JudikaturVfGH

G362/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
02. März 2021

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG begehrt die Antragstellerin, §17 Abs4 Epidemiegesetz, BGBl 186/1950, idF BGBl I 114/2006 als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl 186/1950, idF BGBl I 33/2021 (§1) bzw BGBl I 114/2006 (§17) lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"I. HAUPTSTÜCK.

Ermittlung der Krankheit.

Anzeigepflichtige Krankheiten

§1. (1) Der Anzeigepflicht unterliegen:

1. Verdachts , Erkrankungs- und Todesfälle an Cholera, Gelbfieber, virusbedingtem hämorrhagischem Fieber, infektiöser Hepatitis (Hepatitis A, B, C, D, E), Hundebandwurm (Echinococcus granulosus) und Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis), Infektionen mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus, Kinderlähmung, bakteriellen und viralen Lebensmittelvergiftungen, Lepra, Leptospiren-Erkrankungen, Masern, MERS CoV (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus/'neues Corona-Virus'), Milzbrand, Psittakose, Paratyphus, Pest, Pocken, Rickettsiose durch R. prowazekii, Rotz, übertragbarer Ruhr (Amöbenruhr), SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom), transmissiblen spongiformen Enzephalopathien, Tularämie, Typhus (Abdominaltyphus), Puerperalfieber, Wutkrankheit (Lyssa) und Bissverletzungen durch wutkranke oder verdächtige Tiere,

2. Erkrankungs- und Todesfälle an Bang`scher Krankheit, Chikungunya-Fieber, Dengue-Fieber, Diphtherie, Hanta Virus-Infektionen, virusbedingten Meningoenzephalitiden, invasiven bakteriellen Erkrankungen (Meningitiden und Sepsis), Keuchhusten, Legionärskrankheit, Malaria, Röteln, Scharlach, Rückfallfieber, Trachom, Trichinose, West Nil-Fieber, schwer verlaufenden Clostridium difficile assoziierten Erkrankungen und Zika Virus-Infektionen.

(2) Der Bundesminister für Gesundheit und Frauen kann, wenn dies aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt oder auf Grund internationaler Verpflichtungen erforderlich ist, durch Verordnung weitere übertragbare Krankheiten der Meldepflicht unterwerfen oder bestehende Meldepflichten erweitern.

[…]

Überwachung bestimmter Personen.

§17. (1) Personen, die als Träger von Krankheitskeimen einer anzeigepflichtigen Krankheit anzusehen sind, können einer besonderen sanitätspolizeilichen Beobachtung oder Überwachung unterworfen werden. Sie dürfen nach näherer Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde (Gesundheitsamt) nicht bei der Gewinnung oder Behandlung von Lebensmitteln in einer Weise tätig sein, welche die Gefahr mit sich bringt, daß Krankheitskeime auf andere Personen oder auf Lebensmittel übertragen werden. Für diese Personen kann eine besondere Meldepflicht, die periodische ärztliche Untersuchung sowie erforderlichenfalls die Desinfektion und Absonderung in ihrer Wohnung angeordnet werden; ist die Absonderung in der Wohnung in zweckmäßiger Weise nicht durchführbar, so kann die Absonderung und Verpflegung in eigenen Räumen verfügt werden.

(2) Bezieht sich der Ansteckungsverdacht auf die Übertragung des Flecktyphus, der Blattern, der Asiatischen Cholera oder der Pest, so ist die sanitätspolizeiliche Beobachtung und Überwachung der ansteckungsverdächtigen Person im Sinne des vorhergehenden Absatzes jedenfalls durchzuführen.

(3) Für Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und für Hebammen ist die Beobachtung besonderer Vorsichten anzuordnen. Für solche Personen können Verkehrs- und Berufsbeschränkungen sowie Schutzmaßnahmen, insbesondere Schutzimpfungen, angeordnet werden.

