JudikaturVfGH

E4506/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 2021

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit seine Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger mit moslemisch sunnitischer Religionszugehörigkeit, stellte am 6. Juli 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich seiner Fluchtgründe gab der Beschwerdeführer in den Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, er sei auf Grund eines Angriffes des Islamischen Staates auf seine Stadt im Jahr 2014 in den Nordirak geflüchtet. Als er in seine Heimatstadt zurückgekehrt sei um Sachen zu verkaufen, habe man im Rahmen einer Polizeikontrolle Alkohol bei ihm gefunden, weswegen er vom Islamischen Staat festgenommen und anschließend mit Messern und Schwertern gefoltert worden sei. In weiterer Folge brachte der Beschwerdeführer als Fluchtgrund vor, dass er im Gefängnis gewesen sei, weil er zu Unrecht wegen Mordes verurteilt worden sei. Nachdem der Islamische Staat Mossul – in welcher sich das Gefängnis, in dem der Beschwerdeführer untergebracht gewesen sei, befand – eingenommen habe, sei der Beschwerdeführer freigelassen worden. Er sei daraufhin in seinen Heimatort zurückgekehrt. Es sei zu einem Zwischenfall mit dem Islamischen Staat gekommen, bei dem der Beschwerdeführer entführt und gefoltert worden sei.

2. Mit Bescheid vom 21. Februar 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG 2005 erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG 2005 festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß §46 FPG 2005 zulässig sei. Gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG 2005 wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 1. Dezember 2020 als unbegründet ab.

3.1. Zur Lage im Herkunftsstaat Irak traf das Bundesverwaltungsgericht auszugsweise folgende Feststellungen:

"[…]

Das Gouvernement Bagdad ist das kleinste und am dichtesten bevölkerte Gouvernement des Irak mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit des Gouvernements wird sowohl vom „Baghdad Operations Command“ kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst bezieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).

Entscheidend für das Verständnis der Sicherheitslage Bagdads und der umliegenden Gebiete sind sechs mehrheitlich sunnitische Regionen (Latifiya, Taji, al-Mushahada, al-Tarmia, Arab Jibor und al-Mada'in), die die Hauptstadt von Norden, Westen und Südwesten umgeben und den sogenannten „Bagdader Gürtel“ (Baghdad Belts) bilden (Al Monitor 11.3.2016). Der Bagdader Gürtel besteht aus Wohn-, Agrar- und Industriegebieten sowie einem Netz aus Straßen, Wasserwegen und anderen Verbindungslinien, die in einem Umkreis von etwa 30 bis 50 km um die Stadt Bagdad liegen und die Hauptstadt mit dem Rest des Irak verbinden. Der Bagdader Gürtel umfasst, beginnend im Norden und im Uhrzeigersinn die Städte: Taji, Tarmiyah, Baqubah, Buhriz, Besmaja und Nahrwan, Salman Pak, Mahmudiyah, Sadr al-Yusufiyah, Fallujah und Karmah und wird in die Quadranten Nordosten, Südosten, Südwesten und Nordwesten unterteilt (ISW 2008).

Fast alle Aktivitäten des Islamischen Staates (IS) im Gouvernement Bagdad betreffen die Peripherie der Hauptstadt, den „Bagdader Gürtel“ im äußeren Norden, Süden und Westen (*** 5.8.2019; vgl *** 16.10.2019; *** 6.1.2020; *** 5.3.2020), doch der IS versucht seine Aktivitäten in Bagdad wieder zu erhöhen (*** 5.8.2019). Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (*** 3.2.2020; vgl *** 5.3.2020).

Dabei wurden am 7.und 16.9.2019 jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (*** 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (*** 5.3.2020).

Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (*** 2.12.2019; vgl *** 6.1.2020; *** 3.2.2020), im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (*** 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (*** 6.1.2020; vgl *** 5.3.2020)

Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (*** 3.2.2020).

Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.

[…]

[…] Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt (AA 12.1.2019). Bei willkürlichen Verhaftungen meist junger sunnitischer Männer wird durch die Behörden auf das Anti-Terror-Gesetz verwiesen, welches das Recht auf ein ordnungsgemäßes und faires Verfahren vorenthält (USDOS 21.6.2019). Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.1.2019).

Es gibt zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, PMF und Peshmerga (USDOS 11.3.2020). Noch für das Jahr 2018 gibt es Hinweise auf außergerichtliche Hinrichtungen von sunnitischen Muslimen in und um Mossul (USCIRF 4.2019).

