine Maßnahmen zum Schutz der Alpen festlegt. Zur Umsetzung dienen ihr neun Durchführungsprotokolle, darunter auch der Sachbereich Naturschutz und Landschaftspflege ('Naturschutzprotokoll'). Das Protokoll 'Naturschutz und Landschaftspflege' wurde von Österreich im Jahr 2002 ratifiziert.
Ziel dieser Protokolle ist Natur und Landschaft so zu schützen, zu pflegen und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme, die Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensräume, die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Leistungsfähigkeit der Naturgüter sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur und Landschaft in ihrer Gesamtheit dauerhaft gesichert werden (Art2 Abs2 litf der Alpenkonvention).
Die Protokolle setzen die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsparteien in Blickrichtung auf eine umweltverträgliche Nutzung bereichsübergreifend mit dem Ziel um, den Alpenbogen der ansässigen Bevölkerung als Lebens , Wirtschafts- und Erholungsraum zu erhalten. So haben die Vertragsparteien unter Beachtung des Vorsorge , des Verursacher- und des Kooperationsprinzips eine ganzheitliche Politik zur Erhaltung und zum Schutz der Alpen sicherzustellen. Darin ist auch die Verpflichtung enthalten, die Ressourcen umsichtig und nachhaltig zu nutzen. [Materialien, Alpenkonvention Bereich Naturschutz und Landschaftspflege, BGBl III Nr 236/2002, GP XXI RV 1097]
Sowohl der VfGH [Vgl VfSlg 19.126/2010] als auch der VwGH [Vgl VwGH 2004/03/0116] bestätigten, dass eine unmittelbare Anwendbarkeit der Alpenkonvention und ihrer Durchführungsprotokolle in Österreich möglich ist. Die Bestimmungen der Alpenkonvention wurden durch generelle Transformation in das innerstaatliche Recht übernommen. Zum einen stehen die Bestimmungen der Alpenkonvention sohin im Stufenbau des österreichischen Rechts im Gesetzesrang, zum anderen ist eine direkte Anwendung im Verwaltungsverfahren durch Rechtsunterworfene und Rechtsanwender in den Fällen unmittelbar anwendbarer Vorschriften möglich.
Aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen des Naturschutzprotokolls (NSchP) wird es gemäß Art11 Abs1 NSchP als notwendig erachtet, das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech in seinem Zustand und Umfang zu erhalten. Eine Herausnahme einer Fläche von 0,25% der Gesamtfläche bedarf einer hinreichenden Begründung und hat das öffentliche Interesse an der Errichtung der neuen Grubenalpbahn die Interessen an der Erhaltung des Naturschutzgebietes zu überwiegen.
Der Begriff der 'Erhaltung' iSv Art11 Abs1 NSchP umfasst dabei nicht nur die Erhaltung von Schutzgebieten im Zusammenhang mit Eingriffen in den Schutzbereich, sondern beinhaltet auch die Erhaltung im Sinne einer qualitativen und quantitativen Erhaltung des Schutzgebiets als solchem und somit eine Art Verschlechterungsverbot. Das Interesse an der Erhaltung des Schutzgebietes im Sinne des Schutzzwecks ergibt sich als erhöhte Bestandspflicht sohin direkt aus dem Wortlaut der Bestimmung und ist in Folge gegen den Grund der Verordnungsänderung als Gegeninteresse abzuwägen. Die zuständigen Behörden haben sohin eine Interessenabwägung im Verordnungsverfahren vorzunehmen, bevor eine entsprechende neue Schutzgebietsverordnung ergehen kann.
Durch Art11 Abs1 NSchP wird dadurch das Ermessen der Behörden, bestehende Verordnungen abzuändern oder aufzuheben dahingehend beschränkt, als die Bestimmung in Verfahren zur Erlassung von Schutzgebietsverordnungen die Verpflichtung zur Vornahme einer Interessenabwägung, vorsieht.
