A10/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Das Land Tirol ist schuldig, dem Kläger zuhanden seines Rechtsvertreters Zinsen iHv € 13,59 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Kosten werden nicht zugesprochen.
Entscheidungsgründe
I. Klage, Sachverhalt und Vorverfahren
1. Gestützt auf Art137 B VG, begehrt der Kläger, das Land Tirol schuldig zu erkennen, den Betrag von € 2.000,– samt 4 % Zinsen seit dem 5. Jänner 2019 sowie den Ersatz der Prozesskosten zuhanden seines Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
2. Begründend führt der Kläger hiezu aus, der Verwaltungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 21. September 2018, Ra 2017/17/0352, Spruchpunkt 2. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 7. November 2016, LVwG-2015/30/1328-7, mit welchem der Kläger zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages iHv € 2.000,– verpflichtet worden sei, aufgehoben. Die Landespolizeidirektion Tirol habe in Verkennung dieser Aufhebung den Betrag dennoch als offene Forderung betrachtet und mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 (unter anderem auf Grund dieser Forderung) die zwangsweise Vorführung des Klägers zum Strafantritt veranlasst. Im Hinblick auf diese Vorführung habe der Kläger am 19. Dezember 2018 die Forderung – unter mündlichem Hinweis auf deren Unrechtmäßigkeit – zwar bei der Polizeiinspektion Innsbruck bezahlt, den Betrag sodann aber mit Eingabe vom 27. Dezember 2018 bei der Landespolizeidirektion Tirol zurückgefordert, wobei eine Zahlungsfrist bis zum 4. Jänner 2019 gesetzt worden sei. Nachdem auch eine zweite Aufforderung des Klägers vom 18. März 2019 mitsamt einer Klagsandrohung gemäß Art137 B VG erfolglos geblieben sei, sehe sich der Kläger zur Beitreibung der Forderung vor dem Verfassungsgerichtshof genötigt.
3. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2019 erstattete die beklagte Partei eine Äußerung, in der sie Folgendes auf das Klagsbegehren erwidert:
"II.
Aus dem Aktenvorgang der Landespolizeidirektion Tirol zum Strafverfahren gegen den Kläger zu Zl VStV/916301733652/2016 ergibt sich Folgendes:
Wie in der Klage vorgebracht, hat der rechtsfreundliche Vertreter des Klägers am 19. Dezember 2018 einen Betrag von EUR 24.898,50 in bar bei der Landespolizeidirektion Tirol eingezahlt (siehe lfd. Nr 5 des Aktenverzeichnisses). In diesem Betrag war unter anderem der Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von EUR 2.000, enthalten. Die Landespolizeidirektion Tirol hat den Verfahrenskostenbeitrag am 7. Jänner 2019 im Rahmen einer Sammelüberweisung auf das Konto des Landesverwaltungsgerichtes Tirol überwiesen (siehe lfd. Nr 6 des Aktenverzeichnisses). Auf Seite 3 der lfd. Nr 6 des Aktenverzeichnisses ist der den Kläger betreffende Betrag von EUR 2.000, ersichtlich.
Die am 10. Jänner 2019 an RA […] adressierte Auszahlungsanordnung über den Betrag von EUR 2.000,-- (siehe lfd. Nr 7 des Aktenverzeichnisses) wurde nicht schlagend, weil der Betrag von EUR 2.000, erst vom Landesverwaltungsgericht Tirol angefordert werden musste (siehe handschriftlichen Vermerk auf lfd. Nr 8 des Aktenverzeichnisses). Es erfolgte daher aus buchhalterischen Erfordernissen am 5. Februar 2019 eine entsprechende Korrekturbuchung des Betrages (siehe lfd. Nr 9 des Aktenverzeichnisses).
Am gleichen Tag ersuchte die Landespolizeidirektion Tirol das Landesverwaltungsgericht Tirol um Rückerstattung des Verfahrenskostenbeitrages (siehe lfd. Nr 10 des Aktenverzeichnisses). Die Überweisung des Verfahrenskostenbeitrages durch das Land Tirol auf das Konto der Landespolizeidirektion Tirol erfolgte am 27. Februar 2019 (siehe lfd. Nr 11 des Aktenverzeichnisses). Am 1. März 2019 erging seitens der Landespolizeidirektion Tirol hausintern an das Büro Budget Zahlstelle der Auftrag auf Auszahlung des Betrages von EUR 2.000, auf das Konto des Herrn […] (siehe lfd. Nr 12 des Aktenverzeichnisses). Die tatsächliche Auszahlung erfolgte, wie sich aus dem internen Buchungsbeleg der Landespolizeidirektion Tirol ergibt (siehe lfd. Nr 13 des Aktenverzeichnisses), am 8. März 2019.