[…]"

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht begründet seine Entscheidung zusammengefasst damit, dass der Beschwerdeführer eine individuelle Bedrohung auf Grund auffallender Widersprüche zwischen seinen Angaben in den Einvernahmen vor der belangten Behörde, im Beschwerdeschriftsatz sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht glaubhaft darlegen habe können. Konkret würden die unterschiedlichen Vorbringen des Beschwerdeführers eine Reihe an Widersprüchen und Ungereimtheiten in entscheidenden Punkten aufweisen, welche vom Beschwerdeführer nicht schlüssig erklärt werden hätten können. Sein Vorbringen sei überdies nicht konsistent und sei der Beschwerdeführer wiederholt von seinen vorhergehenden Aussagen abgewichen.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 seien ebenfalls nicht gegeben. Es ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts treffen würde. Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu im Wesentlichen Folgendes aus:

"Dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Es wird nicht verkannt, dass Bagdad nach wie vor von terroristischer und politisch motivierter Gewalt betroffen ist, jedoch nahm die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen stetig ab und haben Aufständische mittlerweile die meisten ihre[r] Ressourcen aus Bagdad abgezogen. Auch wenn der IS versucht, in Bagdad wieder Fuß zu fassen, indem er in den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen verfügt, zeigt sich, dass die Lage von den irakischen Sicherheitskräften unter Kontrolle gehalten wird. Auch die im Rahmen der Proteste ausgeübte Gewalt, richtet sich lediglich gegen die Demonstranten. Die Gefahrenlage in Bagdad kann somit aufgrund der herangezogenen Länderberichte als nicht so extrem bewertet werden, als dass praktisch jeder, der sich dort aufhält, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre.

Auch aufgrund der sunnitischen Konfession des BF war keine reale Gefahr einer Art3 EMRK Verletzung auszumachen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass von schiitischen Milizen nach wie vor Menschenrechtsverletzungen ausgehen und auch eine nicht feststellbare Zahl von Übergriffen auf sunnitische Iraker stattfindet. Ausweislich der Feststellungen sind insbesondere in Bagdad von Milizen (wie etwa Asa'ib Ahl al-Haqq) ausgehende Gewaltakte gegen sunnitische Araber dokumentiert und kommen Entführungen und außergerichtliche Hinrichtungen ebenso vor, wie Vertreibungen mit dem Ziel einer religiösen Homogenisierung. Bei Abwägung der Feststellungen zu Übergriffen auf sunnitische Araber in Bagdad einerseits und den aus den Feststellungen zur Sicherheitslage ersichtlichen Angaben zu zivilen Opfern, der Bevölkerungszahl und der Anzahl der Binnenvertriebenen in der Provinz Bagdad andererseits ist indes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht davon auszugehen, dass sämtliche männlichen sunnitischen Araber in Bagdad mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in ihre schützende persönliche Sphäre zu gegenwärtigen hätten. Laut den herangezogenen Länderberichten betrifft die Bedrohungslage vorwiegend Personen, die im Verdacht stehen, mit dem IS zu sympathisieren bzw IS Mitglied zu sein. Ein derartiger Sachverhalt wurde vom BF aber nicht vorgebracht. In Anbetracht der Anzahl der Binnenvertriebenen sowie der sonst in Bagdad nach wie vor aufhältigen Sunniten ist die Wahrscheinlichkeit, einem solchen zielgerichteten Übergriff zum Opfer zu fallen, vielmehr derzeit nicht als erheblich anzusehen. Diese nur entfernte Möglichkeit, Opfer einer Art3 EMRK widersprechenden Behandlung zu werden, genügt indes nicht für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat des BF in einigen Bereichen als problematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl auch Art3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter §8 Abs1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Der BF machte keine konkreten Anhaltspunkte geltend, die für die Annahme einer realen Gefahr einer dem Art3 EMRK widersprechenden Behandlung stehen würden. Der BF ist eine erwachsene und arbeitsfähige Person, welcher über Schulbildung und Arbeitserfahrung verfügt. Der BF beherrscht die Amtssprache Arabisch auf Muttersprachenniveau und es spricht nichts gegen die Annahme, dass er in der Lage sein wird, im Herkunftsstaat durch Erwerbstätigkeiten, wenn auch nur Gelegenheitsarbeiten, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Hinzu kommt, dass der BF nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in Bagdad in Form von Mutter und Geschwister verfügt, welche ihn bei seiner Rückkehr sowohl wirtschaftlich als auch sozial unterstützen können.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, konkret in Bagdad, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt trotz an sich noch angespannter Versorgungslage und beeinträchtigter Infrastruktur, nicht vor.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass der BF den im Bescheid enthaltenen Feststellungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in den Irak nicht substantiiert entgegengetreten ist und er in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit er durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

Auch im Hinblick auf die weltweite Ausbreitung des COVID-19 Virus kann unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportierten Entwicklungen auch im Irak bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die diesbezüglich eine Gefährdung nach Art3 EMRK erkennen lässt. Unabhängig davon liegen sowohl im Hinblick auf das Alter als auch den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte vor, wonach er bei einer allfälligen COVID-19 Infektion zu einer Hoch-Risikogruppe zählen würde.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen."

