E3131/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Beschluss im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 Abs1 B VG verletzt worden.
Der Beschluss wird aufgehoben.
II. Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Das Land Tirol leitete 2019 als öffentlicher Auftraggeber einen wettbewerblichen Dialog zum "Neubau MCI Campus" ein, im Zuge dessen an eine unbegrenzte Anzahl von möglichen Bietern die Einladung zur Erstattung von Teilnahmeanträgen erging. Diese Einladung wurde am 24. Dezember 2019 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht. Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge endete am 30. Jänner 2020, zu welchem Zeitpunkt insgesamt achtunddreißig Interessenten Teilnahmeanträge von der Vergabeplattform abgerufen hatten. Mehr als drei Interessenten hatten sodann auch Teilnahmeanträge gestellt.
2. Geplant war die Vergabe eines Bauauftrages im Oberschwellenbereich mit einem geschätzten Nettoauftragsvolumen von 103 Millionen Euro. Der Zuschlag sollte an das wirtschaftlich und technisch günstigste Angebot (Bestbieterprinzip) erteilt werden, wobei die Vergabe eines sogenannten "Totalunternehmervertrages" geplant war.
3. Mit Schriftsatz vom 22. Jänner 2020 beantragte die antragstellende Bewerbergemeinschaft, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes gemäß §§1175 ff. ABGB (in der Folge: Beschwerdeführer), beim Landesverwaltungsgericht Tirol die Nachprüfung der vom Auftraggeber durchgeführten Aufforderung zur Teilnahme im wettbewerblichen Dialog "Neubau MCI Campus" und stellte einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Bewerbergemeinschaft der Beschwerdeführer bestehe, so das Vorbringen der Beschwerdeführer, aus Ziviltechnikern und einem Zivilingenieur für Bauwesen mit der Berechtigung zu ausführenden Tätigkeiten, der diese Befugnis vor 1994 auf Basis des Ziviltechnikergesetzes 1957 (in der Folge: ZTG 1957) erhalten habe. Diese Zivilingenieurbefugnis auf Basis des ZTG 1957 stehe einer Baumeisterbefugnis für Hochbau gleich. Aus den Bestimmungen des §5 Abs3 ZTG 1957 und des §117 Abs1 und 2 ZTG 2019 ergebe sich daher, dass die Beschwerdeführer zur Legung eines Gesamtangebotes berechtigt seien und der Viertbeschwerdeführer (Zivilingenieur für Bauwesen mit der Berechtigung zu ausführenden Tätigkeiten) zudem berechtigt sei, gemeinsam mit den anderen drei Beschwerdeführern aufzutreten.
4. Am 3. Februar 2020 erließ das Landesverwaltungsgericht Tirol die begehrte einstweilige Verfügung.
5. Mit Beschluss vom 4. Juni 2020 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurück, hob die einstweilige Verfügung auf, wies den Antrag auf Zuerkennung des Ersatzes von Gebühren ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß §23 Abs1 ZTG 2019 Ziviltechniker nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zum ausschließlichen Zweck dauernder Ausübung des Ziviltechnikerberufes jegliche Art von Personen- und Kapitalgesellschaften des Unternehmensrechtes bilden dürften, die in das Firmenbuch eingetragen werden können. Gemäß §23 Abs2 ZTG 2019 übten Ziviltechnikergesellschaften selbst den Beruf des Ziviltechnikers aus. Gemäß §23 Abs3 ZTG 2019 sei die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit Gewerbetreibenden nur zulässig, wenn diese zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt seien. Eine solche Gesellschaft unterliege nicht den Bestimmungen dieses Abschnittes. Damit sei in §23 Abs3 ZTG 2019 das sogenannte "Koalitionsverbot" normiert, das bereits im ZTG 1993 bestanden habe. Eine Arbeitsgemeinschaft von Ziviltechnikern mit Personen, die zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt seien (Baumeistern), sei somit nur dann zulässig, wenn die Befugnis des Baumeisters auf planende Tätigkeiten eingeschränkt sei. Würden ausführende und planende Leistungen gemeinsam ausgeschrieben, dürften infolge des "Koalitionsverbotes" gemäß §23 Abs3 ZTG 2019 das ausführende Unternehmen und der Ziviltechniker nicht als Bietergemeinschaft auftreten. Ein Ziviltechniker dürfe aber auch nicht alleine als Bieter (mit dem Bauunternehmer als Subunternehmer) auftreten, weil er keine ausführenden Leistungen übernehmen dürfe.