(4) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, kann die Bezirksverwaltungsbehörde im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen oder die Gabe von Prophylaktika anordnen. "

2. Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II 15/2020, lautet wie folgt:

"Auf Grund des §1 Abs2 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl Nr 186/1950, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 37/2018, wird verordnet:

Der Anzeigepflicht nach dem Epidemiegesetz 1950 unterliegen Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfälle an 2019 nCoV ('2019 neuartiges Coronavirus')."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin bringt zu ihrer Antragslegitimation Folgendes vor:

"§17 Abs4 EpidemieG betrifft die gesamte österreichische Bevölkerung, insbesondere aber auch die Antragstellerin. Die Antragstellerin ist kritisch eingestellt gegenüber Impfungen. Das gilt insbesondere für Impfungen, die im Schnellverfahren hergestellt werden, so zum Beispiel bei einem teleskopierten Zulassungsverfahren, wie es derzeit der Fall bei Covid 19, SARS CoV 2 Impfstoffen ist. Die österreichische Regierung hat bereits Millionen an Impfdosen vorbestellt, dies obwohl nicht einmal ein Impfstoff hergestellt ist, geschweige denn ein sicherer Impfstoff. Die Antragstellerin ist sohin in Sorge darüber, dass es dem Gutdünken der Bezirksverwaltungsbehörde obliegt, ob nun ein Impfstoff zwangsweise verabreicht wird an sie oder nicht. Wenn man sich die Handhabung der Bezirksverwaltungsbehörde betreffend Zwangs-PCR Testungen im österreichischen Schulwesen ansieht, ist diese Sorge überaus berechtigt. Es kann sohin durchaus der Fall eintreten, dass die Antragstellerin zwangsweise einer Zwangsimpfung durch einen SARS CoV 2 Impfstoff zugeführt wird. Es bereitet der Antragstellerin Sorge. Österreichische Politiker haben bereits darauf hingewiesen, dass die Pandemie erst beendet ist, wenn ein Impfstoff vorliegt. Die gesamte Regierungskommunikation und auch die Kommunikation der Leitmedien gehen dahin, dass die Antragstellerin und die österreichischen Bevölkerung mit einer Zwangsimpfung beglückt werden sollen. Zum großen Erstaunen musste die Antragstellerin feststellen, dass dies bereits in §17 Abs4 EpidemieG geregelt ist. Die Bestimmung ist derart unbestimmt, dass nicht absehbar ist, ob es nun unbedingt erforderlich ist, sie zwangsweise zu impfen oder nicht.

[…]

Bei einer Gefahrensituation ist damit zu rechnen, dass die Zwangsimpfung zeitnah durchgeführt wird. Zeitnah ist gemeint mit dem Vorliegen eines angeblich sicheren Impfstoffes. Es besteht sohin keine Zeit ein Verwaltungsverfahren über drei Instanzen durchzuführen, da allenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde zum Ergebnis kommt, dass die Zwangsimpfung, sohin ohne aufschiebende Wirkung, durchzuführen ist. Entsprechende Bescheide gibt es bereits seitens der zuständigen Gesundheitsbezirkshauptmannschaften zum Thema der Zwangs-PCR Testung. Die Eltern werden verständigt, dass ihre Kinder zwangsweise zu testen sind, widrigenfalls Verwaltungsstrafen von bis zu € 1.450 drohen. Eine ähnliche Vorgangsweise könnte sohin bei angeblich epidemischer Lage betreffend der künftigen Zwangsimpfungen betreffend Impfstoffen betreffend SARS CoV 2 eintreten. Es ist der Antragstellerin auch unzumutbar sich rechtswidrig zu verhalten, um ein Verwaltungsverfahren durchzulaufen (Vfslg 8396/1978; 8464/1978; 13.659/1993). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann mit einem Individualantrag ausnahmslos jede Rechtswidrigkeit der bekämpften Norm geltend gemacht werden (Vfslg 8009/1977; 16.031/2000 und viele andere). Da derzeit auf Hochdruck international betreffend eines Impfstoffs geforscht wird, ist es auch wahrscheinlich, dass demnächst sohin im Winter 2020 beziehungsweise Frühjahr 2021 sich die Situation einer Zwangsimpfung stellen kann. Es ist durchaus möglich, dass sich am Wohnort der Antragstellerin die Lage epidemisch zuspitzt und die Problematik einer Zwangsimpfung schlagend wird. Die Antragstellerin ist sohin durch §17 Abs4 EpidemieG unmittelbar betroffen."

In der Sache bringt die Antragstellerin vor, die angefochtene Vorschrift verstoße gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 B VG), auf körperliche Unversehrtheit (Art2 EMRK), auf Achtung des Privatlebens (Art8 EMRK) und darauf, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK).

2. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Antrages begehrt.