4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des BVG BGBl 390/1973) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Durch den Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer hinsichtlich seines Fluchtvorbringens, er sei vom Islamischen Staat entführt worden, weil er Alkohol getrunken habe und sich mit einer Frau verabreden habe wollen, die Glaubwürdigkeit abspreche, widerspreche es den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten, wonach insbesondere in der Heimatregion des Beschwerdeführers, Salah-ad-Din, der Islamische Staat für zahlreiche Fälle von Übergriffen und Erpressung von Einheimischen verantwortlich sei. Weiters würden Feststellungen zum Heimatort des Beschwerdeführers sowie die Beurteilung, ob dem Beschwerdeführer eine Rückkehr dorthin möglich sei, fehlen, weswegen das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt habe. Zudem habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, eine ordnungsgemäße Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative durchzuführen. Für den Fall, dass es sich bei den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts um die Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative handle, sei diese mangelhaft durchgeführt worden und habe das Bundesverwaltungsgericht aktenwidrige Tatsachen in die Prüfung miteinbezogen. Darüber hinaus habe das Bundesverwaltungsgericht sein Erkenntnis mit Willkür belastet, indem es sich mit vorgelegten Beweismitteln nicht befasst habe und darauf verwiesen habe, dass im Irak jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung zu beschaffen sei sowie durch den Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass die sunnitische Konfession keine Verfolgungssituation begründen würde. Weiters habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen festzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht in seine Heimatregion zurückkehren könne, da diese vom Islamischen Staat kontrolliert werde und dem Beschwerdeführer deswegen die reale Gefahr der Verletzung seiner durch Art2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe. Zudem verletze die getroffene Rückkehrentscheidung Art8 EMRK, da sich der Beschwerdeführer seit fünf Jahren in Österreich befinde und hervorragend integriert sei.

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise richtet, ist sie begründet:

2.1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass der Beschwerdeführer aus Salah ad Din, Distrikt Ad-Dawr, stammt und er bis zu seiner Ausreise dort aufhältig war. Es lässt jedoch Feststellungen zur konkreten Herkunftsregion und zur Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Rückkehr dorthin möglich ist bzw ob eine konkrete innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die ihm eine Einreise und einen Aufenthalt in einer Weise, die den Anforderungen des Art3 EMRK Rechnung trägt, vermissen.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes beinhaltet lediglich Feststellungen und rechtliche Beurteilungen zur Lage in Bagdad. Dies ist insbesondere deswegen nicht nachvollziehbar, da der Beschwerdeführer nicht aus Bagdad stammt und nicht angegeben hat, jemals in Bagdad gelebt zu haben. Sofern die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes so zu verstehen sein sollten, dass es den Beschwerdeführer auf eine innerstaatliche Fluchtalternative verweisen wolle, ist dies nicht zielführend: Das Erkenntnis benennt nämlich keine konkrete innerstaatliche Fluchtalternative. Zudem zieht das Bundesverwaltungsgericht in seiner diesbezüglichen rechtlichen Beurteilung aktenwidrige Umstände hinsichtlich des Aufenthaltsortes der Mutter sowie der Geschwister des Beschwerdeführers heran. So wird festgestellt, dass die Mutter sowie die Geschwister des Beschwerdeführers in Suleimania leben. In der rechtlichen Beurteilung wird hingegen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in Bagdad in Form von Mutter und Geschwister verfügt, welche ihn bei seiner Rückkehr sowohl wirtschaftlich als auch sozial unterstützen können.

2.3. Da es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen hat, sich mit der aktuellen Lage in jener Region auseinanderzusetzen, aus welcher der Beschwerdeführer stammt bzw die als innerstaatliche Fluchtalternative fungieren soll, und diese in der Begründung des Erkenntnisses mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Beziehung zu setzen, hat das Bundesverwaltungsgericht Willkür geübt (zu diesen Anforderungen in den Irak betreffenden Fällen vgl VfSlg 20.140/2017; 20.141/2017; VfGH 9.6.2017, E566/2017; 11.6.2018, E2776/2017 und E4317/2017; 26.2.2019, E4766/2018; 28.11.2019, E2551/2019; 26.6.2020, E1389/2020).

2.4. Soweit sich das Erkenntnis auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – auf die Zulässigerklärung der Rückkehrentscheidung bzw der Abschiebung in den Herkunftsstaat Irak unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise bezieht, ist es somit mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.

Im weiteren Verfahren wird das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer – vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte – die Möglichkeit zu einer Stellungnahme in Bezug auf die Folgen seiner Rückkehr in seine Heimatregion bzw eine konkret angenommene innerstaatliche Fluchtalternative einzuräumen haben (vgl VfGH 9.6.2016, E389/2016).

3. Im Übrigen (also soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Ein solcher Fall liegt vor, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall aber nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Asylstatus richtet, abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

III. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer zweiwöchigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen und diese gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießt. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– enthalten.

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