KI18/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Sachverhalt und Vorverfahren
1. Mit dem vorliegenden, auf Art138 Abs1 Z2 B VG und §46 Abs1 Z2 VfGG gestützten Antrag begehren die Antragsteller die Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bezirksgericht Mödling und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
2. Dem Begehren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
2.1. Mit Beschluss vom 27. März 2017 entzog das Bezirksgericht Bruck an der Leitha der Mutter des minderjährigen Kindes *** die Obsorge für dieses und übertrug sie dem Kinder- und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha).
2.2. Mit als "Vollmacht" bezeichneter Erledigung vom 10. April 2017 "beauftragte" die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha "als regionale Organisationseinheit des Landes NÖ als Kinder- und Jugendhilfeträger und Inhaber der Obsorge" die nunmehrigen Antragsteller mit der "Ausübung der Pflege und Erziehung" des Kindes.
2.3. Nach Eingang anonymer Meldungen übermittelte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha den Antragstellern das folgende Schreiben vom 4. Juni 2019 (ohne Hervorhebungen im Original):
"Sehr geehrte Frau ***!
Sehr geehrter Herr ***!
Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha als zuständige regionale Organisationseinheit des Landes NÖ als Kinder- und Jugendhilfeträger und Inhaberin der Obsorge für den minderjährigen ***, geb. ***, hat Sie mittels Vollmacht vom 10.4.2017 mit der Ausübung der Pflege und Erziehung für das Kind beauftragt.
Im Rahmen der Pflegeaufsicht wurde seitens der Bezirkshauptmannschaft Mödling, sowie des Vereins *** eine mögliche Kindeswohlgefährdung festgestellt.
Zur stationären Abklärung wird der Auftrag erteilt das
Pflegekind ***
am 06.06.2019 bis 10:00 Uhr
zu *** nach ***
zu bringen.
Sollten Sie diesem Auftrag nicht nachkommen wird Ihnen die Vollmacht zur Ausübung von Pflege und Erziehung für ***, geboren am *** seitens der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha sofort entzogen und das Kind aus Ihrem Haushalt genommen."
2.4. Gegen dieses, von den Antragstellern als Bescheid gewertete Schreiben erhoben sie durch ihren Rechtsanwalt am 6. Juni 2019 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und teilten gleichzeitig mit, dass das Pflegekind mit ihnen am 6. Juni 2019 nach Italien fahren werde.
2.5. Mit als "Widerruf der Vollmacht" bezeichnetem, per Telefax zugestellten Schreiben vom 6. Juni 2019 widerrief die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha "als regionale Organisationseinheit des Landes NÖ als Kinder- und Jugendhilfeträger und Inhaber der Obsorge" die den Antragstellern mit Erledigung vom 10. April 2017 erteilte Vollmacht mit sofortiger Wirkung und erteilte den Auftrag, das Kind bis 6. Juni 2019, 14.00 Uhr, zur Bezirkshauptmannschaft Mödling zu bringen und dort einer näher genannten Fachkraft – bei sonstiger Strafanzeige – zu übergeben.
2.6. Am 6. Juni 2019 nahmen Organe der von der obsorgeberechtigten Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha im Amtshilfeweg beigezogenen Bezirkshauptmannschaft Mödling im Beisein von (gestützt auf §162 Abs1 zweiter Satz ABGB beigezogenen) Organen der Bundespolizei um 16.00 Uhr den Antragstellern das Pflegekind ab.
2.7. Gegen dieses – von den Antragstellern als Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gewertete – Verwaltungshandeln vom 6. Juni 2019 (oben 2.6.) erhoben die Antragsteller am 7. Juni 2019 Maßnahmenbeschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, das diese mit Beschluss vom 25. Juni 2019 als unzulässig zurückwies; begründend führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aus, dass der angefochtene Akt nicht der Hoheitsverwaltung zuzurechnen, sondern privatrechtliches Handeln des Kinder- und Jugendhilfeträgers (Hinweis auf VfSlg 11.492/1987) gewesen sei.
2.8. Gegen diesen zurückweisenden Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 25. Juni 2019 erhoben die Antragsteller eine auf Art144 B VG gestützte, zu E2458/2019 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
2.9. In der Folge begehrten die Antragsteller mit "Antrag" vom 4. Juli 2017 unter Bezugnahme auf §107a AußStrG und §211 ABGB vom Bezirksgericht Mödling die beschlussmäßige Feststellung, die "zwangsweise Abnahme des Pflegekindes und seine Unterbringung im Heim *** war und ist unzulässig", sowie die Erlassung des Auftrages zur Rückgabe des Pflegekindes an die Antragsteller als Pflegeeltern.
2.10. Mit Beschluss vom 5. Juli 2019, 7 Ps 124/17t 28, wies das Bezirksgericht Mödling diesen Antrag als unzulässig zurück. Begründend führte das Bezirksgericht Mödling aus, der Kinder- und Jugendhilfeträger handle bei der Vollziehung des NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetzes "als Organ der Verwaltung. Entzieht der Kinder- und Jugendhilfeträger den Pflegeeltern den Auftrag und verlangt die Herausgabe des Kindes, so tut er dies auf der Grundlage des Kinder und Jugendhilfe Gesetzes im Rahmen der Verwaltung. Eine Beschwerde gegen eine solche Maßnahme unterliegt nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Das Gericht hat wohl über Obsorgeanträge von Pflegeeltern zu entscheiden, allerdings nicht über verwaltungsbehördliche Maßnahmen des Kinder- und Jugendhilfeträgers."
2.11. Dieser Beschluss des Bezirksgerichtes Mödling wurde durch Beschluss des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 22. August 2019 bestätigt; der Oberste Gerichtshof wies den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss vom 24. Oktober 2019 mangels der Voraussetzungen des §62 Abs1 AußStrG zurück.
2.12. Das Bezirksgericht Mödling legte den Gerichtsakt vor und sah von der Erstattung einer Äußerung ab. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich legte den verwaltungsgerichtlichen Akt (im zu E2458/2019 protokollierten Verfahren) vor und sah ebenfalls von der Erstattung einer Äußerung ab.
II. Rechtslage
1. Die §§137, 139 Abs1, 158 Abs1, 160, 162, 167 Abs2, 177, 181, 184, 185, 204 und die §§207 bis 213 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB), JGS 946/1811 idF BGBl I 15/2013 (§§137, 139, 160, 162, 167, 177, 184, 204) bzw idF BGBl I 59/2017 (§§158, 181, 185, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213), laute(te)n wie folgt:
"Drittes Hauptstück
Rechte zwischen Eltern und Kindern
Erster Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Allgemeine Grundsätze
§137. (1) Eltern und Kinder haben einander beizustehen und mit Achtung zu begegnen. Die Rechte und Pflichten des Vaters und der Mutter sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, gleich.
(2) Eltern haben das Wohl ihrer minderjährigen Kinder zu fördern, ihnen Fürsorge, Geborgenheit und eine sorgfältige Erziehung zu gewähren. Die Anwendung jeglicher Gewalt und die Zufügung körperlichen oder seelischen Leides sind unzulässig. Soweit tunlich und möglich sollen die Eltern die Obsorge einvernehmlich wahrnehmen.
[…]
§139. (1) Dritte dürfen in die elterlichen Rechte nur insoweit eingreifen, als ihnen dies durch die Eltern selbst, unmittelbar auf Grund des Gesetzes oder durch eine behördliche Verfügung gestattet ist.
[…]
Vierter Abschnitt
Obsorge
Inhalt der Obsorge
§158. (1) Wer mit der Obsorge für ein minderjähriges Kind betraut ist, hat es zu pflegen und zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen.
[…]
Pflege, Erziehung und Bestimmung des Aufenthalts des Kindes
§160. (1) Die Pflege des minderjährigen Kindes umfasst besonders die Wahrnehmung des körperlichen Wohles und der Gesundheit sowie die unmittelbare Aufsicht, die Erziehung besonders die Entfaltung der körperlichen, geistigen, seelischen und sittlichen Kräfte, die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes sowie dessen Ausbildung in Schule und Beruf.
(2) Das Ausmaß der Pflege und Erziehung richtet sich nach den Lebensverhältnissen der Eltern.
(3) Die Eltern haben in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung auch auf den Willen des Kindes Bedacht zu nehmen, soweit dem nicht dessen Wohl oder ihre Lebensverhältnisse entgegenstehen. Der Wille des Kindes ist umso maßgeblicher, je mehr es den Grund und die Bedeutung einer Maßnahme einzusehen und seinen Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen vermag.
[…]
§162. (1) Soweit die Pflege und Erziehung es erfordern, hat der hierzu berechtigte Elternteil auch das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Hält sich das Kind woanders auf, so haben die Behörden und Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf Ersuchen eines berechtigten Elternteils bei der Ermittlung des Aufenthalts, notfalls auch bei der Zurückholung des Kindes mitzuwirken.
(2) Haben die Eltern vereinbart oder das Gericht bestimmt, welcher der obsorgeberechtigten Elternteile das Kind hauptsächlich in seinem Haushalt betreuen soll, so hat dieser Elternteil das alleinige Recht, den Wohnort des Kindes zu bestimmen.
(3) Ist nicht festgelegt, in wessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut werden soll, so darf der Wohnort des Kindes nur mit Zustimmung beider Elternteile oder Genehmigung des Gerichts in das Ausland verlegt werden. Das Gericht hat bei der Entscheidung über die Genehmigung sowohl das Kindeswohl zu beachten als auch die Rechte der Eltern auf Schutz vor Gewalt, Freizügigkeit und Berufsfreiheit zu berücksichtigen.
[…]
Gesetzliche Vertretung des Kindes
§167. […]
(2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, den Eintritt in eine Kirche oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen, die Übergabe in fremde Pflege, den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche, die vorzeitige Lösung eines Lehr , Ausbildungs- oder Dienstvertrags und die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken.
[…]
Obsorge der Eltern
§177. (1) Beide Elternteile sind mit der Obsorge betraut, wenn sie zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes miteinander verheiratet sind. Gleiches gilt ab dem Zeitpunkt der Eheschließung, wenn sie einander nach der Geburt des Kindes heiraten.
(2) Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so ist allein die Mutter mit der Obsorge betraut. Die Eltern können aber vor dem Standesbeamten persönlich und unter gleichzeitiger Anwesenheit nach einer Belehrung über die Rechtsfolgen einmalig bestimmen, dass sie beide mit der Obsorge betraut sind, sofern die Obsorge nicht bereits gerichtlich geregelt ist. Die Bestimmung wird wirksam, sobald beide Eltern persönlich vor dem Standesbeamten übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben. Innerhalb von acht Wochen ab ihrer Wirksamkeit kann die Bestimmung ohne Begründung durch einseitige Erklärung eines Elternteils gegenüber dem Standesbeamten widerrufen werden. Vorher gesetzte Vertretungshandlungen bleiben davon unberührt.
(3) Die Eltern können weiters dem Gericht – auch in Abänderung einer bestehenden Regelung – eine Vereinbarung über die Betrauung mit der Obsorge vorlegen, wobei die Betrauung eines Elternteils allein oder beider Eltern vereinbart werden kann.
(4) Sind beide Elternteile mit der Obsorge betraut und leben sie nicht in häuslicher Gemeinschaft, so haben sie festzulegen, bei welchem Elternteil sich das Kind hauptsächlich aufhalten soll. Außerdem muss der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind hauptsächlich betreut wird, vorbehaltlich des §158 Abs2, mit der gesamten Obsorge betraut sein. Im Fall des Abs3 kann die Obsorge des Elternteils, in dessen Haushalt das Kind nicht hauptsächlich betreut wird, auf bestimmte Angelegenheiten beschränkt sein.
[…]
Entziehung oder Einschränkung der Obsorge
§181. (1) Gefährden die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes, so hat das Gericht, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung des Wohles des Kindes nötigen Verfügungen zu treffen. Besonders darf das Gericht die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise, auch gesetzlich vorgesehene Einwilligungs- und Zustimmungsrechte, entziehen. Im Einzelfall kann das Gericht auch eine gesetzlich erforderliche Einwilligung oder Zustimmung ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
(2) Solche Verfügungen können von einem Elternteil, etwa wenn die Eltern in einer wichtigen Angelegenheit des Kindes kein Einvernehmen erzielen, den sonstigen Verwandten in gerader aufsteigender Linie, den Pflegeeltern (einem Pflegeelternteil), dem Kinder- und Jugendhilfeträger und dem mündigen Minderjährigen, von diesem jedoch nur in Angelegenheiten seiner Pflege und Erziehung, beantragt werden. Andere Personen können solche Verfügungen anregen.
(3) Die gänzliche oder teilweise Entziehung der Pflege und Erziehung oder der Verwaltung des Vermögens des Kindes schließt die Entziehung der gesetzlichen Vertretung in dem jeweiligen Bereich mit ein; die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen kann für sich allein entzogen werden, wenn die Eltern oder der betreffende Elternteil ihre übrigen Pflichten erfüllen.
