V608/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, dem Inhalt nach auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Verwaltungsgericht Wien, "den Abs2 des §9b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBI II Nr 451/2005 idF BGBI II Nr 231/2017, als gesetzwidrig, in eventu das Wort 'allgemein' sowie die Wortfolge 'durch Verordnung gemäß Abs6 oder 7 bestimmten' in §21a Abs1 und das Wort 'jene' in §21a Abs6 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBI I Nr 100/2005 idF BGBI I Nr 56/2018, in eventu §21a Abs6 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBI I Nr 100/2005 idF BGBI I Nr 56/2018, jeweils" als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. §9b der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG DV), BGBI II 451/2005, idF BGBI II 231/2017 lautet (die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"3a. Abschnitt
Zu §21a NAG
Nachweis von Deutschkenntnissen
§9b. (1) Kenntnisse der deutschen Sprache zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau im Sinne des §21a Abs1 NAG entsprechen dem A1 Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen, Berlin ua, Langenscheidt 2001).
(2) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des §21a Abs1 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome von folgenden Einrichtungen:
1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;
2. Goethe-Institut e.V.;
3. Telc GmbH;
4. Österreichischer Integrationsfonds.
(3) Aus dem Sprachdiplom muss hervorgehen, dass der Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A1 Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt. Andernfalls gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse als nicht erbracht."
2. §21a des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBI I 100/2005, idF BGBI I 56/2018 lautet:
"Nachweis von Deutschkenntnissen
§21a. (1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §8 Abs1 Z2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.
(2) Abs1 gilt auch für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §8 Abs1 Z2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 im Zuge eines Verfahrens gemäß §24 Abs4 oder §26 stellen.
(3) Der Nachweis gilt überdies als erbracht, wenn
1. die Voraussetzungen zur Erfüllung des Moduls 1 oder 2 der Integrationsvereinbarung (§§9 und 10 IntG) vorliegen oder
2. der Drittstaatsangehörige die Erteilung eines Aufenthaltstitels 'Niederlassungsbewilligung – Künstler' gemäß §43a für die Ausübung einer künstlerischen Tätigkeit in einer der unter §2 Abs1 Z1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl I Nr 146/1988, genannten Kunstsparte anstrebt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.
(4) Abs1 gilt nicht für Drittstaatsangehörige,
1. die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind,
2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann; dies hat der Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen; steht kein oder kein geeigneter Vertrauensarzt zur Verfügung, hat der Drittstaatsangehörige diesen Nachweis durch ein Gutachten eines sonstigen von der österreichischen Berufsvertretungsbehörde bestimmten Arztes oder einer von dieser bestimmten medizinischen Einrichtung zu erbringen,
3. die Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels gemäß §§41 Abs1, 42, 43c oder 45 Abs1, letztere sofern der Zusammenführende ursprünglich einen Aufenthaltstitel gemäß §§41 Abs1, 42 oder 43c innehatte, sind,
4. die Familienangehörige von Asylberechtigten sind und einen Aufenthaltstitel 'Rot–Weiß–Rot – Karte plus' gemäß §46 Abs1 Z2 litc beantragen oder
5. die gemäß §9 Abs5 Z3 IntG auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrages nach dem ersten Verlängerungsantrag unwiderruflich verzichten.
(5) Die Behörde kann auf begründeten Antrag eines Drittstaatsangehörigen von einem Nachweis nach Abs1 absehen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§2 Abs1 Z17) zur Wahrung des Kindeswohls, oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK (§11 Abs3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren; §13 Abs3 AVG gilt.
(5a) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs5 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(6) Durch Verordnung des Bundesministers für Inneres sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome als Nachweis gemäß Abs1 gelten.
(7) Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres für den örtlichen Wirkungsbereich einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde im Ausland durch Verordnung auch andere als in der Verordnung gemäß Abs6 genannte Einrichtungen bestimmen, deren Sprachdiplome als Nachweis gemäß Abs1 gelten, wenn diese Einrichtungen mit den in der Verordnung gemäß Abs6 genannten Einrichtungen vergleichbare Standards einhalten. Solche Verordnungen sind durch Anschlag an der Amtstafel der jeweiligen Berufsvertretungsbehörde kundzumachen und gelten für den Zeitraum eines Jahres ab Kundmachung."
3. Die §§1 und 19 Integrationsgesetz-Durchführungsverordnung (IntG DV), BGBl II 286/2019, lauten:
"1. Abschnitt
Zertifizierung von Kursträgern
Kursträger
§1. (1) Die Zertifizierung der Kursträger zur Durchführung von Alphabetisierungskursen sowie von Deutschkursen auf den Niveaus A1 bis B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GER), die als sprachqualifizierende Sachleistungen im Rahmen der Sozialhilfe (§5 Abs9 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019) angeboten werden sollen oder die zur Vorbereitung auf die Integrationsprüfungen zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung (§§7 bis 13 des Integrationsgesetzes - IntG, BGBl I Nr 68/2017) dienen, wird vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) vorgenommen. Die nachstehenden Einrichtungen können auf schriftlichen Antrag als Kursträger für eine Gültigkeitsdauer von bis zu drei Jahren zertifiziert werden, sofern sie die notwendige Verlässlichkeit in Bezug auf die Organisation und Durchführung von qualitativ hochwertigen Deutschkursen samt der damit einhergehenden finanziellen Gebarung besitzen:
1. Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die Unterricht in 'Deutsch als Fremdsprache' (DaF) in bi- oder multilingualen Klassen jedenfalls seit zwei Jahren durchführen;
2. Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die gemäß dem Bundesgesetz über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln, BGBl Nr 171/1973, als förderungswürdige Einrichtungen anerkannt sind und jedenfalls seit zwei Jahren auch mit der Beratung und Unterstützung von Fremden befasst sind;
3. private oder humanitäre Einrichtungen, die jedenfalls seit drei Jahren mit der Beratung und Unterstützung von Fremden befasst sind und deren Aufgabenbereich auch die Vermittlung der deutschen Sprache umfasst.
(2) Die Verlässlichkeit eines Kursträgers gemäß Abs1 liegt insbesondere nicht vor, wenn ein Entscheidungsträger oder eine Entscheidungsträgerin eine strafbare Handlung gemäß §7 Abs5 vorsätzlich begangen hat, wobei getilgte Verurteilungen unbeachtlich sind.
[…]
Prüfungsergebnisse der Integrationsprüfung
§19. (1) Der Nachweis über die erfolgreiche Absolvierung einer Integrationsprüfung erfolgt in Form eines Prüfungszeugnisses, das dem Muster der Anlage D (Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2) oder der Anlage E (Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau B1) zu entsprechen hat. Das Prüfungszeugnis übermittelt der ÖIF dem Prüfungskandidaten oder der Prüfungskandidatin binnen 15 Werktagen nach dem Prüfungstermin; eine Abschrift oder eine elektronische Version davon verbleibt beim ÖIF. Die Prüfungsunterlagen sind sechs Jahre aufzubewahren und anschließend zu vernichten, sofern sie nicht noch für andere gesetzlich übertragene Aufgaben oder in einem anhängigen Verfahren benötigt werden.
(2) Im Prüfungszeugnis ist schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Prüfungskandidat oder die betreffende Prüfungskandidatin über
1. Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A2 Niveau des GER und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich oder
2. Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf B1 Niveau des GER und über vertiefte Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich
verfügt. Fehlt eine solche Bestätigung, gilt der Nachweis über ausreichende Deutsch- und Wertekenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.
(3) Bei Nichtbestehen einer Integrationsprüfung sind die jeweiligen Prüfungskandidaten und die Prüfungskandidatinnen schriftlich zu informieren und auf die Möglichkeit der Wiederholung der Prüfung hinzuweisen. Die Integrationsprüfung kann beliebig oft wiederholt werden, die Wiederholung einzelner Prüfungsteile ist jedoch nicht zulässig.
(4) Binnen drei Monaten nach Bekanntgabe des Ergebnisses kann in schriftlicher Form beim ÖIF um Einsicht in die schriftliche Prüfungsleistung und in Folge um erneute Bewertung durch einen anderen Bewerter oder eine andere Bewerterin des ÖIF ersucht werden. Die Einsicht hat unter Aufsicht eines qualifizierten Mitarbeiters oder einer qualifizierten Mitarbeiterin des ÖIF zu erfolgen, wobei die Unterlagen dem Prüfungskandidaten oder der Prüfungskandidatin nicht ausgehändigt werden dürfen."
III. Sachverhalt, Vorbringen und Vorverfahren
1. Beim Verwaltungsgericht Wien ist ein Beschwerdeverfahren anhängig, das sich gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Jänner 2019 richtet, mit dem der Antrag der dortigen Beschwerdeführerin vom 16. April 2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Rot Weiß Rot-Karte plus" als Familienangehörige (Ehegattin) eines Drittstaatsangehörigen abgewiesen wurde.
2. Die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien (in der Folge nur: Beschwerdeführerin) gab an, seit 17. März 2017 mit einem Staatsangehörigen der Demokratischen Republik Kongo verheiratet zu sein, der über den Aufenthaltstitel "Rot Weiß Rot-Karte plus" verfüge. Für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels an die Beschwerdeführerin lägen beinahe alle Voraussetzungen vor, und zwar mit Ausnahme des Sprachdiplomes einer jener vier Einrichtungen, die in §9b Abs2 NAG DV aufgezählt seien. Drei dieser vier Einrichtungen hätten keine Standorte in Afrika, lediglich "Goethe-Institute" seien vereinzelt vorhanden.
