JudikaturVfGH

G136/2020 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Oktober 2020

Spruch

I. Der zu G136/2020 gestellte Hauptantrag, §45 Abs5 des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl Nr 472/1986 (WV), idF BGBl I Nr 35/2018, als verfassungswidrig aufzuheben, wird zurückgewiesen.

II. Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Anträge

1. Mit dem zu G136/2020 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §45 Abs5 des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 35/2018, in eventu §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG, BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 35/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Mit dem zu G310/2020 protokollierten, auf Art140 Abs1 Z1 lita B VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG, BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 35/2018, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz – SchUG), BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 80/2020, lauten samt Überschriften – auszugsweise – wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen – idF BGBl I 35/2018 – sind hervorgehoben):

"Geltungsbereich

§1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die öffentlichen und die mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen der im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten Schularten mit Ausnahme deren in Semester gegliederte Sonderformen.

(2) […]

Beendigung des Schulbesuches

§33. (1) Ein Schüler hört auf, Schüler einer Schule zu sein, wenn er die lehrplanmäßig letzte Schulstufe abgeschlossen hat. Wenn ein Schüler zur Wiederholung der lehrplanmäßig letzten Schulstufe berechtigt ist (§27) und von diesem Recht Gebrauch macht, bleibt er bis zum Abschluß der Wiederholung weiterhin Schüler.

(2) Ein Schüler hört schon vor dem im Abs1 genannten Zeitpunkt auf, Schüler einer Schule zu sein

a) mit dem Zeitpunkt des Einlangens seiner schriftlichen Abmeldung vom Schulbesuch beim Schulleiter, sofern darin nicht ein späterer Endtermin des Schulbesuches genannt wird;

b) in der Berufsschule mit der Beendigung des Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses, sofern die Berufsschule nicht gemäß §32 Abs3 oder 3a besucht wird;

c) mit dem ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist seit der Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß §45 Abs5;

d)–g) […]

(3) Der Zeitpunkt und der Grund der Beendigung des Schulbesuches sind auf dem Jahreszeugnis (§22 Abs1) oder dem Semesterzeugnis (§22a Abs1), wenn jedoch das Ende des Schulbesuches nicht mit dem Abschluß einer Schulstufe zusammenfällt, auf der Schulbesuchsbestätigung (§22 Abs10) ersichtlich zu machen.

(4)–(8) […]

SCHULORDNUNG

Pflichten der Schüler

§43. (1) Die Schüler sind verpflichtet, durch ihre Mitarbeit und ihre Einordnung in die Gemeinschaft der Klasse und der Schule an der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule (§2 des Schulorganisationsgesetzes) mitzuwirken und die Unterrichtsarbeit (§17) zu fördern. Sie haben den Unterricht (und den Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen, zu dem sie angemeldet sind) regelmäßig und pünktlich zu besuchen, die erforderlichen Unterrichtsmittel mitzubringen und die Schulordnung bzw die Hausordnung einzuhalten. Sie haben weiters Anordnungen und Aufträgen im Rahmen der individuellen Lernbegleitung Folge zu leisten und Vereinbarungen, die gemäß §19 Abs3a im Rahmen des Frühwarnsystems getroffen wurden, zu erfüllen.

(2) Der Schüler ist über Auftrag des Schulleiters, eines Abteilungsvorstandes, eines Fachvorstandes oder eines Lehrers verpflichtet, vorsätzlich durch ihn herbeigeführte Beschädigungen oder Beschmutzungen der Schulliegenschaft und schulischer Einrichtungen zu beseitigen, sofern dies zumutbar ist.

[…]

Fernbleiben von der Schule

§45. (1) Das Fernbleiben vom Unterricht ist nur zulässig:

a) bei gerechtfertigter Verhinderung (Abs2 und 3),

b) bei Erlaubnis zum Fernbleiben (Abs4),

c) bei Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsgegenständen (§11 Abs6).

(2) Eine gerechtfertigte Verhinderung ist insbesondere: Krankheit des Schülers; mit der Gefahr der Übertragung verbundene Krankheit von Hausangehörigen des Schülers; Krankheit der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie vorübergehend der Hilfe des Schülers unbedingt bedürfen; außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers oder in der Familie des Schülers; Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist; Dauer der Beschäftigungsverbote im Sinne der Bestimmungen über den Mutterschutz.

(3) Der Schüler hat den Klassenvorstand oder den Schulleiter von jeder Verhinderung ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Grundes zu benachrichtigen. Auf Verlangen des Klassenvorstandes oder des Schulleiters hat die Benachrichtigung jedenfalls schriftlich zu erfolgen. Bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit oder bei häufigerem krankheitsbedingtem kürzerem Fernbleiben kann der Klassenvorstand oder der Schulleiter die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen, sofern Zweifel darüber bestehen, ob eine Krankheit oder Erholungsbedürftigkeit gegeben war.

(4) Auf Ansuchen des Schülers kann für einzelne Stunden bis zu einem Tag der Klassenvorstand, darüber hinaus der Schulleiter (der Abteilungsvorstand) die Erlaubnis zum Fernbleiben aus wichtigen Gründen erteilen. Wichtige Gründe können jedenfalls Tätigkeiten im Rahmen der Schülervertretung sowie die zeitweise Teilnahme am Unterricht in einem anderen als dem besuchten Semester gemäß §26c sein.

(5) Wenn ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fernbleibt, ohne das Fernbleiben zu rechtfertigen (Abs3) und auch auf schriftliche Aufforderung hin eine Mitteilung binnen einer Woche nicht eintrifft, so gilt der Schüler als vom Schulbesuch abgemeldet (§33 Abs2 litc). Die Wiederaufnahme des Schülers ist nur mit Bewilligung des Schulleiters zulässig, die nur dann zu erteilen ist, wenn das Fernbleiben nachträglich gerechtfertigt wird und die Unterlassung der Mitteilung an die Schule aus rücksichtswürdigen Gründen unterblieben ist.

(6) Für die der Schulpflicht unterliegenden Schüler sind anstelle der vorhergehenden Absätze §9, §22 Abs3 und §23 des Schulpflichtgesetzes 1985 anzuwenden.

(7) Das Fernbleiben vom Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen ist nur zulässig:

a) bei gerechtfertigter Verhinderung (Abs2 und 3),

b) bei Erlaubnis zum Fernbleiben, die aus vertretbaren Gründen vom Schulleiter oder Leiter des Betreuungsteiles zu erteilen ist, und

c) auf Verlangen der Erziehungsberechtigten, wenn es sich um Randstunden handelt, die Freizeiteinheiten sind.

[…]

Mitwirkung der Schule an der Erziehung

§47. (1) Im Rahmen der Mitwirkung der Schule an der Erziehung der Schüler (§2 des Schulorganisationsgesetzes) hat der Lehrer in seiner Unterrichts- und Erziehungsarbeit die der Erziehungssituation angemessenen persönlichkeits- und gemeinschaftsbildenden Erziehungsmittel anzuwenden, die insbesondere Anerkennung, Aufforderung oder Zurechtweisung sein können. Diese Maßnahmen können auch vom Klassenvorstand und vom Schulleiter (Abteilungsvorstand), in besonderen Fällen auch von der zuständigen Schulbehörde ausgesprochen werden. Der erste Satz gilt auch für Erzieher und Freizeitpädagogen im Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen.

(2) Wenn es aus erzieherischen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig erscheint, kann der Schulleiter einen Schüler in eine Parallelklasse, bei lehrgangsmäßigen Berufsschulen auch in einen anderen Lehrgang versetzen. Wenn mit einer solchen Maßnahme nicht das Auslangen gefunden werden kann, kann die Schulkonferenz (bei Schulen, die in Fachabteilungen gegliedert sind, die Abteilungskonferenz) die Stellung eines Antrages auf Ausschluß des Schülers (§49 Abs2) androhen.

(3) Körperliche Züchtigung, beleidigende Äußerungen und Kollektivstrafen sind verboten.

(4) Im Rahmen der Mitwirkung an der Erziehung kann das Verhalten des Schülers außerhalb der Schule berücksichtigt werden; hiebei dürfen nur Maßnahmen gemäß Abs1 und §48 gesetzt werden. Eine Bestrafung für ein Verhalten, das Anlaß zu Maßnahmen der Erziehungsberechtigten, der Kinder- und Jugendhilfe, sonstiger Verwaltungsbehörden oder der Gerichte ist, ist unzulässig.

Verständigungspflichten der Schule

§48. Wenn es die Erziehungssituation eines Schülers erfordert, haben der Klassenvorstand oder der Schulleiter (der Abteilungsvorstand) das Einvernehmen mit den Erziehungsberechtigten zu pflegen. Wenn die Erziehungsberechtigten ihre Pflichten offenbar nicht erfüllen oder in wichtigen Fragen uneinig sind, hat der Schulleiter dies dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger gemäß §37 des Bundes Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013, BGBl I Nr 69/2013, mitzuteilen.

Ausschluß eines Schülers

§49. (1) Wenn ein Schüler seine Pflichten (§43) in schwer wiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß §47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten eines Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt, ist der Schüler von der Schule auszuschließen. An allgemein bildenden Pflichtschulen ist ein Ausschluss nur zulässig, wenn das Verhalten des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderer an der Schule tätigen Personen hinsichtlich ihrer Sittlichkeit, körperlichen Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt und die Erfüllung der Schulpflicht gesichert ist.

(2) Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs1 hat die Schulkonferenz (bei Schulen, die in Fachabteilungen gegliedert sind, die Abteilungskonferenz) einen Antrag auf Ausschluß des Schülers an die zuständige Schulbehörde zu stellen. Dem Schüler ist vor der Beschlußfassung über die Antragstellung Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. Überdies ist den Erziehungsberechtigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Schulkonferenz hat bei ihrer Beratung die für und gegen den Ausschluß sprechenden Gründe zu berücksichtigen und ihren Antrag zu begründen. Eine Zweitschrift des Antrages ist dem Schüler zuzustellen.

(3) Die zuständige Schulbehörde hat bei Gefahr im Verzug auszusprechen, daß der Schüler vom weiteren Schulbesuch suspendiert wird. Die Suspendierung darf mit höchstens vier Wochen bemessen werden; sie ist unverzüglich aufzuheben, sobald sich im Zuge des Verfahrens ergibt, daß die Voraussetzungen nach Abs1 nicht oder nicht mehr gegeben sind. Der Schüler ist berechtigt, sich während der Suspendierung über den durchgenommenen Lehrstoff regelmäßig zu informieren. Am Ende eines Unterrichtsjahres ist dem Schüler Gelegenheit zur Ablegung einer Feststellungsprüfung gemäß §20 Abs2 zu geben, soweit eine Beurteilung wegen der Dauer der Suspendierung sonst nicht möglich wäre.

(4) Die zuständige Schulbehörde hat nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Beendigung des Ausschlußverfahrens festzustellen, wenn die Voraussetzungen im Sinne des Abs1 für einen Ausschluß nicht vorliegen. Sie kann zugleich dem Schüler eine Rüge erteilen oder eine Maßnahme nach §47 Abs2 anordnen, wenn sein Verhalten zwar einen Ausschluß nicht begründet, er aber sonst gegen seine Pflichten verstoßen hat. Andernfalls hat die zuständige Schulbehörde den Ausschluß des Schülers mit Bescheid auszusprechen.

(5) Der Ausschluß kann sich auf die betreffende Schule oder auf alle Schulen in einem näher zu bestimmenden Umkreis erstrecken. Von den verschiedenen Formen des Ausschlusses ist jeweils nur jene Form auszusprechen, mit der der angestrebte Sicherungszweck im Sinne des Abs1 bereits erreicht werden kann.

(6) […]

(7) Im Falle eines Ausschlusses ist die Aufnahme in eine Schule, auf die sich der Ausschluß erstreckt, weder als ordentlicher noch als außerordentlicher Schüler zulässig. Die Zulassung zu einer Externistenprüfung (§42) wird davon nicht berührt.

(8) Der Ausschluß kann von jener Schulbehörde, die ihn rechtskräftig ausgesprochen hat, auf Antrag des Schülers eingeschränkt oder aufgehoben werden, wenn und soweit die Gründe für seine Verhängung wegfallen oder der Sicherungszweck auf andere Weise erreicht werden kann.