Nach dem Aktenvermerk der Abteilung Gemeinden des Amtes der Tiroler Landesregierung wurde der Zahlungseingang auf dem Konto des Herrn […] vom Rechtsvertreter bestätigt (siehe lfd. Nr 15 des Aktenverzeichnisses).
III.
Für das Land Tirol als beklagte Partei ergibt sich aus den oben unter Punkt II beschriebenen Vorgängen eindeutig, dass der klagenden Partei bereits am 8. März 2019 der Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von EUR 2.000, rückerstattet worden ist und sie daher klaglos gestellt ist. Für den Kläger hat daher weder Anlass zur letztmaligen Aufforderung der Landespolizeidirektion Tirol am 18. März 2019, die unberechtigt eingehobenen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu bezahlen, noch zur Einbringung der Klage gemäß Art137 B VG beim Verfassungsgerichtshof mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 bestanden."
4. Hierauf erwiderte der Kläger mit Schriftsatz vom 17. Juli 2019, dass er erst am 26. Juni 2019 über den Auszahlungsauftrag vom 1. März 2019 in Kenntnis gesetzt worden sei, zumal die beklagte Partei davor jede Benachrichtigung von der Zahlung unterlassen habe. Im Hinblick auf die Mitteilung vom 26. Juni 2019 habe sich der Kläger am 27. Juni 2019 bei seinem Kreditinstitut erkundigt, ob die Zahlung bereits eingegangen sei, was ihm vom Kreditinstitut unter Bekanntgabe des Zahlungseinganges am 2. März 2019 bestätigt worden sei. Der Kläger habe der beklagten Partei in der Folge zwar den Eingang der Zahlung bestätigt, allerdings auch mitgeteilt, dass die Zahlung nicht auf das bekannt gegebene Konto geleistet worden sei. Jenes Konto, auf das die Zahlung erfolgt sei, habe der Kläger der beklagten Partei nicht genannt; dieses sei offenbar nur deshalb dem Kläger zugerechnet worden, weil er damit in der Vergangenheit diverse Strafbeträge an die Landespolizeidirektion Tirol geleistet habe. Da der Vertreter des Klägers mit Aufforderungsschreiben vom 27. Dezember 2018 ein Anderkonto als Zahlstelle bekannt gegeben habe, sei unter Beachtung des §907a erster Satz ABGB nach wie vor keine schuldbefreiende Zahlung durch die Landespolizeidirektion Tirol erfolgt. Im Falle eines Aufrechnungsbegehrens seitens der beklagten Partei reduziere sich die Klagsforderung auf das Zinsbegehren bis zumindest 26. Juni 2019.
II. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit
Gemäß Art137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.
Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweist sich die Klage als zulässig.
2. In der Sache
Die Klage ist teilweise begründet.
2. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:
2.1. Mit Straferkenntnis vom 22. April 2015 erkannte die Landespolizeidirektion Tirol den Kläger schuldig, mehrere Übertretungen des §52 Abs1 Z1 drittes Tatbild GSpG begangen zu haben, weil er im Tatzeitraum von 19. Jänner 2015 bis 19. Februar 2015 fünf Glücksspielgeräte unternehmerisch zugänglich gemacht habe. Im Hinblick auf diese Übertretungen verhängte die Landespolizeidirektion Tirol über den Kläger Geldstrafen iHv jeweils € 2.000,– (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 70 Stunden) und verpflichtete ihn, einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens iHv € 1.000,– zu leisten.
2.2. Mit Erkenntnis vom 7. November 2016, LVwG-2015/30/1328-7, wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und "berichtigte" den Spruch des Straferkenntnisses dahingehend, dass die Tatzeit auf "vom 10.02.2015 bis zum Beginn der durchgeführten Kontrolle am 19.02.2015 gegen 10.10 Uhr" eingeschränkt und die Strafsanktionsnorm ergänzt wurde (Spruchpunkt 1.). Gleichzeitig schrieb das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Kläger gemäß §52 Abs1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens iHv insgesamt € 2.000,– vor (Spruchpunkt 2.).
2.3. Mit Erkenntnis vom 21. September 2018, Ra 2017/17/0352, behob der Verwaltungsgerichtshof auf Grund einer vom Kläger eingebrachten Revision Spruchpunkt 2. dieses Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Nach der Begründung dieses Erkenntnisses hätte das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Kläger im Hinblick auf die Einschränkung des Tatzeitraumes keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vorschreiben dürfen.
2.4. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 erging gegen den Kläger eine Aufforderung zum Strafantritt, in der die Landespolizeidirektion Tirol unter anderem einen Betrag von € 2.000,– als noch nicht beglichene "Strafverfahrenskosten LVwG" auswies. Unter Nennung (auch) der in dieser Aufforderung genannten Aktenzahl erfolgte am 19. Dezember 2018 eine Einzahlung iHv € 24.898,50. Mit E-Mail vom 27. Dezember 2018 ersuchte der Rechtsvertreter des Klägers die Landespolizeidirektion Tirol um Rücküberweisung der unberechtigt eingehobenen Verfahrenskosten auf das Konto […] bis 4. Jänner 2019.