3. Die Beschwerdeführerin legte im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde (Landeshauptmann von Wien) zunächst ein Zertifikat über den Besuch eines 100 stündigen Deutschkurses und über eine bestandene Prüfung vor. Da dieses von der Behörde als unzureichend bemängelt wurde, reiste sie noch vor Bescheiderlassung nach Kenia und besuchte den Deutschkurs am "Goethe-Institut" in Nairobi. Allerdings bestand sie die dortige Prüfung nicht. Sie begründete dies mit dem Umstand, dass der Unterricht in der ihr nicht geläufigen englischen Sprache abgehalten worden sei, sie jedoch lediglich Französisch spreche, die Amtssprache der Demokratischen Republik Kongo. Ihr Antrag wurde daraufhin mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Jänner 2019 abgewiesen.
4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Noch vor deren Erledigung unternahm die Beschwerdeführerin einen neuerlichen Versuch, die Deutschprüfung in englischer Sprache in Kenia abzulegen, scheiterte aber erneut.
5. Das Verwaltungsgericht Wien erteilte der Beschwerdeführerin dennoch mit Erkenntnis vom 24. Oktober 2019 den begehrten Aufenthaltstitel mit der Begründung, es könne nicht Zweck der Aufzählung in §9b Abs2 NAG DV sein, für Antragsteller aus bestimmten Weltgegenden schikanöse bis unüberbrückbare Hürden aufzurichten. Die Regelung verfolge vielmehr den Zweck, die Antragsteller zu verlässlichen Instituten zu leiten, wo solche vorhanden seien. Gebe es solche nicht (zumindest nicht in der Weltregion, aus der sie stammen), so müssten solche Antragsteller berechtigt sein, den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse auch auf andere, zumutbare Weise zu erbringen.
6. Der dagegen erhobenen außerordentlichen Amtsrevision des Bundesministers für Inneres gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Juni 2020, Ra 2020/22/0023, statt und hob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien auf. Er führte aus, dass ein Sprachdiplom oder Kurszeugnis auch von anderen als in §9b NAG DV aufgezählten Einrichtungen geeignet sein könne, Kenntnisse der deutschen Sprache iSd §21a NAG zu belegen, nämlich dann, wenn das Sprachdiplom oder Kurszeugnis von einer Einrichtung iSd Integrationsgesetz-Durchführungsverordnung (IntG DV), BGBl I 286/2019, zertifiziert wurde (vgl VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0039). Im vorliegenden Fall liege aber weder ein Sprachzertifikat einer zertifizierten Einrichtung gemäß der IntG DV noch einer gemäß §21a Abs7 NAG bestimmten Einrichtung vor. Aspekte des Privat- und Familienlebens iSd Art8 EMRK könnten im Zusammenhang mit dem Nachweis von Deutschkenntnissen berücksichtigt werden, wenn der Drittstaatsangehörige bis zur Erlassung des Bescheides einen Antrag gemäß §21a Abs5 NAG stelle. Ein solcher Antrag liege aber nicht vor; dem Verwaltungsgericht Wien sei es somit verwehrt gewesen, im Rahmen einer Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des Privat- und Familienlebens auf die besonderen Umstände des Einzelfalles einzugehen. Für eine Feststellung durch das Verwaltungsgericht Wien, dass die Beschwerdeführerin unabhängig von einem fehlenden Nachweis gemäß §21a Abs1 NAG "die deutsche Sprache auf A1 Niveau beherrsch[e]", mangle es an einer Rechtsgrundlage.
7. Aus Anlass des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens stellt das Verwaltungsgericht Wien nunmehr im zweiten Rechtsgang den vorliegenden, der Sache nach auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag auf Aufhebung des §9b Abs2 NAG DV, sowie näher bezeichnete Eventualanträge.
8. Das Verwaltungsgericht Wien legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original, Fußnoten in eckigen Klammern ausgewiesen):
"[…] 2. Präjudizialität
Gemäß Art130 Abs1 Z1 B VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Die Einschreiterin hat gegen die Abweisung ihres Antrags durch den Landeshauptmann von Wien, welche mit finanzieller Belastung einer Gebietskörperschaft und Fehlen eines A1 Sprachdiploms begründet wurde, Beschwerde erhoben. Im ersten Rechtsgang konnte der Ehegatte ausreichende Einkünfte nachweisen, sodass mit einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht zu rechnen ist. Das Verwaltungsgericht Wien hat dem Antrag daher stattgegeben, indem es in der Frage des Sprachdiploms seine oben ausgeführte Rechtsansicht zu Grunde legte.
Im zweiten Rechtsgang hat das Verwaltungsgericht Wien nunmehr unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden, wonach 'Sprachdiplome oder Kurszeugnisse von Instituten, die keine gemäß §21a Abs6 oder Abs7 NAG mit Verordnung bestimmten Einrichtungen [...] sind, [...] nicht als Nachweis gemäß §21a Abs1 über Kenntnisse der deutschen Sprache anerkannt' werden. Andere Fragen sind nicht mehr offen, zumal die belangte Behörde zu der für den 24.9.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung, in der sie aufgefordert worden war, im Falle des Teilnahmeverzichts längstens bis zu Verhandlungsbeginn bekannt zu geben, ob sonstige Erteilungshindernisse bestehen oder welche Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, weder erschienen ist, noch eine entsprechende Bekanntgabe vorgenommen hat.
Das Verwaltungsgericht Wien hat somit die angefochtene Verordnungsbestimmung anzuwenden; dass die darin enthaltene Aufzählung als abschließend zu verstehen ist – was die vom antragstellenden Gericht zu treffende Entscheidung bestimmt – ergibt sich aber nicht allein aus dieser selbst, sondern darüber hinaus aus der Formulierung der Verordnungsermächtigung in §21a Abs6 NAG sowie deren Determinierung in §21a Abs1 NAG, sodass auch diese beiden Gesetzesbestimmungen präjudiziell sind.
3. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung bzw die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
3.1. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung
§9b Abs2 NAG DV lautet:
'Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des §21a Abs1 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome von folgenden Einrichtungen:
1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;
2. Goethe-Institut e.V.;
3. Telc GmbH;
4. Österreichischer Integrationsfonds.'
Von den genannten Instituten haben nur zwei Niederlassungen außerhalb Europas; in Afrika bietet ausschließlich der eingetragene Verein 'Goethe-Institut' überhaupt Sprachkurse an, und dieser nur an wenigen Orten. Wenn die Aufzählung in der angefochtenen Verordnungsbestimmung als taxativ zu verstehen ist, so werden insbesondere Antragsteller aus weiten Teilen Afrikas – etwa aus dem Kongo und einigen seiner Nachbarländer – durch diese Aufzählung gegenüber anderen Fremden diskriminiert, weil ein Zugang zu einem anerkannten Sprachkurs für sie in der Praxis nicht existiert.
ArtI Abs1 des BVG über die Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBI Nr 390/1973, lautet:
'Jede Form rassischer Diskriminierung ist – auch soweit ihr nicht bereits Art7 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und Art14 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958, entgegenstehen – verboten. Gesetzgebung und Vollziehung haben jede Unterscheidung aus dem alleinigen Grund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung oder der nationalen oder ethnischen Herkunft zu unterlassen.'
Der Verfassungsgerichtshof hat dieses BVG in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass es ein Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander begründe; demnach ist die Ungleichbehandlung 'nur dann und nur insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.' (VfGH 30.11.1995, B1691/95 – B1559/95 ua). Aus der vom VfGH selbst gezogenen Analogie zu dem für Staatsbürger geltenden Gleichheitssatz des Art7 Abs1 B VG ergibt sich, dass es dem Grundrecht ebenso widerspräche, Ungleiches gleich zu behandeln. Aus diesem Grund hätte die angefochtene Verordnung Raum für die Beurteilung anderer Zertifikate als gleichwertig lassen müssen, wenigstens dort, wo keines der aufgezählten Institute erreichbar ist. Die Bedenken gründen sich darauf, dass die Verordnung nach ihrer Textierung keinen Raum für derartige Gleichwertigkeitsüberlegungen lässt.
3.2. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes
§21a Abs1 und Abs6 NAG lauten:
'(1) Drittstaatsangehörige haben mit der Stellung eines Erstantrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §8 Abs1 Z2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 Kenntnisse der deutschen Sprache nachzuweisen. Dieser Nachweis hat mittels eines allgemein anerkannten Sprachdiploms einer durch Verordnung gemäß Abs6 oder 7 bestimmten Einrichtung zu erfolgen, in welchem diese schriftlich bestätigt, dass der Drittstaatsangehörige über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau verfügt. Das Sprachdiplom darf zum Zeitpunkt der Vorlage nicht älter als ein Jahr sein.'
…
'(6) Durch Verordnung des Bundesministers für Inneres sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome als Nachweis gemäß Abs1 gelten.'
Hierzu wird auf die oben zur Verordnung geäußerten Bedenken verwiesen, da sich der Ausschluss jeglicher Alternativen zu den laut Verordnung zugelassenen Sprachdiplomen – und damit die faktische Diskriminierung von Antragstellern aus weiten Teilen Afrikas – bereits aus dem Gesetzeswortlaut zu ergeben scheint. Zutreffendenfalls stünde das Gesetz im Widerspruch zum verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung Fremder untereinander.
