E4333/2020 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 1980 geboren und ist vietnamesischer Staatsangehöriger. Er ist Mitglied des Hospitalordens vom heiligen Johannes von Gott (Orden der Barmherzigen Brüder) und hat am 24. November 2011 die ewigen Ordensgelübde (Profess) abgelegt, womit er sich ua zu Armut verpflichtet hat. Der Orden der Barmherzigen Brüder ist für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder verantwortlich, wobei weder die Generalstatuten noch die Konstitutionen des Ordens explizite Richtlinien für die Bemessung der Höhe der Lebensunterhaltskosten für die Mitglieder vorsehen.
Dem Hospitalorden vom heiligen Johannes von Gott (Orden der Barmherzigen Brüder) kommt gemäß ArtII des Konkordates zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich, BGBl II 2/1934, Rechtspersönlichkeit im staatlichen Bereich zu.
Dem Beschwerdeführer wird ein Zimmer im Konvent der Barmherzigen Brüder zur Verfügung gestellt. Im Konvent besteht auch die Möglichkeit zum kostenlosen Bezug von Mahlzeiten. Weiters erhält der Beschwerdeführer vom Orden der Barmherzigen Brüder ein monatliches Taschengeld in Höhe von € 150,–.
2. Am 2. Juli 2019 beantragte der Beschwerdeführer die Verleihung der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Mit Bescheid vom 4. März 2020 wies die Wiener Landesregierung diesen Antrag ab. Mangels eines festen regelmäßigen Einkommens könne keine Lebensunterhaltsberechnung durchgeführt werden; damit würde eine notwendige Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht erfüllt.
3. Mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2020 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es verneint mit der belangten Behörde das Vorliegen eines gesicherten Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers gemäß §10 Abs1 Z7 iVm Abs5 StbG. Damit prüft es weitere Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht. Die geltend gemachten Nettoeinkünfte des Beschwerdeführers würden die Summe der Richtsätze gemäß §293 ASVG in den drei Jahren vor Antragstellung unterschreiten. Mit der Frage, ob Einkünfte des Beschwerdeführers einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG entsprächen, könne sich das Verwaltungsgericht Wien nicht auseinandersetzen, weil der Beschwerdeführer nicht nachweisen könne, seitens seines Ordens regelmäßige Einkünfte zu beziehen. Nachgewiesen seien lediglich die Zurverfügungstellung eines Zimmers, die Möglichkeit zum kostenlosen Bezug von Mahlzeiten und ein monatliches Taschengeld in Höhe von € 150,–. Den Bezug eines monatlichen Beitrages in Höhe des Ausgleichzulagenrichtsatzes durch den Orden sei vom Beschwerdeführer verneint worden. Er habe glaubhaft dargelegt, dass er auf Grund seiner Profess keine Einkünfte erhalte. Selbst bei Wertung der Gewährung von Verpflegung und Unterkunft als Einkommen sowie des monatlichen Taschengeldes als Einkünfte würde der Beschwerdeführer den geforderten Richtsatz nicht erreichen. Der vorliegende Fall unterscheide sich von dem dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2020, E2273/2019, zugrunde liegenden insofern maßgeblich, als der damalige Beschwerdeführer tatsächliche Einkünfte in Höhe der geforderten Richtsätze nachweisen habe können.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
Der Beschwerdeführer habe zum Nachweis seines gesicherten Lebensunterhaltes Bestätigungen vorgelegt, wonach der Orden der Barmherzigen Brüder für seine Unterkunft, seinen Unterhalt und seine Krankenversicherung aufkomme. Fälschlicherweise sei das Verwaltungsgericht Wien davon ausgegangen, dass der Unterhalt des Beschwerdeführers nicht im Sinne des §10 Abs1 Z7 StbG iVm §10 Abs5 StbG gesichert sei. Auf Grund dieser Rechtsansicht habe aber ein Ordensmitglied der katholischen Kirche nie die Chance, die Staatsbürgerschaft zu erhalten, weil das Professverhältnis zwischen einer Ordensgemeinschaft und einem Ordensmitglied stets dadurch gekennzeichnet sei, dass das Ordensmitglied einerseits verpflichtet sei, für seine Ordensgemeinschaft ohne Entgelt in Form einer Zahlung tätig zu sein, und andererseits, dass es der Ordensgemeinschaft obliege, ihre Mitglieder zu erhalten. Während ein Dienstnehmer in der Regel jederzeit sein Dienstverhältnis verlieren könne, sei ein Ausschluss eines Ordensmitgliedes nur in einem sehr komplizierten Verfahren möglich und auch dann bestehe eine Sicherung des Ordensmitgliedes dadurch, dass die Ordensgemeinschaft beim Ausscheiden des Ordensmitgliedes einen Überweisungsbetrag gemäß §314 ASVG zu leisten habe, sodass das jeweilige Ordensmitglied grundsätzlich ab Erreichen des Regelpensionsalters mit einer Altersversorgung rechnen könne.