2.5. Mit Schreiben vom 1. März 2019 ersuchte das "SVA 1 – Strafamt" der Landespolizeidirektion Tirol das "Büro Budget Zahlstelle" derselben, den überzähligen Betrag iHv € 2.000,– an den Kläger zu überweisen. In diesem Schreiben sind das Konto […] und als Grund der Auszahlung "Rückerstattung der LVwG Kosten" genannt. Am 8. März 2019 wurde der Betrag auf das genannte Konto überwiesen.
2.6. Mit E-Mail vom 18. März 2019 forderte der Rechtsvertreter des Klägers die Landespolizeidirektion Tirol abermals auf, die unberechtigter Weise eingehobenen Verfahrenskosten iHv € 2.000,– bis längstens 26. März 2019 auf das Konto […] zu überweisen, andernfalls eine auf Art137 B VG gestützte Klage erhoben werde.
2.7. Mit E-Mail vom 26. Juni 2019 übermittelte die Tiroler Landesregierung dem Rechtsvertreter des Klägers den Auszahlungsauftrag vom 1. März 2019 als Bestätigung der Überweisung. Am 28. Juni 2019 bestätigte der Rechtsvertreter des Klägers gegenüber der Tiroler Landesregierung die Überweisung der mit Auszahlungsanweisung vom 1. März 2019 zurückgezahlten Verfahrenskosten iHv € 2.000,– auf das Konto des Klägers.
3. Das Hauptbegehren auf Zahlung von € 2.000,– besteht nicht zu Recht:
Nach dem unbestrittenen Vorbringen der beklagten Partei ging der eingeklagte Betrag iHv € 2.000,– am 8. März 2019 auf einem Konto des Klägers ein. Damit ist die Schuld iSd §1412 ABGB erloschen und der geltend gemachte Anspruch besteht nicht mehr zu Recht.
4. Das Zinsbegehren besteht hingegen zu Recht:
4.1. Wenn das Gesetz – wie hier – nichts Gegenteiliges bestimmt, sind auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (vgl VfSlg 12.197/1989, 16.857/2003). Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes tritt der Verzug hiebei nicht bereits mit der Zustellung des aufhebenden Erkenntnisses (im vorliegenden Fall des Verwaltungsgerichtshofes), sondern erst ab dem Begehren des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren obsiegenden Beschwerdeführers (nunmehr Revisionswerbers) auf Refundierung ein (vgl VfSlg 10.496/1985, 16.857/2003).
4.2. Vor diesem Hintergrund gebühren dem Kläger für den Zeitraum zwischen dem Ende der mit Aufforderung vom 27. Dezember 2018 gesetzten Leistungsfrist – darin wurde die Zahlung bis zum 4. Jänner 2019 gefordert – und dem Zahlungseingang bei der klagenden Partei am 8. März 2019 die gesetzlichen Verzugszinsen iHv 4 % (§§1000, 1333 f. ABGB; VfSlg 5987/1969, 15.175/1998). Dem Bestand dieser Forderung schadet es nicht, dass jene öffentlich-rechtliche Forderung, aus der der Anspruch auf Verzugszinsen resultiert, zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits erfüllt war (VfSlg 5987/1969, 7141/1973).
III. Ergebnis
1. Das geltend gemachte Hauptbegehren besteht nicht zu Recht; die Klage ist in diesem Umfang abzuweisen.
2. Das geltend gemachte Zinsbegehren besteht in der Höhe von € 13,59 zu Recht; der Klage ist in diesem Umfang stattzugeben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Kostenersatzansprüche sind bei Klagen gemäß Art137 B VG vom Erfolgsprinzip beherrscht; sie hängen demnach vom Prozessausgang ab (vgl OGH 31.8.1972, 3 Ob 84/72; 5.5.1987, 4 Ob 390/86 uva.). Da der Kläger seine Klage nicht auf Zinsen und Kosten eingeschränkt hat, ist er nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, nämlich mit einem Teil seines Zinsenbegehrens, als obsiegend, im Übrigen aber als unterliegend anzusehen (vgl OGH 2.10.1974, 5 Ob 184/74), sodass ihm keine Kosten zuzusprechen sind (vgl §§41, 35 VfGG iVm §43 Abs2 ZPO; VfSlg 16.858/2003, 16.949/2003).
5. Da das beklagte Land Kosten weder begehrt noch ziffernmäßig verzeichnet hat, sind auch ihm keine Kosten zuzusprechen (zB VfSlg 9280/1981).