4. Zur Formulierung der Anträge
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Umfang der zu prüfenden und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Änderung seiner Bedeutung erfährt. Weil beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, hat der Verfassungsgerichtshof im Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel Vorrang vor dem anderen gebührt. Es ist dem Verfassungsgerichtshof verwehrt, der Norm durch Aufhebung bloßer Teile einen völlig veränderten, dem Normsetzungsorgan überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt zu geben, weil dies im Ergebnis geradezu ein Akt positiver Rechtssetzung wäre.
Soweit eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes im Hinblick auf das BVG BGBI Nr 390/1973 möglich ist, wäre die angefochtene Verordnungsbestimmung gesetzwidrig, da die dort aufgezählten Institute in bestimmten Weltregionen gar nicht oder so spärlich vertreten sind, dass für dortige Antragsteller keine realistische Chance zur Erlangung eines Sprachdiploms besteht. Eine Aufhebung würde den darauf bezüglichen Teil des §21a Abs1 NAG unanwendbar machen und die Vollziehung zu einer Einzelfallbeurteilung nach den Maßstäben des o.g. BVG veranlassen.
Allerdings lässt sich argumentieren, dass die Aufzählung in §9b Abs2 NAG DV per se nicht als taxativ aufzufassen wäre, sondern sich die abschließende Eigenschaft nur aus der Verordnungsermächtigung in §21a Abs6 NAG ergibt. Diesfalls erwiese sich die genannte Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig; der zweite Eventualantrag zielt auf deren Aufhebung, welche dieselbe Auswirkung hätte wie die im Erstantrag begehrte Aufhebung des §9b Abs2 NAG DV.
Der erste Eventualantrag geht hingegen davon aus, dass der konkrete Sitz der Verfassungswidrigkeit im Wort 'jene' in §21a Abs6 NAG sowie in der Wortfolge 'durch Verordnung gemäß Abs6 oder 7 bestimmten' im Abs1 der genannten Bestimmung zu sehen ist, da erst hierdurch die taxative Eigenschaft der Aufzählung von geeigneten Instituten in der Verordnung begründet wird. Das Wort 'allgemein' vor 'anerkannt' in Abs1 schließt überdies nur regional anerkannte Institute aus. Mit Aufhebung der im ersten Eventualantrag genannten Wortfolge und beiden Worten aus den Abs1 und 6 NAG wäre der Verordnungsinhalt nur mehr als beispielhafte, nicht als taxative Aufzählung zu lesen, ohne dass die Verordnung als solche oder andere Gesetzesinhalte davon berührt wären.
Es wird daher wie oben beantragt."
9. Der Bundesminister für Inneres erstattete eine Äußerung, in der er den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original):
"[…] 2. Hintergrund und Entstehungsgeschichte der angefochtenen Bestimmung
§21a NAG (sog 'Deutsch vor Zuzug') wurde mit dem Fremdenrechtsänderungs-gesetz 2011 (FrÄG 2011), BGBl I Nr 38/2011, eingeführt, das mit 1. Juli 2011 in Kraft getreten ist.
Auf Basis der in Abs6 dieser Bestimmung enthaltenen Verordnungsermächtigung wurde zeitgleich §9b Abs2 NAG DV mit BGBl II Nr 201/2011 eingeführt.
Die seither einzige Änderung der gegenständlich angefochtenen Verordnungsbestimmung erfolgte auf Grund einer Änderung ihrer gesetzlichen Grundlage in §21a Abs6 iVm §21a Abs1 NAG mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017), BGBl I Nr 84/2017. So wurde in Verfolg des FrÄG 2017, mit dem der Ausdruck 'Kurszeugnisse' aus §21a Abs1, 6 und 7 NAG gestrichen wurde, auch §9b Abs2 NAG DV mit BGBl II Nr 231/2017 entsprechend geändert und der Ausdruck 'Kurszeugnisse' entfernt. Dies war dem Umstand geschuldet, dass der Begriff ausschließlich für den Nachweis des Abschlusses eines Deutsch-Integrationskurses nach Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß §§14 ff NAG idF BGBl I Nr 100/2005 (somit der 'alten' Integrationsvereinbarung) verwendet wurde, deren Übergangsfristen ausgelaufen waren (RV 1523 BlgNR XXV. GP 10). Weitere inhaltliche Änderungen des §9b Abs2 NAG DV oder eine Änderung der darin genannten Institute wurden seit seiner Einführung nicht vorgenommen.
Da mit der im BGBl II Nr 231/2017 kundgemachten Verordnung folglich keine für das gegenständliche Verordnungsprüfungsverfahren relevanten Änderungen vorgenommen wurden, nimmt der Bundesminister für Inneres vorläufig davon Abstand, auch den diesbezüglichen Akt vorzulegen. Wenn dies gewünscht ist, wird dieser selbstverständlich jederzeit nachgereicht.
§21a Abs1 NAG idF BGBl I Nr 56/2018 sieht vor, dass Drittstaatsangehörige mit Stellung eines Erstantrages auf Erteilung bestimmter Aufenthaltstitel elementare Deutschkenntnisse zumindest auf einfachstem Niveau, nämlich dem A1 Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS), nachzuweisen haben und stellt damit gleichsam eine horizontale Erfolgsvoraussetzung für diese Aufenthaltstitel dar. Deutschkenntnisse sind nicht für jeden Aufenthaltstitel (insbesondere nicht für Aufenthaltsbewilligungen), sondern nur für die 'Rot Weiß Rot – Karte plus', bestimmte Niederlassungsbewilligungen und den Aufenthaltstitel 'Familienangehöriger' zu erbringen, also in jenen Fällen, in denen der Drittstaatsangehörige grundsätzlich einen längerfristigen Aufenthalt in Form einer Niederlassung in Österreich anstrebt.
Nicht zum Nachweis von 'Deutsch vor Zuzug' verpflichtet sind Antragsteller jener Niederlassungsbewilligungen, die auf Grund hoher Berufsqualifikation bzw Qualifizierung zur Ausübung von Mangelberufen erteilt werden. Darunter fallen die 'Rot Weiß Rot – Karte' (§8 Abs1 Z1 NAG), die 'Blaue Karte EU' (Z3 leg. cit.) und die 'Niederlassungsbewilligung – Forscher' (Z11 leg. cit.).
Beim geforderten A1 Niveau handelt es sich um die niedrigste Stufe des Spracherwerbs. Durch die Einführung von 'Deutsch vor Zuzug' sollte gewährleistet werden, dass Drittstaatsangehörige, die sich nicht bloß vorübergehend in Österreich aufhalten wollen, bereits von Beginn an zumindest im unbedingt notwendigen Ausmaß am gesellschaftlichen Leben in Österreich teilhaben können, indem ihnen eine Verständigung in einfachen, alltäglichen Situationen möglich ist (RV 1078 BlgNr XXIV. GP 13 15).
So hat auch der Europäische Gerichtshof bestätigt, dass der Erwerb von Kenntnissen sowohl der Sprache als auch über die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats die Verständigung zwischen den Drittstaatsangehörigen und den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats deutlich erleichtere und darüber hinaus die Interaktion und die Entwicklung sozialer Beziehungen zwischen ihnen begünstige. Auch könne nicht bestritten werden, dass der Erwerb von Kenntnissen der Sprache des Aufnahmemitgliedstaats den Zugang der Drittstaatsangehörigen zu Arbeitsmarkt und Berufsausbildung erleichtere (vgl EuGH 9. Juli 2015, Rs. C 153/14, K und A, Rz. 53).
In diesem Sinne handelt es sich bei 'Deutsch vor Zuzug' nicht um ein rein abstraktes Formalerfordernis, sondern soll gewährleistet werden, dass die geforderten Sprachkenntnisse auch tatsächlich vorhanden sind. Dementsprechend darf der Sprachnachweis gemäß §21a Abs1 letzter Satz NAG im Zeitpunkt der Vorlage nicht älter sein als ein Jahr, da gerade beim Erwerb von Grundkenntnissen einer Sprache die Gefahr besteht, dass diese mangels Übung und Anwendung rasch wieder verloren gehen, weil die Lerninhalte ohne entsprechende Wiederholung in der Praxis nicht verfestigt werden können (RV 1078 BlgNr XXIV. GP 14).
Zudem hat der Nachweis der Deutschkenntnisse gemäß §21a Abs1 zweiter Satz NAG durch Vorlage eines Sprachdiploms zu erfolgen, das von einem der explizit in einer Verordnung nach Abs6 oder 7 leg. cit. bestimmten Einrichtungen ausgestellt wurde. Auf diese Weise sollen einheitlich hohe und für die Behörde nachvollziehbare Standards garantiert werden. (RV 1078 BlgNr XXIV. GP 14).
In Durchführung der Verordnungsermächtigung des §21a Abs6 NAG legt §9b Abs2 NAG DV in diesem Sinne die vier folgenden Institute fest: Österreichisches Sprachdiplom Deutsch (Z1), Goethe-Institut e.V (Z2); Telc GmbH (Z3) und Österreichischer Integrationsfonds (Z4).