Die nunmehr erfolgte Herausnahme jener Fläche, welche von einer Überbauung durch die geplante Grubenalpbahn betroffen wäre, aus dem Naturschutzgebiet 'Gipslöcher', dient ausschließlich der Umsetzung des Projektes 'Grubenalpbahn', welches einer Bewilligung im Naturschutzgebiet aufgrund zweier negativer Gutachten nicht zugänglich war. Nicht bekannt ist, auf welchen fachlichen Grundlagen die Verordnung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech basiert und inwiefern vor Erlass eine ausreichende Interessenabwägung zwischen dem Überwiegen der Erhaltung des Naturschutzgebietes gegenüber der Errichtung des Projektes 'Grubenalpbahn' durchgeführt wurde.
Fehlt die Durchführung einer Interessenabwägung, entspricht das Verfahren zur Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech nicht den Bestimmungen der Alpenkonvention. Aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen der Alpenkonvention in Österreich liegt dadurch ein Verfahrensmangel vor, welcher einen Verstoß gegen geltende Rechtsvorschriften darstellt und die neu erlassene Verordnung mit Rechtswidrigkeit belastet.
5. Antrag
In Folge dieser Ausführungen ergeht der Antrag des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs1 [Z] 6 B VG iVm Art60 Abs2 Vorarlberger Landesverfassung auf Aufhebung der Verordnung der Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, LGBl Nr 41/2019, wegen formeller Gesetzeswidrigkeit."
2. Die Vorarlberger Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag Folgendes entgegengehalten wird (Zitate ohne die Hervorhebungen im Original):
"I. Sachverhalt
Die Gipslöcher zwischen Oberlech und Kriegerhorn in der Gemeinde Lech sind geologisch und geomorphologisch selten und von besonderer landschaftlicher Attraktivität. Mit ihren bizarren Geländeformen heben sie sich von der touristisch intensiv genutzten und von Schipisten-Hängen geprägten Umgebung deutlich ab und sind ein landschaftlicher Blickfang.
Die Gipslöcher erstrecken sich südlich der Mohnenmähder auf einer Gesamtfläche von rund 21 ha, wobei zwischen den Teilgebieten der unteren (1.820 1.900 m), mittleren (1.940 1.980 m) und oberen (2.000 2.020 m) Gipslöcher unterschieden wird. Die Trichterlandschaft der Gipslöcher ist durch physikalische Lösungsvorgänge entstanden. Da Gips leicht löslich und zudem sehr weich ist, haben sich entlang von Klüften und in ursprünglich nur leichten Vertiefungen im Laufe der Zeit rund 1.000 mehr oder weniger tiefe Dolinen herausgebildet, von denen die Größte einen Durchmesser von 100 m erreicht. Durch die ständige Erosion sind die einzelnen Dolinen teilweise nur mehr durch Grate voneinander getrennt oder gehen überhaupt bereits ineinander über. Das stark strukturierte Gebiet der Gipslöcher mit alternierenden Sonnen- und Schattenhängen führt zu vielfältigen Variationen des Kleinklimas. Außerdem haben die ständigen Erosionsprozesse zur Folge, dass die Trichterflanken zwar basenreich sind, der Trichterboden jedoch ein saures Milieu aufweist. Dadurch kommen auf engstem Raum kalk- und säureanzeigende Pflanzen vor und bilden ein interessantes Vegetationsmosaik aus, das sich durch einen sehr großen Artenreichtum auszeichnet. Aufgrund des wenig stabilen und erodierenden Untergrundes ist das Gebiet der Gipslöcher gleichzeitig sehr störungsanfällig. Selbst geringfügige Verletzungen der Pflanzendecke können langfristige, wenn nicht sogar bleibende Schäden hervorrufen.
Um derartige Störungen zu vermeiden, wurde dieses sensible Gebiet bereits im Jahr 1988 mit Verordnung der Landesregierung, LGBl Nr 42/1988, unter Schutz gestellt.
Mit Beschluss der Landesregierung vom 20. August 2011, kundgemacht mit LGBl Nr 41/2011 vom 20. September 2011, wurde die Verordnung der Landesregierung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech neu erlassen.
