V565/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag und Antragsvorbringen
1. Mit ihrem auf Art139 Abs1 Z3 B VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, der Verfassungsgerichtshof möge §9 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 getroffen werden (COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – COVID-19-SchuMaV), BGBl II 463/2020, als verfassungs- bzw gesetzwidrig aufheben.
2. Die Zulässigkeit des Antrages begründet die antragstellende Gesellschaft mit dem Umstand, dass sie Mieterin einer Liegenschaft sei, auf der ein Fitnessstudio betrieben werde, und ihr durch die angefochtene Bestimmung jede gewerbliche Tätigkeit auf der Liegenschaft untersagt werde. Die Verordnung sei somit direkt wirksam. Eine andere zumutbare Möglichkeit, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei auf Grund drohender Verwaltungsstrafen nicht gegeben.
3. Die antragstellende Gesellschaft hegt Bedenken in Bezug auf Art2, 5 und 6 StGG und führt in der Sache – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:
3.1. Die getroffenen Maßnahmen würden jeder epidemiologischen Grundlage entbehren, es fehle an jeder wissenschaftlichen Evidenz, dass sich die hier in Rede stehende Infektionskrankheit durch den Betrieb eines Fitnessstudios ausbreite.
3.2. Die als Grundlage für die getroffenen Maßnahmen herangezogenen PCR-Screenings seien nicht geeignet, diese zu begründen. Ausgehend von den Produktbeschreibungen der Hersteller sei ausgeschlossen, dass die Massenscreenings – so wie sie stattfinden – durch diese Tests gedeckt seien. Bei diesen Tests bliebe völlig unbeachtlich, ob die betroffene Person Symptome aufweise und ob diese von klinischer Relevanz seien. Die völlig verfehlte Anwendung der Tests sei jedoch alleinige, jedenfalls aber wesentliche Entscheidungsgrundlage für die Erlassung der hier angefochtenen Verordnung. Diese Vorgehensweise sei unsachlich und bewirke die Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit der Verordnung.
3.3. Ferner sei davon auszugehen, dass sich im Bezug habenden Verordnungsakt derartige Überlegungen nicht finden.
II. Rechtslage
§9 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, mit der besondere Schutzmaßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 getroffen werden (COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – COVID-19-SchuMaV), BGBl II 463/2020, lautet wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"Sport
§9. (1) Das Betreten öffentlicher Orte zum Zweck der Ausübung von Sport, bei dessen sportartspezifischer Ausübung es zu Körperkontakt kommt, ist untersagt.
(2) Das Betreten von Sportstätten gemäß §3 Z11 des Bundes-Sportförderungsgesetzes 2017 (BSFG 2017), BGBl I Nr 100/2017, zum Zweck der Ausübung von Sport ist untersagt.
(3) Ausgenommen vom Verbot des Abs2 sind Betretungen
1. von Sportstätten durch Spitzensportler gemäß §3 Z6 BSFG 2017, auch aus dem Bereich des Behindertensportes, oder Sportler, die ihre sportliche Tätigkeit beruflich ausüben und daraus Einkünfte erzielen oder bereits an internationalen Wettkämpfen gemäß §3 Z5 BSFG 2017 teilgenommen haben, deren Betreuer und Trainer sowie Vertreter der Medien. Die Sportler haben zu Betreuern und Trainern sowie Vertretern der Medien einen Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten; für Betreuer, Trainer und Vertreter der Medien gilt §6 sinngemäß.
2. von Sportstätten im Freien durch nicht von Z1 erfassten Personen. In diesem Fall dürfen die Sportstätten nur zum Zweck der Ausübung von Sport, bei dessen sportartspezifischer Ausübung es nicht zu Körperkontakt kommt, betreten werden. Geschlossene Räumlichkeiten der Sportstätte dürfen dabei nur betreten werden, soweit dies zur Ausübung des Sports im Freiluftbereich erforderlich ist. Das Verweilen in der Sportstätte ist mit der Dauer der Sportausübung beschränkt. §1 gilt sinngemäß.
(4) – (6) […]"
III. Zulässigkeit
1. Der Antrag ist unzulässig.
2. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfSlg 8594/1979, 15.527/1999, 16.425/2002 und 16.426/2002).
3. Gemäß §57 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, eine Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, die gegen die Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Gesetzwidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Gesetzesbestimmung die bekämpfte Verordnungsstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl im Allgemeinen zB VfSlg 14.802/1997, 17.651/2005; spezifisch zum Individualantrag zB VfGH 2.7.2016, G53/2016, V13/2016). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, pauschal vorgetragene Bedenken einzelnen Bestimmungen zuzuordnen und so – gleichsam stellvertretend – das Vorbringen für den Antragsteller zu präzisieren (VfGH 9.6.2016, G56/2016; 25.9.2017, G8/2017 ua, V6/2017 ua).
4. Diesem Erfordernis gemäß §57 Abs1 VfGG wird der vorliegende Antrag nicht gerecht:
4.1. Das Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft, die als Betreiberin eines Fitnessstudios vom Betretungsverbot betroffen sei, beschränkt sich im Wesentlichen auf die unsubstantiiert gebliebene Behauptung, das Betretungsverbot von Sportstätten gemäß §9 Abs2 COVID-19-SchuMaV stütze sich lediglich auf (dafür ungeeignete) PCR-(Massen-)Testungen, weshalb es diesem an einer – wissenschaftlichen oder epidemiologischen – Grundlage mangle. Damit hat es die antragstellende Gesellschaft unterlassen, die gegen die Verordnung sprechenden Bedenken im Einzelnen und die Gründe für diese Annahme präzise und in überprüfbarer Weise darzulegen (vgl VfGH 24.11.2020, V562/2020 und V563/2020).
4.2. Das Fehlen einer geeigneten Darlegung iSd §57 Abs1 VfGG ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozesshindernis (vgl VfSlg 12.564/1990, 15.342/1998 mwN). Der somit an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Mangel leidende Antrag ist daher schon deshalb als unzulässig zurückzuweisen (vgl VfSlg 17.553/2005; VfGH 26.2.2018, G27/2018).
IV. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher zurückzuweisen.
2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.