5. Die Wiener Landesregierung und das Verwaltungsgericht Wien haben die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.
II. Rechtslage
§10 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl 311/1985 (WV), idF BGBl I 136/2013 lautet auszugsweise wie folgt:
"Verleihung
§10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
1. […]
7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und
8. […]
(5) Der Lebensunterhalt (Abs1 Z7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des §293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl Nr 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in §292 Abs3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß §291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes – KBGG, BGBl I Nr 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert.
(6) […]"
III. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung unter anderem dann, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001) oder wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001).
Das Verwaltungsgericht Wien hat im konkreten Fall den Bestimmungen des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG einen solchen, eine sachlich nicht begründbare Unterscheidung zwischen Fremden bewirkenden Inhalt unterstellt:
2. Mit der Verleihungsvoraussetzung des "hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes" im Sinne des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG will der Gesetzgeber sicherstellen, dass Verleihungswerber ihr Fortkommen auch künftig ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften bestreiten können (vgl die Erläut zur RV der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, 1189 BlgNR 22. GP, 6). Dem Gesetzgeber kommt es auf eine Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung an, womit nur bestimmte Arten von Einkünften in die anzustellende Berechnung einfließen können, und zwar nur solche, die die Prognose einer langfristigen und nachhaltigen Sicherung des Lebensunterhaltes des Fremden erlauben (siehe VfGH 27.2.2020, E2273/2019).
Der Gesetzgeber verlangt daher in §10 Abs5 StbG feste und regelmäßige eigene Einkünfte und stellt dabei ausschließlich auf Einkommensquellen wiederkehrender Natur ab ("Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen"; vgl VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0004). Diese Aufzählung hat nicht bloß demonstrativen Charakter, sondern stellt eine Definition der in §10 Abs1 Z7 StbG aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes des Verleihungswerbers dar (vgl VwGH 30.4.2018, Ro 2017/01/0003, Ra 2017/01/0065). Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein (vgl VwGH 20.9.2011, 2010/01/0001). "Freiwillige Geldgeschenke einer dritten Person" sowie finanzielle Zuwendungen, auf welche kein Rechtsanspruch im Sinne eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches besteht, können daher nicht als Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG gesehen werden (vgl VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169).
3. Das Verwaltungsgericht Wien geht bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt des Beschwerdeführers gemäß §10 Abs1 Z7 StbG hinreichend gesichert ist, davon aus, dass dem Beschwerdeführer keine festen und regelmäßigen Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG zur Verfügung stehen, die den geforderten Richtsatz für eine alleinstehende Person gemäß §293 ASVG in den drei Jahren vor Antragstellung übersteigen würden. Der Beschwerdeführer habe nicht nachgewiesen, dass er von seinem Orden solche Einkünfte tatsächlich regelmäßig beziehe. Selbst wenn man die Gewährung von Verpflegung und Unterkunft als wiederkehrenden Sachbezug und somit als Einkommen werte und – unabhängig vom tatsächlichen Wert der freien Kost und Logis – dafür den Wert der freien Station gemäß §292 Abs3 ASVG heranziehe, und dazu auch das monatliche Taschengeld des Beschwerdeführers als Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG ansehe, würde der geforderte Richtsatz bei Weitem nicht erreicht. Damit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt auch maßgeblich von demjenigen, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2020, E2273/2019, zugrunde gelegen sei, weil der dortige Beschwerdeführer die geforderten Richtsätze der Summe nach erfüllt habe und auch nachweisen habe können, dass er tatsächlich Einkünfte seitens seiner Kongregation beziehe. Damit könne sich das Verwaltungsgericht Wien im vorliegenden Fall mit der Frage, ob Einkünfte des Beschwerdeführers einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG entsprechen würden, nicht auseinandersetzen, weil keine solchen regelmäßigen Einkünfte vorliegen würden.