6. Gemeinsame Angebote einer Bietergemeinschaft von ausführenden Unternehmen und Ziviltechnikern oder das Angebot eines Ziviltechnikers, alleine Leistungen auszuführen, hätten daher die Ausscheidung des Angebotes zur Folge. Dies sei zwingend, weil dieser Mangel nicht behebbar sei, denn als Behebung käme nur eine Änderung der Zusammensetzung der Bietergemeinschaft nach Angebotslegung (oder – im zweistufigen Verfahren – nach Abgabe des Teilnahmeantrages) in Betracht, was aber nicht zulässig sei.
7. Die Bewerbergemeinschaft der Beschwerdeführer könne, nachdem sie gegen die eigenen berufsrechtlichen Bestimmungen des ZTG 2019 verstoße, keinen Zuschlag in diesem Verfahren erhalten. Den Beschwerdeführern könne somit auch kein Schaden entstanden sein und sie seien somit nicht aktivlegitimiert, einen Nachprüfungsantrag zu stellen.
8. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B VG, auf Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art83 Abs2 B VG, in eventu die Verletzung in Rechten wegen Anwendung der verfassungswidrigen gesetzlichen Bestimmung des §23 Abs3 ZTG 2019 vorgebracht wird. Im Wesentlichen moniert die Beschwerde, dass es denkunmöglich sei, dass die – nur aus Ziviltechnikern bestehende – Bewerbergemeinschaft der Beschwerdeführer gegen das in §23 Abs3 ZTG 2019 geregelte "Koalitionsverbot" nur deshalb verstoße, weil eines ihrer Mitglieder auf Grund seiner Ziviltechnikerbefugnis auch zu ausführenden Tätigkeiten berechtigt sei. Ziviltechniker seien sowohl nach dem Verständnis des ZTG 2019 als auch nach dem allgemeinen Rechtsverständnis keine Gewerbetreibenden, sodass das Koalitionsverbot schon nach dem Wortlaut des §23 Abs3 ZTG 2019 auf die Bewerbergemeinschaft der Beschwerdeführer nicht anzuwenden sei (vgl §1, §3 Abs5 ZTG 2019). Auch eine verfassungsrechtliche Auslegung der Begriffe "Ziviltechniker" und "Gewerbetreibender" mache klar, dass Ziviltechniker keine Gewerbetreibenden seien; so regle Art10 Abs1 Z8 B VG zum einen den Kompetenztatbestand der "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" und zum anderen den des "Ingenieur- und Ziviltechnikerwesens". Auch sei keine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss der Ziviltechniker bei einer Totalunternehmerausschreibung gegeben, die zu einem nicht unwesentlichen Teil auch Planungsleistungen zum Inhalt habe.
Weiters verstoße §23 Abs3 ZTG 2019 gegen Art25 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, denn der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung vom 29. Juli 2019, Rs C 209/18, Kommission/Österreich , die Republik Österreich unter anderem wegen des in der Vorgängerbestimmung gleichlautenden Koalitionsverbotes (§21 Abs3 ZTG 1993, BGBl 156/1994, idF BGBI I 50/2016) verurteilt.
9. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat im Zuge des Vorverfahrens die Gerichtsakten vorgelegt, jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
10. Das Land Tirol hat als mitbeteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der es sich im Wesentlichen den Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol angeschlossen hat.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Vergabenachprüfungsgesetzes 2018 – Tir TVNG 2018, LGBl 94/2018, lauten auszugsweise wie folgt:
"§3
Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts
(1) Das Landesverwaltungsgericht ist auf Antrag zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (3. Abschnitt), zur Erlassung von einstweiligen Verfügungen (4. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (5. Abschnitt) nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Abschnitte zuständig. Derartige Anträge sind unmittelbar beim Landesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Erteilung des Zuschlages bzw bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens bzw eines Konzessionsvergabeverfahrens ist das Landesverwaltungsgericht zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen das BVergG 2018 sowie das BVergGKonz 2018 und die zu diesen Gesetzen erlassenen Verordnungen oder gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
[…]
§9
Einleitung des Nachprüfungsverfahrens; Schlichtungsversuch
(1) Ein Unternehmer kann bis zur Erteilung des Zuschlages bzw bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens bzw Konzessionsvergabeverfahrens die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren bzw Konzessionsvergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, wenn
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Geltungsbereich des BVergG 2018 bzw des BVergGKonz 2018 unterliegenden Vertrages behauptet und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
[…]
§14
Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers
(1) Das Landesverwaltungsgericht hat eine im Zug eines Vergabeverfahrens bzw Konzessionsvergabeverfahrens ergangene, gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens bzw Konzessionsvergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
(2) Als Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen kommt insbesondere auch die Streichung von für Unternehmer diskriminierenden Anforderungen hinsichtlich technischer Leistungsmerkmale in einem Vergabeverfahren bzw hinsichtlich der technischen und funktionellen Anforderungen in einem Konzessionsvergabeverfahren sowie hinsichtlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Leistungsfähigkeit in der Ausschreibung in Betracht.
(3) Erklärt das Landesverwaltungsgericht eine gesondert anfechtbare Entscheidung für nichtig, so ist der Auftraggeber verpflichtet, in dem betreffenden Vergabeverfahren bzw Konzessionsvergabeverfahren mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Landesverwaltungsgerichts entsprechenden Rechtszustand herzustellen."
2. Die maßgebliche Bestimmung des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1957 über die staatlich befugten und beeideten Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure – ZTG 1957, BGBl 146/1957, lautete auszugsweise:
"Inhalt und Umfang der Befugnisse.
§5
[…]
(2) Die Berechtigungen umfassen für:
[…]
C. Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure für:
a) Bauwesen: das gesamt Fachgebiet, insbesondere Straßen , Wasser , Brücken , Tunnel , Eisenbahn , Seilbahn- und Tiefbauten, konstruktiver Hochbau und Industriebau, ferner die mit diesen Bauten in Verbindung stehenden anderweitigen baulichen Herstellungen sowie einfache maschinelle und elektrotechnische Einrichtungen, mit Ausnahme solcher, deren Spannungen 250 Volt gegen Erde überschreitet;
[…]
(3) Zivilingenieure sind überdies im Rahmen ihrer Fachgebiete (Abs2) zu einer ausführenden Tätigkeit berechtigt. Die Zivilingenieure für Bauwesen sind auch zur Ausführung von Hochbauten berechtigt.
(4) Für alle Zivilingenieure gelten bei ihrer ausführenden Tätigkeit sinngemäß die Beschränkungen, die für Baumeister hinsichtlich der Verwendung von befugten Gewerbeinhabern, insbesondere nach den Bestimmungen des Baugewerbegesetzes, RGBl Nr 193/1893, bestehen."
3. Die maßgeblichen Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 1993 – ZTG 1993, BGBl 156/1994, idF BGBI I 50/2016, lauteten:
"§4.
(1) Ziviltechniker sind, sofern bundesgesetzlich nicht eine besondere Berechtigung gefordert wird, auf dem gesamten, von ihrer Befugnis umfassten Fachgebiet zur Erbringung von planenden, prüfenden, überwachenden, beratenden, koordinierenden, mediativen und treuhänderischen Leistungen, insbesondere zur Vornahme von Messungen, zur Erstellung von Gutachten, zur berufsmäßigen Vertretung vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts, zur organisatorischen und kommerziellen Abwicklung von Projekten, ferner zur Übernahme von Gesamtplanungsaufträgen, sofern wichtige Teile der Arbeiten dem Fachgebiet des Ziviltechnikers zukommen, berechtigt.