Mit der in §21a Abs7 NAG enthaltenen zweiten Ermächtigung zur Erlassung einer entsprechenden Verordnung durch den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres können für den jeweiligen örtlichen Wirkungsbereich von Berufsvertretungsbehörden im Ausland weitere Institute zur Ausstellung von Deutschnachweisen im Sinne des §21a Abs1 NAG bestimmt werden, sofern sie vergleichbare Standards einhalten wie die in §9b Abs2 NAG DV genannten Einrichtungen. Kundzumachen sind solche Verordnungen wegen ihres begrenzten Geltungs- und Anwendungsbereiches durch bloßen Anschlag an der Amtstafel der jeweiligen Berufsvertretungsbehörde. Ihre Geltungsdauer beträgt ein Jahr, sie können jedoch nach neuerlicher Prüfung der Einhaltung entsprechender Standards immer wieder aufs Neue erlassen werden (RV 1078 BlgNR. XXIV. GP 14). Für die Gültigkeit des von einem solchen ausländischen Sprachinstitut erworbenen Deutschnachweises ist nicht der Zeitpunkt seiner Vorlage bei der Behörde maßgeblich, sondern der seiner Ausstellung. Somit ist es unproblematisch, falls die Einrichtung bei Vorlage des Nachweises nicht mehr in der Verordnung aufgrund §21a Abs7 NAG genannt sein sollte (RV 1078 BlgNR. XXIV. GP 14).
Gemäß §21a Abs3 Z1 NAG gilt der Nachweis von 'Deutsch vor Zuzug' für all jene Antragsteller als erbracht, die bereits vor Zuzug die – an sich erst nach Zuzug zu erfüllende – Integrationsvereinbarung (IV) gemäß §9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I Nr 68/2017 idF BGBl I Nr 42/2020, (Modul 1 der IV) bzw gemäß §10 IntG BGBl I Nr 68/2017 idF BGBl I Nr 41/2019, (Modul 2 der IV) erfüllen. Hierzu zählen unter anderem Drittstaatsangehörige, die Deutsch bereits in der Schule (auch im Ausland) gelernt haben bzw über einen höheren Schulabschluss (auch im Ausland, unter Umständen auch ohne Besuch des Unterrichtsfaches Deutsch) verfügen oder bereits ein Zeugnis über Kenntnisse auf dem A2- bzw B1 Niveau des GERS vorlegen können (vgl §§9, 10 IntG). Ebenfalls als erbracht gilt der Nachweis von 'Deutsch vor Zuzug' für Drittstaatsangehörige, welche die Erteilung einer 'Niederlassungsbewilligung – Künstler' für die Ausübung einer bestimmten künstlerischen Tätigkeit anstreben (vgl §21a Abs3 Z2 NAG).
§21a Abs4 NAG sieht zudem fünf Ausnahmen von der Verpflichtung zum Nachweis von Sprachkenntnissen vor. Die Verpflichtung gilt demnach nicht für Drittstaatsangehörige,
die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündig sind (Z1),
denen auf Grund ihres physischen oder psychischen schlechten Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann (Z2),
die Familienangehörige von Inhabern eines Aufenthaltstitels gemäß §41 Abs1 ('Rot Weiß Rot Karte' für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige / Schlüsselkräfte), §42 ('Blaue Karte EU'), §43c ('Niederlassungsbewilligung – Forscher') oder §45 Abs1 NAG ('Daueraufenthalt – EU') sind, letztere sofern der Zusammenführende ursprünglich einen Aufenthaltstitel 'Rot Weiß Rot Karte' für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige / Schlüsselkräfte, eine 'Blaue Karte EU' oder eine 'Niederlassungsbewilligung – Forscher' innehatte (Z3),
die Familienangehörige von Asylberechtigten sind und den Aufenthaltstitel 'Rot Weiß Rot – Karte plus' gemäß §46 Abs1 Z2 litc beantragen (Z4) oder
die gemäß §9 Abs5 Z3 Integrationsgesetz auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrages nach dem ersten Verlängerungsantrag unwiderruflich verzichten (Z5).
Schließlich sind die zuständigen NAG-Behörden gemäß §21a Abs5 NAG auf begründeten Antrag verpflichtet, vom Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß §21a Abs1 NAG abzusehen, sofern dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art8 EMRK oder im Falle eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls geboten ist. Die zuständige Behörde hat daher bei Vorliegen eines begründeten Antrags in jedem Fall eine Einzelfallprüfung im Hinblick auf die persönlichen (familiären und privaten) Umstände der Drittstaatsangehörigen vorzunehmen. Sohin sind insbesondere Alter, Bildungsniveau, finanzielle Lage und Gesundheitszustand des Betroffenen zu berücksichtigen. Würde die Versagung des Aufenthaltstitels wegen fehlendem Nachweis von Deutschkenntnissen zu einer Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben führen, muss der Aufenthaltstitel daher auch ohne entsprechenden Nachweis erteilt werden.
Die Behörde ist verpflichtet, den Drittstaatsangehörigen nicht nur über die Möglichkeit eines Antrags gemäß §21a Abs5 NAG, sondern auch darüber zu belehren, dass die Antragstellung nur bis zur Erlassung des Bescheids zulässig ist (vgl VwGH vom 20. August 2013, 2013/22/0147 sowie VwGH vom 11. März 2020, Ra 2017/22/0139), sodass diese rechtzeitig entsprechende Anträge stellen können. Das Unterbleiben der gemäß §21a NAG iVm §13 Abs3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 57/2018, gebotenen Belehrung belastet den Bescheid mit Rechtswidrigkeit (vgl VwGH vom 22. März 2011, 2009/21/0407 sowie VwGH 20. August 2013, 2013/22/0147).
Dazu führt der VwGH in seinem Erkenntnis im Ausgangsverfahren vom 17. Juni 2020, Ra 2020/22/0023, aus:
'Aspekte des Privat- und Familienlebens iSd Art8 EMRK können im Zusammenhang mit dem Nachweis von Deutschkenntnissen berücksichtigt werden, wenn der Drittstaatsangehörige bis zur Erlassung des Bescheides einen Antrag gemäß §21a Abs5 NAG stellt. Dem Revisionsvorbringen zufolge stellte die Mitbeteiligte jedoch keinen solchen Antrag, obwohl sie – den Verfahrensakten zufolge – mit Schreiben vom 13. August 2018 darüber belehrt wurde; Gegenteiliges wird auch in der Revisionsbeantwortung nicht vorgebracht. Dem VwG war es im gegenständlichen Fall somit verwehrt, im Rahmen einer Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt des Privat- und Familienlebens auf die besonderen Umstände des Einzelfalls einzugehen (vgl VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0116, Rn. 10). Für eine Feststellung durch das VwG, dass die Mitbeteiligte unabhängig von einem fehlenden Nachweis gemäß §21a Abs1 NAG 'die deutsche Sprache auf A1 Niveau beherrscht', mangelt es an einer Rechtsgrundlage.'
B. Zu den Prozessvoraussetzungen
1. Sachverhalt und Gang des Anlassverfahrens
[…]
2. Präjudizialität
Für den Bundesminister für Inneres sind keine Gründe ersichtlich, die gegen die Präjudizialität des im Hauptantrag angefochtenen §9b Abs2 NAG DV sprechen würden.
C. In der Sache
Der Bundesminister für Inneres verweist einleitend auf Art139 Abs3 B VG, wonach der Verfassungsgerichtshof an die im Aufhebungsantrag dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken gebunden ist. Im Folgenden beschränkt er sich daher auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
1. Zu den Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des §9b Abs2 NAG DV
1.1. Allgemeines
Vorweg ist festzuhalten, dass das VGW seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung nicht weiter begründet als mit dem Verstoß gegen das BVG Rassendiskriminierung und der analogen Anwendung des Art7 Abs1 B VG auf Fremde. Dies erscheint insofern verfehlt, als der Prüfungsmaßstab einer Verordnung, die in Durchführung einer gesetzlichen Bestimmung ergeht, nicht unmittelbar verfassungsrechtliche Normen sind, sondern ausschließlich ihre einfachgesetzliche Verordnungsermächtigung, der sie zu entsprechen hat ('Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhalts durch das Gesetz', vgl VfSlg 11.859/1988, 20.066/2016 mwN). Wie nachstehend zu zeigen sein wird, steht die Verordnungsbestimmung im vorliegenden Fall zweifelsohne im Einklang mit der zugrundeliegenden Ermächtigungsbestimmung und ist daher jedenfalls als gesetzmäßig zu qualifizieren.
Eine Durchführungsverordnung ist dann gesetzwidrig, wenn sie keine Grundlage in einem formellen Gesetz hat, zum Zeitpunkt ihrer Erlassung von einer unzuständigen Behörde angeordnet wurde oder allenfalls bestehende Verfahrensregeln nicht eingehalten wurden (Mayer/Muzak, B VG 5 [2015] Art139 B VG II.2; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10 [2007] Rz. 1109).
Hinsichtlich der ersten Voraussetzung ist Folgendes festzuhalten: Entsprechend seiner Natur als Durchführungsverordnung darf §9b Abs2 NAG DV gemäß Art18 Abs2 B VG nur 'auf Grund der Gesetze' erlassen werden. Dieser Wendung ist das an den Gesetzgeber gerichtete (Bestimmtheits )Gebot zu entnehmen, ausreichend determinierte gesetzliche Grundlagen für derartige Verordnungen zu schaffen, welche den Inhalt genau vorbestimmen (vgl VfSlg 11.859/1988, 20.066/2016 mwN). Es genügt sohin nicht, dass die Behörde lediglich allgemein zur Regelung einer Angelegenheit durch Verordnung ermächtigt ist. Das aus dem Legalitätsprinzip des Art18 Abs1 B VG ableitbare Verbot der staatlichen Verwaltung, ohne gesetzliche Grundlage tätig zu werden, erstreckt sich auf diese Weise auch auf die verwaltungsbehördliche Rechtsetzung, sodass diesbezüglich derselbe Maßstab ('aufgrund der Gesetze') hinsichtlich des Determinierungserfordernisses gilt. Durchführungsverordnungen selbst dürfen diese Grundlagen in weiterer Folge lediglich präzisieren (Mayer/Muzak, B VG 5 [2015] Art18 B VG I.1; vgl VfSlg 11.072/1986, 11.547/1987, 11.639/1988 mwN).