Ausschlaggebend für die Neuerlassung war eine Evaluierung der Verordnung im Jahr 2010. Dabei zeigte sich, dass die planliche Darstellung zur Verordnung aus dem Jahr 1988 von der tatsächlichen Lage der Gipslöcher abwich. Es sollte daher eine entsprechende Präzisierung an die Gegebenheiten in der Natur vorgenommen werden. Diese Präzisierung hat eine Änderung hinsichtlich der betroffenen Grundstücke bewirkt. Im Zuge des Begutachtungsverfahrens wurde von der Abteilung Raumplanung und Baurecht gestützt auf das örtliche Höhenmodell eine Ausweitung des Schutzgebietes angeregt. Auch die Naturschutzanwaltschaft regte eine Ausweitung des Schutzgebietes an, da sich die Hohlräume unterhalb der Erde fortsetzen würden und durch bauliche Veränderungen zerstört werden könnten. Diesen Anregungen wurde teilweise Rechnung getragen, gleichzeitig wurden die Verbotstatbestände an die bestehenden Nutzungen angepasst.
Mit der antragsgegenständlichen Verordnung, die von der Landesregierung am 4. Juni 2019 beschlossen und mit LGBl Nr 41/2019 vom 13. Juni 2019 kundgemacht wurde, wurde das Schutzgebiet durch die Herausnahme einer Fläche von ca. 0,25 % der Gesamtfläche verkleinert.
Anlass für die Änderung der Schutzgebietsgrenze war die geplanten Errichtung der Liftanlage 'Grubenalpbahn' im Gemeindegebiet von Lech im Ortsteil Oberlech. Die geplante Liftanlage hätte das Naturschutzgebiet auf einer Fläche von ca. 0,25 % der Gesamtfläche überspannt. Andere Bahnteile hätten das Schutzgebiet nicht berührt, da beide Stützen samt Rollenbatterien außerhalb des Schutzgebietes gelegen wären. Eingriffe wie Geländeveränderungen, Rodungen oder Bauwerke waren im Naturschutzgebiet nicht geplant.
Bei den von der Gebietsverkleinerung berührten Flächen handelte es sich überwiegend um landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen der landwirtschaftliche Einfluss durch Beweidung und Düngung anhand der Stickstoffzeiger und der verringerten Artenzusammensetzung deutlich erkennbar war. Nur im Übergang zu GSt Nr 176 KG Lech zeigte sich eine deutlich artenreichere Vegetation ohne starken Düngeeinfluss. Diese Flächen konnten als Magerwiesen trockener Prägung bewertet werden und wurden im Ausmaß von 18 m 2 berührt. Diese Flächen wurden im Biotopinventar nicht erwähnt.
Diese Beurteilung der betroffenen Flächen ergab sich aus der eingeholten Stellungnahme des Dl […], welche vor Erlassung der Verordnung eingeholt wurde.
Aufgrund der Dringlichkeit und der geringfügigen Grenzänderung fand ein Begutachtungsverfahren nicht statt.
II. In der Sache
1. Zum Vorbringen, die Verordnung der Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech verstoße gegen die Zielbestimmungen der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech
Als Prüfungsmaßstab einer Verordnung kommen im Rahmen einer Verordnungsprüfung gemäß Art139 Abs1 B VG alle ihr gegenüber höherrangigen außenwirksamen Regelungen des innerstaatlich erzeugten oder in dieses transformierten positiven Rechts in Betracht. Der konkrete Prüfungsmaßstab richtet sich nach der Art der Verordnung. Während gegenüber Durchführungsverordnungen einfache Gesetze und allenfalls auch höherrangige Verordnungen als Maßstab in Betracht kommen, sind selbständige oder verfassungsunmittelbar[e] Verordnungen auch unmittelbar an bundesverfassungsgesetzlichen Vorschriften zu messen. Im Falle gestufter Verordnungsgebung kommen allein im Stufenbau höherrangige Verordnungen als Prüfungsmaßstab in Betracht; gleichrangige Verordnungen scheiden als Prüfungsmaßstab aus ( Aichlreiter in Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht Art139 Rz 8).