(4) Fordert das Gesetz die Einwilligung oder Zustimmung der mit Pflege und Erziehung betrauten Personen (Erziehungsberechtigten), so ist die Erklärung der mit der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich betrauten Person notwendig, aber auch hinreichend, sofern nicht Abweichendes bestimmt ist.
[…]
Pflegeeltern
§184. Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.
§185. (1) Das Gericht hat einem Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil).
(2) Sind die Eltern oder Großeltern mit der Obsorge betraut und stimmen sie der Übertragung nicht zu, so darf diese nur verfügt werden, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre.
(3) Die Übertragung ist aufzuheben, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Gleichzeitig hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes auszusprechen, auf wen die Obsorge übergeht.
(4) Das Gericht hat vor seiner Entscheidung die Eltern, den gesetzlichen Vertreter, weitere Erziehungsberechtigte, den Kinder- und Jugendhilfeträger und jedenfalls das bereits zehnjährige Kind zu hören. §196 Abs2 gilt sinngemäß.
[…]
Viertes Hauptstück
Von der Obsorge einer anderen Person
§204. Soweit nach dem dritten Hauptstück weder Eltern noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut sind oder betraut werden können und kein Fall des §207 vorliegt, hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes eine andere geeignete Person mit der Obsorge zu betrauen.
[…]
Aufgaben des Kinder- und Jugendhilfeträgers
§207. Wird ein minderjähriges Kind im Inland gefunden und sind dessen Eltern unbekannt, so ist kraft Gesetzes der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Obsorge betraut. Dies gilt für den Bereich der Vermögensverwaltung und der Vertretung auch, wenn ein Kind im Inland geboren wird und dessen unverheiratete Mutter minderjährig ist.
§208. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat, soweit es nach den Umständen geboten scheint, den gesetzlichen Vertreter eines im Inland geborenen Kindes innerhalb angemessener Frist nach der Geburt über die elterlichen Rechte und Pflichten, besonders über den Unterhaltsanspruch des Kindes, gegebenenfalls auch über die Feststellung der Vaterschaft, in Kenntnis zu setzen und ihm für die Wahrnehmung der Rechte des Kindes seine Hilfe anzubieten.
(2) Für die Festsetzung oder Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes sowie gegebenenfalls in Abstammungsangelegenheiten ist der Kinder- und Jugendhilfeträger Vertreter des Kindes, wenn die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.
(3) Für andere Angelegenheiten ist der Kinder- und Jugendhilfeträger Vertreter des Kindes, wenn er sich zur Vertretung bereit erklärt und die schriftliche Zustimmung des sonstigen gesetzlichen Vertreters vorliegt.
(4) Durch die Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers wird die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, jedoch gilt §169 sinngemäß. Der Kinder- und Jugendhilfeträger und der sonstige gesetzliche Vertreter haben einander über ihre Vertretungshandlungen in Kenntnis zu setzen.
(5) Die Vertretungsbefugnis des Kinder- und Jugendhilfeträgers endet, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter seine Zustimmung schriftlich widerruft, der Kinder- und Jugendhilfeträger seine Erklärung nach Abs3 zurücknimmt oder das Gericht den Kinder- und Jugendhilfeträger auf dessen Antrag als Vertreter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag.
§209. Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Kinder- und Jugendhilfeträger zu übertragen. Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist.
§210. (1) Die §213, 224, 228, 229 und 230 gelten für den Kinder- und Jugendhilfeträger nicht. Dieser ist vor der Anlegung des Vermögens eines Minderjährigen nur im Fall des §220 verpflichtet, die Zustimmung des Gerichtes einzuholen.
(2) Der Kinder- und Jugendhilfeträger bedarf zum Abschluß von Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen nicht der Genehmigung des Gerichtes. Vereinbarungen über die Leistung des Unterhalts eines Minderjährigen, die vor dem Kinder- und Jugendhilfeträger oder von ihm geschlossen und von ihm beurkundet werden, haben die Wirkung eines gerichtlichen Vergleiches.
(3) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat Personen, die ein Kind pflegen und erziehen oder gesetzlich vertreten, über seine Vertretungstätigkeit bezüglich dieses Kindes Auskünfte zu erteilen, soweit das Wohl des Kindes hiedurch nicht gefährdet wird.
§211. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen ist der Kinder- und Jugendhilfeträger vorläufig mit der Obsorge betraut.
(2) Eine einstweilige Verfügung nach den §§382b und 382e EO sowie deren Vollzug kann der Kinder- und Jugendhilfeträger als Vertreter des Minderjährigen beantragen, wenn der sonstige gesetzliche Vertreter einen erforderlichen Antrag nicht unverzüglich gestellt hat; §208 Abs4 gilt hiefür entsprechend.
§212. Sofern nicht anderes angeordnet ist, fallen die Aufgaben dem Bundesland als Kinder- und Jugendhilfeträger zu, in dem das minderjährige Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt, mangels eines solchen im Inland seinen Aufenthalt hat. Fehlt ein Aufenthalt im Inland, so ist, sofern das minderjährige Kind österreichischer Staatsbürger ist, für im Inland zu besorgende Aufgaben das Bundesland als Kinder- und Jugendhilfeträger zuständig, in dem der Minderjährige seinen letzten Aufenthalt gehabt hat, dann dasjenige, in dem ein Elternteil seinen Aufenthalt hat oder zuletzt gehabt hat. Wechselt das minderjährige Kind seinen Aufenthalt in ein anderes Bundesland, so kann der Kinder- und Jugendhilfeträger seine Aufgaben dem anderen mit dessen Zustimmung übertragen. Hievon ist das Gericht zu verständigen, wenn es mit den Angelegenheiten des minderjährigen Kindes bereits befasst war.
Besondere Pflichten und Rechte anderer mit der Obsorge betrauter Personen
a) in Angelegenheiten der Pflege und Erziehung
§213. (1) Ist eine andere Person mit der Obsorge betraut, so hat sie, soweit nicht anderes bestimmt ist, in wichtigen, die Person des Kindes betreffenden Angelegenheiten, insbesondere in den Angelegenheiten des §167 Abs2, die Genehmigung des Gerichtes einzuholen. Ohne Genehmigung getroffene Maßnahmen oder Vertretungshandlungen sind unzulässig und unwirksam, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt.
(2) Einer medizinischen Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist, kann die mit der Obsorge betraute Person nur zustimmen, wenn ein vom behandelnden Arzt unabhängiger Arzt in einem ärztlichen Zeugnis bestätigt, dass das Kind nicht über die erforderliche Entscheidungsfähigkeit verfügt und die Vornahme der Behandlung zur Wahrung seines Wohles erforderlich ist. Wenn ein solches Zeugnis nicht vorliegt oder das Kind zu erkennen gibt, dass es die Behandlung ablehnt, bedarf die Zustimmung der Genehmigung des Gerichts. Erteilt die mit der Obsorge betraute Person die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung nicht und wird dadurch das Wohl des Kindes gefährdet, so kann das Gericht die Zustimmung ersetzen oder die Obsorge an eine andere Person übertragen."
2. Die §§1 bis 3, 10, 16, 18 bis 22 und 25 bis 28 des Bundesgesetzes über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 – B KJHG 2013), BGBl I 69/2013, lauteten (bis 31. Dezember 2019) wie folgt:
"1. Teil (Grundsatzbestimmungen)
1. Hauptstück
Ziele und Aufgaben
Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe
§1. (1) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
(2) Die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ist in erster Linie die Pflicht und das Recht ihrer Eltern oder sonst mit Pflege und Erziehung betraute Personen.
(3) Eltern und sonst mit Pflege und Erziehung betraute Personen sind bei der Ausübung von Pflege und Erziehung durch Information und Beratung zu unterstützen und das soziale Umfeld zu stärken.
(4) Wird das Kindeswohl hinsichtlich Pflege und Erziehung von Eltern oder sonst mit Pflege und Erziehung betrauter Personen nicht gewährleistet, sind Erziehungshilfen zu gewähren.
(5) In familiäre Rechte und Beziehungen darf nur insoweit eingegriffen werden, als dies zur Gewährleistung des Kindeswohls notwendig und im Bürgerlichen Recht vorgesehen ist.
(6) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe erfolgt in Kooperation mit dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem.
Ziele der Kinder- und Jugendhilfe
§2. Bei der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Bundesgesetz sind folgende Ziele zu verfolgen:
1. Bildung eines allgemeinen Bewusstseins für Grundsätze und Methoden förderlicher Pflege und Erziehung;
2. Stärkung der Erziehungskraft der Familien und Förderung des Bewusstseins der Eltern für ihre Aufgaben;
3. Förderung einer angemessenen Entfaltung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Verselbständigung;
4. Schutz von Kindern und Jugendlichen vor allen Formen von Gewalt und anderen Kindeswohlgefährdungen hinsichtlich Pflege und Erziehung;
5. Reintegration von Kindern und Jugendlichen in die Familie im Interesse des Kindeswohles, insbesondere im Zusammenhang mit Erziehungshilfen.
Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
§3. Unter Berücksichtigung der Grundsätze des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, BGBl Nr 7/1993, sind folgende Aufgaben im erforderlichen Ausmaß zu besorgen:
1. Information über förderliche Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen;
2. Beratung bei Erziehungs- und Entwicklungsfragen und familiären Problemen;
3. Hilfen für werdende Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche zur Bewältigung von familiären Problemen und Krisen;
4. Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung;
5. Erziehungshilfen bei Gefährdung des Kindeswohls hinsichtlich Pflege und Erziehung;
6. Zusammenarbeit mit Einrichtungen, Behörden und öffentlichen Dienststellen;
7. Mitwirkung an der Adoption von Kindern und Jugendlichen;
8. Öffentlichkeitsarbeit zu Zielen, Aufgaben und Arbeitsweisen der Kinder- und Jugendhilfe.
[…]
2. Hauptstück
Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Trägerschaft
§10. (1) Träger der Kinder- und Jugendhilfe ist das Land (Kinder- und Jugendhilfeträger).
(2) Die Landesgesetzgebung bestimmt die Organisationseinheiten, welche die Leistungen im Sinne des 2. Hauptstücks zu erbringen und sonstige Aufgaben, die dem Kinder- und Jugendhilfeträger obliegen, zu erfüllen haben.
(3) Leistungen, die nicht dem Kinder- und Jugendhilfeträger vorbehalten sind, können auch von privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erbracht werden, sofern sie nach ihrer sachlichen und personellen Ausstattung zur Erfüllung dieser Aufgaben geeignet sind.
[…]
2. Abschnitt
Dienste für werdende Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche
Soziale Dienste
§16. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat vorzusorgen, dass zur Förderung von Pflege und Erziehung und zur Bewältigung des alltäglichen Familienlebens Soziale Dienste für werdende Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche zur Verfügung stehen.
(2) Soziale Dienste können von werdenden Eltern, Familien, Kindern und Jugendlichen nach ihrem eigenen Ermessen in Anspruch genommen werden.
(3) Soziale Dienste umfassen ambulante und stationäre Dienste, wie insbesondere
1. Angebote zur Förderung der Pflege und Erziehung in Familien;
2. Hilfen zur Bewältigung von familiären Problemen;
3. Hilfen für Familien in Krisensituationen;
4. Hilfen für Kinder und Jugendliche in Problemsituationen;
5. Aus- und Fortbildung für Pflegepersonen, Adoptivwerber und werberinnen.
(4) Für die Inanspruchnahme Sozialer Dienste können Entgelte eingehoben werden.
[…]
Pflegekinder und Pflegepersonen
§18.
(1) Pflegekinder sind Kinder und Jugendliche, die von anderen als den Eltern oder sonstigen mit Pflege und Erziehung betrauten Personen nicht nur vorübergehend gepflegt und erzogen werden.
(2) Kinder und Jugendliche, die von nahen Angehörigen nicht nur vorübergehend gepflegt und erzogen werden, gelten nur als Pflegekinder, wenn dies im Rahmen der vollen Erziehung geschieht.
(3) Pflegepersonen sind Personen, die Pflegekinder im Sinne der Abs1 und 2 pflegen und erziehen.
Pflegeverhältnisse im Rahmen der vollen Erziehung
§19.
(1) Die Beurteilung der Eignung der Pflegepersonen sowie die Aufsicht sind dem Kinder- und Jugendhilfeträger vorbehalten. Mit der Vorbereitung und fachlichen Begleitung von Pflegepersonen sowie der Vermittlung von Pflegeverhältnissen können private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen beauftragt werden.
(2) Vor Übergabe eines Pflegekindes ist die persönliche Eignung der Pflegepersonen vom Kinder- und Jugendhilfeträger zu prüfen und zu dokumentieren.
(3) Im Hinblick auf die geplante Art und Dauer des Pflegeverhältnisses und unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des Pflegekindes ist bei der Eignungsbeurteilung zu prüfen, ob die Pflegepersonen eine förderliche Pflege und Erziehung gewährleisten können. Dabei sind insbesondere die geistige und körperliche Gesundheit, die Erziehungseinstellung, die Erziehungsfähigkeit, das Alter und die Zuverlässigkeit der Pflegepersonen sowie die Belastbarkeit des Familiensystems in Betracht zu ziehen.