(9) Sollten für Schüler allgemeinbildender Pflichtschulen Maßnahmen nach Abs1 nicht zielführend sein, so tritt an die Stelle des Ausschlusses eine Maßnahme nach Abs3 (Suspendierung) und die Einleitung eines Verfahrens gemäß §8 des Schulpflichtgesetzes 1985.

[…]

Lehrer

§51. (1) Der Lehrer hat das Recht und die Pflicht, an der Gestaltung des Schullebens mitzuwirken. Seine Hauptaufgabe ist die dem §17 entsprechende Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Er hat den Unterricht sorgfältig vorzubereiten.

(2) Außer den ihr oder ihm obliegenden unterrichtlichen, erzieherischen und administrativen Aufgaben (zB Durchführung von Standardüberprüfungen) hat die Lehrerin oder der Lehrer (ausgenommen Lehrbeauftragte) erforderlichenfalls die Funktionen einer Klassenvorständin oder eines Klassenvorstandes, Werkstätten- oder Bauhofleiterin bzw Werkstätten- oder Bauhofleiters, Kustodin oder Kustos sowie Fachkoordinatorin oder Fachkoordinators zu übernehmen und erforderliche Fort- und Weiterbildungsangebote zu besuchen. Weiters hat die Lehrerin oder der Lehrer die Funktion eines Mitgliedes einer Prüfungskommission zu übernehmen und an den Lehrerinnen- und Lehrerkonferenzen teilzunehmen.

(3) Der Lehrer hat nach der jeweiligen Diensteinteilung die Schüler in der Schule auch 15 Minuten vor Beginn des Unterrichtes, in den Unterrichtspausen - ausgenommen die zwischen dem Vormittags- und dem Nachmittagsunterricht liegende Zeit - und unmittelbar nach Beendigung des Unterrichtes beim Verlassen der Schule sowie bei allen Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulhauses zu beaufsichtigen, soweit dies nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler erforderlich ist. Hiebei hat er insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Schüler zu achten und Gefahren nach Kräften abzuwehren. Dies gilt sinngemäß für den Betreuungsteil an ganztägigen Schulformen, wobei an die Stelle des Unterrichtes der Betreuungsteil tritt.

[…]

Schulleitung, Schulcluster Leitung

§56. (1) Der Schulleiter ist zur Besorgung aller Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz zuständig, sofern dieses nicht die Zuständigkeit anderer schulischer Organe oder der Schulbehörden festlegt.

(2)–(9) […]

Verfahren

§70. (1) Soweit zur Durchführung von Verfahren andere Organe als die Schulbehörden berufen sind, finden die allgemeinen Verfahrensbestimmungen des AVG keine Anwendung und sind in den nachstehend angeführten Angelegenheiten die Absätze 2 bis 4 anzuwenden:

a)–i) […]

j) Fernbleiben von der Schule (§45),

k) […]

(2) Der Erlassung einer Entscheidung hat die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes, soweit er nicht von vornherein klar gegeben ist, durch Beweise voranzugehen. Als Beweismittel kommt alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Dem Schüler (Aufnahmsbewerber, Prüfungskandidaten) ist, sofern der Sachverhalt nicht von vornherein klar gegeben ist oder seinem Standpunkt nicht vollinhaltlich Rechnung getragen werden soll, Gelegenheit zu geben, zu den Sachverhaltsfeststellungen Stellung zu nehmen.

(2a) Das verfahrensleitende Organ hat von den Verfahrensbestimmungen nach Maßgabe der technischen Gegebenheiten abzuweichen, wenn dies für Körper- oder Sinnesbehinderte, die am Verfahren beteiligt sind, erforderlich ist.

(3) Entscheidungen können sowohl mündlich als auch schriftlich erlassen werden. Sofern einem Ansuchen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird, kann innerhalb einer Woche eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung verlangt werden.

(4) Die schriftliche Ausfertigung einer Entscheidung hat zu enthalten:

a) Bezeichnung und Standort der Schule, Bezeichnung des entscheidenden Organes;

b) den Inhalt der Entscheidung unter Anführung der angewendeten Gesetzesstellen;

c) die Begründung, wenn dem Standpunkt des Schülers (Aufnahmsbewerbers, Prüfungskandidaten) nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird;

d) Datum der Entscheidung;

e) die Unterschrift des entscheidenden Organes, bei Kollegialorganen des Vorsitzenden;

f) die Belehrung über die Widerspruchsmöglichkeit, wenn dem Ansuchen nicht vollinhaltlich stattgegeben wird.

Provisorialverfahren (Widerspruch)

§71. (1) Gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 ist Widerspruch an die zuständige Schulbehörde zulässig. Der Widerspruch ist schriftlich (in jeder technisch möglichen Form, nicht jedoch mit E Mail) innerhalb von fünf Tagen bei der Schule, im Falle der Externistenprüfungen bei der Prüfungskommission, einzubringen.

(2) […]

(2a) Mit Einbringen des Widerspruches tritt die (provisoriale) Entscheidung der Organe in den Angelegenheiten des §70 Abs1 und des §71 Abs2 außer Kraft. In diesen Fällen hat die zuständige Schulbehörde das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Entscheidung mit Bescheid zu treffen.

(3) Die Frist für die Einbringung des Widerspruchs beginnt im Falle der mündlichen Verkündung der Entscheidung mit dieser, im Falle der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung jedoch mit der Zustellung.

(4)–(7a) […]

(9) Gegen andere als in Abs1 und 2 genannte Entscheidungen von schulischen Organen ist ein Widerspruch an die zuständige Schulbehörde nicht zulässig.

[…]

Fristberechnung

§74. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, nach dem sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen oder Monaten bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag in dem letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(3) Der Beginn und Lauf einer Frist wird durch Sonn- oder Feiertage nicht behindert.

(4) Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag, so ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen.

(5) Die Tage des Postlaufes werden in die Frist nicht eingerechnet.

(6) Durch dieses Bundesgesetz oder die auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen festgesetzte Fristen können, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nicht geändert werden."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24. Juni 1974 betreffend die Schulordnung, BGBl 373/1974, idF BGBl II 256/2020 (im Folgenden: Schulordnung) lauten:

"§1. (1) Die Schüler haben durch ihr Verhalten und ihre Mitarbeit im Unterricht in der Schule und bei Schulveranstaltungen die Unterrichtsarbeit zu fördern.

(2) Die Schüler haben sich in der Gemeinschaft der Klasse und der Schule hilfsbereit, verständnisvoll und höflich zu verhalten.

§2. (1) Die Schüler haben sich vor Beginn des Unterrichtes sowie vor Beginn von Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen, an denen teilzunehmen sie verpflichtet sind, am Unterrichtsort bzw am sonst festgelegten Treffpunkt einzufinden. Die Beaufsichtigung der Schüler beginnt 15 Minuten vor Beginn des Unterrichtes, der Schulveranstaltung bzw der schulbezogenen Veranstaltung. Die Beaufsichtigung der Schüler ab der 7. Schulstufe darf entfallen, wenn dies im Hinblick auf die Gestaltung des Unterrichtes, von Schulveranstaltungen (§13 SchUG), von schulbezogenen Veranstaltungen (§13a SchUG) und der individuellen Berufs(bildungs)orientierung (§13b SchUG) zweckmäßig ist und weiters im Hinblick auf die körperliche und geistige Reife der Schüler entbehrlich ist. Die Beaufsichtigung der Schüler ab der 9. Schulstufe darf entfallen, wenn sie im Hinblick auf die körperliche und geistige Reife entbehrlich ist.

(2) Der Schüler hat regelmäßig teilzunehmen:

1. am Unterricht der für ihn vorgeschriebenen Pflichtgegenstände (einschließlich der Pflichtseminare) und verbindlichen Übungen,

2. am Unterricht der von ihm gewählten alternativen Pflichtgegenstände,

3. am Förderunterricht, der für ihn verpflichtend oder für den er angemeldet ist,

4. am Unterricht in den Freigegenständen und unverbindliche Übungen, für die er angemeldet ist,

4a. an ganztägigen Schulformen am Betreuungsteil, zu dem er angemeldet ist,

5. an den für ihn vorgesehenen Schulveranstaltungen,

6. an den schulbezogenen Veranstaltungen, für die er angemeldet ist, sowie

7. an der individuellen Berufs(bildungs)orientierung, zu deren Teilnahme er dem Unterricht fern bleiben darf.

(3) Abs2 gilt für ordentliche Schüler und für der Schulpflicht unterliegende außerordentliche Schüler. Andere außerordentliche Schüler sind berechtigt und verpflichtet, an jenen Unterrichtsgegenständen, für die sie aufgenommen wurden, und an den mit diesen Unterrichtsgegenständen in Beziehung stehenden Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen teilzunehmen.

(4) Während des Vormittags- bzw Nachmittagsunterrichts (einschließlich der Pausen) darf der Schüler das Schulgebäude oder einen anderen Unterrichtsort nur mit Genehmigung des aufsichtsführenden Lehrers oder des Schulleiters, soweit die Hausordnung nicht anderes bestimmt, verlassen. Dies gilt sinngemäß für Schulveranstaltungen und schulbezogene Veranstaltungen. Hiedurch werden Vorschriften über das Fernbleiben von der Schule nicht berührt.

(5) Nach Beendigung des Unterrichtes hat der Schüler die Schulliegenschaft (den Unterrichtsort) unverzüglich zu verlassen, sofern nicht ein weiterer Aufenthalt bewilligt wurde.

(6) Inwieweit die Schüler früher als 15 Minuten vor Beginn des Unterrichtes, einer Schulveranstaltung oder einer schulbezogenen Veranstaltung, zwischen dem Vormittags- und Nachmittagsunterricht sowie nach Beendigung des Unterrichtes, der Schulveranstaltung oder der schulbezogenen Veranstaltung im Schulgebäude anwesend sein dürfen, entscheidet die Schulleitung. Dabei ist von der Schulleitung – unbeschadet der §§3 Abs4 und 9 Abs3a des Schulzeitgesetzes 1985, BGBl Nr 77/1985 – festzulegen, ob eine Beaufsichtigung der Schüler seitens der Schule (allenfalls auch unter Anwendung des §44a des Schulunterrichtsgesetzes) erfolgt und dass diese Beaufsichtigung ab der 7. Schulstufe entfallen kann, wenn sie im Hinblick auf die konkrete Situation sowie die körperliche und geistige Reife entbehrlich ist. Dies ist gemäß §79 Abs1 SchUG kundzumachen.

§3. (1) Bei verspätetem Eintreffen zum Unterricht, zu einer Schulveranstaltung und einer schulbezogenen Veranstaltung hat der Schüler dem Lehrer den Grund seiner Verspätung anzugeben.

(2) Auf das Fernbleiben von der Schule finden Anwendung:

1. für der allgemeinen Schulpflicht unterliegende Schüler §9 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl Nr 76,

2. für der Berufsschulpflicht unterliegende Schüler §22 Abs3 in Verbindung mit §9 sowie §23 des Schulpflichtgesetzes 1985,

3. im übrigen §45 des Schulunterrichtsgesetzes

(3) Das verspätete Eintreffen des Schülers zum Unterricht, zu Schulveranstaltungen und schulbezogenen Veranstaltungen, das vorzeitige Verlassen sowie das Fernbleiben von der Schule sind im Klassenbuch zu vermerken. Beim Fernbleiben von der Schule ist auch der Rechtfertigungsgrund anzuführen.

[…]

§8. (1) Im Rahmen des §47 Abs1 des Schulunterrichtsgesetzes sind folgende Erziehungsmittel anzuwenden:

a) bei positivem Verhalten des Schülers:

Ermutigung,

Anerkennung,

Lob,

Dank;

b) bei einem Fehlverhalten des Schülers:

Aufforderung,

Zurechtweisung,

Erteilung von Aufträgen zur nachträglichen Erfüllung versäumter

Pflichten,

beratendes bzw belehrendes Gespräch mit dem Schüler,

beratendes bzw belehrendes Gespräch unter Beiziehung der Erziehungsberechtigten,

Verwarnung.

Die genannten Erziehungsmittel können vom Lehrer, vom Klassenvorstand und vom Schulleiter, in besonderen Fällen auch von der zuständigen Schulbehörde, angewendet werden.