(2) Unbeschadet der den Gewerbetreibenden zustehenden Rechte sind von den Ziviltechnikern berechtigt:
a) die Architekten zur Planung von Projekten ihres Fachgebietes, insbesondere von Monumentalbauten, Theatern, Festhallen, Ausstellungsgebäuden, Museumsbauten, Kirchen, Schulen und Spitälern des Bundes, der Länder und Gemeinden, sofern sie vom künstlerischen, kulturellen oder vom sozialen Standpunkt von Bedeutung sind;
b) die Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen zur Verfassung von Teilungsplänen zur katastralen und grundbücherlichen Teilung von Grundstücken und von Lageplänen zur grundbücherlichen Abschreibung ganzer Grundstücke, zu Grenzermittlungen nach dem Stande der Katastralmappe oder auf Grund von Urkunden, einschließlich Vermarkung und Verfassung von Plänen zur Bekanntgabe von Fluchtlinien;
c) die Ingenieurkonsulenten für Markscheidewesen zur Feststellung der Begrenzungen von Grubenmaßen, Überscharen, Gewinnungsfeldern, Grundstücken, auf die sich ein genehmigter Gewinnungsbetriebsplan für grundeigene mineralische Rohstoffe bezieht oder Speicherfelder sowie zur Ersichtlichmachung derartiger Begrenzungen in der Natur, soferne dies nicht im Widerspruch zu litb steht.
(3) Ziviltechniker sind mit öffentlichem Glauben versehene Personen gemäß §292 der Zivilprozeßordnung, RGBl Nr 113/1895, in der jeweils geltenden Fassung. Die von ihnen im Rahmen ihrer Befugnis ausgestellten öffentlichen Urkunden werden von den Verwaltungsbehörden in derselben Weise angesehen, als wenn diese Urkunden von Behörden ausgefertigt wären. Von solchen Urkunden können im Falle ihrer elektronischen Errichtung auch Ausfertigungen auf Papier, im Falle ihrer Errichtung auf Papier auch elektronische Ausfertigungen hergestellt werden.
(4) Ziviltechniker sind im Rahmen ihrer Fachgebiete zu keiner ausführenden Tätigkeit berechtigt.
(5) Die zur Berufsausübung der Ziviltechniker zählenden Tätigkeiten unterliegen nicht der Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974, in der jeweils geltenden Fassung. Berechtigungen anderer Personen, die sich aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften über berufliche Rechte, insbesondere aus der Gewerbeordnung 1973, BGBl Nr 50/1974, in der jeweils geltenden Fassung, ergeben, werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt.
[…]
Gesellschaftszweck
§21.
(1) Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dürfen Ziviltechniker zum ausschließlichen Zweck dauernder Ausübung des Ziviltechnikerberufes offene Gesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften mit eigener, vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit verliehener Befugnis bilden (Ziviltechnikergesellschaften).
(2) Ziviltechnikergesellschaften üben selbst den Beruf des Ziviltechnikers aus.
(3) Die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit Gewerbetreibenden ist nur zulässig, wenn diese zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt sind. Eine solche Gesellschaft unterliegt nicht den Bestimmungen des 2. Abschnittes dieses Bundesgesetzes."
4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 2019 – ZTG 2019, BGBl I 29/2019, lauten auszugsweise:
"Begriff
§1
(1) Ziviltechniker sind natürliche Personen, die auf ingenieurwissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Fachgebieten aufgrund einer staatlich verliehenen Befugnis freiberuflich tätig sind.
(2) Ziviltechnikerberufe sind folgende Berufe:
1.Architekt und
2.Ingenieurkonsulent.
[…]
Berechtigungsumfang
§3.
(1) Ziviltechniker sind, sofern bundesgesetzlich nicht eine besondere Berechtigung gefordert wird, auf dem gesamten, von ihrer Befugnis umfassten Fachgebiet zur Erbringung von planenden, prüfenden, überwachenden, beratenden, koordinierenden, mediativen und treuhänderischen Leistungen, insbesondere zur Vornahme von Messungen, zur Erstellung von Gutachten, zur beruft mäßigen Vertretung vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts, zur organisatorischen und kommerziellen Abwicklung von Projekten, ferner zur Übernahme von Gesamtplanungsaufträgen, sofern wichtige Teile der Arbeiten dem Fachgebiet des Ziviltechnikers zukommen, berechtigt.