(4) Pflegepersonen haben an Schulungen teilzunehmen. Regelmäßige Fortbildung und Hilfen zur Festigung des Pflegeverhältnisses sollen ihnen angeboten werden.
(5) Pflegepersonen sind verpflichtet, im Rahmen der Eignungsbeurteilung, der Aufsicht und der Leistungserbringung dem Kinder- und Jugendhilfeträger die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, notwendige Dokumente vorzulegen sowie die Kontaktaufnahme mit den betreuten Kindern und Jugendlichen und die Besichtigung von Räumlichkeiten zuzulassen.
Pflegekindergeld
§20. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat für Pflegepersonen, die im Rahmen der vollen Erziehung ein Pflegekind betreuen und keine nahen Angehörigen des Pflegekindes sind, ein pauschaliertes Pflegekindergeld festzulegen. Dabei ist der altersgemäße Betreuungsaufwand zu berücksichtigen.
(2) Das Pflegekindergeld dient zur Abgeltung des mit Pflege und Erziehung verbundenen Aufwands.
(3) Pflegepersonen soll die Möglichkeit zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung geboten werden.
(4) Nahen Angehörigen kann im Rahmen der vollen Erziehung unter Berücksichtigung ihrer sozialen Verhältnisse und allfälliger Unterhaltspflichten ein Pflegebeitrag bis zur Höhe des Pflegekindergeldes gewährt werden.
Private Pflegeverhältnisse
§21. (1) Für die nicht nur vorübergehende Pflege und Erziehung von Pflegekindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die nicht im Rahmen der vollen Erziehung erfolgt, ist eine Bewilligung des Kinder- und Jugendhilfeträgers erforderlich.
(2) Die geplante Übernahme von Pflegekindern im Sinne des Abs1 ist dem zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger anzuzeigen.
(3) Bei der Bewilligung ist zu prüfen, ob die Pflegepersonen eine förderliche Pflege und Erziehung der anvertrauten Pflegekinder gewährleisten können. Dabei sind insbesondere die geistige und körperliche Gesundheit, die Erziehungseinstellung, die Erziehungsfähigkeit, das Alter und die Zuverlässigkeit der Pflegepersonen sowie die Belastbarkeit des Familiensystems in Betracht zu ziehen.
(4) Private Pflegeverhältnisse unterliegen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Die Behebung von Mängeln ist mit Bescheid aufzutragen. Liegen die Eignungsvoraussetzungen nicht mehr vor, ist die Bewilligung zu widerrufen.
(5) Pflegepersonen sind verpflichtet, im Rahmen des Bewilligungsverfahrens und der Aufsicht dem Kinder- und Jugendhilfeträger die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, notwendige Dokumente vorzulegen sowie die Kontaktaufnahme mit den betreuten Kindern und Jugendlichen und die Besichtigung von Räumlichkeiten zuzulassen.
3. Abschnitt
Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung
Gefährdungsabklärung
§22. (1) Ergibt sich insbesondere aufgrund von Mitteilungen über den Verdacht der Gefährdung des Kindeswohls gemäß §37 oder aufgrund einer berufsrechtlichen Verpflichtung sowie aufgrund glaubhafter Mitteilungen Dritter der konkrete Verdacht der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen, ist die Gefährdungsabklärung unter Berücksichtigung der Dringlichkeit umgehend einzuleiten, um das Gefährdungsrisiko einzuschätzen.
(2) Die Gefährdungsabklärung besteht aus der Erhebung jener Sachverhalte, die zur Beurteilung des Gefährdungsverdachtes bedeutsam sind und der Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Diese ist in strukturierter Vorgangsweise, unter Beachtung fachlicher Standards und Berücksichtigung der Art der zu erwartenden Gefährdung durchzuführen.
(3) Als Erkenntnisquellen kommen insbesondere Gespräche mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen, deren Eltern oder sonst mit Pflege und Erziehung betraute Personen, Personen, in deren Betreuung sich die Kinder und Jugendlichen regelmäßig befinden, Besuche des Wohn- oder Aufenthaltsortes der Kinder und Jugendlichen, Stellungnahmen, Berichte und Gutachten von Fachleuten sowie die schriftlichen Gefährdungsmitteilungen im Sinne des §37 in Betracht.
(4) Mitteilungspflichtige gemäß §37 beziehungsweise aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften sind im Rahmen der Gefährdungsabklärung verpflichtet, die erforderlichen Auskünfte über die betroffenen Kinder und Jugendlichen zu erteilen sowie notwendige Dokumente vorzulegen.
(5) Die Gefährdungseinschätzung ist erforderlichenfalls im Zusammenwirken von zumindest zwei Fachkräften zu treffen.
[…]
4. Abschnitt
Erziehungshilfen
Unterstützung der Erziehung
§25. (1) Ist das Kindeswohl gefährdet und ist zu erwarten, dass die Gefährdung bei Verbleib in der Familie oder im sonstigen bisherigen Wohnumfeld abgewendet werden kann, ist Kindern und Jugendlichen Unterstützung der Erziehung zu gewähren.
(2) Unterstützung der Erziehung umfasst insbesondere die Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, regelmäßige Haus- oder Arztbesuche und die Einschränkungen des Kontakts mit Personen, die das Kindeswohl gefährden.
Volle Erziehung
§26. (1) Ist das Kindeswohl gefährdet und ist zu erwarten, dass die Gefährdung nur durch Betreuung außerhalb der Familie oder des sonstigen bisherigen Wohnumfeldes abgewendet werden kann, ist Kindern und Jugendlichen volle Erziehung zu gewähren, sofern der Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut ist.
(2) Volle Erziehung umfasst insbesondere die Betreuung bei nahen Angehörigen, bei Pflegepersonen und in sozialpädagogischen Einrichtungen.
Erziehungshilfen aufgrund einer Vereinbarung
§27. (1) Die Gewährung von Erziehungshilfen, mit denen die Eltern oder sonst mit Pflege und Erziehung betraute Personen einverstanden sind, erfolgt aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung zwischen diesen und dem Kinder- und Jugendhilfeträger.
(2) Der Abschluss, die Abänderung und die Aufkündigung dieser Vereinbarung bedürfen der Schriftform.
Erziehungshilfen aufgrund einer gerichtlichen Verfügung
§28. (1) Stimmen die Eltern oder sonst mit Pflege und Erziehung betraute Personen einer notwendigen Erziehungshilfe nicht zu, hat der Kinder- und Jugendhilfeträger bei Gericht die nötigen gerichtlichen Verfügungen, wie etwa die Entziehung der Obsorge oder von Teilbereichen der Obsorge (§181 ABGB), zu beantragen.
(2) Bei Gefahr im Verzug hat der Kinder- und Jugendhilfeträger unverzüglich die erforderliche Erziehungshilfe zu gewähren und die notwendigen Anträge bei Gericht zu stellen (§211 ABGB)."
3. Die §§1 bis 5, 7, 30 bis 33, 38 bis 41, 43 bis 44, 49 bis 66, 82 und 85 bis 86 des NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetzes (NÖ KJHG), LGBl 9270 0 idF LGBl 64/2016 (§§5, 7, 44, 60) bzw idF LGBl 23/2018 (§§31, 54, 63, 85), laute(te)n:
"1. Hauptstück
Grundsätze
§1
Inhalt und Trägerschaft
(1) Das NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz regelt die Aufgaben und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Diese Leistungen dienen der Unterstützung der Eltern bei der Erfüllung ihres Erziehungsauftrages. Zur Sicherstellung des Kindeswohles können diese Leistungen den Erziehungsauftrag der Eltern ergänzen oder gänzlich ersetzen.
(2) Träger der Kinder- und Jugendhilfe ist das Land.
(3) Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden von der Landesregierung und den Bezirksverwaltungsbehörden besorgt.
(4) Die Besorgung der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe kann auch durch private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erfolgen.
§2
Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe
(1) Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Förderung ihrer Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Sie sind an allen Entscheidungen, die sie betreffen, altersadäquat zu beteiligen.
(2) Die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ist in erster Linie das Recht und die Pflicht ihrer Eltern. Die Erziehung hat besonders das Ziel, Kindern und Jugendlichen die Entwicklung einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu ermöglichen.
(3) Eltern sind bei der Ausübung von Pflege und Erziehung durch Beratung und Information zu unterstützen und das soziale Umfeld ist zu stärken.
(4) Wird das Kindeswohl hinsichtlich Pflege und Erziehung nicht gewährleistet, sind Erziehungshilfen zu gewähren.
(5) Erfüllen Eltern ihre Erziehungspflichten nicht, so sind andere Personen mit diesen Aufgaben zu betrauen.
(6) In familiäre Rechte und Pflichten und Beziehungen darf nur insoweit eingegriffen werden, als dies zur Gewährleistung des Kindeswohles notwendig und im bürgerlichen Recht vorgesehen ist.
(7) Die Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe erfolgt in Kooperation mit anderen Einrichtungen, die für die pädagogische, gesundheitliche, soziale und finanzielle Betreuung, Unterstützung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen vorgesehen sind.
(8) Kinder- und Jugendhilfe ist neben den Angeboten der Kinderbetreuung, des Kindergartens, der Schule, den Angeboten des Gesundheitssystems sowie der Sozial- und Behindertenhilfe subsidiär zu gewähren.
(9) Der Träger der Kinder- und Jugendhilfe hat erforderlichenfalls Eltern bei der Inanspruchnahme von Leistungen nach Abs8 zu unterstützen oder Leistungen bei den Leistungserbringern anzuregen.
§3
Ziele der Kinder- und Jugendhilfe
Bei der Erfüllung der Aufgaben nach diesem Gesetz sind folgende Ziele zu verfolgen:
1. Bildung eines allgemeinen Bewusstseins für Grundsätze und Methoden förderlicher Pflege und Erziehung unter Ausschließung der Anwendung jeglicher Gewalt und der Zufügung körperlichen oder seelischen Leides;
2. Stärkung der Erziehungskraft der Familien und Förderung des Bewusstseins der Eltern für die Gewährung der Fürsorge, der Geborgenheit und der sorgfältigen Erziehung ihrer Kinder und Jugendlichen unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohles;
3. Förderung einer angemessenen Entfaltung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sowie deren Verselbständigung;
4. Schutz von Kindern und Jugendlichen vor allen Formen von Gewalt und anderen Kindeswohlgefährdungen hinsichtlich Pflege und Erziehung;
5. Zusammenarbeit mit der Familie und Rückführung von Kindern und Jugendlichen in ihre Familie im Interesse des Kindeswohles, insbesondere im Zusammenhang mit Erziehungshilfen.
§4
Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
Unter Berücksichtigung der Grundsätze des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, BGBl Nr 7/1993 , sind folgende Aufgaben im erforderlichen Ausmaß zu besorgen:
1. Information über förderliche und gewaltfreie Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen;
2. Beratung bei Erziehungs- und Entwicklungsfragen und familiären Problemen;
3. Hilfen für Eltern, werdende Eltern, Familien, Kinder und Jugendliche zur Bewältigung von familiären Problemen und Krisen;
4. rechtliche Vertretungen, die sich aus Bürgerlichem Recht ergeben, insbesondere in Abstammungs- und Unterhaltsangelegenheiten;
5. Übernahme und Ausübung der Obsorge, wenn die Erziehungsberechtigten dazu nicht in der Lage sind;
6. Gefährdungsabklärung und Hilfeplanung;
7. Erziehungshilfen bei Gefährdung des Kindeswohls hinsichtlich Pflege und Erziehung;
8. Zusammenarbeit mit Einrichtungen, Behörden und öffentlichen Dienststellen im Rahmen dieses Gesetzes;
9. Fremde Pflege;
10. Mitwirkung an der Adoption von Kindern und Jugendlichen;
11. Öffentlichkeitsarbeit zu Zielen, Aufgaben und Arbeitsweisen der Kinder- und Jugendhilfe;
12. Durchführung von Planung, Forschung sowie Steuerung des Leistungsangebotes.
§5
Begriffsdefinitionen
Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten die Begriffe:
1. 'Kinder und Jugendliche': Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres;
2. 'junge Erwachsene': Personen, die das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben;
3. 'Eltern': Eltern, einschließlich Adoptiveltern sowie die jeweiligen Elternteile, die nach dem Gesetz oder vergleichbarem ausländischen Recht als Vater und Mutter gelten;
4. 'werdende Eltern': Schwangere und deren Ehepartner oder der von der Schwangeren als Vater des ungeborenen Kindes bezeichnete Mann;
5. 'Erziehungsberechtigte': Personen (auch Einzelpersonen), einschließlich der Eltern oder Elternteile, die mit der Pflege und Erziehung oder vergleichbaren Rechten und Pflichten nach ausländischem Recht kraft Gesetzes oder gerichtlicher Verfügung betraut sind;
6. 'nahe Angehörige': bis zum dritten Grad Verwandte oder Verschwägerte und Ehepartner und Ehepartnerinnen oder Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen oder eingetragene Partner und Partnerinnen von Elternteilen;
7. Private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen: Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit oder deren Rechtsträger, deren Eignung vom Kinder- und Jugendhilfeträger festgestellt ist, Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen;
8. beauftragte private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen: private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die vom Kinder- und Jugendhilfeträger beauftragt sind, Leistungen nach diesem Gesetz zu erbringen;
9. der Begriff 'Pflegepersonen' umfasst neben dem in §58 Abs2 definierten Personenkreis auch jene natürlichen Personen, die einen Antrag auf Eignungsfeststellung zur Übernahme eines Pflegekindes gestellt haben;
10. der Begriff 'Adoptiveltern und Adoptivelternteile' umfasst auch jene natürlichen Personen, die einen Antrag auf Eignungsfeststellung zur Übernahme eines Adoptivkindes gestellt haben.