(2) Erziehungsmaßnahmen sollen möglichst unmittelbar erfolgen und in einem sinnvollen Bezug zum Verhalten des Schülers stehen. Sie sollen dem Schüler einsichtig sein und eine die Erziehung des Schülers fördernde Wirkung haben."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Den Anträgen liegen folgende Sachverhalte zugrunde:

1.1. Der zu G136/2002 protokollierte Antrag betrifft die Beschwerde einer Schülerin (im Folgenden: beteiligte Partei) gegen einen Bescheid der Bildungsdirektion Oberösterreich vom 12. Juli 2019.

Die beteiligte Partei war im Schuljahr 2018/2019 Schülerin einer Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Linz. Mit Schreiben vom 18. Juni 2019 forderte die Schulleitung die beteiligte Partei auf, die im laufenden Schuljahr 2018/2019 aufgetretenen Fehlzeiten durch Vorlage einer ärztlichen Bestätigung binnen einer Woche zu rechtfertigen. Erfolge eine solche Rechtfertigung nicht, so gelte die beteiligte Partei als von der Schule abgemeldet. Die beteiligte Partei sandte am selben Tag ein E-Mail an die Schulleitung, in welchem sie ihre Abwesenheiten zum Teil mittels ärztlicher Bestätigungen ihrer Hausärztin erklärte. Am 26. Juni 2019 wurde der beteiligten Partei eine Schulbesuchsbestätigung ausgestellt, wonach sie die Schule bis zum 25. Juni 2019 besucht habe. Mit Schreiben vom 27. Juni 2019 teilte die beteiligte Partei mit, dass sie rechtswidrig von der Schule abgemeldet worden sei und sie dagegen Widerspruch gemäß §70 Abs1 litj SchUG erhebe. Zudem beantragte sie die Wiederaufnahme in die Schule.

Mit Bescheid vom 12. Juli 2019 wies die Bildungsdirektion Oberösterreich den Widerspruch als unzulässig zurück. In der Begründung des Bescheides wird im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Widerspruch nur in den in §70 Abs1 iVm §71 Abs1 SchUG genannten Fällen zulässig sei. Da es der beteiligten Partei innerhalb der gesetzten Frist nicht gelungen sei, ihre gesamten Fehlstunden zu rechtfertigen, habe sie gemäß §45 Abs5 iVm §33 Abs1 (gemeint wohl: Abs2) litc SchUG ex lege aufgehört, Schülerin der Schule zu sein. Gegen diese Rechtsfolge bestehe keine Widerspruchsmöglichkeit. Gegen diesen Bescheid erhob die beteiligte Partei am 22. Juli 2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte aus, dass die Abmeldung rechtswidrig erfolgt sei und dass über den Antrag auf Wiederaufnahme nicht abgesprochen worden sei.

Das Bundesverwaltungsgericht stellte bereits mit Beschluss vom 8. August 2019 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, in §45 Abs5 erster Satz SchUG die Wortfolge "oder 30 Unterrichtsstunden", in eventu die Wortfolge "oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr", als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Beschluss vom 28. November 2019, G190/2019-9, wies der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag wegen zu eng gefassten Anfechtungsumfanges zurück.

1.2. Der zu G310/2020 protokollierte Antrag betrifft die Beschwerde eines Schülers (im Folgenden: beteiligte Partei) gegen einen Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 28. Oktober 2019.

Die beteiligte Partei war im Schuljahr 2018/2019 Schüler einer Höheren Technischen Lehranstalt in Wien. Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 forderte die Schulleitung die beteiligte Partei auf, die im laufenden Schuljahr 2018/2019 aufgetretenen Fehlzeiten durch Vorlage einer ärztlichen Bestätigung bzw durch Nachweis eines sonstigen Verhinderungsgrundes zu rechtfertigen. Am 19. März 2019 wurde der beteiligten Partei eine Bestätigung über deren Abmeldung vom Schulbesuch übergeben. Die beteiligte Partei stellte in der Folge einen Antrag auf Wiederaufnahme und führte zudem aus, dass sie seit Jahren an einer schweren Streptokokkeninfektion leide und deswegen in ärztlicher Behandlung stehe. Durch die ständigen, äußerst schmerzhaften Infektionen seien ihr Immunsystem und ihre Psyche beeinträchtigt. Am 27. September 2019 wies die Schulleitung den Antrag auf Wiederaufnahme als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die beteiligte Partei im Zeitraum September 2018 bis März 2019 insgesamt über zwei Monate unentschuldigt vom Unterricht ferngeblieben sei und trotz mehrfacher Aufforderung keine tauglichen Entschuldigungen vorgelegt habe. Gegen diese Entscheidung erhob die beteiligte Partei am 7. Oktober 2019 einen Widerspruch und führte aus, dass sie eine Begründung für sämtliche Fehlstunden vorgelegt habe.

Mit Bescheid vom 28. November 2019 wies die Bildungsdirektion für Wien den Widerspruch ab. Begründend wurde ausgeführt, dass ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule gemäß §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG als vom Schulbesuch abgemeldet gelte, wenn er länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fernbleibe, ohne das Fernbleiben zu rechtfertigen. Eine Wiederaufnahme sei nur mit Bewilligung des Schulleiters zulässig und nur dann zu erteilen, wenn das Fernbleiben nachträglich gerechtfertigt werde und die Unterlassung der Mitteilung an die Schule aus rücksichtswürdigen Gründen unterblieben sei. Die beteiligte Partei habe ihr Fernbleiben auch nachträglich nicht gerechtfertigt, weshalb der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß §45 Abs5 SchUG abzuweisen gewesen sei. Gegen diesen Bescheid erhob die beteiligte Partei am 27. November 2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte im Wesentlichen aus, dass sie der schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung bereits am 13. Februar 2019 nachgekommen sei und daher die Abmeldung rechtswidrig erfolgt sei.

2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof zu G136/2020 bestimmt haben (die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes zu G310/2020 sind im Wesentlichen gleichlautend), wie folgt dar (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"[…]

1.2. Zulässigkeit des Antrags

[…]

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Widerspruch der Beschwerdeführerin gegen ihre Abmeldung vom Schulbesuch infolge ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Unterricht als unzulässig zurückgewiesen und begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Widerspruch nur in den in §70 Abs1 litj (iVm §71 Abs1) und in den §71 Abs2 SchUG genannten Fällen zulässig sei. Da die Beschwerdeführerin gemäß §45 Abs5 iVm §33 Abs1 litc SchUG ex lege aufgehört habe, Schülerin der Schule zu sein, bestehe keine Widerspruchsmöglichkeit.

Gemäß §71 Abs1 SchUG ist ein Widerspruch gegen Entscheidungen in Angelegenheiten des §70 Abs1 leg.cit. zulässig. Zu diesen Angelegenheiten zählen nach litj. leg.cit. auch Entscheidungen im Zusammenhang mit dem 'Fernbleiben von der Schule (§45)'.

Der Verfassungsgerichtshof hat im vorliegenden Fall mit seinem Erkenntnis vom 28.11.2019, G190/2019 9 bereits ausgeführt, dass es nicht denkunmöglich ist, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Überprüfung des Widerspruches §45 Abs5 SchUG anzuwenden hat (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003, wonach ein Antrag iSd des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden kann, wenn es offenkundig unrichtig [denkunmöglich] ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet).

[…]

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes ist für die Bereinigung der – wie folgend […] dargelegten – verfassungswidrigen Rechtslage die Aufhebung des gesamten §45 Abs5 SchUG – und nicht bloß des §45 Abs5 ersten Satzes SchUG – notwendig, zumal die in §45 Abs5 zweiter Satz SchUG normierte Wiederaufnahme eines Schüler ohne eine (Ex lege )Abmeldung vom Schulbesuch seine gesetzliche Grundlage verliert. Damit ist auch die Bestimmung des §33 Abs2 litc SchUG untrennbar verbunden, da mit dieser Bestimmung, bei ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist seit der Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß §45 Abs5 SchUG, die Beendigung des Schulbesuches normiert wird. In eventu wird daher auch dessen Aufhebung beantragt.

[…]

1.3. Bedenken

1.3.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass §45 Abs5 SchUG folgenden Inhalt hat:

§45 Abs5 SchUG sieht drei Tatbestände vor, die zur ex lege Beendigung des Schulbesuchs eines Schülers einer mittleren oder höheren Schule führen:

1. das nicht gerechtfertigte Fernbleiben länger als eine Woche,

2. das nicht gerechtfertigte Fernbleiben an fünf nicht zusammenhängenden Tagen im Unterrichtsjahr und

3. das nicht gerechtfertigte Fernbleiben von 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr.

Wie dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen ist, ist Voraussetzung für die ex lege Beendigung des Schulbesuchs, dass das Verfahren nach §45 Abs5 SchUG eingehalten wird. Die schriftliche Aufforderung nach §45 Abs5 SchUG muss den Auftrag enthalten, das Fernbleiben vom Unterricht binnen einer Woche, gerechnet vom Tag der Zustellung der Aufforderung an den Schüler, zu rechtfertigen. Bei Nichteintreffen einer Mitteilung innerhalb der Frist, gilt der Schüler als vom Schulbesuch abgemeldet.

Die Rechtfertigungsgründe sind in §45 Abs2 SchUG aufgezählt; danach liegt eine gerechtfertigte Verhinderung insbesondere in folgenden Fällen vor:

• Krankheit des Schülers;

• mit der Gefahr der Übertragung verbundene Krankheit von Hausangehörigen des Schülers;

• Krankheit der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn sie vorübergehend der Hilfe des Schülers unbedingt bedürfen;

• außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers oder in der Familie des Schülers;

• Ungangbarkeit des Schulweges oder schlechte Witterung, wenn die Gesundheit des Schülers dadurch gefährdet ist;

• Dauer der Beschäftigungsverbote im Sinne der Bestimmungen über den Mutterschutz.

Aus dem Gesetzeswortlaut ist erkennbar, dass eine bloße Mitteilung über das Fernbleiben nicht ausreichend ist, um dieses zu rechtfertigen, sondern dass ein gerechtfertigtes Fernbleiben zu belegen ist. Dazu kann gemäß §45 Abs3 SchUG auch die Beibringung eines ärztlichen Attestes verlangt werden (wobei die Aufnahme einer Diagnose in das ärztliche Attest nicht zwingend vorgesehen ist; vgl etwa Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 8 zu §45 SchUG).

In ihrem ursprünglichen Wortlaut diente die Bestimmung des §45 Abs5 SchUG, idF BGBl Nr 472/1986, dazu, Schüler, die länger als eine Woche dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleiben, wenn zusätzlich auf Aufforderung nach einer weiteren Woche keine Mitteilung eintrifft, ex lege aus dem Schülerstand auszuscheiden. Mit BGBl I Nr 35/2018 wurde der Tatbestand der ex lege Beendigung des Schulbesuches auch auf jene Fälle ausgeweitet, in denen ein Schüler innerhalb eines Unterrichtsjahres 5 nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden dem Unterricht fernbleibt.

Den parlamentarischen Materialien zu §45 Abs5 SchUG (siehe AA 18 XXVI. GP, 78) ist insbesondere zu entnehmen, dass die 'Regelungen betreffend das Fernbleiben von der Schule auch für Schülerinnen und Schüler, die die Schulpflicht bereits beendet haben, nachgeschärft werden. Künftig soll an diese Schülerinnen und Schüler von mittleren und höheren Schulen ab dem sechsten Schultag oder ab der 31. Unterrichtsstunde, dem bzw der eine Schülerin oder ein Schüler in einem Unterrichtsjahr ferngeblieben ist, eine schriftliche Aufforderung ergehen, das Fernbleiben zu rechtfertigen. Dafür bleibt eine Woche Zeit ab Zustellung der schriftlichen Mitteilung. Sollte es keinen Rechtfertigungsgrund für das Fernbleiben geben oder diese Rechtfertigung nicht rechtzeitig erfolgen, gilt die betroffene Schülerin oder der betroffene Schüler wie bisher als vom Schulbesuch abgemeldet. Um eine Rechtfertigung zu überprüfen, kann auch ein ärztliches Attest verlangt werden (§45 Abs3).'