(2) Unbeschadet der den Gewerbetreibenden zustehenden Rechte sind von den Ziviltechnikern berechtigt:
1. die Architekten zur Planung von Projekten ihres Fachgebietes, insbesondere von Monumentalbauten, Theatern, Festhallen, Ausstellungsgebäuden, Museumsbauten, Kirchen, Schulen und Spitälern des Bundes, der Länder und Gemeinden, sofern sie vom künstlerischen, kulturellen oder vom sozialen Standpunkt von Bedeutung sind,
2. die Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen zur Verfassung von Teilungsplänen zur katastralen und grundbücherlichen Teilung von Grundstücken und von Lageplänen zur grundbücherlichen Abschreibung ganzer Grundstücke, zu Grenzermittlungen nach dem Stande der Katastralmappe oder aufgrund von Urkunden, einschließlich Vermarkung und Verfassung von Plänen zur Bekanntgabe von Fluchtlinien und
3. die Ingenieurkonsulenten für Markscheidewesen zur Feststellung der Begrenzungen von Grubenmaßen, Überscharen, Gewinnungsfeldern, Grundstücken, auf die sich ein genehmigter Gewinnungsbetriebsplan für grundeigene mineralische Rohstoffe bezieht oder Speicherfelder sowie zur Ersichtlichmachung derartiger Begrenzungen in der Natur, sofern dies nicht im Widerspruch zu Z2 steht,
(3) Ziviltechniker sind mit öffentlichem Glauben versehene Personen. Für die von ihnen im Rahmen ihrer Befugnis ausgestellten Urkunden gilt §292 der Zivilprozessordnung, BGBl Nr 113/1895. Die von ihnen im Rahmen ihrer Befugnis ausgestellten öffentlichen Urkunden werden von den Verwaltungsbehörden in derselben Weise angesehen, als wenn diese Urkunden von Behörden ausgefertigt wären.
(4) Ziviltechniker sind im Rahmen ihrer Fachgebiete zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt.
(5) Die zur Berufsausübung der Ziviltechniker zählenden Tätigkeiten unterliegen nicht der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194/1994.
(6) Durch dieses Bundesgesetz werden Berechtigungen anderer Personen, die sich aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften über berufliche Rechte ergeben, nicht berührt.
[…]
Gesellschaftszweck
§23
(1) Nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dürfen Ziviltechniker zum ausschließlichen Zweck dauernder Ausübung des Ziviltechnikerberufes jegliche Art von Personen- und Kapitalgesellschaften des Unternehmensrechts, die in das Firmenbuch eingetragen werden können, bilden.
(2) Ziviltechnikergesellschaften üben selbst den Beruf des Ziviltechnikers aus.
(3) Die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes mit Gewerbetreibenden ist nur zulässig, wenn diese zu ausführenden Tätigkeiten nicht berechtigt sind. Eine solche Gesellschaft unterliegt nicht den Bestimmungen dieses Abschnittes.
[…]
Übergangsbestimmungen
§117
(1) Die vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes verliehenen Befugnisse bleiben in dem zum Zeitpunkt der Verleihung bestandenen Berechtigungsumfang aufrecht.
(2) Insbesondere sind Personen, denen gemäß dem Ziviltechnikergesetz, BGBl Nr 146/1957 die Befugnis eines Zivilingenieurs verliehen wurde, weiterhin zur Ausübung ihrer Befugnis während der Dauer eines privaten Dienstverhältnisses und zu ausführenden Tätigkeiten unter der Bezeichnung 'Zivilingenieur' berechtigt. Auf Grund bloßer Erklärung an die Ziviltechnikerkammer deren Mitglied sie sind, können Zivilingenieure für Hochbau zur Ausübung der Befugnis eines Architekten, alle übrigen Zivilingenieure zur Ausübung der Befugnis eines Ingenieurkonsulenten auf dein gleichen Fachgebiet übergehen. […]"
5. Die maßgebliche Bestimmung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt lautet:
"Artikel 25
Multidisziplinäre Tätigkeiten
(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Dienstleistungserbringer keinen Anforderungen unterworfen werden, die sie verpflichten, ausschließlich eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, oder die die gemeinschaftliche oder partnerschaftliche Ausübung unterschiedlicher Tätigkeiten beschränken.