[…]
§7
Sachliche und örtliche Zuständigkeit
(1) Die Aufgaben und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, die nicht von den Bezirksverwaltungsbehörden besorgt werden, sind von der Landesregierung zu besorgen.
(2) Aufgaben und Leistungen der Bezirksverwaltungsbehörden:
1. Gefährdungsabklärung;
2. Erstellung der Hilfeplanung;
3. Durchführung der Erziehungshilfen gemäß §§43 und 44, sowie §§49 und 50;
4. Beurteilung der Eignung von Pflegepersonen;
5. Vermittlung von Pflegekindern;
6. Pflegeaufsicht;
7. Gewährung des Pflegekindergeldes;
8. Bewilligung und Aufsicht von privaten Pflegeverhältnissen;
9. Beurteilung der Eignung von Adoptiveltern und Adoptivelternteilen;
10. Adoptionsvermittlung;
11. Rechtliche Vertretungen, die sich aus Bürgerlichem Recht ergeben, insbesondere die Abstammungs- und Unterhaltsangelegenheiten;
12. Übernahme und Ausübung der Obsorge;
13. Kostenersatz.
(3) Die Landesregierung kann zum Zweck der Steuerung gemäß §22 und zur Schaffung einheitlicher Standards nicht hoheitliche Aufgaben im Zusammenhang mit kurzfristigen Pflegeverhältnissen gemäß §36 ausüben.
(4) Für die Erbringung der in Abs2 genannten Aufgaben und Leistungen ist jene Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, in deren Wirkungsbereich die betroffenen Kinder, Jugendlichen, jungen Erwachsenen, werdenden Eltern oder Pflegepersonen ihren Hauptwohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ist auch ein solcher nicht gegeben, ist der Aufenthalt maßgeblich.
(5) Bei Gefahr im Verzug ist jene Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, in deren Wirkungsbereich die erforderlichen Veranlassungen zu treffen sind. Die gemäß Abs4 örtlich zuständige Bezirksverwaltungsbehörde ist unverzüglich zu verständigen.
(6) Bei Wechsel des Hauptwohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts oder Aufenthalts innerhalb von Niederösterreich sind die Aufgaben und Leistungen von der nach dem neuen Aufenthalt zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zu besorgen. Kein Zuständigkeitswechsel tritt ein, wenn sich Kinder und Jugendliche im Rahmen einer Erziehungshilfe im Verwaltungsgebiet einer anderen Bezirksverwaltungsbehörde aufhalten und wichtige Gründe nicht dafür sprechen. Die Bezirksverwaltungsbehörde, die von Umständen Kenntnis erhält, die den Wechsel der Zuständigkeit begründen, hat die andere davon unverzüglich zu unterrichten.
(7) Bei Wechsel des Hauptwohnsitzes, gewöhnlichen Aufenthalts oder Aufenthalts in ein anderes Bundesland gilt Abs6 sinngemäß. Sofern dem Kinder- und Jugendhilfeträger Elternrechte nach bürgerlichem Recht zukommen, ist §212 ABGB anzuwenden.
[…]
4. Abschnitt
Gefährdungsabklärung
§30
Inhalte der Gefährdungsabklärung
(1) Die Gefährdungsabklärung ist die unverzügliche Überprüfung einer vermutlichen Kindeswohlgefährdung nach wissenschaftlichen und fachlichen Standards. Sie dient der abschließenden Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt oder nicht.
(2) Ergibt sich aufgrund von Mitteilungen über den Verdacht der Gefährdung des Kindeswohls gemäß §37 B KJHG 2013, BGBl I Nr 69/2013 , oder aufgrund einer berufsrechtlichen Verpflichtung oder aufgrund glaubhafter Mitteilungen Dritter der konkrete Verdacht einer Gefährdung von Kindern und Jugendlichen, ist die Gefährdungsabklärung unter Berücksichtigung der Dringlichkeit umgehend einzuleiten, um das Gefährdungsrisiko einzuschätzen.
(3) Die Gefährdungsabklärung besteht aus der unverzüglichen Erhebung jener Sachverhalte, die zur Beurteilung des Gefährdungsverdachtes bedeutsam sind und der Einschätzung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Diese sind in strukturierter Vorgangsweise, unter Beachtung fachlicher Standards und Berücksichtigung der Art der zu erwartenden Gefährdung durchzuführen.
(4) Grundlagen für die Einschätzung der Kindeswohlgefährdung sind insbesondere die Gefährdungsmitteilung gemäß Abs2, Gespräche mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen, deren Erziehungsberechtigten, Personen, die – wenn auch nur vorübergehend – mit der Ausübung der Pflege und Erziehung betraut sind bzw solchen, in deren Betreuung sich die Minderjährigen regelmäßig befinden, Besuche des Wohn- oder Aufenthaltsortes der Kinder und Jugendlichen, sowie Stellungnahmen, Berichte oder Gutachten von Fachleuten.
(5) Mitteilungspflichtige gemäß §37 B KJHG 2013, BGBl I Nr 69/2013 , bzw aufgrund berufsrechtlicher Vorschriften sind im Rahmen der Gefährdungsabklärung verpflichtet, die zur Beurteilung des Gefährdungsverdachtes erforderlichen Auskünfte über die betroffenen Minderjährigen zu erteilen, sowie notwendige Stellungnahmen, Berichte oder Gutachten zur Einschätzung der Kindeswohlgefährdung zur Verfügung zu stellen.
(6) Die Einschätzung der Gefährdung aufgrund der Gefährdungsabklärung ist im Zusammenwirken von zumindest zwei Fachkräften zu treffen.
§31
Ermächtigung zur Auskunft aus dem Strafregister
(1) Zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos hat die Bezirksverwaltungsbehörde die Ermächtigung, eine Auskunft aus dem Strafregister gemäß §9 Abs1 Z3 Strafregistergesetz 1968, BGBl 277/1968 in der Fassung BGBl I Nr 50/2012 , in Verbindung mit §6 Abs1 Z8 Tilgungsgesetz 1972, BGBl 68/1972 in der Fassung BGBl I Nr 87/2012 , über die gefährdende(n) Person(en) einzuholen. Sind auf Grund dieser Auskunft eine oder mehrere Verurteilungen durch ein Strafgericht wegen einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung oder gegen Leib und Leben oder die Freiheit erfolgt, so sind diese Daten zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos heranzuziehen.
(2) Zur Beurteilung der bisher erfolgten Maßnahmen nach §38a Sicherheitspolizeigesetz, BGBl 566/1991 in der Fassung BGBl I Nr 83/2013 , (Wegweisung und Betretungsverbot) hat die Bezirksverwaltungsbehörde erforderlichenfalls eine Anfrage an die Zentrale Gewaltschutzdatei gemäß §58c Sicherheitspolizeigesetz, BGBl 566/1991 in der Fassung BGBl I Nr 83/2013 , über Vormerkungen hinsichtlich der gefährdenden Person(en) zu richten. Bei Vorliegen einer Vormerkung in der Zentralen Gewaltschutzdatei ist diese Information zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos heranzuziehen.
(3) Durch Abfragen nach gem. Abs1 und 2 gewonnene personenbezogene und andere Daten, die offenkundig keinen Bezug zur Gefährdungsabklärung aufweisen, dürfen nicht weiter verarbeitet werden. Andere durch Abfragen nach gem. Abs1 und 2 gewonnene personenbezogene und andere Daten dürfen zur Verdachtsklärung weiter verarbeitet werden. Erhärtet sich der zugrundeliegende Verdacht der Gefährdung nicht, sind die personenbezogenen Daten Verdächtiger mit Ausnahme der für die Dokumentation unerlässlichen Angaben gemäß §13 Abs2 zu löschen.
§32
Zustimmung der Erziehungsberechtigten
Sind zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos Gespräche mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen oder Personen, in deren Betreuung sich die Minderjährigen regelmäßig befinden, unverzüglich notwendig und kann das Einverständnis der Erziehungsberechtigten nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand eingeholt werden, so darf der Kinder- und Jugendhilfeträger die Gespräche sofort durchführen. Die Zustimmung der Erziehungsberechtigten ist in diesem Fall nachträglich einzuholen.
§33
Einschaltung des Gerichtes
Wirken die Erziehungsberechtigten an der Einschätzung des Gefährdungsrisikos nicht mit, oder erteilen sie keine nachträgliche Zustimmung im Sinne des §32, so hat der Kinder- und Jugendhilfeträger die erforderlichen gerichtlichen Verfügungen nach Bürgerlichem Recht zu beantragen.
[…]
6. Abschnitt
Erziehungshilfen
1. Kapitel
Allgemeines
§38
Formen der Erziehungshilfen
Ist das Kindeswohl gefährdet und sind gelindere Maßnahmen wie vor allem Soziale Dienste zur Sicherung des Kindeswohles nicht ausreichend, sind Erziehungshilfen als
1. Unterstützung der Erziehung oder
2. volle Erziehung
zu leisten.
§39
Freiwillige Erziehungshilfen
(1) Die Gewährung von Erziehungshilfen, mit denen die Erziehungsberechtigten einverstanden sind, müssen zwischen ihnen und dem Kinder- und Jugendhilfeträger mittels Vereinbarung festgelegt werden. Die Vereinbarung hat jedenfalls Anlass, Inhalt, Dauer und Ziel der Erziehungshilfe zu enthalten.
(2) Die Beendigung einer vereinbarten Erziehungshilfe kann durch Zeitablauf oder Aufkündigung erfolgen. Die Aufkündigung hat beim Kinder- und Jugendhilfeträger zu erfolgen.
(3) Der Abschluss, jede Veränderung und die Aufkündigung der Vereinbarung bedürfen zur Rechtswirksamkeit der Schriftform.
§40
Erziehungshilfen aufgrund einer gerichtlichen Verfügung
(1) Stimmen die Erziehungsberechtigten einer notwendigen Erziehungshilfe nicht zu, hat der Kinder- und Jugendhilfeträger bei Gericht die zur Wahrung des Wohles von Kindern und Jugendlichen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen nach Bürgerlichem Recht zu beantragen. Diese gerichtlichen Verfügungen können die gänzliche oder teilweise Entziehung der Obsorge oder die Entziehung gesetzlich vorgesehener Einwilligungs- und Zustimmungsrechte enthalten.
(2) Bei Gefahr in Verzug hat der Kinder- und Jugendhilfeträger unverzüglich die Erziehungshilfe zu gewähren, die notwendigen Anträge bei Gericht zu stellen und die Obsorgerechte bis zur gerichtlichen Entscheidung nach Bürgerlichem Recht selbst auszuüben.
§41
Grundsätze der Erziehungshilfen
(1) Bei der Gewährung von Erziehungshilfen ist die der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen und deren Lebensverhältnissen entsprechende Maßnahme einzuleiten. Bei der Durchführung ist die Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Kinder und Jugendlichen besonders zu berücksichtigen. Dabei ist auch das gesellschaftliche Umfeld der betroffenen Kinder und Jugendlichen einzubeziehen. Wichtige soziale Beziehungen zu Eltern, Verwandten, Freunden, Schule (Kindergarten, Tagesbetreuung) sind nach Möglichkeit zu erhalten, zu stärken oder neu zu schaffen.
(2) Bei der Planung der vollen Erziehung ist ein Zusammenwirken der in der Kinder- und Jugendhilfe vertretenen unterschiedlichen Berufsgruppen gemäß §17 Abs2 Z1 und 2, bei Säuglingen gemäß §17 Abs2 Z1, 2 und 5 erforderlich.
(3) Bei der Durchführung der vollen Erziehung ist die Zusammenarbeit mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen, den Eltern, wichtigen Bezugspersonen und den Personen, die die volle Erziehung leisten, soweit das Kindeswohl nicht gefährdet wird, zu pflegen.
[…]
2. Kapitel
Unterstützung der Erziehung
§43
Allgemeines
Unterstützung der Erziehung ist zu gewähren, wenn auf Grund der Gefährdungseinschätzung eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, diese aber durch die im Folgenden definierten Maßnahmen unter Verbleib der betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Familie oder in seiner sonstigen bisherigen Lebenswelt hintan gehalten werden kann. Unterstützung der Erziehung soll vor allem dazu dienen, die Voraussetzungen für die Gewährleistung des Kindeswohles in der Familie oder seiner bisherigen Lebenswelt zu verbessern.