2.1. Zur Zulässigkeit führt sie wie folgt aus:

"2. Der Antragstellerin fehlt es zunächst an der erforderlichen unmittelbaren Betroffenheit:

2.1. Bereits aus dem Wortlaut des §17 Abs4 EpiG ergibt sich unmissverständlich, dass die Durchführung von Schutzimpfungen nur 'im Einzelfall' und nur 'für bestimmte gefährdete Personen' angeordnet werden kann. Damit wird eine dreifache Beschränkung normiert: Zunächst ist eine Anordnung nur im Einzelfall zulässig. Weiters darf eine solche Anordnung nur 'gefährdete' Personen betreffen. Schließlich ergibt sich aus dem Wort 'bestimmte' eine weitere Einschränkung dahingehend, dass es sich nur um einzelne Personen handeln darf. §17 Abs4 EpiG ermächtigt damit – entgegen der Behauptung der Antragstellerin – nicht zur Anordnung einer allgemeinen Impfpflicht.

2.2. Dies ist auch aus dem systematischen Kontext zweifelsfrei zu schließen: §17 Abs4 EpiG ist Teil der sonstigen Regelungen des §17 betreffend die 'Überwachung bestimmter Pesonen' (vgl die Paragrafenüberschrift). Bei diesen 'bestimmten Personen' handelt es sich um ansteckungsverdächtige Personen (§17 Abs1 und 2 EpiG), um Angehörige bestimmter Berufsgruppen (§17 Abs3 EpiG; Personen, die sich berufsmäßig mit der Krankenbehandlung, der Krankenpflege oder Leichenbesorgung beschäftigen, und Hebammen), sowie um bestimmte gefährdete Personen (§17 Abs4 EpiG). Die Rechtfertigung für die behördliche Anordnung von Schutzimpfungen gemäß §17 Abs3 EpiG liegt – neben dem Umgang mit kranken und somit vulnerablen Personen – in der Multiplikatoreneigenschaft dieser Berufsgruppen. Im Gegensatz zu §17 Abs3 hat §17 Abs4 EpiG einen grundsätzlich von vornherein unbestimmten Adressatenkreis (Heissenberger, 105 Jahre 'Epidemiegesetz' – Ein Gesetz im Wandel! JMG 2018, 163 [164]; Wünsch-Brandner/Grandl-Eder, Gesetzlich verpflichtende Impfungen für das Personal in Krankenanstalten, JMG 2019, 81 [83]). Voraussetzung für den Anwendungsbereich des §17 Abs4 EpiG ist jedoch eine bestehende besondere Gefährdungslage oder Exponiertheit der von einer Anordnung betroffenen Personen.

2.3. Der Einzelfallbezug und die Beschränkung auf bestimmte gefährdete Personen kommt auch in den Materialien deutlich zum Ausdruck: In den parlamentarischen Materialien wird als Beispiel eine Meningokokken-Erkrankung an einer Schule oder in einem Kindergarten genannt, die die Gabe von Chemoprophylaktika an exponierte Personen zu deren Schutz und damit zum Schutz vor der Weiterverbreitung der Erkrankung erforderlich macht (IA 822/A 22. GP 3). Historischer Hintergrund der Bestimmung war die Weiterentwicklung der Medizin und damit die Eröffnung neuer medikamentöser Möglichkeiten (insbesondere in Form von Prophylaktika) zur Verhinderung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten.

2.4. Sowohl der Wortlaut als auch eine systematische und historische Interpretation bringen im Ergebnis klar die Bindung an den Einzelfall und die Beschränkung auf gefährdete Personen zum Ausdruck. §17 Abs4 EpiG ist demnach zweifelsohne keine Grundlage für eine allgemeine präventive Impfpflicht ohne Anlassfall. Dies entspricht auch der Ansicht der herrschenden Lehre (Wünsch-Brandner/Grandl-Eder, JMG 2019, 82; siehe auch Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts [2020] 82, wonach in Österreich keine Impfpflicht für die Allgemeinbevölkerung bestehe und Hiersche, Sanitätspolizeiliche Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, Wiener Rechtswissenschaftliche Dissertation [2010] 136).