Jedoch können folgende Dienstleistungserbringer solchen Anforderungen unterworfen werden:
a) Angehörige reglementierter Berufe, soweit dies gerechtfertigt ist, um die Einhaltung der verschiedenen Standesregeln im Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Berufe sicherzustellen und soweit dies nötig ist, um ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu gewährleisten;
b) Dienstleistungserbringer, die Dienstleistungen auf dem Gebiet der Zertifizierung, der Akkreditierung, der technischen Überwachung oder des Versuchs- oder Prüfwesens erbringen, wenn dies zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erforderlich ist.
(2) Sofern multidisziplinäre Tätigkeiten zwischen den in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Dienstleistungserbringern erlaubt sind, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass
a)Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten zwischen bestimmten Tätigkeiten vermieden werden;
b)die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, die bestimmte Tätigkeiten erfordern, gewährleistet sind;
c)die Anforderungen der Standesregeln für die verschiedenen Tätigkeiten miteinander vereinbar sind, insbesondere im Hinblick auf das Berufsgeheimnis.
(3) Die Mitgliedstaaten nennen in dem in Artikel 39 Absatz 1 genannten Bericht die Dienstleistungserbringer, die den Anforderungen gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels unterworfen sind, ferner den Inhalt dieser Anforderungen und die Gründe, aus denen sie diese für gerechtfertigt halten."
6. Die maßgebliche Bestimmung der Richtlinie 89/665/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge lautet auszugsweise:
"Artikel 1
[…]
(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw zu entstehen droht. […]"
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) unter anderem dann vor, wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001). Ein solches willkürliches Verhalten liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage (zB VfSlg , , , ).
3. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Tirol unterlaufen:
3.1. Mit seinem Urteil vom 29. Juli 2019, Rs C 209/18, Kommission/Österreich , hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art14 Nr 1, 15 Abs1 und Abs2 Buchst. b und c und Abs3 sowie Art25 der RL 2006/123/EG verstoßen habe, dass sie – unter anderem – Anforderungen an die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Ziviltechnikergesellschaften sowie die Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Ziviltechnikergesellschaften aufrechterhält (vgl insbesondere Rz 122 124 des Urteils).
3.2. Im vorliegenden Fall wurde der Nachprüfungsantrag der Beschwerdeführer samt Eventualanträgen mangels Antragslegitimation gemäß §23 Abs3 ZTG 2019 als unzulässig zurückgewiesen. Bei dieser Bestimmung handelt es sich um die inhaltsgleiche Nachfolgebestimmung des vom Gerichtshof der Europäischen Union bereits für unionsrechtswidrig erachteten §21 Abs3 ZTG 1993. Eine Auseinandersetzung mit dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 29. Juli 2019, Rs C 209/18, Kommission/Österreich , erfolgte im angefochtenen Beschluss jedoch nicht.
3.3. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat daher dem angefochtenen Beschluss innerstaatliche Vorschriften zugrunde gelegt, die offenkundig dem Unionsrecht widersprechen und deren Anwendung der Anwendungsvorrang unmittelbar anwendbaren Unionsrechts ebenso offenkundig entgegensteht (siehe VwGH 18.2.2020, Ra 2019/11/0195; 26.2.2020, Ra 2020/11/0004 mwN). Eine derartige Rechtsanwendung ist einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhalten, die mit den Vorgaben des gleichheitsrechtlichen Willkürverbotes nicht zu vereinbaren ist, weshalb die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach Art7 B VG verletzt wurden (vgl zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts auch VfSlg 15.448/1999, 19.661/2012; VfGH 27.11.2019, E2047/2019).
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführer sind somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
2. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.