§44
Formen der Unterstützung der Erziehung
Die Unterstützung der Erziehung umfasst insbesondere:
1. regelmäßige Hausbesuche durch Fachkräfte des Kinder- und Jugendhilfeträgers zur Sicherstellung der angemessenen Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, und einer sorgfältigen Erziehung, sowie zur Vermeidung der Gefahr für Kinder und Jugendliche, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben;
2. Formen der sozialpädagogischen Familienintensivbetreuung zur Vermeidung oder Verkürzung einer sonst erforderlichen vollen Erziehung der betroffenen Kinder und Jugendlichen;
3. Formen von mobiler Familienunterstützung zur Abwendung von familiärer Überforderung und drohender Vernachlässigung der betroffenen Kinder und Jugendlichen;
4. Formen der ambulanten und mobilen Erziehungsberatung von Familien insbesondere im Hinblick auf gewaltlose förderliche Erziehung;
5. Formen von Jugendintensivbetreuung zur Vermeidung einer sonst erforderlichen vollen Erziehung oder nach Entlassung aus der vollen Erziehung;
6. sonstige Formen der Unterstützung der Erziehung durch Heranziehung geeigneter Fachkräfte zur Hebung der erzieherischen Kompetenz der Familie sowie zur Betreuung betroffener Kinder und Jugendlicher außerhalb der Familie.
[…]
4. Kapitel
Volle Erziehung
Allgemeines
§49
Volle Erziehung ist zu gewähren, wenn auf Grund der Gefährdungseinschätzung eine Kindeswohlgefährdung vorliegt und diese nur durch Betreuung des betroffenen Kindes und Jugendlichen außerhalb der Familie oder der sonstigen bisherigen Lebenswelt durch die im Folgenden definierten Maßnahmen abgewendet werden kann.
§50
Formen
(1) Volle Erziehung umfasst insbesondere die Pflege und Erziehung des betroffenen Kindes und Jugendlichen:
1. durch nahe Angehörige;
2. bei Pflegeeltern( personen);
3. in sozialpädagogischen oder sozialtherapeutischen Einrichtungen;
4. in einer Kriseneinrichtung;
5. in einer sonstigen Einrichtung oder durch nicht ortsfeste Formen der Pädagogik;
6. in einer Mutter /Kind-Einrichtung, wenn der Schwerpunkt der geleisteten Erziehungshilfe bei der Betreuung des unversorgten Kindes liegt;
(2) Wird durch den Kinder- und Jugendhilfeträger volle Erziehung gewährt, so ist dieser im Falle des §39 mit der Ausübung der Erziehungsrechte auf Grund der Vereinbarung zu beauftragen und im Falle des §40 mit der Besorgung der Erziehungsrechte kraft Gesetzes oder gerichtlicher Verfügung zu betrauen.
(3) Ist volle Erziehung zu gewähren, so haben vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern die Pflege und Erziehung durch Pflegepersonen oder familienähnliche Betreuungsformen Vorrang.
5. Kapitel
Eignungsfeststellung
§51
Volle Erziehung durch private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger kann zur Besorgung der Erziehungshilfen gemäß §50 private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen heranziehen, deren Eignung durch Bescheid festgestellt wurde.
(2) Der Antrag einer privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung zur Feststellung der Eignung hat zu enthalten:
1. Angaben über den Träger der Einrichtung und die organisatorischen Rahmenbedingungen;
2. Darstellung der beabsichtigten Leistungserbringung gemäß §50;
3. ein nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erstelltes und im Einklang mit dem regionalen Bedarf stehendes sozialpädagogisches Konzept;
4. Angaben über das Einzugsgebiet und Wirkungsfeld der Einrichtung;
5. Beschreibung der Einrichtung (Lage, Baulichkeit, Betriebsformen und zeiten) auch in Bezug auf den Ort des Kontaktes mit Klientinnen und Klienten;
6. Angaben zur personellen bzw fachlichen Ausstattung der Einrichtung;
7. Angaben zu den wirtschaftlichen Voraussetzungen und zur Finanzierung der Einrichtung.
(3) Über diesen Antrag entscheidet der Kinder- und Jugendhilfeträger mit Bescheid. Voraussetzung für die Eignungsfeststellung ist insbesondere die Erfüllung der Richtlinien der gemäß §55 erlassenen Verordnung, ausreichendes und qualifiziertes Personal, die für die geplante(n) Leistung(en) notwendige finanzielle und räumliche Ausstattung sowie eine entsprechende Verwaltungsorganisation.
(4) Bei der Feststellung der Eignung ist überdies zu prüfen, ob die beabsichtigte Leistungserbringung im Einklang mit den Zielen der Steuerung gemäß §22 steht.
(5) Im Verfahren sind die Bezirksverwaltungsbehörden zu hören, in deren örtlichen Wirkungsbereich die Einrichtung tätig werden soll.
§52
Änderung der Eignung der Einrichtung
(1) Die private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, deren Eignung festgestellt wurde, hat wesentliche Änderungen in den Eignungsvoraussetzungen gemäß §51 unverzüglich, spätestens binnen einer Woche dem Kinder- und Jugendhilfeträger schriftlich anzuzeigen.
(2) Bei wesentlichen Änderungen der Eignungsvoraussetzungen hat der Kinder- und Jugendhilfeträger über die Eignung der privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung neu zu entscheiden.
§53
Aufsicht
(1) Private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, deren Eignung festgestellt wurde, unterliegen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Dieser hat sich in geeigneten Zeitabständen, mindestens aber einmal jährlich zu überzeugen, ob die privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen den Erfordernissen weiterhin entsprechen.
(2) Die private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung hat den Aufsichtsorganen jederzeit Zutritt zu den Räumlichkeiten sowie den erforderlichen Einblick in die Dokumentation zu ermöglichen und die nötigen Auskünfte zu erteilen.
(3) Liegen Missstände vor, die eine fachgerechte Besorgung der übernommenen Leistung(en) gefährden, so hat der Kinder- und Jugendhilfeträger mittels Bescheid vorzuschreiben, dass diese Missstände innerhalb angemessener Frist behoben werden müssen.
(4) Werden die Missstände nicht fristgerecht beseitigt, oder sind die Missstände so gravierend, dass eine Leistungserbringung nicht mehr dem Kindeswohl entspricht, hat der Kinder- und Jugendhilfeträger mit Bescheid festzustellen, dass die Eignung der Einrichtung für diese Leistung(en) nicht mehr vorliegt und die Eignungsfeststellung für diese Leistung(en) zu widerrufen. Gleichzeitig ist die Entfernung der Kinder und Jugendlichen anzuordnen und bei Gefahr in Verzug sofort zu vollziehen.
§54
Sonderauskünfte über Beschäftigte von privaten Kinder- und
Jugendhilfeeinrichtungen
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger ist ermächtigt, zum Zwecke der Eignungsfeststellung gemäß §§51 und 52 sowie zur Durchführung der Aufsicht gemäß §53, Sonderauskünfte aus der Sexualstraftäterdatei gemäß §9a Strafregistergesetz, BGBl 277/1968 in der Fassung BGBl I Nr 50/2012 , über Beschäftigte von privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen einzuholen. Bei Vorliegen einer Eintragung sind die gespeicherten Daten zur Eignungsfeststellung und zur Aufsicht heranzuziehen.
(2) Durch Abfragen nach Abs1 gewonnene personenbezogene und andere Daten, die offenkundig keinen Bezug zu einer möglichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen aufweisen, dürfen nicht weiter verarbeitet werden. Andere durch Abfragen nach Abs.1 gewonnene personenbezogene und andere Daten dürfen zur Eignungsfeststellung und Aufsicht weiter verarbeitet werden. Erhärtet sich der zugrundeliegende Verdacht einer möglichen Gefährdung nicht, sind die personenbezogenen Daten Verdächtiger mit Ausnahme der für die Dokumentation unerlässlichen Angaben gemäß §13 Abs3 zu löschen.
§55
Verordnungsermächtigung für die Errichtung und den Betrieb von privaten
Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger erlässt durch Verordnung Richtlinien für die Errichtung und den Betrieb von privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen zur Durchführung der vollen Erziehung gemäß §51.
(2) Diese Richtlinien haben insbesondere Vorschriften über die
- örtliche Lage, Räumlichkeiten und dazugehörigen Spiel- und Sportplätze;
- Ausstattung der Räume;
- natürliche Beleuchtung und Belüftung und maximale Bettenanzahl pro Raumgröße;
- im Hinblick auf die Anzahl und das Alter der Kinder und Jugendlichen notwendige sanitäre Ausstattung;
- Gesundheitsvorsorge;
- an das Heimpersonal zu stellenden persönlichen und fachlichen Anforderungen;
- Kinderhöchstzahl und Anzahl des erforderlichen Betreuungspersonals pro Gruppe unter Berücksichtigung des Alters der betreuten Kinder und Jugendlichen;
- Art des Nachweises des regionalen oder überregionalen Bedarfes,
zu enthalten.
§56
Einrichtungen des Kinder- und Jugendhilfeträgers
Die Bestimmungen der §§51 bis 55 gelten in gleicher Weise auch für Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die der Kinder- und Jugendhilfeträger selbst betreibt.
§57
Heranziehung
(1) Ist die Eignung einer privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung gemäß §51 festgestellt und ist entsprechend den Zielen der Steuerung gemäß §22 Bedarf an der (den) festgestellten Leistung(en) vorhanden, so kann der Kinder- und Jugendhilfeträger als Träger von Privatrechten die private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung fördern oder mit ihr einen Leistungsvertrag abschließen.
(2) Der Leistungsvertrag hat jedenfalls zu enthalten:
1. Art der Leistung(en);
2. Umfang der Leistung(en);
3. Leistungsentgelt (Tagsätze, Verpflegsgebühren);
4. Dauer des Leistungsvertrages.
(3) Eine Förderung oder ein Leistungsvertrag können auch beinhalten
1. ob und welche Entgelte von der privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für einzelne ihrer Leistungen verlangt werden müssen;
2. ob in Härtefällen bzw wenn der Erfolg durch das Entgelt gefährdet wäre, das Entgelt ermäßigt oder entfallen kann.
(4) Der Leistungsvertrag endet jedenfalls, wenn die Eignung der privaten Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für diese Leistung(en) nicht mehr vorliegt.
7. Abschnitt
Fremde Pflege
§58
Pflegekinder und Pflegepersonen
(1) Pflegekinder sind Kinder und Jugendliche, die von Personen gepflegt und erzogen werden, die nicht ihre Erziehungsberechtigten und nicht mit ihnen bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind.
(2) Pflegepersonen sind Personen, die vom Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Ausübung der Pflege und Erziehung für ein bestimmtes Pflegekind im Rahmen der vollen Erziehung gemäß §49 beauftragt wurden.
(3) Kinder und Jugendliche, die sich nur vorübergehend oder nicht regelmäßig oder nur im Rahmen ihrer Lehr- oder Berufsausbildung bei Personen gemäß Abs2 aufhalten, sind keine Pflegekinder.
§59
Beurteilung der Eignung von Pflegepersonen
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat als Träger von Privatrechten die Eignung von Pflegepersonen zu beurteilen. Kriterien zur Beurteilung der Eignung von Pflegepersonen sind insbesondere:
- körperliche und psychische Gesundheit;
- positive Erziehungseinstellung;
- Erziehungsfähigkeit und Belastbarkeit;
- Zuverlässigkeit;
- positive Einstellung gegenüber den Rechten der leiblichen Eltern;
- gesicherte Einkommens- und Wohnsituation mit ausreichenden Platzverhältnissen;
- Absolvierung eines Vorbereitungslehrganges für Pflegepersonen.
(2) Kriterien, die eine Eignung jedenfalls ausschließen:
- Betreuungsdefizite bei leiblichen, Pflege , Wahl- oder Stiefkindern;
- gerichtliche Verurteilungen, die das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet erscheinen lassen;
- sonstige Gründe, die das Kindeswohl gefährdet erscheinen lassen.
(3) Die Eignung ist auch auszuschließen, wenn Umstände gemäß Abs2 bei Personen vorliegen, die mit den Pflegepersonen im gemeinsamen Haushalt leben.
§60
Vermittlung eines Pflegekindes
(1) Die Vermittlung eines Pflegekindes hat das Ziel, die nach fachlichen Gesichtspunkten für die Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen geeigneten Pflegepersonen auszuwählen.