2.5. Abgesehen davon, dass eine aktuelle unmittelbare Betroffenheit schon am Fehlen einer zum Zeitpunkt der Antragstellung entsprechenden verfügbaren Schutzimpfung gegen COVID 19 scheitert, kann die Antragstellerin nach alldem nicht ausreichend darlegen, dass sie von dem angefochtenen §17 Abs4 EpiG konkret betroffen wäre: Weder behauptet sie, dass sie eine entsprechende behördliche (bescheidmäßige) Anordnung bekommen habe, noch, dass sie aufgrund eines konkreten Anlassfalls aktuell unter die Kategorie der bestimmten gefährdeten Personen im Sinne des §17 Abs4 EpiG falle. Darüber hinaus sollen nach der COVID 19-Impfstrategie des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Schutzimpfungen gegen COVID 19 auf Freiwilligkeit beruhen (Beilage 'COVID 19 – Impfstrategie' [2020] 2). Schon aus diesem Grund ist nach Ansicht der Bundesregierung der Antrag mangels unmittelbarer Betroffenheit zurückzuweisen.

2.6. Entgegen der Ausführung der Antragstellerin kann eine unmittelbare Betroffenheit auch nicht daraus resultieren, dass sich die epidemiologische Lage am Wohnort der Antragstellerin zuspitzt. Das Gefährdungselement des §17 Abs4 EpiG stellt ausschließlich auf bestimmte Personen, nicht hingegen auf räumliche Kriterien ab (zu einem räumlichen Anknüpfungspunkt vgl hingegen §16 ['für Orte und Gebiete'], §19 ['Gebiet einzelner oder mehrerer Ortschaften oder Gemeinden'], §20 Abs1 ['für bestimmt zu bezeichnende Gebiete'], §24 EpiG ['für die Bewohner von Epidemiegebieten']). Dies erschließt sich einerseits bereits aus der Überschrift zu §17 EpiG ('Überwachung bestimmter Personen') und andererseits aus dem Umstand, dass die Anordnungsermächtigung des §17 Abs4 EpiG ausschließlich der Bezirksverwaltungsbehörde für den Einzelfall vorbehalten ist.

Dem ausdrücklichen Einzelfallcharakter entsprechend hat die Anordnung einer allfälligen Schutzimpfung gemäß §17 Abs4 EpiG durch Bescheid zu erfolgen. Dadurch, dass eine Anordnung gemäß §17 Abs4 EpiG durch Bescheid zu erfolgen hat und damit keiner verordnungsförmigen Regelung zugänglich ist (vgl allgemein VfSlg 1685/1948), kommt auch die sogenannte Kaskadenregelung zu den Zuständigkeiten betreffend COVID 19 gemäß §43a Epidemiegesetz 1950 nicht zum Tragen. Daher ist es auch dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister sowie dem Landeshauptmann und der Bezirksverwaltungsbehörde verwehrt, flächendeckende und auf regionale Kriterien abstellende Anordnungen zur Durchführung von Schutzimpfungen im Verordnungsweg zu erlassen. Der Antrag ist nach Ansicht der Bundesregierung daher mangels unmittelbarer Betroffenheit zurückzuweisen.

3. Darüber hinaus fehlt es an der nach Art140 Abs1 litc B VG erforderlichen Umwegsunzumutbarkeit:

3.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes auf Antrag einer Person, die durch diese Verfassungswidrigkeit unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das angefochtene Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für sie wirksam geworden ist. Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffs zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 18.891/2003).

3.2. Wie bereits dargelegt ermächtigt §17 Abs4 EpiG bei Vorliegen der Voraussetzungen (bloß) zur Anordnung einer Behandlungspflicht durch Bescheid. Der behauptete Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht wird aber nicht unmittelbar durch das Gesetz bewirkt. Vielmehr hätte die Antragstellerin die Möglichkeit, einen allfälligen Bescheid gemäß §17 Abs4 EpiG mittels Bescheidbeschwerde beim Verwaltungsgericht anzufechten, um so die behauptete Verfassungswidrigkeit in weiterer Folge an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Anders als von der Antragstellerin behauptet, ist es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht unzumutbar, ein Verwaltungsverfahren zu durchlaufen. Auch aus diesem Grund ist der Antrag nach Ansicht der Bundesregierung zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen."

2.2. In der Sache hält die Bundesregierung der Antragstellerin Folgendes entgegen:

"1. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz (Art2 StGG, Art7 B VG)

1.1. Nach Ansicht der Antragstellerin verstößt §17 Abs4 EpiG gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß Art2 StGG und Art7 B VG. Inhaltlich richten sich die Behauptungen – soweit ersichtlich – aber nicht nur gegen die Sachlichkeit des §17 Abs4 EpiG an sich, sondern könnten auch dahingehend aufgefasst werden, dass die Antragstellerin die angefochtene Bestimmung als nicht hinreichend bestimmt iSv. Art18 Abs1 B VG erachtet.