Die Regierungsvorlage (RV 107 BIgNR XXVI. GP, [12 f.], zu Art4 Z8 und 9 SchPflG) spricht ebenso von einer Verschärfung des Systems des §45 SchUG und der Einführung von Sanktionen für ein ungerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht (als Pendant zu §24 Abs4 und 5 SchPfIG, wonach der Begriff 'Schulpflichtverletzung' konkretisiert wurde und eine klare Grenze – mit drei [aufeinanderfolgenden oder nicht aufeinanderfolgenden] Unterrichtstagen – gesetzt wurde, ab der eine Schulpflichtverletzung jedenfalls zu Anzeige zu bringen ist). So führte der Gesetzgeber insbesondere aus, dass 'auch hier [...] Melde- und Informationspflichten des Schülers bzw der Erziehungsberechtigten vorgesehen [sind] und wird davon ausgegangen, dass bei verantwortungsvollem Umgang mit diesen Pflichten keine Schwierigkeiten darin bestehen werden, eine Rechtfertigung des Fernbleibens oder dessen Nichtrechtfertigung auch mit den Erziehungsberechtigten einverständlich festzustellen. Anders als nach dem Schulpflichtgesetz 1985 wird ungerechtfertigtes Fernbleiben von nicht der Schulpflicht unterliegenden Schülerinnen und Schülern nicht strafrechtlich sanktioniert, wenngleich es nicht zuletzt im Hinblick auf den Aufwand der öffentlichen Hand nicht minder verpönt ist. Siehe in diesem Zusammenhang auch die in §8 der Schulordnung vorgesehenen Erziehungsmittel […].

Für die unterschiedlichsten Fälle von Schulpflichtverletzungen kann es keine allgemeingültige konkrete Anordnung gesetzlicher Art geben. Vielmehr ist verantwortungsbewusstes Vorgehen am Standort in der konkreten Situation erforderlich. Zumal verantwortungsbewusstes Handeln an den Schulen vorauszusetzen ist, soll mit vorliegendem Entwurf ein Rahmen vorskizziert werden, an dem sich Schulleiterinnen und Schulleiter orientieren können und sollen. Ziel ist es jedenfalls auch, weitgehende Einheitlichkeit im Umgang mit Schulpflichtverletzungen zu erreichen. Weiters soll Bürokratie abgeschafft werden, ohne dass die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (Schulpsychologie, Schulsozialarbeit ua Unterstützungen etwa durch Beratungslehrer, Schülerberater, Psychagogen, Jugendcoachs) eingeschränkt werden. Schulautonome Maßnahmen sollen höchstmögliche Effizienz sicherstellen.'

1.3.2. Gegenständlich ist überdies §49 SchUG näher zu beleuchten, da auch diese Bestimmung des SchUG eine Rechtsfolge für ein ungerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht vorsieht:

So sieht §49 erster Satz SchUG den Ausschluss eines Schülers vor, wenn dieser seine in §43 SchUG normierten Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt – vorausgesetzt die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß §47 leg.cit. oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung blieb erfolglos (zur Pflichtverletzung infolge ungerechtfertigten Fernbleibens siehe Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht, 14. Auflage, FN 3 zu §49 SchUG sowie VwGH 24.11.1986, 86/10/0133, wonach ein Verstoß des Schülers gegen die ihm in §45 Abs3 SchUG auferlegte Benachrichtigungspflicht in Extremfällen als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten qualifiziert wird und VwGH 19.10.1987, 87/10/0135, wonach ein ungerechtfertigtes Fernbleiben in einem Ausmaß von knapp 40 % als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten zu qualifizieren ist, welche die in §2 Schulorganisationsgesetz grundgelegte Aufgabe der österreichischen Schule ernstlich zu gefährden geeignet ist).

§49 Abs2 und 4 SchUG enthält bei Vorliegen der Voraussetzungen des §49 Abs1 leg.cit. besondere Verfahrensbestimmungen. So hat die Schulkonferenz nach §49 Abs2 SchUG bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs1 einen Antrag auf Ausschluss des Schülers an die Schulbehörde erster Instanz zu stellen, wobei dem Schüler Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben ist und den Erziehungsberechtigten ein Recht zur Abgabe einer Stellungnahme zukommt. Die Schulkonferenz hat bei ihrer Beratung die für und gegen den Ausschluss sprechenden Gründe zu berücksichtigen und ihren Antrag zu begründen. Eine Zweitschrift des Antrages ist dem Schüler zuzustellen.

Nach §49 Abs4 SchUG hat die Schulbehörde erster Instanz nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens die Beendigung des Ausschlussverfahrens festzustellen, wenn die Voraussetzungen im Sinne des Abs1 für einen Ausschluss nicht vorliegen. Sie kann zugleich dem Schüler eine Rüge erteilen oder eine Maßnahme nach §47 Abs2 SchUG anordnen, wenn sein Verhalten zwar einen Ausschluss nicht begründet, er aber sonst gegen seine Pflichten verstoßen hat. Andernfalls hat die Schulbehörde erster Instanz den Ausschluss des Schülers mit Bescheid auszusprechen. In diesem Fall verbleibt dem Schüler die Möglichkeit den Bescheid mittels Beschwerde zu bekämpfen.

1.3.3. Das Bundesverwaltungsgericht legt seine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung des SchUG im Wesentlichen wie folgt dar:

Die jeweilige Vorgehensweise der Schule bewirkt letztlich unterschiedliche Rechtsfolgen mit unterschiedlich ausgeprägtem Rechtschutz, wobei aus den Bestimmungen des SchUG nicht erkennbar ist, nach welchen Kriterien eine Anwendung von §45 Abs5 SchUG bzw von §49 Abs1 SchUG geboten erscheint.

Vielmehr erfolgt die Abmeldung gemäß §45 Abs5 SchUG ex lege eine Woche nach fruchtlosem Ablauf der Aufforderung zur Rechtfertigung, ohne dass es weiterer Verfahrensschritte bedarf. Dies wiegt umso schwerer, als oft schon zum Zeitpunkt der Aufforderung bereits feststeht, dass das Fernbleiben nicht gerechtfertigt war bzw, da sich die 5 Tage bzw 30 Unterrichtsstunden über das gesamte Schuljahr verteilen können, eine Rechtfertigung in Folge Zeitablauf (etwa die Einholung eines ärztlichen Attestes nach mehreren Monaten) nicht mehr möglich ist. Eine nähere Determinierung, ob eine solche Aufforderung in jedem Fall zu erfolgen hat bzw unter welchen Voraussetzungen eine solche zu unterbleiben hat oder kann, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen.

1.3.3.1. Vor diesem Hintergrund hegt das Bundesverwaltungsgericht das Bedenken, dass §45 Abs5 SchUG dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz widerspricht:

[…]

Es ist für das Bundesverwaltungsgericht keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Wesentlichen gleiche Sachverhalte (nicht gerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht in einem bestimmten Ausmaß) ungleich regelt und somit unterschiedliche Rechtsfolgen zulässt.

So erscheint §45 Abs5 SchUG in Zusammenhang mit §49 Abs1 SchUG unsachlich, da für ein und denselben Tatbestand (Verletzung von Schülerpflichten durch nicht gerechtfertigtes Fernbleiben vom Unterricht), je nachdem, wie die Schule weiter vorgeht, eine unterschiedliche Rechtsfolge im Ergebnis bewirkt wird. Denn der Gesetzgeber des §45 Abs5 SchUG und des §49 Abs1 SchUG sieht nicht zwingend vor, ob in einem Fall wie dem Anlassfall, dass ein Schüler mehr als 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht ohne Rechtfertigung fernbleibt, das Verfahren gemäß §49 Abs1 SchUG einzuleiten ist oder ob die Schule auf Grund von §45 Abs5 SchUG von der ex lege Abmeldung des Schülers auszugehen hat.

Darüber hinaus steht §45 Abs5 SchUG, der de facto ex lege eine Verletzung von Schülerpflichten ahndet, in keiner sachlichen Relation zu den sonstigen Schulausschlussgründen, die gemäß §49 SchUG einem ordentlichen Verfahren unterliegen.

1.3.3.2. Das Bundesverwaltungsgericht hegt darüber hinaus auch Bedenken, dass §45 Abs5 SchUG gegen das in Art18 Abs1 B VG verankerten Rechtsstaatsprinzip verstößt:

[…]

Wie bereits oben ausgeführt, bewirkt die jeweilige Vorgehensweise der Schule unterschiedliche Rechtsfolgen mit unterschiedlich ausgeprägtem Rechtsschutz, wobei aus den Bestimmungen des SchUG nicht erkennbar ist, nach welchen Kriterien eine Anwendung von §45 Abs5 SchUG bzw von §49 Abs1 SchUG geboten erscheint. Aus den Materialien […] zu §45 Abs5 SchUG lässt sich ebenso nicht entnehmen, in welchem Verhältnis §45 Abs5 SchUG und §49 SchUG stehen.

Gleich[er]maßen können aus §3 Abs2 Z3 Schulordnung, wonach auf das Fernbleiben von der Schule 'im übrigen §45 des Schulunterrichtsgesetzes' Anwendung findet, keine weiteren Erkenntnisse gewonnen werden, zumal diese Bestimmung auch keine dem Rechtsstaatlichkeitsgebot entsprechenden Determinierungen gebietet, wonach der Rechtsunterworfene das Handeln der Verwaltungsbehörde vorhersehen kann.

Im Übrigen fehlt überhaupt eine Bestimmung, mit der der Schule die Möglichkeit eingeräumt wird, eine (bekämpfbare) Entscheidung zu erlassen. Zwar ist das Fernbleiben von der Schule (§45 SchUG) in §70 Abs1 litj aufgezählt, jedoch tritt die im §45 Abs5 iVm §33 Abs1 litc SchUG vorgesehene Rechtsfolge (anders als zB. in Abs4 leg.cit.) ex lege ein, ohne dass eine diesbezügliche Entscheidung vorgesehen wäre. Dabei ist zu beachten, dass für Verfahren der Schule gemäß §70 Abs1 SchUG die Bestimmungen des AVG keine Anwendung finden und nur die in §71 Abs1 SchUG und §71 Abs2 SchUG taxativ aufgezählten Entscheidungen einem Widerspruch zugänglich sind (vgl VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0106).

Hinzu kommt, dass es, wie oben bereits ausgeführt, mehr oder weniger der freien Entscheidung der Schulleitung überlassen bleibt, ob und wann eine entsprechende Aufforderung veranlasst wird, die Voraussetzung für die ex lege eintretende Rechtsfolge ist.

Abgesehen davon enthält §45 Abs5 SchUG keine ausreichende Determinierung und bleibt unter Heranziehung der Materialen überdies unklar, ob für den Eintritt der ex lege Abmeldung sämtliche 5 Tage bzw 30 Unterrichtsstunden zu rechtfertigen sind oder ob die Rechtsfolge nur dann [e]intritt, wenn nach der Rechtfertigung noch 5 Tage bzw 30 Unterrichtsstunden als ungerechtfertigt übrigbleiben. Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang auch, ob ein Schultag auch dann als ganzer zu zählen sein wird, wenn an diesem nur eine einzige stundenplanmäßige Unterrichtseinheit vorgesehen ist und ein Schüler ungerechtfertigt fernbleibt.

Weiters geht aus den Materialen zur angefochtenen Bestimmung nicht hervor, ob die in §45 Abs5 zweiter Satz SchUG geregelte Wiederaufnahme des Schülers ex tunc oder ex nunc wirkt, zumal die ex lege Abmeldung eines Schülers weitere Veranlassungen (vgl etwa §33 Abs3 SchUG) und Folgen (wie beispielsweise die Rückzahlung der Familienbeihilfe; dazu etwa VwGH 18.11.2009, 2009/13/0118) nach sich zieht bzw nach sich ziehen kann. In diesem Zusammenhang wird auch zu erörtern sein, ob zwischenzeitlich verpasste Prüfungen nachgeholt werden können.

1.3.3.3. Aus den oben angeführten Gründen hegt das Bundesverwaltungsgericht auch Bedenken, dass durch die angefochtene Bestimmung das Recht auf den gesetzlichen Richter im Sinne des Art83 Abs2 B VG verletzt ist.