(2) Die Vermittlung eines Pflegekindes darf nur vom Kinder- und Jugendhilfeträger vorgenommen werden, wenn
1. der Kinder- und Jugendhilfeträger von den Erziehungsberechtigten mit der Ausübung der Pflege und Erziehung oder vom Gericht oder kraft Gesetzes mit der Pflege und Erziehung des Pflegekindes betraut ist;
2. die Eignung der Pflegepersonen gemäß §59 vorliegt;
3. der Altersunterschied zum Pflegekind mindestens 25 und höchstens 45 Jahre, bei kurzfristigen Pflegeverhältnissen gemäß §36 mindestens 25 und höchstens 60 Jahre, beträgt, wobei eine geringfügige Unter- oder Überschreitung des Altersunterschiedes einer Pflegeperson zulässig ist, wenn die andere Pflegeperson die Voraussetzungen des Altersunterschiedes erfüllt;
4. begründete Aussicht besteht, dass zwischen den Pflegepersonen und dem Pflegekind, ausgenommen bei kurzfristigen Pflegeverhältnissen, eine Beziehung entsteht, die dem Verhältnis zwischen Eltern und deren Kindern und Jugendlichen nahekommt;
5. die bestmögliche persönliche Entwicklung und die soziale Integration des Pflegekindes gesichert sind.
(3) Bei der Vermittlung eines Pflegekindes sind nach Möglichkeit die Eltern und die bisherigen Betreuungspersonen einzubeziehen.
§61
Pflegeaufsicht
(1) Pflegepersonen gemäß §58 unterliegen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Dieser hat jedenfalls einmal jährlich zu prüfen, ob das Kindeswohl gewährleistet ist.
(2) Die Pflegepersonen haben dem Kinder- und Jugendhilfeträger Kontakt zu den Pflegekindern, Zutritt zu den Wohn , Schlaf- und Aufenthaltsräumen des Pflegekindes sowie die Vornahme von Ermittlungen über ihre Lebensverhältnisse zu ermöglichen. Der Kinder- und Jugendhilfeträger muss sich von der Gewährleistung des Kindeswohles überzeugen können.
(3) Wichtige Ereignisse, die das Pflegekind betreffen, vor allem jede Änderung des Wohnsitzes oder Veränderung in der Betreuungssituation, sind dem Kinder- und Jugendhilfeträger unverzüglich mitzuteilen.
§62
Hilfen zur Festigung des Pflegeverhältnisses
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat dem Pflegekind und den Pflegepersonen erforderlichenfalls Beratung und Erziehungshilfen anzubieten.
(2) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat Pflegepersonen regelmäßige Fortbildung anzubieten. Pflegepersonen können vom Kinder- und Jugendhilfeträger verpflichtet werden, bestimmte Fortbildungen zu absolvieren.
§63
Sonderauskünfte über Pflegepersonen
(1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger ist ermächtigt, zum Zwecke der Beurteilung der Eignung von Pflegepersonen, zur Vermittlung eines Pflegekindes und zur Durchführung der Pflegeaufsicht gemäß §§59, 60, 61 und 66 Sonderauskünfte aus der Sexualstraftäterdatei gemäß §9a Strafregistergesetz, BGBl 277/1968 in der Fassung BGBl I Nr 50/2012 , über Pflegepersonen und mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen einzuholen. Bei Vorliegen einer Eintragung sind die gespeicherten Daten zur Beurteilung der Eignung, zur Vermittlung und zur Aufsicht heranzuziehen.
(2) Durch Abfragen nach Abs1 gewonnene personenbezogene und andere Daten, die offenkundig keinen Bezug zu einer möglichen Gefährdung von Kindern und Jugendlichen aufweisen, dürfen nicht weiter verarbeitet werden. Andere durch Abfragen nach Abs1 gewonnene personenbezogene und andere Daten dürfen zur Eignungsfeststellung, zur Vermittlung und zur Aufsicht weiter verarbeitet werden. Erhärtet sich der zugrundeliegende Verdacht einer möglichen Gefährdung nicht, sind die personenbezogenen Daten Verdächtiger mit Ausnahme der für die Dokumentation unerlässlichen Angaben gemäß §13 Abs4 zu löschen.
§64
Pflegekindergeld und sozialversicherungsrechtliche Absicherung
(1) Pflegepersonen, die mit der Ausübung der Pflege und Erziehung von Pflegekindern durch den Kinder- und Jugendhilfeträger betraut sind, erhalten vom Land auf schriftlichen Antrag ein pauschaliertes Pflegekindergeld, das zur Abgeltung des mit der Pflege und Erziehung eines Pflegekindes verbundenen Aufwandes dient.
(2) Über den Antrag nach Abs1 entscheidet der Kinder- und Jugendhilfeträger mit Bescheid.
(3) Der Kinder- und Jugendhilfeträger kann Pflegekindergeld bis zur Höhe gemäß Abs1 unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen persönlichen und wirtschaftlichen Situation auch jenen Personen gewähren, die
1. vom Gericht mit Erziehungsberechtigung über das Pflegekind betraut wurden, wenn sie davor Pflegepersonen im Sinne des §58 Abs2 waren oder
2. mit dem Pflegekind bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind, wenn volle Erziehung gemäß §50 Abs1 Z1 gewährt wird.
(4) Die Gewährung von Pflegekindergeld an die Eltern ist ausgeschlossen.
(5) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat Pflegepersonen bei der Erlangung einer sozialversicherungs- oder pensionsrechtlichen Absicherung zu unterstützen.
§65
Verordnungsermächtigung
Die Landesregierung ist ermächtigt, durch Verordnung die Leistungen gemäß §64 festzusetzen. Dabei ist auf den altersgemäßen Betreuungsaufwand Bedacht zu nehmen.
§66
Private Pflegeverhältnisse
(1) Für die nicht nur vorübergehende Pflege und Erziehung von Pflegekindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, die nicht im Rahmen der vollen Erziehung erfolgt, ist eine Bewilligung des Kinder- und Jugendhilfeträgers erforderlich.
(2) Die geplante Übernahme von Pflegekindern im Sinne des Abs1 ist dem Kinder- und Jugendhilfeträger anzuzeigen.
(3) Bei der Bewilligung sind die Kriterien nach §59 heranzuziehen, die Bewilligung erfolgt mit Bescheid.
(4) Anspruch auf Pflegekindergeld besteht nicht.
(5) Private Pflegeverhältnisse unterliegen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers. Die Behebung von Mängeln ist mit Bescheid aufzutragen. Erfolgt keine Behebung innerhalb der vorgegebenen Frist oder ist das Kindeswohl erheblich gefährdet, ist die Bewilligung zu widerrufen.
(6) Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens und der Aufsicht sind dem Kinder- und Jugendhilfeträger die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, notwendige Dokumente vorzulegen sowie die Kontaktaufnahme mit den betreuten Kindern und Jugendlichen und die Besichtigung von Räumlichkeiten zuzulassen.
[…]
6. Hauptstück
Strafbestimmungen und Abgaben
§82
Strafbestimmungen
(1) Sofern die nachstehenden Handlungen oder Unterlassungen nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilden oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit einer strengeren Strafe bedroht sind, sind sie als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafen nach diesem Gesetz zu ahnden.
(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist dafür mit Geldstrafe bis zu € 3.000,– zu bestrafen, wer
1. als private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung privatrechtliche Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe ohne die erforderliche Eignungsfeststellung gemäß §§26, 45 und 51 besorgt;
2. als private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, deren Eignung festgestellt wurde, wesentliche Änderungen in den Eignungsvoraussetzungen dem Kinder- und Jugendhilfeträger nicht binnen 3 Wochen gemäß §27 Abs1 bzw nicht binnen einer Woche gemäß §§46 Abs1 oder 52 Abs1 schriftlich anzeigt;
3. als private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung den Aufsichtsorganen den Zutritt zu den Räumlichkeiten oder den erforderlichen Einblick in schriftliche Unterlagen nicht ermöglicht oder die benötigten Auskünfte gemäß §§28, 47 und 53 nicht erteilt;
4. als Mitarbeiter oder ehemaliger Mitarbeiter einer Einrichtung, die zur Besorgung von Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe herangezogen wurde, über ihm ausschließlich aus dieser Tätigkeit bekanntgewordene Tatsachen seine Verschwiegenheitspflicht gemäß §8 verletzt;
5. unbefugt gemäß §60 Abs2 Kinder und Jugendliche an Pflegepersonen vermittelt;
6. ein Pflegekind ohne die erforderliche Eignungsfeststellung gemäß §59 oder Bewilligung gemäß §66 in Pflege und Erziehung übernimmt;
7. als Pflegeperson den Organen der Pflegeaufsicht nicht den Kontakt zum Pflegekind ermöglicht oder den Zutritt zu den Aufenthaltsräumen des Pflegekindes verwehrt oder die Vornahme von Ermittlungen über die Lebensverhältnisse des Pflegekindes gemäß §§61, 66 verhindert;
8. als Pflegeperson die Mitteilung über wichtige Ereignisse, die das Pflegekind betreffen, gemäß §61 Abs3 unterlässt;
9. ohne Eignungsbeurteilung gemäß §67 Kinder und Jugendliche adoptiert.
(3) Wer unbefugt die Vermittlung von Kindern und Jugendlichen zur Adoption gemäß §69 durchführt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist dafür mit Geldstrafe von € 3.000,– bis € 10.000,– zu bestrafen.
(4) Der Versuch einer Übertretung nach Abs2 Z5 und 9 oder Abs3 ist strafbar.
(5) Bei einer Bestrafung nach Abs2 Z5 oder Abs3 darf, wenn für die strafbare Handlung ein Entgelt entgegengenommen wurde, eine zusätzliche Strafe bis zur doppelten Höhe des erhaltenen Entgelts verhängt werden.
[…]
8. Hauptstück
Schluss- und Übergangsbestimmungen
§85
Schlussbestimmungen
(1) Dieses Gesetz tritt mit 20. Dezember 2013 in Kraft.
(2) Verordnungen dürfen bereits nach der Kundmachung des Gesetzes erlassen werden, dürfen aber frühestens mit dem im Abs1 bezeichneten Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden. Die auf Grund des NÖ Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991, LGBl 9270–8 , kundgemachten Verordnungen treten erst mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der jeweils neuen Verordnungen außer Kraft.
(3) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes tritt das NÖ Jugendwohlfahrtsgesetz 1991, LGBl 9270–8 , außer Kraft.
(4) Das Inhaltsverzeichnis, die Überschriften der §§11, 12 und 14 sowie §10, §11, §12 Abs1 bis 3, §13 Abs7, §14 Abs3, §31 Abs3, §54 Abs2, §63 Abs2 und 68 Abs2 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl Nr 23/2018 treten am 25. Mai 2018 in Kraft.
§86
Übergangsbestimmungen
(1) Eignungsfeststellungen für Einrichtungen freier Jugendwohlfahrtsträger gelten als Eignungsfeststellungen für private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen gemäß §§26 und 45.
(2) Bewilligungen zum Betrieb von Heimen und Wohngemeinschaften gelten als Bewilligungen zum Betrieb von Einrichtungen gemäß §51. Einrichtungen des Kinder- und Jugendhilfeträgers, die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in Betrieb waren, gelten als bewilligte Einrichtungen gemäß §51.
(3) Personen, die im Rahmen der vollen Erziehung ein Pflegekind betreuen, haben Anspruch auf Pflegekindergeld, wenn sie vor Inkrafttreten dieses Gesetzes mit der Obsorge betraut wurden und nach den Bestimmungen des NÖ Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991, LGBl 9270–8 , Pflegebeitrag bezogen haben."
4. Die §§1, 104 und 107a des Bundesgesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG), BGBl I 111/2013 idF BGBl I 15/2013 (§104) bzw idF BGBl I 59/2017 (§107a), lauten:
"I. Hauptstück
Allgemeine Bestimmungen
1. Abschnitt
Anwendungsbereich und Parteien
Anwendungsbereich
§1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren außer Streitsachen (Außerstreitverfahren).
(2) Das Außerstreitverfahren ist in denjenigen bürgerlichen Rechtssachen anzuwenden, für die dies im Gesetz angeordnet ist.
(3) Soweit nichts anderes angeordnet ist, sind die Allgemeinen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auch auf Außerstreitverfahren anzuwenden, die in anderen gesetzlichen Vorschriften geregelt sind.
[…]
Siebenter Abschnitt
Regelung der Obsorge und der persönlichen Kontakte
Besondere Verfahrensfähigkeit Minderjähriger
§104. (1) Minderjährige, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, können in Verfahren über Pflege und Erziehung oder über die persönlichen Kontakte selbständig vor Gericht handeln. Soweit die Verständnisfähigkeit des Minderjährigen dies erfordert, hat das Gericht spätestens anlässlich der Befragung dafür zu sorgen, dass dieser seine Verfahrensrechte wirksam wahrnehmen kann; auf bestehende Beratungsmöglichkeiten ist er hinzuweisen.
(2) Die Befugnis des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen, auch in dessen Namen Verfahrenshandlungen zu setzen, bleibt unberührt. Stimmen Anträge, die der Minderjährige und der gesetzliche Vertreter gestellt haben, nicht überein, so sind bei der Entscheidung alle Anträge inhaltlich zu berücksichtigen.
(3) Entbehrt ein Minderjähriger, der das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat, im Revisionsrekursverfahren vor dem Obersten Gerichtshof einer Vertretung nach §6, so ist ihm auf Antrag die Verfahrenshilfe durch Beigebung eines Rechtsanwalts ohne vorherige Prüfung der vermögensrechtlichen Voraussetzungen zu bewilligen. Nach Abschluss des Revisionsrekursverfahrens sind die Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe zu prüfen und über eine allfällige Nachzahlung endgültig zu entscheiden.