4. Der Beschwerdeführer in dem dem Erkenntnis vom 27. Februar 2020, E2273/2019, zugrunde liegenden verfassungsgerichtlichen Verfahren gemäß Art144 B VG war Mitglied der – mit der Katholischen Kirche unierten – Kongregation der Maronitischen Libanesischen Missionare und hatte die ewigen Ordensgelübde (Profess) abgelegt. Diese Kongregation ist für den Lebensunterhalt ihrer Mitglieder verantwortlich, wobei es für die Bemessung der Höhe der Lebensunterhaltskosten keine Richtlinien gibt, sondern die Entscheidung jeweils nach dem konkreten Bedarf erfolgt. Dem Beschwerdeführer (der sich als alleiniger Vertreter seiner Kongregation in Wien aufhielt) wurde eine Dienstwohnung zur Verfügung gestellt. Er nahm verschiedene Funktionen für die Erzdiözese Wien wahr. Für seinen seelsorglichen Einsatz leistete diese im Rahmen eines Gestellungsvertrages ein Entgelt an die Kongregation. Von diesem Betrag wurden sämtliche Kosten für die Wiener Niederlassung der Kongregation getragen. Der Beschwerdeführer selbst hatte aus dem Gestellungsvertrag keinen Anspruch auf Leistungen.
In dem dem genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Anlassverfahren verneinte das Verwaltungsgericht Wien das Vorliegen regelmäßiger Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG deswegen, weil allfällige Unterhaltsansprüche des damaligen Beschwerdeführers gegenüber seiner Kongregation als vertragliche Unterhaltsansprüche und somit nicht als Einkünfte im Sinne des §10 Abs5 StbG zu qualifizieren seien und der Beschwerdeführer auf im Rahmen des Gestellungsvertrages mit der Erzdiözese Wien geleistete Beträge, sofern sie ihm tatsächlich zur freien Verfügung stünden, keinen Rechtsanspruch habe.
5. Dieser Auslegung trat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Februar 2020, E2273/2019, entgegen, weil sie eine sachlich nicht begründbare Unterscheidung zwischen Fremden bewirke und somit §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG einen verfassungswidrigen, weil gegen ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verstoßenden Inhalt unterstellte:
"[F]ür die Beurteilung des dem Beschwerdeführer unstrittig aus dem Professverhältnis zustehenden Unterhaltes [kommt es] maßgeblich auf die inhaltliche Ausgestaltung und die Rahmenbedingungen dieses Unterhaltsanspruchs aus dem Blickwinkel des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG an […].
Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Fall darauf abzustellen, ob dem Beschwerdeführer aus seinem Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation aus seinem Professverhälnis Unterhaltsleistungen zustehen, die den Anforderungen des §10 Abs5 StbG entsprechen. Im Lichte der genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben ist es dafür nicht entscheidend, ob das innere Ordensverhältnis, die Profess, im Hinblick auf bestimmte andere Rechtsverhältnisse gesetzliche oder vertragliche Auswirkungen hat, sondern es kommt darauf an, ob diese innerkirchlichen Rechtsbeziehungen einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG funktional äquivalent gleichgehalten werden können. Denn […] die Auffassung, Unterhaltsansprüche aus der Profess seien per se als vertraglich zu qualifizieren, [würde] Ordensangehörige im Hinblick auf die Voraussetzung des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG von der Verleihung der Staatsbürgerschaft auch dann ausschließen, wenn ihre Unterhaltssituation derjenigen von Verleihungswerbern mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG funktional vollständig äquivalent wäre. Für eine derartige Ungleichbehandlung ist schon mit Blick auf Art9 EMRK kein sachlicher Grund gegeben."