Insofern ist die Argumentation des Landesvolksanwaltes, die hier gegenständliche Änderungsverordnung widerspreche den Zielbestimmungen der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech, nicht dazu geeignet, eine Gesetzeswidrigkeit der Verordnung im Sinne des Art139 Abs1 B VG darzutun.
2. Zum Vorbringen, betreffend den Verfahrensablauf bei der Erlassung der Verordnung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech
Entgegen der Darstellung des Landesvolksanwaltes liegt der Änderungsverordnung eine fachliche Stellungnahme von Dl […] zugrunde. Aus dieser ergibt sich eine Beurteilung der von der Änderungsverordnung betroffenen Flächen, welche auch der Interessensabwägung zugrunde gelegt wurde. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Interessensabwägung sind auch aus den Erläuternden Bemerkungen ersichtlich. Dort wird Folgendes ausgeführt:
'Bei den von der Gebietsverkleinerung berührten Flächen handelt es sich überwiegend um landwirtschaftlich genutzte Flächen. Auf diesen ist der landwirtschaftliche Einfluss durch Beweidung und Düngung anhand der Stickstoffanzeiger und der verringerten Artenzusammensetzung deutlich erkennbar. In den Luftbildern 2015 und 2018 ist überdies die Zaunlinie als Abgrenzung der Beweidungsflächen zum Gipsloch an der Vegetation deutlich ersichtlich. Von der Gebietsverkleinerung betroffen sind die Grundstücke 451/1 und 176 KG Lech. Alle Änderungsflächen auf dem GSt 451/1 KG Lech liegen in der Beweidungsfläche der Grubenalpe, dem obersten Bereich des Muldenausläufers aus dem Gipsloch. Nur im Übergang zum Gst 176 KG Lech unterhalb des Zaunes (= Nutzungsgrenze) zeigt sich eine deutlich artenreichere Vegetation ohne starken Düngeeinfluss. Diese Flächen können als Magerwiesen trockener Prägung bewertet werden und werden im Ausmaß von ca. 18 m 2 berührt. Im Biotopinventar werden die Flächen jedoch nicht erwähnt.'
Die betroffenen Flächen wurden daher aus naturschutzfachlicher Sicht als weniger hochwertig bewertet wie die Flächen im Kerngebiet des Naturschutzgebietes. Wenn der Landesvolksanwalt in seinem Antrag vorbringt, dass die geringere Wertigkeit der Flächen aus einem Verstoß gegen die Verordnung über das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' resultiere, so ist darauf hinzuweisen, dass im Zuge der Neuerlassung der Verordnung im Jahr 2011 zahlreiche Ausnahmen für bereits bestehende Nutzungen vorgesehen wurden und §3 Abs2 leg. cit. Einwirkungen, die mit der bisher üblichen landwirtschaftlichen Nutzung als Mahd- oder Weidefläche sowie der Ausübung der Jagd notwendigerweise verbunden sind, von den Verboten gemäß Abs1 ausnimmt.
Die Bedenken des Landesvolksanwaltes, dass keine angemessene Grundlagenforschung durchgeführt wurde, sind daher unbegründet.
§26 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (GNL), LGBl Nr 22/1997, in der Fassung LGBl Nr 24/2020, sieht eine Ermächtigung der Landesregierung vor, durch Verordnung Vorschriften über den Schutz bestimmter, genau abgegrenzter Gebiete zu erlassen, wenn ein besonderer Schutz der Natur oder einzelner ihrer Teile sowie der Landschaft in diesen Gebieten aufgrund ihrer Bedeutung im öffentlichen Interesse liegen. Es besteht daher lediglich eine Handlungsermächtigung, die von der Landesregierung im Rahmen der planerischen Gestaltungsfreiheit und unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Erfordernisse (wie etwa des Gleichheitssatzes) ausgeübt wird. Da im Gegensatz zum Raumplanungsgesetz keine besonderen Vorschriften über die Änderung eines Schutzgebietes bestehen, welche bestimmen, dass Änderungen nur aus wichtigen Gründen vorgenommen werden dürfen, ergibt sich aus dem GNL kein besonderer Bestandsschutz für Schutzgebiete. Ein solcher kann sich allerdings aus EU-rechtlichen oder völkerrechtlichen Vorgaben ergeben (siehe die Ausführungen zu Punkt 3.).