[…]
Besondere Entscheidungen bei vom Kinder- und Jugendhilfeträger gesetzten
Maßnahmen
§107a. (1) In Verfahren über einen Antrag des Kinder- und Jugendhilfeträgers nach §211 Abs1 zweiter Satz ABGB hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder der Person, in deren Obsorge eingegriffen wurde, unverzüglich, tunlichst binnen vier Wochen, auszusprechen, ob die Maßnahme des Kinder- und Jugendhilfeträgers unzulässig oder vorläufig zulässig ist. Ein solcher Antrag muss binnen vier Wochen nach Beginn der Maßnahme gestellt werden. Erklärt das Gericht die Maßnahme für unzulässig, so kommt dieser Entscheidung vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zu, sofern das Gericht diese nicht ausschließt; im Übrigen gilt §44 sinngemäß. Die Frist für den Rekurs, mit dem die Unzulässigerklärung der Maßnahme angefochten wird, beträgt drei Tage. Gegen die vorläufige Zulässigerklärung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
(2) Hat der Kinder- und Jugendhilfeträger die Maßnahme beendet, so hat das Gericht auf Antrag des Kindes oder der Person, in deren Obsorge eingegriffen wurde, auszusprechen, ob die Maßnahme unzulässig war. Ein solcher Antrag muss binnen drei Monaten nach Beendigung der Maßnahme gestellt werden."
III. Zulässigkeit
1. Gemäß Art138 Abs1 Z2 B VG iVm §46 Abs1 Z2 VfGG besteht ein vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidender verneinender Kompetenzkonflikt ua dann, wenn ein ordentliches Gericht und ein Verwaltungsgericht ihre Zuständigkeit in derselben Sache verneint haben, obwohl eines der beiden Gerichte zuständig gewesen wäre (vgl VfSlg 20.133; 24.2.2017, E1005/2016, KI4/2016). Ob "dieselbe Sache" vorliegt, ist insbesondere danach zu beurteilen, ob die vom Einschreiter an die beiden Organe gerichteten Begehren identisch sind (vgl VfSlg 19.997/2015, 20.164/2017, 20.233/2018). Der Begriff der Identität der Sache darf nicht allzu streng ausgelegt werden, weil sich gewisse Verschiedenheiten in der Geltendmachung des Anspruches schon daraus ergeben müssen, dass die Verteilung der Zuständigkeit von materiellrechtlichen Momenten abhängig ist, die bei der Geltendmachung vor den ordentlichen Gerichten anders geartet sind als bei der Geltendmachung vor den Verwaltungsbehörden und gerichten nach den für diese geltenden Verwaltungsvorschriften (vgl VfSlg 16.104/2001, 20.164/2017).
1.1. Ob die Sachidentität gegeben ist, hängt weder von den in den Erledigungen verwendeten Formulierungen noch von den darin zitierten Rechtsvorschriften ab (vgl VfSlg 19.997/2015). Insbesondere ist bei der Beurteilung, ob das jeweilige Verwaltungsgericht oder das jeweilige ordentliche Gericht die Zuständigkeit verneint hat, nicht ausschließlich auf die Formulierung des Spruches abzustellen, sondern muss auch auf die Gründe der Entscheidung Bedacht genommen werden (vgl VfSlg 5407/1966, 14.295/1995, 14.769/1997, 14.991/1997, 19.499/2011, 20.164/2017).
1.2. Die Voraussetzungen eines negativen Kompetenzkonfliktes sind in jenen Fällen nicht gegeben, in denen die Behörde ihre Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache nicht schlechthin verneint, sondern den Antrag etwa mangels Legitimation, mangels Parteieigenschaft, wegen entschiedener Sache oder wegen Fristversäumnis zurückweist (vgl zB VfSlg 383/1925, 3490/1959, 14.175/1995, 14.343/1995, 14.497/1996, 18.575/2008, 18.699/2009, 19.499/2011, 20.164/2017).
2. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
2.1. Das ABGB regelt im dritten Hauptstück seines ersten Teils (§§137 ff.) das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern. Die Obsorge (samt Pflege und Erziehung, §158 ABGB) kommt demnach in aller Regel den Eltern des Kindes zu (näher §177 ABGB). Sie können die Pflege und Erziehung auch mit privatrechtlichem Vertrag auf Pflegeeltern übertragen (vgl §139 Abs1, §167 Abs2, §190 Abs1 ABGB; OGH 27.9.1990, 7 Ob 657/90; Barth/Neumayr , in: Fenyves/Kerschner/Neumayr [Hrsg.], ABGB 3 , 2008, Anm. 21 ff. zu §186; Hopf/Höllwerth , in: Koziol/Bydlinski/Bollenberger [Hrsg.], Kurzkommentar zum ABGB 6 , 2020, Anm. 1 zu §184; Stabentheiner , in: Rummel [Hrsg.], ABGB 3 (2000) Anm. 3 zu §186 ABGB; Weitzenböck , in: Kodek [Hrsg.], ABGB Praxiskommentar 5 , 2018, Anm. 12 ff. zu §184 ABGB).
2.1.1. Die vertragliche Begründung der Pflegeelternschaft bedarf bei minderjährigen Kindern der (hoheitlich, mit Bescheid) zu erteilenden Bewilligung des Kinder- und Jugendhilfeträgers (§66 Abs1 NÖ KJHG, bis 31.12.2019 grundsatzgesetzlich auch §21 Abs1 B KJHG), konkret der Bezirksverwaltungsbehörde (§7 Abs2 Z8 NÖ KJHG). Das auf einem privatrechtlichen Pflegevertrag fußende Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Pflegeeltern ist privatrechtlicher Natur, es kann wieder aufgelöst werden und die Eltern können ihr Kind zurückfordern (vgl OGH 27.9.1990, 7 Ob 657/90; 28.5.1991, 4 Ob 531/91; 25.11.2003, 5 Ob 272/03s; 14.12.2011, 3 Ob 165/11b; Stabentheiner , in: Rummel [Hrsg.], ABGB Bd. I 3 , 1. Ergänzungsband, 2003, Anm. 3 zu §186 ABGB; sofern nicht das zuständige Gericht nach §185 ABGB zwischenzeitig anderes verfügt hat); Rechtsstreitigkeiten aus diesem Pflegeverhältnis sind vor den ordentlichen Gerichten auszutragen.
2.1.2. Im Interesse des Kindeswohls sieht das ABGB vor, dass das Gericht die Obsorge der Eltern über ihr Kind einschränken oder entziehen (§181 ABGB) und anderen Personen übertragen kann (vgl ua §185, §204 ABGB), hilfsweise auch an den Kinder- und Jugendhilfeträger (§209 ABGB). Der Kinder- und Jugendhilfeträger tritt im Fall einer solchen, gerichtlich verfügten Übertragung zunächst in die (zivilrechtliche) Rechtsposition der Eltern ein; seine Anordnungen, die er an Stelle der Eltern trifft, sind damit grundsätzlich zivilrechtlicher (nicht-hoheitlicher) Natur.
2.1.3. Wie die Eltern kann der Kinder- und Jugendhilfeträger ein Kind, dessen Obsorge ihm übertragen wurde, Pflegeeltern anvertrauen und mit diesen ein zivilrechtliches Pflegeverhältnis begründen (vgl deutlich noch die §§176a und 186a ABGB idF des Kindschaftsrecht-Änderungsgesetzes, BGBl 162/1989; Stabentheiner , in: Rummel [Hrsg.], ABGB 3 , 2000, Anm. 2 zu §186 ABGB), sofern dem nicht das Kinder- und Jugendhilferecht der Länder entgegensteht.
Im Unterschied zu anderen Personen, denen die Obsorge für ein Kind gerichtlich zugewiesen wurde, benötigt der Kinder- und Jugendhilfeträger für die Übergabe von Kindern, deren Obsorge ihm gerichtlich überantwortet wurde, an Pflegeeltern keine gerichtliche Zustimmung (§210 Abs1 iVm §213 Abs1 ABGB; OGH 1.12.2005, 6 Ob 215/05v; Stabentheiner , in: Rummel [Hrsg.], ABGB Bd. I 3 , 1. Ergänzungsband, 2003, Anm. 3 zu §186 ABGB). Anders als die Begründung einer Pflegeelternschaft zwischen Eltern (oder anderen Privatpersonen als Obsorgeberechtigten) einerseits und den Pflegeeltern anderseits bedarf die Inpflegegabe eines Kindes durch den Kinder- und Jugendhilfeträger, dem dessen Obsorge gerichtlich übertragen wurde, auch nicht der (hoheitlich zu erteilenden) kinder- und jugendhilferechtlichen Bewilligung (§21 Abs1 B KJHG idF bis 31.12.2019, §66 Abs1 NÖ KJHG, arg.: "die nicht im Rahmen der vollen Erziehung erfolgt"; Staffe-Hanacek/Weitzenböck , Kinder- und Jugendhilferecht, 2015, Anm. 2 zu §19 B KJHG).
2.1.4. §211 Abs1 erster Satz ABGB unterwirft den Kinder- und Jugendhilfeträger in Belangen der Obsorge den (hoheitlichen) Verfügungen des ordentlichen Gerichtes. Gemäß §211 Abs1 zweiter Satz ABGB kann der Kinder- und Jugendhilfeträger jedoch bei Gefahr im Verzug die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig (bis zur Entscheidung des Gerichtes, das er unverzüglich, längstens innerhalb von acht Tagen, anzurufen hat) selbst treffen (vgl zur privatrechtlichen Qualifikation dieser Befugnis VfSlg 11.492/1987, 11.498/1987, 18.154/2007, VwSlg 14.326 A/1995; gegenteilig aber OGH 24.6.2005, 1 Ob 49/05w; 27.9.2005, 1 Ob 58/05v). Insbesondere aus der Anordnung, wonach der Kinder- und Jugendhilfeträger im Umfang der getroffenen Maßnahmen "vorläufig mit der Obsorge betraut" ist, erhellt, dass die Notkompetenz des §211 Abs1 zweiter Satz ABGB als Eingriff in die Rechte von Obsorgeberechtigten (idR der Eltern) konzipiert ist; er ist daher nicht einschlägig, wenn der Kinder- und Jugendhilfeträger kraft gerichtlicher Verfügung selbst bereits Inhaber der Obsorge ist; in diesem Fall stehen ihm ohnehin die (zivilrechtlichen) Befugnisse eines Obsorgeberechtigten, so etwa zur Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes (§162 Abs1 ABGB), zu. §211 Abs1 zweiter Satz ABGB kommt daher insbesondere nicht zum Tragen, wenn der Kinder- und Jugendhilfeträger als (gerichtlich betrauter) Obsorgeberechtigter privatrechtlich Pflegeeltern mit der Pflege und Erziehung betraut hat; dieses Verhältnis bestimmt sich nach Vertragsrecht (iVm dem Kinder- und Jugendhilferecht).
2.2. Das NÖ KJHG regelt (bis zum 31. Dezember 2019 in Umsetzung der grundsatzgesetzlichen Bestimmungen des B KJHG 2013) die Aufgaben und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (§1 Abs1 leg cit) und geht – im hier maßgeblichen Zusammenhang – aufs Wesentliche zusammengefasst von folgendem Konzept aus:
2.2.1. Nach dem Grundsatz des §2 Abs6 NÖ KJHG darf in familiäre Rechte und Pflichten und Beziehungen nur insoweit eingegriffen werden, als dies zur Gewährleistung des Kindeswohles notwendig "und im bürgerlichen Recht vorgesehen ist". Nach §4 Z5 NÖ KJHG zählt zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe insbesondere "die Übernahme und Ausübung der Obsorge, wenn die Erziehungsberechtigen dazu nicht in der Lage sind".
2.2.2. Die in den §§24 bis 29 NÖ KJHG geregelten "Sozialen Dienste" können von Eltern, Kindern und Jugendlichen "nach eigenem Ermessen in Anspruch genommen werden" (§24 leg cit).
2.2.3. Entsteht ein Anfangsverdacht einer Kindeswohlgefährdung, haben die Bezirksverwaltungsbehörden eine Gefährdungsabklärung durch Erhebung des relevanten Sachverhaltes durchzuführen (§30 NÖ KJHG), wobei der Kinder- und Jugendhilfeträger im Fall der Verweigerung der Mitwirkung der Erziehungsberechtigten "die erforderlichen gerichtlichen Verfügungen nach Bürgerlichem Recht zu beantragen hat" (§33 NÖ KJHG), wodurch "der Rechtsschutz Erziehungsberechtigter gewahrt" bleibt (so der Motivenbericht zum NÖ KJHG, Ltg. 107/K 18 2013, zu §33).