1.2. Zunächst verweist die Bundesregierung auf das im Rahmen der Zulässigkeit Vorgebrachte, insbesondere auf den Einzelfallbezug und die Bindung an bestimmte gefährdete Personen gemäß §17 Abs4 EpiG. Sollte der Verfassungsgerichtshof den Antrag dennoch für zulässig erachten, nimmt die Bundesregierung wie folgt Stellung:

1.3. §17 Abs4 EpiG bezieht sich auf das Auftreten einer meldepflichtigen Erkrankung. Die Bestimmung verweist damit auf die anzeigepflichtigen Krankheiten gemäß §1 Abs1 und 2 EpiG. Was die Ausführungen der Antragstellerin zur WHO-Definition der Pandemie betrifft, so hängt das Vorliegen einer meldepflichtigen Krankheit gemäß dem EpiG nicht von den Begrifflichkeiten der Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation ab. Meldepflichtige Krankheiten im Sinne des EpiG sind in §1 Abs1 legal definiert; gemäß Abs2 kann diese Auflistung durch Verordnung erweitert werden. Die durch das Virus SARSCoV 2 hervorgerufene Krankheit COVID 19 wurde im Jänner 2020 durch die Verordnung betreffend anzeigepflichtige übertragbare Krankheiten 2020, BGBl II Nr 15/2020, als '2019 neuartiges Coronavirus' in die Liste der anzeigepflichtigen Krankheiten gemäß §1 EpiG aufgenommen.

1.4. Dass es sich bei COVID 19 um eine dem seuchenrechtlichen Regelungsregime zu unterwerfende übertragbare Krankheit handelt und die Aufnahme in den sowie die Beibehaltung im Katalog der meldepflichtigen Krankheiten des EpiG sachlich gerechtfertigt ist, kann in Anbetracht der Besonderheiten von COVID 19 und der pandemischen Ausbreitung seit dem ersten Auftreten nicht in Zweifel gezogen werden.

1.5. Wenngleich das Verständnis der Weltgesundheitsorganisation sowohl praktisch als auch allenfalls als Ausdruck des Standes der Wissenschaft relevant ist, ist der Rechtsbegriff der meldepflichtigen Krankheit davon unabhängig. Dies erschließt sich auch daraus, dass das EpiG den Begriff 'Pandemie' nur punktuell und losgelöst von der Legaldefinition der anzeigepflichtigen Erkrankungen nennt (vgl die §§5a, 28b, 46, 49 EpiG). Darüber hinaus verkennt die Antragstellerin, dass das EpiG im Jahr 1950 wiederverlautbart wurde, seine Ursprünge und Begrifflichkeiten jedoch aus dem Gesetz betreffend die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, RGBl Nr 67/1913, und somit bereits aus dem Jahr 1913 stammen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Weltgesundheitsorganisation erst im Jahr 1948 gegründet wurde und bereits vor diesem Hintergrund ein Einfluss dieser Organisation auf die Begriffsdefinitionen des EpiG ausgeschlossen ist. Weiters übersieht die Antragstellerin, dass §17 Abs4 erst im Jahr 2006 durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 114/2006 in das EpiG eingefügt wurde und daher eine von der Antragstellerin behauptete massive Veränderung der Situation seit 1950 irrelevant ist, weshalb dieser Zeitablauf die Unsachlichkeit des §17 Abs4 EpiG auch nicht zu bewirken vermag.