Der Verfassungsgerichtshof behebt ein Gesetz, das die Zuständigkeit nicht hinreichend determiniert wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B VG. Im Unterschied zu Art18 vermittelt Art83 Abs2 B VG aber keinen differenzierten Determinierungsmaßstab: Der Gesetzgeber wird 'zu einer – strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden – präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit verpflichtet, die sich 'nach objektiven Kriterien' aus dem Gesetz ergeben muss. Diesen Anforderungen widerspricht es, wenn die Zuständigkeit von Umständen abhängt, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine willkürliche Änderung der Zuständigkeit ermöglichen (siehe Khakzadeh-Leiler in Kneihs/Lienbacher, Bundesverfassungsrecht, Art83 Abs2, B VG Rz 17).

Gegenständlich liegt dieser Fall vor, da für den Normunterworfenen nicht vorhersehbar ist, ob seitens der Schule mit einem Verfahren gemäß §49 SchUG vorgegangen wird oder ob durch eine Aufforderung gemäß §45 Abs5 SchUG die Beendigung des Schulbesuches ex lege eingeleitet wird.

Wie oben bereits ausgeführt wird, steht durch Zeitablauf de facto bereits zum Zeitpunkt der Aufforderung fest, dass die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten nicht mehr gerechtfertigt werden können. In einem Verfahren gemäß §49 SchUG wäre hingegen von der Behörde nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens der Ausschluss mit (in der Folge bekämpfbaren) Bescheid auszusprechen.

1.4. Aus diesen Gründen erscheint nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes die beantragte Aufhebung der angefochtenen Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof geboten."

3. Die Bundesregierung erstattete in dem zu G136/2020 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie den erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"[…]

I. Zur Rechtslage

[…]

3.3. Ein Fernbleiben vom Unterricht ist nur nach Maßgabe des §45 SchUG zulässig. Das Fernbleiben vom Unterricht ist demnach nur bei einer gerechtfertigten Verhinderung gemäß §45 Abs2 und 3 SchUG, bei Vorliegen einer Erlaubnis zum Fernblieben gemäß §45 Abs4 SchUG oder bei Befreiung von der Teilnahme an einzelnen Unterrichtsgegenständen gemäß §11 Abs6 SchUG zulässig. §45 Abs2 SchUG zählt demonstrativ Standardfälle der gerechtfertigten Verhinderung auf; dazu gehören insbesondere eine Krankheit des Schülers, also eine physische oder auch psychische Beeinträchtigung des Schülers, die eine Teilnahme am Unterricht unzumutbar machen würde (VwGH 19.10.1987, 87/10/0135), eine Krankheit der Eltern oder anderer Angehöriger, wenn diese vorübergehend der Hilfe des Schülers unbedingt bedürfen, oder andere außergewöhnliche Ereignisse im Leben des Schülers oder in dessen Familie, wobei jährlich wiederkehrende Ereignisse davon nicht erfasst sind.

Weitere Freistellungsgründe ergeben sich zB aus §13b SchUG, der Schülern ab der 8. Schulstufe das Recht einräumt, zum Zweck der individuellen Berufs(bildungs)orientierung an bis zu fünf Tagen pro Unterrichtsjahr dem Unterricht fernzubleiben, soweit sie die Erlaubnis des Klassenvorstandes eingeholt haben, oder aus §2a des Religionsunterrichtsgesetzes, BGBl Nr 190/1949, der eine Freistellung des Schülers zur Teilnahme an Schülergottesdiensten oder religiösen Übungen ermöglicht. Vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des §45 Abs1 bis 5 SchUG ausgenommen sind Schülerinnen und Schüler, die der Schulpflicht unterliegen (vgl §45 Abs6 SchUG), weil für diese die entsprechenden Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl Nr 76/1985, zur Anwendung kommen.

Gemäß §45 Abs4 SchUG besteht darüber hinaus die Möglichkeit, Schülern für einzelne Schulstunden bis zu einem Schultag durch den Klassenvorstand, für Zeiträume über einen Tag durch den Schulleiter die Erlaubnis zum Fernbleiben aus wichtigen Gründen zu erteilen, wobei bei der Beurteilung des Vorliegens wichtiger Gründe ein strenger Maßstab anzulegen ist.

Gegen die jeweilige Entscheidung des schulischen Organes kann ein Widerspruch nach §71 Abs1 iVm. §70 Abs1 litj SchUG erhoben werden.

3.4. §45 Abs3 SchUG normiert eine Benachrichtigungspflicht für den Schüler. Demnach ist der Klassenvorstand oder der Schulleiter von jeder Verhinderung ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Verhinderungsgrundes zu benachrichtigen. Bei einer länger als eine Woche dauernden Erkrankung oder Erholungsbedürftigkeit oder bei häufigerem krankheitsbedingtem kürzerem Fernbleiben kann der Klassenvorstand oder der Schulleiter die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen, sofern Zweifel darüber bestehen, ob der Schüler tatsächlich krank oder erholungsbedürftig war. Unterlässt der Schüler die Vorlage eines Attestes, gilt das Fernbleiben als nicht gerechtfertigt.

Bleibt ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fern, ohne das Fernbleiben gemäß §45 Abs3 SchUG zu rechtfertigen, so ist er gemäß §45 Abs5 SchUG schriftlich dazu aufzufordern, binnen einer Woche eine entsprechende Rechtfertigung nachzutragen. Verstreicht die Rechtfertigungsfrist ohne entsprechende Mitteilung, so gilt der Schüler gemäß §33 Abs2 litc SchUG ex lege als vom Schulbesuch abgemeldet.

3.5. Schüler, die gemäß §45 Abs5 erster Satz SchUG aufgrund ungerechtfertigter Abwesenheiten als von der Schule abgemeldet gelten, haben gemäß §45 Abs5 letzter Satz SchUG die Möglichkeit, um Wiederaufnahme in die Schule anzusuchen. Diese Regelung ist das Äquivalent zum Wiedereinsetzungsantrag gemäß §71 AVG, das in Verfahren nach dem SchUG aber gemäß §70 Abs1 SchUG nicht anzuwenden ist.

Die Wiederaufnahme ist nur mit Bewilligung des Schulleiters zulässig, die nur dann zu erteilen ist, wenn das Fernbleiben nachträglich gerechtfertigt wird und die Unterlassung der Mitteilung an die Schule aus rücksichtswürdigen Gründen unterblieben ist.

3.6. Andere Verstöße gegen Verpflichtungen gemäß §43 Abs1 SchUG sind in schwerwiegenden Fällen durch Ausschluss des Schülers vom Schulbesuch gemäß §49 Abs1 SchUG zu ahnden, wenn die Anwendung von Erziehungsmitteln oder Maßnahmen der Hausordnung erfolglos bleibt oder wenn das Verhalten des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderen an der Schule tätigen Personen darstellt.

§49 Abs1 SchUG normiert im Wesentlichen zwei Ausschlusstatbestände. Die Bestimmung regelt zum einen unter Bezugnahme auf §43 SchUG die schwere Pflichtverletzung des Schülers, zum anderen eine von diesem ausgehende dauerhafte Gefährdung der Sittlichkeit, der körperlichen Sicherheit oder des Eigentums der anderen Schüler oder der anderen an der Schule tätigen Personen. Beiden Tatbeständen gemeinsam ist ihr Zweck, einen geregelten, ertragreichen Unterricht für die Schülerinnen und Schüler einer Klasse sicherzustellen und ein den Lehrkräften zumutbares Arbeitsumfeld zu schaffen.

3.7. Der Tatbestand der schweren Pflichtverletzung ist weit zu verstehen und bezieht sich auch auf die in einer Hausordnung nach §44 Abs1 SchUG normierten Verpflichtungen. Eine Verletzung von Pflichten alleine reicht für die Erfüllung des Tatbestandes nicht aus, ein Ausschluss kommt nur bei Vorliegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, also bei Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle in Frage. Bei einer schweren Pflichtverletzung liegt ein Ausschlussgrund nach §49 Abs1 erster Fall SchUG nur dann vor, wenn die Anwendung von Erziehungsmitteln im Sinne des §47 SchUG erfolglos geblieben ist.

Im Gegensatz dazu setzt ein Ausschluss nach §49 Abs1 zweiter Fall SchUG voraus, dass in einem Verhalten eines Schülers eine in der Persönlichkeitsstruktur des Schülers gelegene dauerhafte Gefährdung der taxativ aufgezählten Rechtsgüter Dritter besteht. Dabei ist eine Prognoseentscheidung zu treffen und sind gegebenenfalls auch frühere Verhaltensweisen des Schülers miteinzubeziehen, aufgrund deren sich Rückschlüsse auf die Eigenschaften des Schülers ergeben (vgl VwGH 16.06.2011, 2006/10/0187).

Das Ausschlussverfahren vor der Schulbehörde wird durch den Beschluss der Schulkonferenz, bei der zuständigen Schulbehörde einen Antrag auf Ausschluss zu stellen, eingeleitet. Vor der Beschlussfassung durch die Schulkonferenz ist dem Schüler die Möglichkeit zur Rechtfertigung zu geben. Die Schulkonferenz hat den Ausschlussantrag entsprechend zu begründen. Die Schulbehörde hat ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und den Ausschluss des Schülers bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §49 Abs1 SchUG mit Bescheid auszusprechen. Der Schüler kann dagegen gemäß Art130 B VG Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erheben.

3.8. §33 SchUG, auf den §45 Abs5 SchUG verweist, enthält komplementär zu §§45 und 49 SchUG Regelungen über die Beendigung des Schulbesuches. Die Regelung des §33 Abs1 SchUG stellt zunächst auf jene Gründe ab, aus welchen die Schülereigenschaft unmittelbar durch das Gesetz endet, ohne dass ein Handeln der Schülerin oder des Schülers, der Schule oder der Behörde erforderlich wäre. §33 Abs2 SchUG sieht sodann Gründe vor, aus welchen der Schulbesuch durch ein Handeln der Schüler (Abmeldung von der Schule gemäß §33 Abs2 lita SchUG) oder der Behörde (§33 Abs2 litb SchUG: Ausschluss gemäß §49 SchUG) oder unmittelbar durch Eintritt der im Gesetz genannten Bedingungen (zB litd: Überschreitung der Höchstdauer des Schulbesuches oder litc: Untätigkeit trotz schriftlicher Aufforderung gemäß §45 Abs5 SchUG) endet. §33 Abs2 litc hat gegenüber §45 Abs5 SchUG keine selbständige Bedeutung, sondern wäre im Fall der Aufhebung des §45 Abs5 SchUG (im Sinne des Hauptantrags) unanwendbar.

3.9. §70 SchUG enthält Regelungen über das Verfahren in Angelegenheiten nach dem SchUG. In §70 Abs1 wird zunächst allgemein festgehalten, dass das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51/1991, auf Verfahren, die von anderen als den Schulbehörden durchgeführt werden, keine Anwendung findet. Auf die in §70 Abs1 SchUG angeführten Verfahren finden jedoch die Sonderbestimmungen des §70 Abs2 bis 4 SchUG Anwendung. Dazu gehören gemäß §70 Abs1 litj SchUG auch Verfahren über das 'Fernbleiben von der Schule (§45)'. Ursprünglich nahm §70 Abs1 SchUG lediglich Bezug auf Verfahren gemäß §45 Abs4 SchUG, die Ansuchen auf stundenweise Befreiung vom Unterricht zum Gegenstand hatten. Erst mit dem Bundesgesetz BGBl Nr 514/1993 wurde der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf den gesamten §45 SchUG erweitert. Diese Erweiterung erfolgte zugleich mit der Einführung des §45 Abs7 SchUG, der das Fernbleiben vom Betreuungsteil der ganztägigen Schulformen regelt. Durch diese Änderung wurde die Regelung des §70 Abs1 SchUG aber auch auf §45 Abs5 SchUG anwendbar.

3.10. §71 SchUG legt fest, in welchen Angelegenheiten gegen Entscheidungen von Schulorganen ein Widerspruch möglich ist. Er knüpft dabei an §70 Abs1 SchUG und die in §71 Abs2 SchUG explizit genannten Entscheidungen an. Die in §70 Abs1 SchUG genannten Angelegenheiten umfassen jedoch ausschließlich Entscheidungen, zB über die Aufnahme, Zulassung zu einer Prüfung, Versetzung in eine Parallelklasse udgl. Ein Widerspruch ist demnach auch gegen Entscheidungen gemäß §45 Abs5 SchUG möglich. Da die Abmeldung eines Schülers gemäß §45 Abs5 erster Satz iVm §33 Abs2 SchUG aber ex lege stattfindet, handelt es sich dabei nicht um eine Entscheidung im Sinne des §71 Abs1 SchUG. Ein Widerspruch ist daher erst gegen eine negative Wiederaufnahmeentscheidung gemäß §45 Abs5 letzter Satz SchUG möglich. Gegen die Abmeldung selbst kann der Schüler – wie oben bereits ausgeführt – ein Ansuchen auf Wiederaufnahme gemäß §45 Abs5 letzter Satz SchUG stellen.