2.2.4. Im Fall einer Kindeswohlgefährdung sind Erziehungshilfen in den Formen der "Unterstützung der Erziehung" (unter Verbleib der Kinder in der Familie, §§43 f. NÖ KJHG) oder der "vollen Erziehung" (durch Betreuung der Kinder außerhalb der Familie) zu leisten (§38 NÖ KJHG). "Freiwillige Erziehungshilfen", das sind solche, mit denen die Erziehungsberechtigten einverstanden sind, werden mit – aufkündbarer – Vereinbarung zwischen den Erziehungsberechtigten und dem Kinder- und Jugendhilfeträger festgelegt (§39 NÖ KJHG) und haben "vertraglichen Charakter" (Motivenbericht zum NÖ KJHG, Ltg. 107/K 18 2013, zu §39). Stimmen die Erziehungsberechtigten einer notwendigen Erziehungshilfe nicht zu, hat der Kinder- und Jugendhilfeträger "bei Gericht die zur Wahrung des Wohles von Kindern und Jugendlichen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen nach Bürgerlichem Recht" (gemeint: §211 Abs1 erster Satz ABGB, Motivenbericht zum NÖ KJHG, Ltg. 107/K 18 2013, zu §40), vor allem die gänzliche oder teilweise Entziehung der Obsorge, zu beantragen (§40 Abs1 NÖ KJHG; "Erziehungshilfen aufgrund einer gerichtlichen Verfügung"). Gemäß §40 Abs2 NÖ KJHG, der die "Anschlussnorm" zu §211 Abs1 zweiter Satz ABGB bildet, hat der Kinder- und Jugendhilfeträger bei Gefahr im Verzug die (nicht freiwillige) "Erziehungshilfe zu gewähren, die notwendigen Anträge bei Gericht zu stellen und die Obsorgerechte bis zur gerichtlichen Entscheidung nach Bürgerlichem Recht selbst auszuüben".
2.2.5. Die "volle Erziehung" durch Betreuung des betroffenen Kindes außerhalb der Familie (§39 NÖ KJHG) umfasst insbesondere die Pflege und Erziehung durch nahe Angehörige, in sozialpädagogischen oder sozialtherapeutischen Einrichtungen, aber auch bei Pflegeeltern oder Pflegepersonen (§50 Abs1 [Z2] NÖ KJHG). Erfolgt die "volle Erziehung" als "freiwillige Erziehungshilfe", so wird der Kinder- und Jugendhilfeträger im Wege der Vereinbarung zwischen diesem und dem Erziehungsberechtigten (§39 NÖ KJHG) "mit der Ausübung der Erziehungsrechte" beauftragt (§50 Abs2 NÖ KJHG). Im Fall der "vollen Erziehung" als "Erziehungshilfe aufgrund gerichtlicher Verfügung" (§40 NÖ KJHG) erfolgt die Betrauung des Kinder- und Jugendhilfeträgers mit der Besorgung der Erziehungsrechte (entweder ex lege oder) mit gerichtlicher Verfügung (§50 Abs2 NÖ KJHG).
2.2.6. Insbesondere zur Besorgung von Erziehungshilfen in der Form der "vollen Erziehung" kann der Kinder- und Jugendhilfeträger private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen heranziehen, indem er "als Träger von Privatrechten" mit diesen einen "Leistungsvertrag" abschließt (§57 Abs1 NÖ KJHG; während die Eignungsfeststellung ebenso mit Bescheid erfolgt wie die Erteilung von Aufträgen im Rahmen der Aufsicht, §51 Abs1 und §53 Abs3 NÖ KJHG).
2.2.7. Pflegepersonen sind gemäß §58 Abs2 NÖ KJHG Personen, die vom Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Ausübung der Pflege und Erziehung für ein bestimmtes Pflegekind im Rahmen der vollen Erziehung "beauftragt" wurden. Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat zunächst die Eignung zur Pflegeperson "als Träger von Privatrechten" zu beurteilen (§59 NÖ KJHG), um sodann die geeigneten Pflegepersonen auszuwählen. Die Vermittlung eines Pflegekindes darf nur vom Kinder- und Jugendhilfeträger vorgenommen werden, wenn (ua) dieser entweder vom Erziehungsberechtigten, kraft Gesetzes oder vom Gericht mit der Pflege und Erziehung des Pflegekindes betraut ist (§60 Abs2 [Z1] NÖ KJHG). Die "Übertragung der Ausübung der Erziehungsberechtigung vom Kinder- und Jugendhilfeträger an die Pflegepersonen erfolgt" – so ausdrücklich der Motivenbericht zum NÖ KJHG, Ltg. 107/K 18 2013, zu §60, – "mittels privatrechtlicher Vollmacht". Pflegepersonen, die durch den Kinder- und Jugendhilfeträger mit der "Ausübung" der Pflege und Erziehung von Pflegekindern durch den Kinder- und Jugendhilfeträger "betraut" sind, erhalten auf Antrag (mit Bescheid) ein pauschaliertes Pflegekindergeld (§64 NÖ KJHG).
2.2.8. §66 NÖ KJHG stellt die Pflege und Erziehung von (minderjährigen) Pflegekindern, die nicht im Rahmen der "vollen Erziehung" (also in Verantwortung des Kinder- und Jugendhilfeträgers selbst) erfolgt ("private Pflegeverhältnisse"), unter Bewilligungsvorbehalt (§66 Abs1 NÖ KJHG); über die Bewilligung ist vom Kinder- und Jugendhilfeträger (der Bezirksverwaltungsbehörde, §7 Abs2 Z8 NÖ KJHG) mit Bescheid zu entscheiden (§66 Abs3 NÖ KJHG), weil – so der Motivenbericht zum NÖ KJHG, Ltg. 107/K 18 2013, zu §66 – "bei privaten Pflegeverhältnissen der Kinder- und Jugendhilfeträger nicht mit der Erziehungsberechtigung über ein Pflegekind ausgestattet ist". Ein Anspruch auf Pflegekindergeld besteht im Rahmen solcher "privaten Pflegeverhältnisse" (im Gegensatz zu Fällen der vom Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger "beauftragten" bzw "betrauten" Pflegepersonen) nicht (§66 Abs4 NÖ KJHG).
2.2.9. Sowohl vom Kinder- und Jugendhilfeträger beigezogene (mittels privatrechtlicher Vollmacht "beauftragte") Pflegepersonen (§61 NÖ KJHG) als auch "private Pflegeverhältnisse" (§66 Abs5 NÖ KJHG) unterliegen der Aufsicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers (der Bezirksverwaltungsbehörde, §7 Abs2 Z6 und Z8 NÖ KJHG). Während aber im Rahmen der Aufsicht über private Pflegeverhältnisse die Behebung von Mängeln "mit Bescheid aufzutragen" und gegebenenfalls die (mit Bescheid erteilte) Bewilligung (mit Bescheid) zu widerrufen ist (§66 Abs5 NÖ KJHG), räumt §61 NÖ KJHG im Rahmen der Pflegeaufsicht über die vom Kinder- und Jugendhilfeträger beigezogenen (mittels privatrechtlicher Vollmacht "beauftragten") Pflegepersonen keine vergleichbaren hoheitlichen Befugnisse ein.
2.3. Das bedeutet zusammenfassend: Das zuständige ordentliche Gericht kann (hoheitlich) dem Kinder- und Jugendhilfeträger die (privatrechtliche Rechtsposition der) Obsorge über Kinder übertragen, die den Kinder- und Jugendhilfeträger sowohl aus Sicht des ABGB (oben 2.1.3.) als auch aus der Perspektive des NÖ KJHG (oben 2.2.7.) ermächtigt, auf privatrechtlicher Grundlage und in Privatrechtsform Pflegeeltern beizuziehen. Im Verhältnis zu solchen Pflegeeltern ist nicht §211 Abs1 zweiter Satz ABGB, sondern die privatrechtliche Vereinbarung und §162 Abs1 ABGB einschlägig. §66 NÖ KJHG, der in Hoheitsverwaltung zu vollziehen wäre, findet auf solche Pflegeverhältnisse keine Anwendung. Im Unterschied zu §66 Abs5 NÖ KJHG ermächtigt §61 leg cit ("Pflegeaufsicht" über vom Kinder- und Jugendhilfeträger auf privatrechtlicher Basis beigezogene Pflegeeltern) nicht zu hoheitlichen Maßnahmen.
3. Daraus folgt für den zu beurteilenden Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes:
3.1. Das Bezirksgericht Bruck an der Leitha hat dem Kinder- und Jugendhilfeträger (konkret dessen Organ Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha) mit Beschluss vom 27. März 2017 die Obsorge über den minderjährigen *** übertragen. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha hat (als Organ des Kinder- und Jugendhilfeträgers und als Obsorgeberechtigter) den Antragstellern mit privatrechtlicher "Vollmacht" die Pflege und Erziehung des Kindes überantwortet und diese "Vollmacht" mit privatrechtlicher Erklärung vom 6. Juni 2019 widerrufen sowie das Kind im Anschluss unter Berufung auf ihr (privatrechtliches) Obsorgerecht an sich genommen (vgl §162 Abs1 ABGB).
3.2. Die Antragsteller haben mit ihrer an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gerichteten Maßnahmenbeschwerde vom 7. Juni 2019 begehrt, die "zwangsweise Kindesabnahme" durch "Beamtinnen der BH und der Polizei Mödling" für rechtswidrig zu erklären.
3.2.1. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat die Verneinung seiner Zuständigkeit zur Behandlung der erhobenen Maßnahmenbeschwerde im Wesentlichen damit begründet, dass ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung vorliege, weshalb die Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei.
3.2.2. Diese Verneinung der Zuständigkeit erfolgte in Bezug auf das Einschreiten der Organe der Kinder- und Jugendhilfe im gegebenen Zusammenhang –Rückholung eines Pflegekindes aus der Obhut der privatrechtlich als Verwaltungshelfer bestellten Pflegeeltern – nach der oben dargestellten Rechtslage zutreffend.
3.3. Mit ihrem an das Bezirksgericht Mödling gerichteten Antrag vom 4. Juli 2017 haben die Antragsteller, gestützt auf §107a AußStrG iVm §211 ABGB, die Feststellung bzw die Verfügung begehrt, die zwangsweise Abnahme des Pflegekindes sei unzulässig und das Pflegekind sei den Pflegeeltern zurückzugeben.
3.3.1. Zwar hat das Bezirksgericht Mödling die Zurückweisung dieser Eingabe der Antragsteller in seinem Beschluss vom 5. Juli 2019 damit begründet, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger bei seinem Verlangen nach Herausgabe des Kindes in Vollziehung des NÖ KJHG "im Rahmen der Verwaltung" handle, weshalb die Maßnahme nicht der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliege und eine gerichtliche Zuständigkeit nicht gegeben sei. Die im Instanzenzug angerufenen Obergerichte haben diese Entscheidung jedoch korrigiert: Das Landesgericht Wiener Neustadt hat dem Rekurs der Antragsteller mit Beschluss vom 22. August 2019 nicht Folge gegeben und dies damit begründet, dass kein Fall des §211 ABGB (§107a AußStrG) vorliege. Der Oberste Gerichtshof hat den Revisionsrekurs mit seinem Beschluss vom 24. Oktober 2019 – unter Bestätigung der Rechtsauffassung, dass kein Fall einer Maßnahme iSv §107a AußStrG iVm §211 ABGB vorliege – zurückgewiesen.
3.3.2. Demnach haben die angerufenen Zivilgerichte im Lichte der Beschlüsse des Landesgerichts Wiener Neustadt bzw des Obersten Gerichtshofes die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht schlechthin verneint, sondern lediglich ausgesprochen, dass der ausdrücklich auf §211 ABGB iVm §107a AußStrG gestützte Antrag mangels Maßgeblichkeit dieser Bestimmung im Verhältnis zwischen dem Kinder- und Jugendhilfeträger und den von ihm beigezogenen Pflegeeltern nicht zulässig sei. Der Verfassungsgerichtshof vermag dieser Beurteilung aus den oben näher dargelegten Gründen nicht entgegenzutreten: Die Abnahme des Pflegekindes erfolgte nämlich nicht als Eingriff in die Rechte Obsorgeberechtigter nach §211 ABGB, sondern vielmehr durch den obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsträger gegenüber Pflegeeltern, welche der Jugendwohlfahrtsträger auf privatrechtlicher Grundlage beigezogen hatte. Für Streitigkeiten aus diesem Rechtsverhältnis ist jedoch nicht das – von den Antragstellern geltend gemachte – Verfahren nach §107a AußStrG iVm §211 ABGB maßgeblich.
3.3.3. Die angerufenen ordentlichen Gerichte haben daher ihre Zuständigkeit nicht schlechthin verneint, sondern in Bezug auf den einzig geltend gemachten Anspruch (§211 ABGB iVm §107a AußStrG) im Ergebnis eine inhaltlich abschlägige Entscheidung getroffen.
3.4. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und das Bezirksgericht Mödling haben daher, soweit es um das Handeln des Kinder- und Jugendhilfeträgers geht, jeweils zu Recht die Behandlung der jeweils gestellten Anträge abgelehnt. Mangels Vorliegens eines negativen Kompetenzkonfliktes ist daher der Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes als unzulässig zurückzuweisen.
IV. Ergebnis
1. Der Antrag auf Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.