1.6. Was das Tatbestandsmerkmal der 'bestimmten gefährdeten Personen' betrifft, wird auf die Ausführungen zu Punkt II. 2. verwiesen. Auch die übrigen Voraussetzungen des 'Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung' und der Erforderlichkeit zum Schutz vor deren Weiterverbreitung erscheinen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Hinblick auf das Legalitätsprinzip unbedenklich.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. 7. 2020, V363/2020, im Zusammenhang mit dem Seuchenrecht Folgendes ausgeführt: 'Nach Art18 Abs2 B VG kann der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber Abwägungs- und Prognosespielräume einräumen und, solange die wesentlichen Zielsetzungen, die das Verwaltungshandeln leiten sollen, der Verordnungsermächtigung in ihrem Gesamtzusammenhang mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sind, die situationsbezogene Konkretisierung des Gesetzes dem Verordnungsgeber überlassen (vgl VfSlg 15.765/2000). Es kommt auf die zu regelnde Sache und den Regelungszusammenhang an, welche Determinierungsanforderungen die Verfassung an den Gesetzgeber stellt (VfSlg 19.899/2014 mwN). In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof auch mehrfach ausgesprochen, dass der Grundsatz der Vorherbestimmung verwaltungsbehördlichen Handelns nicht in Fällen überspannt werden darf, in denen ein rascher Zugriff und die Berücksichtigung vielfältiger örtlicher und zeitlicher Verschiedenheiten für eine sinnvolle und wirksame Regelung wesensnotwendig sind, womit auch eine zweckbezogene Determinierung des Verordnungsgebers durch unbestimmte Gesetzesbegriffe und generalklauselartige Regelungen zulässig ist (vgl VfSlg 17.348/2004 mwN). Dabei hat der Verfassungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, dass in einschlägigen Konstellationen der Normzweck auch gebieten kann, dass eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung dringend erforderliche – unter Umständen unter erleichtertenVoraussetzungen zustande gekommene – Maßnahme dann rechtswidrig wird und aufzuheben ist, wenn der Grund für die Erlassung fortfällt (siehe VfSlg 15.765/2000).'

Diese Ausführungen sind nach Ansicht der Bundesregierung auf die angefochtene Bestimmung zu übertragen:

§17 Abs4 EpiG ist auf alle meldepflichtigen Krankheiten im Sinne des EpiG anzuwenden, die mannigfaltig sind und sich in ihren Eigenschaften unterscheiden. Angesichts der Vielfalt der zu regelnden Krankheiten darf kein zu dichter Determinierungsgrad verlangt werden, zumal ein solcher den Handlungsspielraum der Behörde unsachlich einengen würde. Ob die Anordnung einer Schutzimpfung zum Schutz vor der Weiterverbreitung einer meldepflichtigen Erkrankung unbedingt erforderlich ist, hängt von einer Vielzahl individueller Faktoren ab, die in eine Einzelfallentscheidung einfließen müssen und auch im Wortlaut des §17 Abs4 EpiG Berücksichtigung finden. Vor diesem Hintergrund erweisen sich die ohnedies eng gesteckten Grenzen des §17 Abs4 EpiG als bestimmt genug.

1.7. Hinsichtlich des Einwands, es sei unersichtlich, dass gemäß §17 Abs4 EpiG eine Bezirksverwaltungsbehörde und kein Arzt darüber entscheide, ob eine Impfung erforderlich ist, ist darauf hinzuweisen, dass sich einerseits bereits aus dem Tatbestandselement der Erforderlichkeit der Schutzimpfung ergibt, dass ihre Anwendung dem Stand der Wissenschaft entsprechen muss. Andererseits ist nur durch die behördliche Anordnung der Impfung sichergestellt, dass diese Anordnung auch einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, was bei einer bloß ärztlichen Anordnung eben nicht der Fall wäre.

1.8. Gemäß §43 Abs1 EpiG bleiben die Bestimmungen des Reichssanitätsgesetzes, RGBl Nr 68/1870 durch die Vorschriften des EpiG unberührt. Gemäß §6 des Reichssanitätsgesetzes obliegt die Handhabung des staatlichen Wirkungskreises in Sanitätsangelegenheiten den politischen Behörden, die 'hierbei in der Regel nach vorläufiger Vernehmung von Sachverständigen vorzugehen' haben. Die Entscheidung über die Anordnung zur Durchführung von Schutzimpfungen liegt daher nicht im freien Ermessen der Bezirksverwaltungsbehörde, sondern hat auf Basis nachvollziehbarer Kriterien zu erfolgen, die dem Stand der Wissenschaft zu entsprechen haben. Bei den Bezirkshauptmannschaften sind gemäß §6 litb des Reichssanitätsgesetzes auch Bezirksärzte eingerichtet. Diese Funktion nehmen Amtsärzte im Sinne des §41 Abs1 des Ärztegesetzes 1998 – ÄrzteG 1998, BGBl I Nr 169/1998, wahr (vgl Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts 66 f). Daher übersieht die Antragstellerin, dass im Fall einer Anordnung gemäß §17 Abs4 EpiG auch Ärzte involviert sind.

1.9. Es ist daher festzuhalten, dass die Bezirksverwaltungsbehörde bei der Erlassung von Bescheiden an die (strengen) Kriterien des §17 Abs4 EpiG gebunden ist, die das behördliche Handeln hinreichend determinieren.