Der Verfassungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis weiters darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Wien im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben wird,
"ob für den Beschwerdeführer aus seinem Professverhältnis ein Unterhaltsanspruch gegenüber der Kongregation vorliegt, der insbesondere im Hinblick auf die Auflösbarkeit des Unterhaltsbandes einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG vergleichbar ist. Dabei kommt möglicherweise dem Umstand Bedeutung zu, dass der Sozialversicherungsgesetzgeber in §5 Abs1 Z7 ASVG Angehörige eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche von der Vollversicherung nach §4 ASVG ausnimmt und in §314 ASVG für den Fall des Ausscheidens eines Angehörigen eines Ordens oder einer Kongregation der Katholischen Kirche aus dem Orden bzw der Kongregation vorsieht, dass der Orden bzw die Kongregation unter näher bestimmten Voraussetzungen dem zuständigen Pensionsversicherungsträger einen Überweisungsbetrag zu leisten hat. Damit geht das Sozialversicherungsrecht davon aus, dass ein gesetzlicher Versicherungsschutz der Angehörigen der Orden und Kongregationen nicht erforderlich ist, weil diese ähnlich wie die Bediensteten öffentlich rechtlicher Körperschaften durch ein besonderes Versorgungssystem geschützt sind
[…]".
6. Indem das Verwaltungsgericht Wien meint, eine derartige Prüfung schon deswegen nicht durchführen zu müssen, weil dem Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren keine "eigenen Einkünfte" im Sinne von unmittelbaren Geldleistungen seines Ordens, die im maßgeblichen Zeitraum den maßgeblichen Richtsatz übersteigen, zukommen würden, verkennt es die soeben wiedergegebenen, vom Verfassungsgerichtshof aus Art9 EMRK iVm ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 abgeleiteten Anforderungen für die Auslegung des §10 Abs1 Z7 iVm §10 Abs5 StbG (auch) im vorliegenden Fall:
Im Hinblick auf die mit dem Ordensgelübde (Profess) verbundenen Verpflichtungen des Beschwerdeführers insbesondere zur Armut kann es vor dem Hintergrund des Art9 EMRK für die Frage, ob die dem Beschwerdeführer gegenüber seinem Orden – unstrittig – zustehenden Unterhaltsansprüche "derjenigen von Verleihungswerbern mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG funktional vollständig äquivalent" sind, nicht darauf ankommen, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Geldleistungen in entsprechendem, durch §10 Abs5 StbG vorgezeichneten Ausmaß (Übersteigen des Richtsatzes im maßgeblichen Zeitraum) erhält. Da die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Armut derartige Geldleistungen in entsprechender Höhe zu seiner freien persönlichen Verfügung grundsätzlich ausschließt, kämen Ordensangehörige wie der Beschwerdeführer schon deswegen nie in die Lage, die Voraussetzungen zur Verleihung der Staatsbürgerschaft zu erfüllen, auch wenn ihr Unterhaltsanspruch gegenüber dem Orden erstens die Abdeckung aller Leistungen und Kosten durch den Orden erfasst, die den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers auf einem, den nach §10 Abs5 StbG maßgeblichen Richtsätzen entsprechenden Niveau sicherstellt, und dieser Unterhaltsanspruch zweitens im Hinblick auf die Prognose einer langfristigen und nachhaltigen Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne des §10 Abs5 StbG gleichkommt, mithin insgesamt einem solchen gesetzlichen Unterhaltsanspruch funktional äquivalent ist.
Beide Aspekte wird das Verwaltungsgericht Wien also im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, wobei, worauf der Verfassungsgerichtshof schon im einschlägigen Vorerkenntnis vom 27. Februar 2020, E2273/2019, hingewiesen hat, im Hinblick auf den zweiten Aspekt möglicherweise dem Umstand Bedeutung zukommt, dass das Sozialversicherungsrecht (§§4, 5 Abs1 Z7 und 314 ASVG) davon ausgeht, dass ein gesetzlicher Versicherungsschutz der Angehörigen der Orden und Kongregationen nicht erforderlich ist, weil diese ähnlich wie die Bediensteten öffentlich-rechtlicher Körperschaften durch ein besonderes Versorgungssystem geschützt sind.
IV. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.