1.2. Taxativität der gemäß §21a Abs6 NAG festzulegenden Einrichtungen
Der konkrete Prüfungsmaßstab für die Gesetzmäßigkeit des §9b Abs2 NAG DV ist, wie anfangs bereits vorweggenommen, die einfachgesetzliche Verordnungsermächtigung des §21a Abs6 NAG. Bereits aus deren Wortlaut ergibt sich, dass diese eine abschließende Aufzählung der Institute anordnet, deren Sprachnachweise im Sinne des §21a Abs1 NAG anerkannt werden ('Durch Verordnung […] sind jene Einrichtungen zu bestimmen, deren Sprachdiplome als Nachweis gemäß Abs1 gelten.'). Bestätigt wird dies auch durch die Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen, wonach 'nur solche Sprachdiplome […] anzuerkennen sind, die von einer der explizit normierten Einrichtungen ausgestellt wurden', um einheitlich hohe und für die Behörden nachvollziehbare Standards garantieren zu können (RV 1078 BlgNR. XXIV. GP 13). Es können demnach 'nur solche Einrichtungen […] gültige Nachweise im Sinne des Abs1 ausstellen', von denen die 'Einhaltung der geforderten Standards im Allgemeinen erwartet werden kann'. Diese sind deswegen 'explizit zu bestimmen', weil die Seriosität beliebiger ausländischer Institute nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand überprüft werden kann (RV 1078 BlgNR. XXIV. GP 14).
Die Judikatur des VwGH, wonach Sprachdiplome von nach §9 Abs1 Integrationsvereinbarungs-Verordnung (IV V) idF BGBl II Nr 205/2011 zertifizierten Instituten (nunmehr §1 Integrationsgesetz-Durchführungsverordnung [IntG DV], BGBl II Nr 286/2019, geeignet sind, sowohl den Sprachnachweis für die Integrationsvereinbarung als auch im Wege des §21a Abs3 NAG den Nachweis für Kenntnisse der deutschen Sprache zu erbringen (Erkenntnisse des VwGH vom 17. Juni 2020, Ra 2020/22/0023 sowie vom 16. Dezember 2014, Ro 2014/22/0039), vermag an der Taxativität der mit Verordnung nach §21a Abs6 NAG festzulegenden Institute nichts zu ändern. So treten die im Sinne des §1 IntG DV anerkannten Kursträger vor dem Hintergrund des in §21a Abs3 Z1 NAG vorgesehenen Erfüllungstatbestands 'lediglich' zu den per Verordnung nach §21a Abs6 NAG abschließend genannten Instituten hinzu.
Für die Taxativität der durch Verordnung nach §21a Abs6 NAG festzulegenden Institute spricht außerdem, dass der Gesetzgeber selbst in mehrfacher Hinsicht Abhilfe für Fälle geschaffen hat, in denen die Erlangung des Deutschnachweises für Aufenthaltswerber bei einem in einer Verordnung gemäß §21a Abs6 NAG festgelegten Institut nicht möglich oder nicht zumutbar wäre.
So ist zunächst mit der Verordnungsermächtigung gemäß §21a Abs7 NAG dafür Sorge getragen, dass ein allfälliger Mangel an entsprechenden Sprachinstituten in manchen Weltgegenden durch Anerkennung von Einrichtungen, welche die geforderten Standards einhalten, vor Ort gezielt ausgeglichen werden kann. Weiters werden in jedem Einzelfall auch allenfalls bestehende persönliche Hinderungsgründe berücksichtigt, indem die NAG-Behörde einem Zusatzantrag nach §21a Abs5 NAG zur Befreiung von der Erbringung des Sprachnachweises verpflichtend stattgeben muss, wenn es die Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK erfordert. Drittstaatsangehörige, denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann, sind bereits von Vornherein von der Nachweispflicht ausgenommen, sofern sie dies unter anderem durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachweisen (vgl §21a Abs4 Z2 NAG).
Bei Betrachtung der konkreten Verordnungsermächtigung des §21a Abs6 NAG und der in dessen Durchführung ergangenen Bestimmung des §9b Abs2 NAG DV ist somit festzustellen, dass den Bedingungen der erstgenannten Voraussetzung für die Gesetzmäßigkeit – dem Erfordernis der Determinierung durch die gesetzliche Grundlage sowie der bloßen Präzisierung des so vorausbestimmten Verordnungsinhaltes durch die Durchführungsverordnung selbst – entsprochen wurde.
1.3. Übrige Voraussetzungen für die Gesetzeskonformität einer Verordnung
Auch die übrigen Voraussetzungen für die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung (siehe 1.1.) sind im gegenständlichen Fall erfüllt. So ist §9b Abs2 NAG DV zum einen nicht durch eine unzuständige Behörde erlassen worden, sondern – wie in der Verordnungsermächtigung vorgesehen und damit auf korrekte Weise – durch den Bundesminister für Inneres innerhalb seines durch §21a Abs6 NAG konkret festgelegten Wirkungsbereichs, d.h. im Rahmen seiner Ermächtigung zur Erlassung der gegenständlichen Verordnung, mit der jene Sprachinstitute bestimmt werden, die Deutschnachweise im Sinne des §21a Abs1 NAG ausstellen können.
Zum anderen wurde bei der Erlassung der Durchführungsverordnung nicht gegen allfällige Verfahrensregeln verstoßen, da sie vorschriftsgemäß und ohne formelle Mängel gem. §4 Abs1 Z2 Bundesgesetzblattgesetz, BGBl I Nr 100/2003 idF BGBl I Nr 24/2020, im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Weil auch keine Divergenz zwischen der Kundmachung und dem normativen Inhalt der gegenständlichen Verordnung besteht, liegt zudem kein materieller Kundmachungsmangel vor.
§9b Abs2 NAG DV erweist sich folglich als gesetzmäßig.
2. Sachlichkeit der angefochtenen Norm
2.1. Vorbemerkung
Der Vollständigkeit halber wird zusätzlich zu den obigen Ausführungen hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit des §9b Abs2 NAG DV auf den im Aufhebungsantrag geäußerten Vorhalt des VGW eingegangen, dass die sich aus der – auf Grund des §21a Abs6 NAG erlassenen – Bestimmung des §9b Abs2 NAG DV ergebende taxative Aufzählung der Einrichtungen gegen Art1 Abs1 BVG Rassendiskriminierung verstoße, weil Antragsteller aus weiten Teilen Afrikas in der Praxis keinen Zugang zu einem anerkannten Sprachkurs hätten und daher gegenüber anderen Fremden diskriminiert würden.
Mit Blick auf die Sachlichkeit der angefochtenen Norm sind die bereits unter Punkt A.2. und C.1.2. vorgenommenen Ausführungen hinsichtlich der die Verordnungsermächtigung in §21a Abs6 NAG 'flankierenden' Regelungen des §21a Abs7 und 5 NAG nochmals hervorzuheben:
Im Wege eines rechtzeitig gestellten Zusatzantrags gemäß Abs5 leg. cit. werden in jedem einzelnen Fall Hinderungsgründe persönlicher Natur bezüglich des Erwerbs des Sprachnachweises berücksichtigt. Mit einer Verordnung gemäß Abs7 leg. cit. können wiederum in allgemeiner, d.h. nicht auf den Einzelfall beschränkter Weise, bei Bedarf lokal begrenzte Ergänzungen in bestimmten Weltregionen vorgenommen werden. In dem Zusammenhang sei erwähnt, dass von der Verordnungsermächtigung des §21a Abs7 NAG bislang kein Gebrauch gemacht wurde. Dieser Umstand spricht durchaus dafür, dass die vier in §9b Abs2 NAG DV genannten Einrichtungen ein ausreichendes Angebot zur Verfügung stellen, wie nachstehend unter Punkt 2.2.2. näher ausgeführt wird.
2.2. Möglichkeiten zum Erwerb eines Deutschnachweises gemäß §21a Abs1 NAG
Vorweg ist festzuhalten, dass Drittstaatsangehörige bei der Erfüllung des Erfordernisses 'Deutsch vor Zuzug' die Wahlfreiheit haben, auf welche Art und Weise sie die erforderlichen Sprachkenntnisse erwerben. Dies kann etwa im Selbststudium, im Rahmen eines Kurses, Schulbesuchs, Studiums oder aber auch durch einen Online-Kurs erfolgen. Drittstaatsangehörige sind somit berechtigt, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache auf dem A1 Niveau mittels Sprachdiplom der genannten Einrichtungen ganz unabhängig von der Absolvierung eines bestimmten Kurses nachzuweisen.
2.2.1. Online-Angebot zur Vorbereitung auf die Sprachprüfung
Was Online-Kurse zur Vorbereitung auf die Sprachprüfung auf dem A1 Niveau des GERS anbelangt, so stellen alle vier in §9b Abs2 NAG DV genannten Einrichtungen allgemein zugänglich auf ihren Websites vielfältiges Informations- und Übungsmaterial zur Verfügung. Drittstaatsangehörige Antragsteller haben so die Möglichkeit, kostenlos mithilfe zahlreicher Materialien und Videos Deutsch auf dem gewünschten Sprachniveau zu lernen. Es folgt ein Überblick über die diesbezüglichen Angebote:
Das Österreichische Sprachdiplom (ÖSD)
o bietet die Möglichkeit, sich online im Rahmen eines Übungstests auf die jeweilige Sprachprüfung vorzubereiten (https://test-training-digital.osd.at/test) und
o stellt darüber hinaus kostenlos auch die Unterlagen eines Modelltests zum Download zur Verfügung ( https://www.osd.at/downloads/ ).