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art2 EMRK:

2.1. Die Antragstellerin behauptet einen Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art2 EMRK.

2.2. Von einer potenziellen, zukünftigen und nicht näher spezifizierbaren Schutzimpfung geht grundsätzlich keine Lebensgefahr aus. Der spezifisch lebensrechtliche Schutz der körperlichen Integrität im Sinne des Art2 EMRK greift jedoch erst dann, wenn eine konkrete und ernsthafte Gefahr für das Leben entsteht (dazu Kneihs, Schutz von Leib und Leben, in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer [Hrsg], Handbuch der Grundrechte 2 VII/1 §9 Rz 52; Kopetzki, Unterbringungsrecht I [1995] 401; Krasser, Zur grundrechtlichen Zulässigkeit einer Impfpflicht, RdM 2020, 136 [136 f]). Da ein entsprechend hoher Gefährdungsgrad nicht gegeben ist (und auch nicht behauptet wird), ist der Schutzbereich des Art2 EMRK nicht berührt.

3. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art3 EMRK:

3.1. Die Antragstellerin behauptet, in ihrem Recht gemäß Art3 EMRK verletzt zu sein, da eine 'Zwangsimpfung' eine unmenschliche Behandlung indiziere.

3.2. Eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art3 EMRK liegt vor, wenn sie die Persönlichkeit des Betroffenen bedroht, ihm insbesondere absichtlich heftigen körperlichen oder seelischen Schmerz zufügt und den Menschen dadurch erniedrigt (Berka/Binder/Kneihs, Die Grundrechte 2 [2020] 295). Auch bei einer verpflichtenden Behandlung müssen besondere Umstände hinzutreten, die eine die Menschenwürde beeinträchtigende grobe Missachtung des Betroffenen bewirken (mwN aus der Rsp Hiersche, Sanitätspolizeiliche Bekämpfung übertragbarer Krankheiten 143). So kommt es insbesondere auf das Ziel des Eingriffs und auf die Zustimmung des Betroffenen an (dazu Kopetzki, Unterbringungsrecht I 405).

3.3. Das Ziel der Maßnahmen im Sinne des §17 Abs4 EpiG ist, da es dem Schutz vor der Weiterverbreitung einer Krankheit und dem Schutz der (allgemeinen) Gesundheit dient, im öffentlichen Interesse gelegen und indiziert keine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art3 EMRK. Auch die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen, insbesondere die strikte Bindung an den Einzelfall, das Abstellen auf eine besondere Gefährdung des Betroffenen und der strenge Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (unbedingt erforderlich) schließen nach Ansicht der Bundesregierung eine Verletzung von Art3 EMRK aus.

4. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art8 EMRK:

4.1. Die Antragstellerin behauptet, durch §17 Abs4 EpiG in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art8 EMRK verletzt zu sein.

4.2. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung stellt eine ohne Zustimmung des Betroffenen vorgenommene ärztliche Maßnahme einen Eingriff in Art8 EMRK dar, unabhängig davon, ob sie durch eine nicht physisch vollstreckbare Duldungspflicht oder mittels unmittelbarer Zwangsausübung erzwungen wird (Kopetzki, Unterbringungsrecht I 408; Krasser, RdM 2020, 138). Eine nicht durch eine freie, informierte und ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen gedeckte Impfung stellt einen Eingriff in das Recht auf Privatleben dar (Wiederin in Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht III Art8 EMRK Rz 33, 41; EGMR 15.3.2012, 24.429/03, Solomakhin/Ukraine Rz 33). Staatlich organisierte Impfmaßnahmen, die auf Freiwilligkeit basieren, greifen hingegen nicht in die durch Art8 EMRK gewährleisteten Rechte ein (vgl EKMR 12.7.1978, 7154/75, Association of parents/Großbritannien).

4.3. Eingriffe in durch Art8 EMRK gewährleisteten Rechte können gerechtfertigt sein, wenn sie gesetzlich erfolgen, einem Schutzziel des Art8 Abs2 EMRK dienen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind. Dabei ist der Eingriff im Wesentlichen an den Verhältnismäßigkeitskriterien (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit) zu messen. Für eine Impfpflicht kommen als denkbare Schutzziele des Art8 Abs2 EMRK der 'Schutz der Gesundheit' und 'der Schutz der Rechte anderer' infrage (Bioethikkommission, Impfen – ethische Aspekte [2015]).