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt ist. Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (vgl VfGH 26.11.2018, V52/2018 ua). Der Landesvolksanwalt hat in seinem Antrag zwar ausgeführt, dass kein Begutachtungsverfahren stattgefunden habe, er hat aber nicht ausreichend konkret dargelegt, inwiefern dies eine Gesetzwidrigkeit der Verordnung bewirken sollte. Auf dieses Vorbringen ist daher schon aus diesem Grund nicht näher einzugehen. Lediglich ergänzend sei auf die Bestimmung des §46a Abs3 GNL hingewiesen.
3. Zum Vorbringen, die Bestimmung des Art11 Abs1 des Durchführungsprotokolls der Alpenkonvention 'Naturschutz und Landschaftspflege' ('Naturschutzprotokoll') sei bei Erlassung der Verordnung nicht berücksichtigt worden
Der Nationalrat hat den Abschluss des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention 1991 im Bereich Naturschutz und Landschaftspflege ohne Gesetzesvorbehalt genehmigt (RV 1097 BIgNR 21. GP). Dieses Protokoll steht daher, da und soweit hinreichend bestimmt, innerstaatlich im Rang eines Gesetzes. Österreich ist somit aufgrund von Art11 Abs1 des Naturschutzprotokolls dazu verpflichtet 'bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzweckes zu erhalten'. Das Naturschutzgebiet 'Gipslöcher' in Lech ist ein bestehendes Schutzgebiet im Sinne des Art11 Abs1 Naturschutzprotokoll. Durch die Anwendung von Art11 Abs1 Naturschutzprotokoll ergibt sich die Verpflichtung zur Vornahme einer Interessensabwägung im Verordnungsverfahren (vgl
Hautzenberg , Das Naturschutzprotokoll und seine unmittelbare Anwendbarkeit im österreichischen Naturschutzrecht RdU 6/2013, 240
f).
Wie bereits ausgeführt, werden von der Gebietsverkleinerung überwiegend landwirtschaftlich genutzte Flächen berührt. Diese sind gekennzeichnet durch Beweidung und Düngung und durch eine verringerte Artenzusammensetzung. Sie weisen daher nicht die geomorphologischen und landschaftsbildlichen Besonderheiten des Naturschutzgebietes sowie die für das Schutzgebiet typische Artenzusammensetzung auf. Es konnte daher im Rahmen der Interessensabwägung festgestellt werden, dass die Herausnahme der Flächen den Schutzzweck des Naturschutzgebietes nicht verletzt."
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Die Legitimation des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg zur Antragstellung ergibt sich aus Art139 Abs1 Z6 iVm Art148i Abs2 B VG und Art60 Abs2 Vorarlberger Landesverfassung (vgl VfSlg 20.146/2017).
1.2. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, ist der Antrag zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet:
2.3. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg äußert im Wesentlichen das Bedenken, dass entgegen den Verfahrensvorschriften
kein Ermittlungsverfahren mit ausreichender Grundlagenforschung und kein Begutachtungsverfahren vorgenommen worden seien; ferner fehle eine begründete Interessenabwägung
. Der Zweck der Verordnung liege nur in der Schaffung einer Möglichkeit zur Verwirklichung des Projektes "Grubenalpbahn". Zudem sei
Art11 Abs1 des Durchführungsprotokolls der Alpenkonvention "Naturschutz und Landschaftspflege", BGBl III 236/2002 idgF
nicht berücksichtigt worden, wonach bestehende Schutzgebiete im Sinne des Schutzzwecks zu erhalten seien.