Das Goethe-Institut e. V.
o bietet die Möglichkeit, im Rahmen eines Onlinekurses Deutsch zu lernen (https://www.goethe.de/de/spr/kup/kur/doln.html) und sich mithilfe eines Online-Modelltests auf die jeweilige Sprachprüfung vorzubereiten https://www.goethe.de/de/spr/kup/prf/prf/sd1/ueb.html).
o Zudem besteht auch die Möglichkeit innerhalb des Forums 'Deutsch für Dich' kostenlos Deutsch zu lernen ( https://www.goethe.de/prj/dfd/de/home.cfm ).
Die Telc GmbH
o bietet die Möglichkeit, sich mithilfe eines Online-Modelltests auf die jeweilige Sprachprüfung vorzubereiten (https://www.telc.net/pruefungsteilnehmende/sprachpruefungen/pruefungen/detail/telc-deutsch-a1-fuer-zuwanderer.html) und
o stellt darüber hinaus kostenlos auch die Unterlagen eines Modelltests zum Download zur Verfügung (telc_deutsch_a1_zuwanderer_uebungstest_1.pdf).
Der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF)
o bietet die Möglichkeit, online an einem A1 Deutschkurs teilzunehmen (https://sprachportal.integrationsfonds.at/kursraum-a1),
o stellt kostenloses Übungsmaterial (https://uebungen.sprachportal.at/cornelsen.html) und Online-Vokabeltrainer auf dem A1 Niveau (https://uebungen.sprachportal.at/vokabel-trainer.html) zur Verfügung,
o bietet einen Online-Modelltest, um sich auf die jeweilige Sprachprüfung vorzubereiten (https://sprachportal.integrationsfonds.at/deutschpruefungen/online-uebungstest) und
o stellt die Unterlagen zur Prüfungsvorbereitung zum Download (https://sprachportal.integrationsfonds.at/deutschpruefungen/beispieltests-als-download bzw https://sprachportal.integrationsfonds.at/fileadmin/migrate/sampletests/Fragen_Werte-_und_Orientierungswissen_A1_13012020.pdf) zur Verfügung.
All diese Materialien können zu Übungszwecken etwa im Rahmen des Selbststudiums verwendet werden und machen damit ein Erlernen der deutschen Sprache auf A1 Niveau unabhängig von einem Sprachkurs und standortungebunden möglich. Die angegebenen Links sind auch auf mobilen Geräten nutzbar. So erhalten Antragsteller rund um den Globus und rund um die Uhr die Möglichkeit, eine Übersicht über das Kurs- und Prüfungsangebot an von den genannten Einrichtungen lizenzierten bzw zertifizierten Kursträgern im Inland, aber insbesondere auch im Ausland abzurufen und sich auf die erforderliche Sprachprüfung vorzubereiten.
2.2.2. Flächendeckendes Angebot an lizenzierten und zertifizierten Kursträgern der in §9b Abs2 NAG DV genannten Einrichtungen
Der Umstand, dass der Erwerb des geforderten Sprachnachweises nur bei bestimmten, in den §9b Abs2 NAG DV aufgezählten Instituten möglich ist bedeutet nicht per se, dass diese deshalb nur in beschränktem Ausmaß vorhanden wären und der Erwerb eines solchen Nachweises unverhältnismäßig erschwert wäre.
So besteht aktuell in 110 Staaten der Welt an insgesamt 1.226 Standorten der vier genannten Einrichtungen die Möglichkeit, eine A1 Sprachprüfung zum Nachweis von 'Deutsch vor Zuzug' im Sinne des §21a Abs1 NAG iVm §9b Abs2 NAG DV abzulegen. Damit ist es für rund 98 % (2019) bzw rund 97 % (2020) der Antragsteller, die einen solchen Nachweis erbringen müssen, möglich, im Land ihrer Staatsangehörigkeit die Prüfung zu absolvieren. [Die Jahresstatistik für Aufenthaltstitel 2019 und 2020 ist auf der BMI Homepage abrufbar, vgl dazu https://www.bmi.gv.at/312/statistiken/start.aspx. Zum Teil erfolgte eine Sonderauswertung. Die verfügbaren Standorte wurden den Websites der Einrichtungen entnommen. ÖSD (https://www.osd.at/pruefungen-machen/pruefungszentren/), Goethe-Institut (https://www.goethe.de/de/lan.html), Telc GmbH (https://www.telc.net/pruefungsteilnehmende/pruefungszentrum-finden.html) und ÖIF (https://sprachportal.integrationsfonds.at/deutschkurse/oesterreichische-kursinstitute).]
Berücksichtigt man zusätzlich noch jene Aufenthaltswerber, die für die Antragstellung bei der zuständigen österreichischen Botschaft ohnedies in ein anderes Land reisen müssen und in diesem Staat die Möglichkeit haben, eine Deutschprüfung im Sinne des §21a Abs1 NAG iVm §9b Abs2 NAG DV abzulegen, so erhöht sich der Abdeckungsgrad auf 99,6 % (2019) bzw 99,3 % (2020).
In den 20 wichtigsten Herkunftsstaaten, deren Staatsangehörige in den Jahren 2019 und 2020 einen Aufenthaltstitel, für dessen Erteilung Sprachkenntnisse nachzuweisen sind, erstmalig beantragt haben, ist jeweils zumindest eine, fallweise sind sogar bis zu drei der vier genannten Einrichtungen mit insgesamt 121 Standorten (2019) bzw 122 Standorten (2020) vertreten, womit den Antragstellern die Möglichkeit, eine A1-Sprachprüfung in ihrem Land abzulegen, geboten wird. Dies entspricht in den Jahren 2019 und 2020 jeweils rund 89 % aller Antragsteller für Aufenthaltstitel, deren Erteilung den Nachweis entsprechender Sprachkenntnisse voraussetzt.
Bezogen auf das Ausgangsverfahren darf im Übrigen auf Folgendes hingewiesen werden: Entgegen den Ausführungen des VGW, wonach nur zwei der in §9b Abs2 NAG DV genannten Institute Niederlassungen außerhalb Europas haben und in Afrika ausschließlich das 'Goethe-Institut' Sprachkurse anbiete, sind in Afrika vielmehr in 20 von 54 Staaten zwei der in §9b Abs2 NAG DV genannten Einrichtungen mit 20 (Goethe-Institut e.V.) bzw fünf (ÖSD) Standorten vertreten. Es besteht auch in zwei Nachbarstaaten der Demokratischen Republik Kongo – dem Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin –, nämlich Angola (Luanda) und Ruanda (Kigali), die Möglichkeit der Absolvierung einer Goethe-A1 Sprachprüfung. Ein weiteres in Betracht kommendes Goethe-Institut befindet sich im französischsprachigen Kamerun (Jaunde). Zudem steht in Kamerun auch ein ÖSD-lizenzierter Kursträger (Duala) zur Verfügung.
Hinzu kommen 626 Standorte der vier genannten Einrichtungen in Österreich, an denen jene Antragsteller die Möglichkeit haben, eine A1 Sprachprüfung abzulegen, die
als drittstaatsangehörige Familienangehörige eines österreichischen Staatsbürgers gemäß §21 Abs2 Z1 NAG nach rechtmäßiger Einreise während der Dauer ihres visumpflichtigen bzw visumfreien Aufenthalts bzw
als Drittstaatsangehörige gemäß §21 Abs2 Z5 NAG zur visumfreien Einreise berechtigt und nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts
in Österreich zur Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels berechtigt sind.
Darüber hinaus steht allen Drittstaatsangehörigen die Möglichkeit offen, unabhängig von der oben dargestellten Zulässigkeit einer Inlandsantragstellung gemäß §21 NAG im Rahmen eines bis zu sechsmonatigen visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts in Österreich ein entsprechendes Sprachzeugnis zu erwerben.
Im Hinblick auf die zusätzliche Möglichkeit, auch an den Standorten der 122 zertifizierten Kursträger des ÖIF eine A1 Sprachprüfung abzulegen, sind auch die Ausführungen des VwGH in seinem Erkenntnis vom 17. Juni 2020, Ra 2020/22/0023 (Rz. 9 bis 13), zum Anlassfall geeignet, darzulegen, dass die Aufnahme der vier taxativ genannten Einrichtungen in die Bestimmung des §9b Abs2 NAG DV eine rein fachliche, an den Gegebenheiten der Praxis orientierte Entscheidung war, die auch nahezu zehn Jahre nach Einführung von 'Deutsch vor Zuzug' ohne Zweifel sachlich ist.
Die Sachlichkeit der gegenständlichen Regelung wird zudem durch die unten angefügte Statistik über bewilligte Anträge bekräftigt. [Vgl die Jahresstatistiken für Aufenthaltstitel auf der BMI Homepage, abrufbar unter https://www.bmi.gv.at/312/statistiken/start.aspx.] Ein Blick darauf offenbart eine weitgehend stabil bleibende Zahl der erstmals erteilten Aufenthaltstitel mit dem Zweck der Familienzusammenführung seit Einführung der besonderen Erteilungsvoraussetzung 'Deutsch vor Zuzug' mit 1. Juli 2011 im Verlauf der Jahre 2010 bis 2020. Lediglich im Jahr 2020 kam es durch die weltweiten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie zu einem Rückgang. Insgesamt erscheint daher der Schluss zulässig, dass die Pflicht zum Nachweis einfachster Kenntnisse der deutschen Sprache mittels eines Sprachzertifikats einer der vier in §9b Abs2 NAG DV genannten Einrichtungen keineswegs eine relevante Hürde darstellt, derentwegen Anträge in nennenswerter Anzahl abgewiesen werden mussten.