4.4. §17 Abs4 EpiG dient dem Schutz der Gesundheit und der Rechte anderer und somit einem legitimen Schutzziel im Sinne des Art8 Abs2 EMRK. Eine gesetzlich angeordnete Impfpflicht gegen übertragbare Krankheiten schützt sowohl die Gesundheit des Einzelnen als auch jene der Bevölkerung. Im Hinblick darauf kann vom Vorliegen eines berechtigten öffentlichen Interesses ausgegangen werden. Die Eignung und Erforderlichkeit einer solchen Impfpflicht wäre auch aus medizinischer Sicht begründet (vgl Bioethikkommission, Impfen – ethische Aspekte 21). Dies kommt bereits im Wortlaut des §17 Abs4 EpiG zum Ausdruck, wonach die individuelle Anordnung einer Schutzimpfung dem Schutz vor der Weiterverbreitung der Krankheit dienen muss.

4.5. Bei der Angemessenheitsprüfung ist das Gewicht des öffentlichen Interesses mit der Intensität des Eingriffes in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen abzuwägen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit schädliche Folgen oder Nebenwirkungen für den Einzelnen aufgrund der Impfung auftreten können. Andererseits ist bei der Gewichtung des öffentlichen Interesses zu berücksichtigen, wie infektiös die Krankheit ist, welche Symptome mit welcher Wahrscheinlichkeit bei einer Erkrankung auftreten und wie der (typische) Verlauf bzw die Komplikationsrate ist (Letalitätsrate, bleibende Folgeschäden, etc.) (vgl Bioethikkommission, Impfen – ethische Aspekte 21).

4.6. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist auch zu berücksichtigen, dass §17 Abs4 EpiG eine konkrete und individuelle Gefährdung des Betroffenen voraussetzt. Die Verhältnismäßigkeit ergibt sich auch daraus, dass die Behandlungspflicht zum Schutz vor der Weiterverbreitung unbedingt erforderlich sein muss. Der Eingriff ist daher im Ergebnis gerechtfertigt (siehe zur Rechtfertigung einer unfreiwilligen Diphterie-Impfung EGMR 24.9.2012, 24429/03, Solomakhin/Ukraine; zu BeschwNr 47621/13 ua, Vavřička/Tschechische Republik ua ist die Entscheidung der großen Kammer des EGMR noch ausständig; zum Ganzen auch Kopetzki, Impfpflicht und Verfassung, RdM 2017, 45; Heissenberger, Impfen in Österreich – Überlegungen zur Impfpflicht und Darstellungen de lege lata, in Aigner et al [Hrsg], Schutzimpfungen – Rechtliche, ethische und medizinische Aspekte [2015] 53 [56 f]; Krasser, RdM 2020, 136 [142]; Bioethikkommission, Impfen – ethische Aspekte 21; zu einer allgemeinen Impfpflicht gegen COVID 19 siehe Bioethikkommission, Ethische Fragen einer Impfung gegen COVID 19 [2020] 18)."

IV. Zulässigkeit

Der Antrag ist nicht zulässig:

1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

2. §17 Abs4 Epidemiegesetz 1950 ermächtigt die Bezirksverwaltungsbehörden, unter näher geregelten Voraussetzungen "im Einzelfall für bestimmte gefährdete Personen die Durchführung von Schutzimpfungen […] anzuordnen". Solche Anordnungen haben, worauf die Bundesregierung zutreffend hingewiesen hat, durch Bescheid zu erfolgen. §17 Abs4 Epidemiegesetz 1950 ermächtigt weder zur Anordnung einer Impfpflicht für einen nach allgemeinen Kriterien bestimmten Adressatenkreis durch Verordnung noch zu Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl idS auch den IA 822/A XXII. GP, 3). Die Missachtung einer mit Bescheid angeordneten Schutzimpfung steht unter Verwaltungsstrafdrohung (§40 Abs1 litb Epidemiegesetz 1950); die Vollstreckung einer bescheidmäßig angeordneten Impfverpflichtung erfolgt gegebenenfalls durch Zwangsstrafen nach §5 VVG.

3. Bei dieser Rechtslage fehlt es schon an der unmittelbaren Wirksamkeit der angefochtenen Regelung als Voraussetzung eines zulässigen Individualantrags (vgl VfSlg 17.000/2003), zumal die Antragstellerin auch nicht dargetan hat, zu einem Kreis gefährdeter Personen zu gehören (vgl auch VfSlg 16.529/2002).

4. Der Gesetzesprüfungsantrag ist daher schon aus diesem Grund unzulässig.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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