2.4. Die Vorarlberger Landesregierung tritt dem entgegen und bringt zusammengefasst vor, dass sie vor Erlassung der Verordnung eine fachliche Stellungnahme eingeholt habe und sich daraus die Beurteilung der von der Verordnung betroffenen Flächen ergeben würde. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Interessenabwägung seien aus der Verordnungsbegründung ersichtlich. Auf Grund der Dringlichkeit und der geringfügigen Grenzänderung sei auf ein Begutachtungsverfahren verzichtet worden.
2.5. Gemäß §26 Abs1 Vbg NSchG kann die Landesregierung "durch Verordnung Vorschriften über den Schutz bestimmter, genau abgegrenzter Gebiete erlassen, wenn ein besonderer Schutz der Natur oder einzelner ihrer Teile sowie der Landschaft in diesen Gebieten aufgrund ihrer Bedeutung im öffentlichen Interesse liegt." Die Voraussetzungen für die Erlassung einer solchen Verordnung werden im Gesetz näher ausgeführt.
2.6. Das Übereinkommen über den Schutz der Alpen (Alpenkonvention), BGBl 477/1995 idgF, ist ein Staatsvertrag, durch den sich die Vertragsparteien hinsichtlich des inneralpinen sowie des alpenquerenden Verkehrs zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik verpflichten. Die Zielvorgaben der Alpenkonvention sind gemäß deren Art2 Abs3 durch die Vereinbarung von – die Einzelheiten zur Durchführung des Übereinkommens enthaltenden – Protokollen umzusetzen (vgl Haller , Zerstörung von Alpenraum und Rechtsstaat? FS Laurer, 2009, 41).
2.7. Eines dieser Protokolle ist das Naturschutzprotokoll (BGBI III 236/2002 idF BGBI III 113/2005), das grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist (vgl VfSlg 19.126/2010 [zum Protokoll "Verkehr" [P5], BGBl III 234/2002 idF BGBl III 108/2005 ]; VwSlg 16.640 A/2005 [zum Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Bodenschutz [Protokoll "Bodenschutz"], BGBl III 235/2002 ]; Hautzenberg , Das Naturschutzprotokoll und seine unmittelbare Anwendung im österreichischen Naturschutzrecht, RdU 2013, 237). Art11 Abs1 Naturschutzprotokoll verpflichtet die Vertragsparteien, "bestehende Schutzgebiete im Sinne ihres Schutzzwecks zu erhalten, zu pflegen und, wo erforderlich, zu erweitern" und "alle geeigneten Maßnahmen [zu treffen], um Beeinträchtigungen oder Zerstörungen dieser Schutzgebiete zu vermeiden."
2.8. Die Vorarlberger Landesregierung hat als wesentliche Begründung für den Änderungsbedarf die Errichtung einer Liftanlage ("Grubenalpbahn") angegeben.
Dieses Interesse ist mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Naturschutzgebietes abzuwägen, insbesondere unter Berücksichtigung von Art11 Abs1 Naturschutzprotokoll ("alle geeigneten Maßnahmen"; Hautzenberg , RdU 2013, 240).
Eine ausreichende Interessenabwägung geht aus den Verordnungsakten aber nicht hervor. Auch der von der Vorarlberger Landesregierung vorgebrachte Umstand, dass es sich nur um eine geringfügige Verkleinerung des Naturschutzgebietes handle und die betroffene Fläche überwiegend landwirtschaftlich genutzt werde, reicht dafür nicht aus.
V. Ergebnis
1. Die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über eine Änderung der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Gipslöcher" in Lech, Vbg LGBl 41/2019, ist als gesetzwidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Die Verpflichtung der Vorarlberger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausspruchs erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litf Vorarlberger Gesetz über die Kundmachung von Rechtsvorschriften der Organe des Landes (Vbg Kundmachungsgesetz).
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.