2.3. Gewährleistung der Qualitätsstandards und Fälschungssicherheit der Sprachdiplome
Die Textierung des §21a NAG und des darauf beruhenden §9b Abs2 NAG DV ist seitens des Gesetz- bzw Verordnungsgebers von zwei zentralen Aspekten geleitet: Einerseits soll ein möglichst breiter Zugang zum Sprachnachweis gewährleistest werden, anderseits sollen jedoch auch Umgehungs- und Missbrauchshandlungen so weit als möglich unterbunden werden.
Die ErlRV 1078 BlgNR. XXIV. GP 14 zu §21a führen dazu aus:
'Der Nachweis der Deutschkenntnisse hat durch Vorlage eines entsprechenden Sprachdiploms oder Kurszeugnisses zu erfolgen, wobei nur solche Sprachdiplome und Kurszeugnisse anzuerkennen sind, die von einer der explizit normierten Einrichtungen ausgestellt wurden (siehe dazu die Abs6 und 7). Damit sollen einheitlich hohe und für die Behörde nachvollziehbare Standards garantiert werden…'
'[Es] kommt dem Umstand, dass Drittstaatsangehörige, die einen Nachweis gemäß §21a Abs1 NAG vorlegen, auch tatsächlich über die im Nachweis bestätigten Deutschkenntnisse verfügen, besondere Bedeutung zu. Es ist daher nicht angezeigt, Diplome und Zeugnisse jedes beliebigen (ausländischen) Instituts, dessen Seriosität die Behörde nicht – oder zumindest nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand – beurteilen kann, anzuerkennen, sondern jene Einrichtungen, von denen die Einhaltung der geforderten Standards im Allgemeinen erwartet werden kann, explizit zu bestimmen…'
'Darüber hinaus gibt die Verordnungsermächtigung gemäß Abs7 dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten die Möglichkeit, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres auch andere als die in der Verordnung gemäß Abs6 genannten Einrichtungen zu bestimmen, deren Diplome und Zeugnisse als Nachweis gemäß Abs1 gelten. Seriös arbeitende ausländische Sprachinstitute können somit in sachgerechter Weise in den Anwendungsbereich des §21a aufgenommen werden. Um die spezifischen regionalen Gegebenheiten und insbesondere auch Sprachinstitute von lediglich begrenzter lokaler Bedeutung ausreichend berücksichtigen zu können, gelten Verordnungen gemäß Abs7 jeweils nur für den örtlichen Wirkungsbereich einer konkreten österreichischen Berufsvertretungsbehörde…'
Mit Blick auf die bereits beschriebene Systematik hinsichtlich der Bestimmung der tauglichen Sprachnachweise – der zentralen Verordnungsermächtigung des §21a Abs6 NAG iVm mit dem diese ergänzenden §21a Abs7 NAG – ist festzuhalten, dass aus Sicht des Bundesministers für Inneres mit den vier derzeit in §9b Abs2 NAG DV verordneten Sprachinstituten im Hinblick auf deren oben dargestellte umfassende Verfügbarkeit, die Regelung des §21a Abs1 iVm Abs6 NAG sachgerecht, gesetzes- und verfassungskonform umgesetzt ist. Dieses System bildet eine sachliche, diskriminierungsfreie und daher mit der Verfassung im Einklang stehende rechtliche Basis, um ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den oben beschriebenen Hauptaspekten der tatsächlichen Verfügbarkeit von anerkannten Sprachdiplomen unter Einhaltung möglichst hoher, einheitlicher und nachvollziehbarer fachlicher Standards zu ermöglichen.
Gleichzeitig gewährleisten die Sprachzertifikate der in §9b Abs2 NAG DV genannten vier Einrichtungen eine weitgehende Fälschungssicherheit durch die folgenden spezifischen Sicherheitsmerkmale:
Prägestempel, etwa der Bundesadler;
Wasserzeichen, die nur vor einer Lichtquelle sichtbar sind;
Logo der Einrichtung;
Stempel des jeweils zertifizierten bzw lizenzierten Kursträgers bzw Standort;
eindeutige Zertifikatsnummer (ID Nummer), zumeist bestehend aus einer Buchstaben- und Zahlenkombination.
Sonstige Besonderheiten:
o Zertifikate tragen vorderseitig oben rechts und unten links ein kleines schwarzes Kreuz (Goethe-Institut);
o faksimilierte Unterschrift des Geschäftsführers (blau) (Telc GmbH);
o Hologramm am rechten Rand des Zertifikats mit einem sich wiederholenden Schriftzug (ÖSD);
o Amtssignatur/elektronische Signatur (ÖIF);
o Mikroschrift im unteren Bereich des Dokuments (ÖIF).
Die Sprachdiplome der Einrichtungen ÖSD, ÖIF und Telc GmbH werden in Wien (ÖSD, ÖIF) bzw in Frankfurt am Main (Telc GmbH) zentral erstellt und in weiterer Folge an den jeweiligen Kursträger übermittelt, der diese vor der Weiterleitung an den Prüfungsteilnehmer signiert und stempelt. Die Ausstellung der Sprachzertifikate der Goethe-Institute erfolgt lokal am jeweiligen Standort, an dem die Sprachprüfung abgelegt wurde.
Vor allem die eindeutige Zeugnisnummer aller Sprachzertifikate der vier genannten Einrichtungen ermöglicht bei Zweifel der Behörden an der Echtheit des Zertifikats dessen rasche Überprüfung. Die genannten vier Einrichtungen gewährleisten im Rahmen ihrer Prüfungsordnung eben diese Überprüfungsmöglichkeiten und sind verpflichtet, zu diesem Zweck sowohl die Prüfungsbögen als auch die Höraufnahmen zu den mündlichen Sprachprüfungen zu archivieren.
Aus der Sicht des Bundesministers für Inneres rechtfertigen auch jene hier dargelegten Aspekte im Hinblick auf die Qualitätsstandards und die Fälschungssicherheit der Sprachzertifikate, dass es sachgerecht war und ist, in §9b Abs2 NAG DV gerade die vier genannten Einrichtungen ÖSD, Goethe-Institut e.V., Telc GmbH und ÖIF anzuführen und lediglich deren Sprachdiplome als zum Nachweis von 'Deutsch vor Zuzug' geeignet anzuerkennen.
2.4. Durchschnittsbetrachtung und atypischer Härtefall
Unbeschadet der obigen Ausführungen zur bestehenden Sachlichkeit der angefochtenen Normen darf abschließend noch Folgendes ausgeführt werden:
§9b Abs2 NAG DV konkretisiert den gesetzgeberischen Auftrag (§21a Abs6 iVm Abs1 NAG) dahingehend, dass er bezüglich der vom Aufenthaltswerber nachzuweisenden Sprachstufe auf das A1 Niveau im Sinne des – erstmals im Jahr 2001 unter der Schirmherrschaft des Europarates, unter Beteiligung spezialisierter Bildungseinrichtungen und unter hohem Forschungsaufwand veröffentlichten und seither kontinuierlich weiterentwickelten – Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verweist und dessen Nachweis von der Vorlage eines Sprachdiploms einer in den Z1 bis 4 genannten Einrichtung abhängig macht.
Damit schränkt §9b Abs2 NAG DV den Aufenthaltswerber zwar in der Wahl der für den Nachweis der Sprachkenntnisse in Betracht kommenden Beweismittel ein. Zugleich erspart er es jedoch der zuständigen Behörde, das Vorliegen dieser Sprachkenntnisse einzelfallbezogen, in freier Beweiswürdigung und ohne Einschränkung auf bestimmte Beweismittel (§§45 Abs2, 46 AVG) in einem mitunter aufwendigen Beweisverfahren beurteilen zu müssen, obwohl es ihr für diese Beurteilung – wie übrigens auch dem Verwaltungsgericht des Landes – in aller Regel an der erforderlichen linguistischen und sprachwissenschaftlichen Kompetenz mangeln wird. §21a Abs6 NAG iVm §9b Abs2 NAG DV dient damit auch der Verwaltungsökonomie und Rechtssicherheit und liegt, indem er den Sprachnachweis an die von einem anerkannten Sprachinstitut bescheinigte Erfüllung objektiver und sprachwissenschaftlich allgemein anerkannter Kriterien bindet, auch im Interesse des Aufenthaltswerbers selbst.
In der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist anerkannt, dass es der Gesetzgebung innerhalb der Schranken des Gleichheitssatzes (Art7 B VG, ArtI Abs1 BVG Rassendiskriminierung) nicht verwehrt ist, ihre politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (zB VfSlg 11.864/1988; 13.743/1994; 14.301/1995; 16.504/2002; 18.608/2008; 19.909/2014; 20.271/2018). Sie kann innerhalb ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraums nicht nur einfach handhabbare Regelungen erlassen, sondern dabei im Sinne einer Durchschnittsbetrachtung auch generalisierend auf den Regelfall abstellen (VfSlg 17.315/2004; 17.816/2006; 19.722/2012) und atypische Härtefälle in Kauf nehmen (VfSlg 16.771/2002). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003 und 20.343/2018).