[…]

III. In der Sache

[…]

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz:

Das Bundesverwaltungsgericht vermeint einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz im Wesentlichen darin zu erkennen, dass in §§45 Abs5 und 49 Abs1 SchUG an gleiche Sachverhalte unterschiedliche Rechtsfolgen 'mit unterschiedlich ausgeprägtem Rechtsschutz' geknüpft seien und den Bestimmungen nicht zu entnehmen sei, 'nach welchen Kriterien eine Anwendung von §45 Abs5 bzw von §49 Abs1 SchUG' geboten scheine. So sei einerseits in §45 Abs5 SchUG die Ex lege-Beendigung des Schulbesuches infolge der unterlassenen Benachrichtigung vorgesehen, andererseits stelle die unterlassene Benachrichtigung hinsichtlich des Fernbleibens eine Pflichtverletzung dar, die ein Ausschlussverfahren nach sich ziehe. Dieses sei wiederum mit einem anderen Rechtsschutzverfahren ausgestattet.

Nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes hänge es nun ausschließlich von der Vorgehensweise der Schule ab, ob sie ein Verfahren gemäß §45 Abs5 SchUG oder gemäß §49 Abs1 SchUG einleite (vgl Seite 12 f des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts).

1.1. Zum Verhältnis der Beendigung des Schulbesuches ex lege (§45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG) zum Ausschluss (§49 SchUG):

1.1.1. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler die in §43 SchUG aufgezählten Pflichten in schwerwiegender Weise verletzt und die Anwendung von Erziehungsmitteln gemäß §47 oder von Maßnahmen gemäß der Hausordnung erfolglos bleiben bzw wenn das Verhalten der Schülerin oder des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschülern oder anderen an der Schule tätigen Personen darstellt, so ist die Schülerin oder der Schüler nach §49 Abs1 SchUG vom Schulbesuch auszuschließen.

Das Ausschlussverfahren vor der Schulbehörde wird durch den Beschluss der Schulkonferenz eingeleitet, bei der zuständigen Schulbehörde einen Antrag auf Ausschluss zu stellen. Vor der Beschlussfassung durch die Schulkonferenz ist der Schülerin oder dem Schüler die Möglichkeit zur Rechtfertigung zu geben. Die Schulkonferenz hat den Ausschlussantrag entsprechend zu begründen. Die Schulbehörde hat ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und den Ausschluss der Schülerin oder des Schülers bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §49 Abs1 SchUG bescheidmäßig auszusprechen.

1.1.2. Vom vorgenannten Verfahren zu unterscheiden ist jenes nach §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG. Demnach ist bei ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Unterricht eine Aufforderung durch die Behörde zur Rechtfertigung vorgesehen. §45 Abs5 SchUG ist dabei im Lichte der §§3 und 4 Abs1 des Schulzeitgesetzes 1985, BGBl Nr 77/1985, auszulegen. Bei einem reaktionslosen Verstreichenlassen der im Gesetz vorgegebenen Frist, sei es durch Unterlassung, sei es durch eine verspätete Reaktion, gilt die Schülerin oder der Schüler als von der Schule abgemeldet.

Zu betonen ist im gegebenen Kontext, dass die Unterlassung der umgehenden Benachrichtigung über eine Abwesenheit vom Unterricht samt Angabe des Grundes entgegen §45 Abs3 SchUG gerade nicht als schwerwiegende Verletzung einer Schülerpflicht iSd §43 SchUG zu qualifizieren ist, welche mit der Sanktion des Ausschlusses nach §49 Abs1 SchUG bedroht ist. Die vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Entscheidung des VwGH vom 24.11.1986, 86/10/0133, die eine grobe Verletzung der Meldepflicht als schwerwiegende Pflichtverletzung gemäß §49 SchUG qualifiziert hatte, erging mehr als 30 Jahre vor der Entstehung der neuen Rechtslage durch BGBl I Nr 35/2018. Heute ist die Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG die gegenüber dem allgemein auf die schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten abstellenden §49 Abs1 SchUG eindeutig sowohl die speziellere als auch die (Jahrzehnte) spätere Norm. §45 Abs5 SchUG ist daher im Falle unentschuldigter bzw unbegründeter Abwesenheiten von Schülerinnen bzw Schülern die einschlägige Bestimmung, welche §49 Abs1 leg.cit. vorgeht.

1.1.3. Die vorstehend skizzierte Rechtslage geht auf die Schulunterrichtsgesetz-Novelle BGBl I Nr 35/2018 zurück. Mit dieser wurde das System der rechtlichen Konsequenzen ungerechtfertigter Abwesenheiten vom Unterricht grundlegend geändert. Abwesenheiten, die ein gewisses erhebliches Ausmaß überschreiten und nach alter Rechtslage mittels eines Schulausschlussverfahrens gemäß §49 Abs1 SchUG zu ahnden gewesen wären (vgl dazu etwa VwGH 19.10.1987, 87/10/0135), wurden mit der besagten Novelle als Tatbestandselemente in §45 Abs5 erster Satz SchUG integriert.

Auf diese Weise wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Überschreitung eines gewissen Ausmaßes an ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Schulunterricht einer konkludenten Willensäußerung, die Schule nicht weiter besuchen zu wollen, gleichzuhalten ist. Die zitierte Bestimmung normiert ein spezifisches Verfahren, das auf die in der unterlassenen Rechtfertigung verwirklichten Weigerung der Schülerin oder des Schülers, im Verwaltungsverfahren mitzuwirken, abstellt.

1.1.4. Zusammenfassend ist daher zu betonen, dass §49 Abs1 SchUG auf Fälle einer ('bloßen') Unterlassung einer Rechtfertigung für das eigene Fernbleiben vom Unterricht nicht anwendbar ist. Es liegen nämlich jeweils unterschiedliche Sachlagen vor, welchen – wie dargestellt – durch zwei unterschiedliche Verfahren entsprochen wird.

Damit erweist sich die auf den Gleichheitssatz Bezug nehmende Argumentation des antragstellenden Gerichtes letztlich als unbegründet. Der für die Gesetzgebung maßgebliche zentraler Aspekt des Gleichheitssatzes, nämlich die Verpflichtung, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen, und bei tatsächlich ungleichen Sachverhalten differenzierende Regelungen vorzusehen (vgl etwa VfSlg 11.294/1987; 19.598/2011; 19.944/2015), ist im vorliegenden Fall gerade nicht verletzt. Die Sachverhalte unterscheiden sich – wie oben dargelegt – nämlich ganz wesentlich ('schwerwiegende Pflichtverletzung' versus 'Melde- bzw Rechtfertigungsversäumnis') und es sind daher zu Recht unterschiedliche Rechtsfolgen ('Ausschluss' versus 'Abmeldung') angeordnet.

1.2 Ergänzende Ausführungen zur Zielsetzung und Auslegung von §45 Abs5 SchUG bzw §33 Abs2 SchUG:

1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht führt in der Begründung seines Antrages aus, dass Rechtsfolge des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG vergleichsweise schwer wiege, da die oftmals schon im Zeitpunkt der Aufforderung zur Rechtfertigung feststehe, dass das Fernbleiben nicht gerechtfertigt gewesen sei, bzw weil im Falle einer Verteilung der Fehlzeiten auf einen größeren Zeitraum infolge des dann gegebenenfalls eingetretenen Zeitablaufes eine Rechtfertigung an faktische Grenzen stoßen könne (Beispiel: nachträgliche, stark zeitversetze ärztliche Attestierung einer Erkrankung; vgl Seite 12 des Beschlusses). Zudem fehle eine nähere Determinierung dahin, ob eine Aufforderung zur Rechtfertigung in jedem Falle zu erfolgen habe und unter welchen Voraussetzungen eine solche unterbleiben könne (vgl ebenda).

1.2.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass es zu den wesentlichen Pflichten der Schüler zählt, durch ihre Einordnung in die Klassen- und Schulgemeinschaft an der Erfüllung der Aufgabe der österreichischen Schule gemäß Art14 Abs5a B VG iVm §2 SchOG mitzuwirken (vgl §43 Abs1 SchUG). Davon sind auch das partnerschaftliche Zusammenwirken mit den anderen Mitgliedern der Schulgemeinschaft und die Leistung eines Beitrages zum Zusammenleben in der Schulgemeinschaft sowie die Pflicht, die Unterrichtsarbeit gemäß §17 SchUG zu fördern und zu sichern, umfasst (vgl §1 der Schulordnung). Grundvoraussetzung für die Erfüllung dieser Pflichten ist die regelmäßige Teilnahme der Schüler am Unterricht.

Eine regelmäßige Teilnahme am Unterricht beinhaltet, dass sich die Schüler vor Beginn des Unterrichts am Unterrichtsort einfinden, an den für sie verpflichtenden Unterrichtsveranstaltungen teilnehmen (vgl §2 der Schulordnung) und ein verspätetes Eintreffen begründen (§3 Abs1 der Schulordnung). Ein Fernbleiben vom Unterricht ist nur unter den in §45 SchUG normierten Voraussetzungen zulässig. Jedwedes Fernbleiben vom Unterricht bedarf der Rechtfertigung und die Lehrperson bzw der Schulleiter ist nach §45 Abs3 SchUG von jeder Verhinderung von der Teilnahme am Unterricht ohne Aufschub zu benachrichtigen.

1.2.3. Wenn das antragstellende Gericht nun, in der Anknüpfung an das Erfordernis einer (nachträglichen) Rechtfertigung einer Abwesenheit von mehreren Tagen bzw Unterrichtsstunden eine besondere Härte zu erkennen vermeint, ist dem entgegenzuhalten, dass es Schülern jedenfalls einer mittleren oder höheren Schule durchaus zugemutet werden kann, ihre Schülerpflichten zu kennen und wahrzunehmen. Wer die Schule ab der 9. Schulstufe besucht, wird sich im Regelfall bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Verwirklichung des Tatbestandes des Fernbleibens der Begründungspflicht bewusst sein. In Abhängigkeit der jeweiligen Ursache muss ihm freilich spätestens im Zeitpunkt des erstmaligen Zurückkehrens zum Unterricht die grundsätzliche Anwesenheitspflicht und die daraus resultierende Notwendigkeit der Rechtfertigung jedes Fernbleibens zu Bewusstsein kommen (vgl §45 Abs3 SchUG).

Für diese Sichtweise spricht im Übrigen, dass es zu den wesentlichsten Aufgaben der österreichischen Schule gehört, Schüler dazu zu befähigen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen (Art14 Abs5a SchUG). Einer Schülerin oder einem Schüler kann somit – unabhängig von der Beweisbarkeit des konkreten Rechtfertigungsgrundes – durchaus überantwortet werden, ein Fernbleiben, mag es auch bereits länger zurückliegen, zu begründen. Es kann auch keine besondere Härte darin gesehen werden, dass eine Schülerin oder ein Schüler auf eine Aufforderung der Schule durch Setzung eines aktiven Tuns reagiert. Zu einer Ex lege-Abmeldung vom Schulbesuch kann es freilich nur dann kommen, wenn die Schülerin oder der Schüler jegliche Mitwirkung an der Ermittlung des Vorliegens eines Rechtfertigungsgrundes unterlässt.

Nach all dem Gesagten kann daher festgehalten werden, dass auch dann, wenn im Zeitpunkt der Aufforderung nach §45 Abs5 SchUG für die Schülerin oder den Schüler bereits feststeht, dass das Fernbleiben nicht gerechtfertigt war bzw der Rechtfertigungsgrund 'in Folge Zeitablaufes' nicht belegt werden kann, es ihr/ihm sehr wohl zumutbar ist, eine fristgerechte Mitteilung zu machen. Zu unterstreichen ist zudem, dass mit der Aufforderung nach §45 Abs5 SchUG auch Parteiengehör gewährt, dh die Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu den Umständen des Fernbleibens zu äußern.

1.2.4. Soweit das Bundesverwaltungsgericht nun eine Unsachlichkeit darin erblickt, dass aus dem Regelungszusammenhang nicht klar hervorgehe, ob eine Aufforderung zur Rechtfertigung in jedem Fall zu erfolgen habe bzw unter welchen Voraussetzungen eine solche unterbleiben könne (vgl Seite 12 des Beschlusses), ist darauf hinzuweisen, dass §45 Abs5 SchUG der Schulleitung keinen Ermessensspielraum einräumt.

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip

2.1. Ausgehend von der Annahme, dass aus dem SchUG nicht erkennbar sei, wie bei ungerechtfertigtem Fernbleiben vom Unterricht genau vorzugehen sei, argumentiert das Bundesverwaltungsgericht auch die vermeintliche fehlende Vorhersehbarkeit der Folgen des Handelns für die Normadressaten.

Konkret beruft sich das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass aus dem Gesetz nicht klar hervorgehe, ob für zur Vermeidung der Ex lege-Abmeldung sämtliche fünf Tage bzw 30 Unterrichtsstunden zu rechtfertigen seien oder ob die Rechtsfolge nur dann eintrete, wenn nach der Rechtfertigung noch fünf Tage bzw 30 Unterrichtsstunden als ungerechtfertigt übrigbleiben.

2.2. Wie bereits ausgeführt, liegen der Bestimmung des §45 Abs5 SchUG und jener des §49 Abs1 SchUG unterschiedliche Sachverhalte zugrunde. Die Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG zur Beendigung des Schulbesuches knüpft nicht an das Fernbleiben vom Unterricht an sich, sondern an die Verweigerung der Mitwirkung an. Das Unterlassen einer Mitteilung über das Fernbleiben nach entsprechender Aufforderung wird von Gesetzes wegen als konkludente Willensäußerung interpretiert, den Schulbesuch nicht weiterführen zu wollen. Eine Abmeldung ex lege erfolgt nach §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG mit 'dem ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist seit der Zustellung einer schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung', nicht etwa mit dem Fernbleiben an sich. Der Mechanismus findet seit der Stammfassung der §§45 Abs5 und 33 Abs2 litc SchUG Anwendung und wird vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen.

Während die Regelung des §45 Abs5 SchUG sohin auf eine Unterlassung, d.h. ein sich Verschweigen oder eine Verweigerung an der Mitwirkung, abstellt, ist §49 SchUG deutlich weiter gefasst und schließt alle möglichen Verletzungen der Benachrichtigungspflicht, insbesondere auch den Sachverhalt, dass unvollständige und unrichtige Benachrichtigungen erfolgen, mit ein.

2.3. Selbst wenn man dem Bundesverwaltungsgericht folgte und die skizzierte Regelung im SchUG als relativ unbestimmt erachtete, eröffneten sich unter Anwendung der anerkannten Interpretationsmethoden entsprechende sachgerechte Lösungen.

Bereits aus dem Wortlaut des §45 Abs5 SchUG folgt, dass bei fünf nicht zusammenhängenden Tagen oder 30 Unterrichtsstunden und der Unterlassung einer Rechtfertigung des Fernbleibens trotz Aufforderung von einer Abmeldung auszugehen ist. Es hat daher eine Aufforderung zur Rechtfertigung durch die Behörde zu erfolgen. Wenn die einwöchige Frist zur Rechtfertigung erfolglos verstreicht, ist der Tatbestand des §45 Abs5 SchUG durch die Unterlassung erfüllt.

Für den Normadressaten ist daher klar und leicht erkennbar, dass eine Handlung, nämlich die Bekanntgabe einer Rechtfertigung für das unentschuldigte Fernbleiben, erforderlich ist. Aufgrund der Stellung der Bestimmung des §45 Abs5 SchUG als speziellere Norm gegenüber der Regelung des §49 SchUG als allgemeinere Norm, allenfalls der Stellung des §45 Abs5 erster Satz zweiter und dritter Fall SchUG als später ergangene Norm, ergibt sich letztlich eindeutig, wie Schule und Behörde vorzugehen haben. Da die Regelung des §45 Abs5 SchUG seit jeher die speziellere Norm darstellt, ist im Falle des unentschuldigten Fernbleibens vom Unterricht nach dieser Regelung vorzugehen und der Schüler schriftlich aufzufordern, das Fernbleiben schriftlich zu rechtfertigen.

2.4. Insoweit es das Bundesverwaltungsgericht als problematisch erachtet, dass der Schule keine Möglichkeit eingeräumt werde, 'eine (bekämpfbare) Entscheidung' zu erlassen, ist zu entgegnen, dass dem Gesetzgeber bei der Verwirklichung vertretbarer Zielsetzungen ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum offensteht (VfGH 13.12.2019, G67/2019; 4.10.2018, G133/2018; VfSlg 20.255/2018; 20.243/2018 ua). Davon sind auch die Normierung gesetzes-unmittelbarer Rechtswirkungen sowie das Anknüpfen an eine unterlassene Verfahrenshandlung (hier: eine Verletzung der Mitwirkungspflicht) umfasst.

Es ist daher eben nicht der Fall, dass es in der 'mehr oder weniger freien Entscheidung' der Schulleitung stünde, ob und wann diese eine Aufforderung nach §45 Abs5 SchUG ergehen lässt. Ein Schultag ist im Lichte des §3 des Schulzeitgesetzes 1985 auch dann als ein ganzer zu zählen, wenn an diesem nur eine einzige Unterrichtseinheit vorgesehen ist, und es hat seitens der Schulleitung eine entsprechende Aufforderung zur Rechtfertigung dann zu ergehen, sobald einer der in §45 Abs5 erster Satz SchUG normierten Tatbestände erfüllt ist (Götz/Münster/Taschner/Vogel, Schulgesetze [52. Lfg., 2019], §45 SchUG, FN 9a).

2.5. Schüler, die gemäß §45 Abs5 erster Satz SchUG aufgrund ungerechtfertigter Abwesenheiten als von der Schule abgemeldet gelten, haben gemäß §45 Abs5 letzter Satz SchUG die Möglichkeit, um Wiederaufnahme in die Schule anzusuchen. Diese Regelung ist das Äquivalent zum Wiedereinsetzungsantrag gemäß §71 AVG, welcher im Verfahren nach dem SchUG nicht anzuwenden ist (vgl §70 Abs1 SchUG). Der Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung (hier: des Wiederaufnahmeantrages) dient dazu, die Rechtsfolgen einer unverschuldeten Versäumnis zu beseitigen, um eine entsprechende Verfahrenshandlung – die Mitteilung über den Grund des Fernbleibens – in einem nachzuholen zu können. Stellt sich im Rahmen des Wiederaufnahmeantrages heraus, dass das Fernbleiben gerechtfertigt war, ist die Schülerin oder der Schüler mit Wirkung ex tunc wiederaufzunehmen.

2.6. Unter Heranziehung insbesondere der systematischen sowie der verfassungskonformen Auslegung kann somit der Bestimmung des §45 Abs5 SchUG und jener des §33 Abs2 litc SchUG im Zusammenhalt mit §49 SchUG ein ausreichend bestimmter Regelungsinhalt entnommen werden, welcher überdies auch sonstigen rechtsstaatlichen Erfordernissen genügt (vgl dazu bspw. VfSlg 20.130/2016).

3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt in den antragsgegenständlichen Bestimmungen auch eine Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter und führt dazu aus, dass der Gesetzgeber eine präzise Regelung der Behördenzuständigkeit zu treffen habe und es dieser Anforderung widerspreche, wenn die Zuständigkeit von Umständen abhänge, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar seien bzw es zu einer willkürlichen Änderung der Zuständigkeit kommen könne.

3.2. Dazu ist festzuhalten, dass nach §56 Abs1 SchUG die Schulleitung zur Besorgung der Angelegenheiten des SchUG zuständig ist, sofern diese nicht in die Zuständigkeit anderer schulischer Organe oder der Schulbehörden, fallen. Aus den Bestimmungen zu den weiteren schulischen Organen (Klassen- und Schulforum, Schulgemeinschaftsausschuss, Schulkonferenz) geht keine Zuständigkeit zur Vollziehung des §45 Abs5 SchUG hervor, weshalb diese in die alleinige Zuständigkeit der Schulleitung fällt. Das antragstellende Gericht lässt jegliche nähere Darlegung vermissen, inwieweit nun §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG das Recht auf einen gesetzlichen Richter zu verletzen vermag.

3.3. Im Zusammenhang mit dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes, dass 'durch Zeitablauf de facto bereits zum Zeitpunkt der Aufforderung feststehe, dass die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten nicht mehr gerechtfertigt werden könnten' ist schließlich festzuhalten, dass der Gesetzgeber eine solche Konstellation nicht vor Augen hatte, da ansonsten die Aufforderung zur Rechtfertigung ohnedies nicht zweckführend wäre (vgl dazu auch die Ausführungen oben im Abschnitt 1.2).

[…]"

4. In dem zu G136/2020 protokollierten Verfahren hat die beschwerdeführende Partei des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes anschließt.

5. In dem zu G310/2020 protokollierten Verfahren verweist das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auf die im verfassungsgerichtlichen Verfahren zu G136/2020 erstattete Äußerung der Bundesregierung.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.1.1. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 28. November 2019, G190/2019, ausgesprochen hat, ist gemäß §71 Abs1 SchUG ein Widerspruch gegen Entscheidungen in den Angelegenheiten des §70 Abs1 leg.cit. zulässig. Zu diesen Angelegenheiten zählen nach litj leg.cit. auch Entscheidungen im Zusammenhang mit dem "Fernbleiben von der Schule (§45)". Vor diesem Hintergrund ist es denkmöglich, dass das Bundesverwaltungsgericht im Anlassverfahren zu dem zu G136/2020 protokollierten Antrag die angefochtenen §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG bei der Überprüfung der Zurückweisung des Widerspruchs anzuwenden hat.

1.1.2. In dem zu G310/2020 protokollierten Antrag geht das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls denkmöglich davon aus, dass es im Anlassverfahren die angefochtenen §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung einer Wiederaufnahme des Schülers anzuwenden hat.

1.2. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Gesetzesprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011; VfGH 14.3.2017, G311/2016). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

1.3. Der Hauptantrag des Bundesverwaltungsgerichtes in dem zu G136/2020 protokollierten Verfahren erweist sich als zu eng gefasst und ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes richten sich zusammengefasst der Sache nach nicht nur gegen den gesamten Regelungsgehalt des §45 Abs5 SchUG über die ex lege Abmeldung eines Schülers von der Schule (Satz 1 leg.cit.) sowie die mögliche Wiederaufnahme bei nachträglicher Rechtfertigung des Fernbleibens vom Unterricht (Satz 2 leg.cit.), sondern auch gegen die Rechtsfolge der Beendigung des Schulbesuches. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus §33 Abs2 litc leg.cit., auf welchen in §45 Abs5 Satz 1 SchUG verwiesen wird. Es besteht daher vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken ein untrennbarer Zusammenhang zwischen §45 Abs5 und §33 Abs2 litc SchUG.

1.4. Somit erweisen sich aber der Eventualantrag in dem zu G136/2020 protokollierten Verfahren sowie der gleichlautende zu G310/2020 protokollierte Antrag als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Soweit zulässig, sind die Anträge jedoch nicht begründet.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof geht in seiner Beurteilung von folgendem Verständnis der Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG aus:

Schülerinnen und Schüler sind zum regelmäßigen und pünktlichen Besuch des Unterrichts verpflichtet (§43 Abs1 SchUG iVm §2 Schulordnung). Ein Fernbleiben vom Unterricht ist für Schülerinnen und Schüler, die nicht der allgemeinen Schulpflicht bzw der Berufsschulpflicht unterliegen, nach Maßgabe des §45 SchUG zulässig. Insbesondere bei einer gerechtfertigten Verhinderung iSd §45 Abs2 SchUG, wie etwa bei Krankheit oder bei einem Todesfall in der Familie, darf ein Schüler dem Unterricht fernbleiben. Von einer solchen Verhinderung hat der betroffene Schüler gemäß §45 Abs3 SchUG den Klassenvorstand oder den Schulleiter ohne Aufschub mündlich oder schriftlich unter Angabe des Grundes zu benachrichtigen (vgl Hauser , Schulunterrichtsgesetz, 2014, 491 ff.).