Der von §9b Abs2 NAG DV gezogene Kreis der anerkannten Sprachinstitute, deren Sprachzertifikate einen Nachweis der nach §21a Abs1 NAG erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache ermöglichen, gewährleistet, dass in den wichtigsten Herkunftsstaaten, deren Staatsangehörige einen Aufenthaltstitel, für dessen Erteilung solche Sprachkenntnisse nachzuweisen sind, beantragten, mindestens ein Sprachinstitut zur Verfügung steht, bei dem ein entsprechendes Zertifikat erworben werden kann. Solche Sprachinstitute existieren zudem in zwei dem Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin benachbarten Staaten. Scheitert trotz dieser nahezu flächendeckenden und nicht mit unverhältnismäßigem Aufwand verbundenen Erreichbarkeit anerkannter Sprachinstitute der Erwerb eines Sprachdiploms an außergewöhnlichen, in dem der angefochtenen Bestimmung (§9b Abs2 NAG DV) zugrundeliegenden Regelfall nicht berücksichtigten Hürden, so ist dies lediglich als atypischer Härtefall zu qualifizieren, der nach der vorgenannten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aber keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu begründen vermag; dies umso mehr, als es nach §21a Abs5 NAG in berücksichtigungswürdigen Fällen ohnehin möglich ist, eine Befreiung von der Nachweispflicht zu beantragen (zu den übrigen flankierenden Regelungen siehe oben unter Punkt C.2.1).
3. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §9b Abs2 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres zur Durchführung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung – NAG DV), BGBl II Nr 2005/451, in der Fassung BGBl II Nr 231/2017, nach Ansicht des Bundesministers für Inneres nicht gesetzeswidrig ist und die darin vorgesehene taxative Aufzählung jener Institute, deren Sprachdiplome als Nachweis gem. §21a Abs1 NAG anerkannt werden, dem Sachlichkeitsgebot entspricht.
4. Konsequenzen der Aufhebung der Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig
Zunächst ist zu anzumerken, dass – anders als vom VGW ausgeführt – die Aufhebung der angefochtenen Verordnungsbestimmung des §9b Abs2 NAG DV als gesetzwidrig aus Sicht des Bundesministers für Inneres nicht zur Folge hätte, dass (automatisch) der sich darauf beziehende Teil des §21a Abs1 NAG unanwendbar wäre und die Vollziehung daher zu Einzelfallbeurteilung nach den Maßstäben des BVG Rassendiskriminierung veranlasst wäre.
Würde §9b Abs2 NAG DV entfallen, wie es das VGW in seinem Hauptantrag begehrt, bliebe der Verweis in §21a Abs1 NAG auf die Verordnung nach Abs6 leg. cit. vielmehr dennoch weiter bestehen und damit – dem eindeutigen Wortlaut des §21a Abs1 NAG entsprechend – auch das Erfordernis, dass die zum Nachweis von Deutschkenntnissen gemäß §21a Abs1 NAG anzuerkennenden Sprachdiplome nur jene sein können, die von einer gemäß Abs6 oder 7 leg. cit. erlassenen Verordnung festgelegten Einrichtung ausgestellt wurden.
Die Konsequenz einer Aufhebung des §9b Abs2 NAG wäre folglich, dass mangels Festlegung jener Einrichtungen, deren Sprachdiplome als Nachweis von 'Deutsch vor Zuzug' gelten, kein Nachweis der Erfüllung der Voraussetzung des §21a Abs1 NAG mehr möglich wäre und damit auch die Erteilung eines diesen Nachweis voraussetzenden Aufenthaltstitels nicht mehr in Betracht käme.
Bis zur Schaffung einer entsprechenden neuen Verordnung wäre aus diesem Grund die Erteilung von Aufenthaltstiteln nur mehr in zahlenmäßig deutlich geringerem Ausmaß möglich, da sie allein auf jene Fälle beschränkt wäre, in denen Aufenthaltswerber einen Deutschnachweis mittels Sprachdiplom durch einen gemäß §1 IntG DV zertifizierten Kursträger vorweisen oder eine Befreiung von der Nachweispflicht aus den Gründen des Art8 EMRK geltend machen können. Vor diesem Hintergrund wird auch nachstehend für den Fall der Aufhebung des §9b Abs2 NAG DV als gesetzwidrig die Festsetzung einer Frist von 12 Monaten beantragt. […]"
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß seiner ständigen Rechtsprechung darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Prüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Die diesbezügliche Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl VfSlg 17.220/2004 und 19.933/2014).
1.3. Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Verordnungsprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011 und 19.933/2014).
1.4. Eine zu weite Fassung des Antrags macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl VfSlg 19.746/2013 und 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im gerichtlichen Verfahren nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (s VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007, 19.933/2014; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).
1.5. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität des §9b Abs2 NAG DV zweifeln ließe.
1.6. Da sich der Hauptantrag somit als zulässig erweist, erübrigt es sich, auf die Eventualanträge einzugehen.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Die Bedenken des antragstellenden Gerichtes erweisen sich als nicht zutreffend:
2.2.1. Das Verwaltungsgericht Wien führt in seinem Antrag aus, dass lediglich zwei der in §9b Abs2 NAG DV aufgezählten Institute Niederlassungen außerhalb Europas hätten und ausschließlich der eingetragene Verein Goethe-Institut an wenigen Standorten in Afrika Sprachkurse anbiete. Da die Aufzählung in der angefochtenen Verordnungsbestimmung taxativ sei, würden dadurch insbesondere Antragsteller aus weiten Teilen Afrikas gegenüber anderen Fremden diskriminiert werden, weil dann für sie ein Zugang zu einem anerkannten Sprachkurs de facto nicht existiere. Aus diesem Grund hätte die angefochtene Verordnung, zumindest an Orten, an denen keines der aufgezählten Institute erreichbar sei, Raum für die Beurteilung anderer Zertifikate als gleichwertig lassen müssen.
2.2.2. Den Erläuterungen zur Verordnungsermächtigung in §21a NAG (RV 1078 BlgNR. 24. GP, 13, 14) ist zu entnehmen, dass der Nachweis von Deutschkenntnissen durch Vorlage eines entsprechenden Sprachdiplomes oder Kurszeugnisses zu erfolgen hat, wobei nur solche Sprachdiplome und Kurszeugnisse anzuerkennen sind, die von einem der in einer Durchführungsverordnung im Sinne von Abs6 oder 7 leg. cit. explizit aufgelisteten Einrichtungen ausgestellt wurden. Hiemit sollten einheitlich hohe und für die Behörde nachvollziehbare Standards garantiert werden.
2.2.3. Wenn die verordnungserlassende Behörde bestimmte Institute mit hohen Qualitätsstandards und Fälschungssicherheit auswählt, um Umgehungs- und Missbrauchshandlungen hintanzuhalten, hat sie ihren Gestaltungsspielraum im Rahmen der durch die gesetzliche Grundlage vorgegebenen Determinierung des Verordnungsinhaltes nicht überschritten. Es liegt also in diesem Gestaltungsspielraum, wenn die verordnungserlassende Behörde nur auf bestimmte, aus ihrer Sicht allgemein anerkannte Sprachzertifikate abstellt. Die Erläuterungen zur Verordnungsermächtigung führen in diesem Sinne aus, dass Diplome und Zeugnisse nicht jedes beliebigen (ausländischen) Institutes anzuerkennen sind, dessen Seriosität die Behörde nicht – oder zumindest nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand – beurteilen kann. Es gilt daher jene Einrichtungen explizit zu bestimmen, von denen die Einhaltung der geforderten Standards im Allgemeinen erwartet werden kann (RV 1078 BlgNR. 24. GP, 14). Sohin bestehen hinsichtlich der konkreten Auswahl der Sprachinstitute keine Bedenken.
2.2.4. Auch das Bedenken des antragstellenden Gerichtes, dass die in §9b Abs2 NAG DV aufgezählten Institute in bestimmten Weltregionen gar nicht oder nur so spärlich vertreten seien, dass für dortige Antragsteller keine realistische Chance zur Erlangung eines Sprachdiplomes bestehe, trifft nicht zu. Zwar ist zutreffend, dass nicht jedes Land über ein Prüfungszentrum der aufgezählten Institute verfügt; jedoch sind weltweit ausreichend Institute mit Prüfungszentren verfügbar, um von einer zumutbaren Erreichbarkeit ausgehen zu können. Die Tatsache, dass man für eine Prüfung allenfalls in ein anderes Land reisen muss, vermag daran – auch vor dem Hintergrund der Vorbereitungsmöglichkeiten, die im Internet zur Verfügung stehen – nichts zu ändern.
2.2.5. Zudem sieht der Regelungskomplex betreffend den Nachweis von Deutschkenntnissen vor, dass Härtefälle ausgeglichen werden können. Weiters kann in Einzelfällen durch einen Antrag gemäß §21a Abs5 NAG eine Befreiung von der Erbringung des Sprachnachweises erfolgen, wenn dies die Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK erfordert. Auch besteht grundsätzlich die Möglichkeit, während eines vorübergehenden Aufenthaltes in Österreich, etwa durch Beantragung eines Visums C, die Prüfung im Bundesgebiet abzulegen. Drittstaatsangehörige, denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erbringung des Nachweises nicht zugemutet werden kann, sind außerdem von der Nachweispflicht ausgenommen, sofern sie dies unter anderem durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachweisen (vgl §21a Abs4 Z2 NAG).
2.2.6. Die vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird abgewiesen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.