Bleibt ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fern, ohne der Benachrichtigungspflicht gemäß §45 Abs3 SchUG nachzukommen, so hat der Schulleiter nach §45 Abs5 Satz 1 SchUG den betreffenden Schüler schriftlich aufzufordern, binnen einer Woche der Benachrichtigungspflicht nachzukommen und den Grund des Fernbleibens mitzuteilen. Bei ungenütztem Ablauf der einwöchigen Frist ab dem Tag der Zustellung der schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung gilt der Schüler als vom Schulbesuch abgemeldet (zur Fristberechnung siehe §74 Abs2 SchUG). Gemäß §33 Abs2 litc SchUG führt dies zur Beendigung des Schulbesuches des betreffenden Schülers. Somit wird die gänzliche Unterlassung einer fristgerechten Mitteilung über das Fernbleiben vom Unterricht von Gesetzes wegen als konkludente Willenserklärung gewertet, dass eine Abmeldung vom Schulbesuch gewünscht werde (vgl Hauser , Schulunterrichtsgesetz, 2014, 494).

Allerdings kann ein Schüler gemäß §45 Abs5 Satz 2 SchUG die Wiederaufnahme in die Schule erwirken, wenn das Fernbleiben nachträglich gerechtfertigt wird und die Unterlassung der Mitteilung an die Schule aus rücksichtswürdigen Gründen unterblieben ist. Über die Wiederaufnahme entscheidet der Schulleiter. Die Entscheidung des Schulleiters ist mit Widerspruch gemäß §71 Abs1 iVm §70 Abs1 litj SchUG bekämpfbar.

2.4. Das Bundesverwaltungsgericht hegt das Bedenken, dass unklar sei, unter welchen Voraussetzungen eine Aufforderung nach §45 Abs5 SchUG zu erfolgen habe. Es bleibe nach Ansicht des antragstellenden Gerichts mehr oder weniger der freien Entscheidung der Schulleitung überlassen, ob und wann eine entsprechende Aufforderung veranlasst werde. Bei einem ungerechtfertigten Fernbleiben von der Schule könne alternativ auch ein Ausschlussverfahren gemäß §49 SchUG eingeleitet werden. Je nachdem, welche Vorgehensweise die Schule wähle, würden unterschiedliche Rechtsfolgen mit unterschiedlich ausgeprägtem Rechtsschutz eintreten. Die angefochtene Regelung verstoße deshalb gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B VG, gegen das in Art18 Abs1 B VG verankerte Rechtsstaatsprinzip sowie gegen das Gebot einer präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit gemäß Art18 Abs1 iVm Art83 Abs2 B VG.

2.5. Die Bundesregierung entgegnet diesem Bedenken zusammengefasst damit, dass §45 Abs5 SchUG dem Schulleiter keinen Ermessensspielraum bei dessen Anwendung einräume. Zudem würden die angefochtenen Bestimmungen ein spezifisches Verfahren regeln, welches auf die durch die unterlassene Rechtfertigung verwirklichte Weigerung eines Schülers, im Verwaltungsverfahren mitzuwirken, abstelle. Die Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG zur Beendigung des Schulbesuches knüpfe daher nicht an das Fernbleiben vom Unterricht an sich, sondern an die Verweigerung der Mitwirkung an. Hingegen stelle die Unterlassung der Erstattung einer Mitteilung gemäß §45 Abs5 Satz 1 SchUG keine schwerwiegende Verletzung einer Schülerpflicht iSd §43 SchUG dar, welche mit der Sanktion des Ausschlusses nach §49 Abs1 SchUG bedroht sei.

2.6. Der Verfassungsgerichtshof teilt das vom Bundesverwaltungsgericht vorgetragene Bedenken, dass es unklar sei, unter welchen Voraussetzungen eine Aufforderung nach §45 Abs5 SchUG zu erfolgen habe, nicht:

2.6.1. Dem Schulleiter kommt bei der Anwendung des §45 Abs5 SchUG kein Ermessen zu. Sobald ein Schüler einer mittleren oder höheren Schule länger als eine Woche oder fünf nicht zusammenhängende Schultage oder 30 Unterrichtsstunden im Unterrichtsjahr dem Unterricht fernbleibt, ohne der Benachrichtigungspflicht gemäß §45 Abs3 SchUG nachzukommen, hat der Schulleiter den betreffenden Schüler zwingend schriftlich aufzufordern, binnen einer Woche der Benachrichtigungspflicht nachzukommen und den Grund des Fernbleibens mitzuteilen. Unterlässt es der Schüler gänzlich, eine entsprechende Mitteilung binnen der einwöchigen Frist abzugeben, gilt er ex lege als von der Schule abgemeldet, was gemäß §33 Abs2 litc SchUG die Beendigung des Schulbesuches zur Konsequenz hat.

2.6.2. Sofern jedoch der betreffende Schüler der Aufforderung des Schulleiters gemäß §45 Abs5 Satz 1 SchUG, in welcher Form immer, fristgerecht nachkommt, tritt die Rechtsfolge der Beendigung des Schulbesuches gemäß §33 Abs2 litc SchUG nicht ein. Der Schulleiter kann allerdings, wenn er die erstattete Mitteilung nicht für ausreichend hält, die Fehlzeiten zu rechtfertigen, Erziehungsmittel nach §47 SchUG iVm §8 Schulordnung anwenden. Wenn diese Maßnahmen erfolglos bleiben und die nicht ausreichend gerechtfertigten Fehlzeiten ein Ausmaß erreichen, das als schwerwiegende Verletzung von Schülerpflichten zu werten ist, kann letztlich auch ein Ausschlussverfahren gemäß §49 SchUG eingeleitet werden (vgl VwGH 24.11.1986, 86/10/0133; 19.10.1987, 87/10/0135).

2.7. Das Bundesverwaltungsgericht hegt im Hinblick auf Art18 B VG ferner zusammengefasst folgende Bedenken:

§45 Abs5 SchUG determiniere nicht ausreichend, unter welchen Voraussetzungen eine ex lege Abmeldung eintrete bzw in welchem Ausmaß ein Schüler seine Fehlzeiten nach erteilter Aufforderung zu rechtfertigen habe, um diese Rechtsfolge abzuwenden. Weiters gehe aus den angefochtenen Bestimmungen nicht hervor, ob die in §45 Abs5 Satz 2 SchUG geregelte Wiederaufnahme eines Schülers ex tunc oder ex nunc wirke. Schließlich bestehe keine Möglichkeit, eine bekämpfbare Entscheidung im Hinblick auf die in §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG vorgesehene Rechtsfolge zu erlassen.

2.8. Die Bundesregierung entgegnet diesen Bedenken zusammengefasst folgendermaßen:

Zu einer ex lege Abmeldung vom Schulbesuch gemäß §45 Abs5 Satz 1 SchUG komme es dann, wenn ein Schüler jegliche Mitwirkung an der Ermittlung eines Rechtfertigungsgrundes für sein Fernbleiben innerhalb der einwöchigen Frist ab dem Tag der Zustellung der schriftlichen Aufforderung unterlässt. Die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung trete also nur bei einem völlig ungenützten Ablauf der einwöchigen Frist – sei es durch Unterlassung oder durch eine verspätete Mitteilung – ein.

Die in §45 Abs5 Satz 2 SchUG vorgesehene Möglichkeit, um Wiederaufnahme in die Schule anzusuchen, sei das Äquivalent zum Wiedereinsetzungsantrag gemäß §71 AVG, welcher in schulrechtlichen Verfahren nach §70 Abs1 SchUG nicht anzuwenden sei. Dementsprechend diene dieser Rechtsbehelf dazu, die Rechtsfolgen einer unverschuldeten Versäumnis der einwöchigen Frist zu beseitigen. Wenn sich im Rahmen des Wiederaufnahmeantrages herausstelle, dass das Fernbleiben gerechtfertigt war, ist der Schüler mit Wirkung ex tunc wiederaufzunehmen. Gegen eine negative Wiederaufnahmeentscheidung gemäß §45 Abs5 Satz 2 SchUG sei ein Widerspruch gemäß §71 SchUG zulässig.

2.9. Der Verfassungsgerichtshof vermag auch den weiteren im Hinblick auf Art18 B VG vorgebrachten Bedenken des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zu folgen:

2.9.1. Wie bereits festgehalten, gilt ein Schüler nur bei ungenütztem Ablauf der einwöchigen Frist ab dem Tag der Zustellung der schriftlichen Aufforderung zur Rechtfertigung als vom Schulbesuch abgemeldet, was gemäß §33 Abs2 litc SchUG zur Beendigung des Schulbesuches des betreffenden Schülers führt. Die Bundesregierung führt somit in ihrer Äußerung zutreffend aus, dass die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung nur dann eintritt, wenn die Erstattung einer fristgerechten Mitteilung über das Fernbleiben vom Unterricht gänzlich unterlassen wird. Eine allenfalls aus Sicht des Schulleiters mangelhafte Mitteilung lässt diese Rechtsfolge hingegen nicht eintreten. Dies folgt schon daraus, dass die Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG gerade kein Verfahren vorsieht, in welchem geprüft und entschieden würde, ob eine erstattete Mitteilung die Fehlzeiten ausreichend rechtfertigt. Sofern der Schulleiter jedoch die erstattete Mitteilung nicht für ausreichend hält, die Fehlzeiten zu rechtfertigen, und deshalb von einer Verletzung von Schülerpflichten iSd §43 Abs1 SchUG iVm §2 Schulordnung ausgeht, kann er Erziehungsmittel nach §47 SchUG iVm §8 Schulordnung anwenden. In letzter Konsequenz kann, wie bereits ausgeführt, auch ein Ausschlussverfahren gemäß §49 SchUG eingeleitet werden, wenn die angewendeten Erziehungsmittel erfolglos bleiben und die ungerechtfertigten Fehlzeiten ein Ausmaß erreichen, das als schwerwiegende Pflichtverletzung zu werten ist (vgl VwGH 24.11.1986, 86/10/0133; 19.10.1987, 87/10/0135).

2.9.2. Ebenso zutreffend führt die Bundesregierung in ihrer Äußerung aus, dass die Möglichkeit eines Ansuchens auf Wiederaufnahme gemäß §45 Abs5 Satz 2 SchUG einen Rechtsbehelf darstellt, um die Rechtsfolgen einer unverschuldeten Versäumnis der einwöchigen Frist zu beseitigen. Dementsprechend bewirkt die Bewilligung der Wiederaufnahme durch den Schulleiter die rückwirkende Beseitigung der ex lege Abmeldung vom Schulbesuch.

2.9.3. Vor diesem Hintergrund sind die möglichen Rechtsfolgen der Regelung des §45 Abs5 iVm §33 Abs2 litc SchUG für betroffene Schüler auch hinreichend bekämpfbar (vgl idZzB VfSlg 13.223/1992, 13.699/1994, 16.245/2001). Sofern ein Schüler die Mitteilung iSd §45 Abs5 Satz 1 SchUG rechtzeitig innerhalb der einwöchigen Frist erstattet, tritt die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung nicht ein. In diesem Fall ist der Schüler nicht in seiner Rechtssphäre betroffen, weshalb es auch nicht der Erlassung einer anfechtbaren Entscheidung bedarf. Wenn hingegen die Mitteilung nicht fristgerecht erstattet wird, kann ein betroffener Schüler nach §45 Abs5 Satz 2 SchUG um eine Wiederaufnahme ansuchen. Eine negative Entscheidung des Schulleiters über das Ansuchen um Wiederaufnahme kann ebenso wie eine allenfalls ergangene Feststellung, dass die Rechtsfolge der ex lege Abmeldung eingetreten sei, mittels Widerspruch gemäß §71 Abs1 iVm §70 Abs1 litj SchUG angefochten werden.

V. Ergebnis

1. Die ob der Verfassungsmäßigkeit der §33 Abs2 litc und §45 Abs5 SchUG, BGBl 472/1986 (WV), idF BGBl I 35/2018, erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Eventualantrag zu G136/2020 sowie der gleichlautende zu G310/2020 protokollierte Antrag sind daher abzuweisen.

Der Hauptantrag zu G136/2020 ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Der beteiligten Partei in dem zu G136/2020 protokollierten Verfahren sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise