JudikaturVfGH

E1263/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2019

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II. Die Behandlung der Beschwerde wird abgelehnt.

III. Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

1. Mit am 8. April 2019 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachtem Schriftsatz begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen das obige Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich und erhebt unter einem Beschwerde dagegen.

2. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass er in einem Studentenheim lebe, in welchem die Zustellung von Schriftstücken in eigens dafür vorgesehenen offenen Fächern erfolge, zu denen sämtliche Bewohner des Studentenheimes Zugang hätten. Er habe die Hinterlegungsanzeige bezüglich des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich nie erhalten, sodass er davon ausgehe, dass diese verloren gegangen oder entfernt worden sei. Erst als er sich in der Folge beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkundigt habe, sei ihm mitgeteilt worden, dass das Erkenntnis am 8. Februar 2019 hinterlegt worden sei. Am 25. März 2019 sei ihm dieses dann beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ausgefolgt worden.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist nicht zulässig:

4. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 VfGG die Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

4.1. Nach §146 Abs1 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

4.2. Im vorliegenden Fall erfolgte die Hinterlegung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich am 14. Jänner 2019 nicht rechtmäßig, da der Verfassungsgerichtshof trotz Anfrage bei der Post nicht feststellen kann, dass der Beschwerdeführer im Sinne von §17 Abs2 ZustG über die Hinterlegung schriftlich verständigt wurde. Eine solche Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) ist jedoch unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß §17 Abs3 ZustG (VwGH 1.2.2019, Ro 2018/02/0014 mwN).

4.3. Die in der Folge vorgenommene Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß §23 ZustG durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erfolgte ebenfalls nicht rechtskonform: §23 Abs1 ZustG normiert, dass das Dokument bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten ist. Voraussetzung für die diesbezügliche behördliche Anordnung ist eine gesetzliche Vorschrift, die diese Hinterlegung vorsieht, wie zum Beispiel §8 Abs2 ZustG. Nicht ausreichend für eine Hinterlegung nach §23 ZustG ist, dass bloß Zustellschwierigkeiten bestehen (vgl Stumvoll in Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Stand 1.7.2016, §23 ZustG Rz 2). Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Zentralen Melderegister, dass der Beschwerdeführer seit 2012 denselben und dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch bekannten Hauptwohnsitz aufweist. Die Voraussetzungen des §23 ZustG waren somit nicht erfüllt.

4.4. Am 25. März 2019 wurde dem Beschwerdeführer das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ausgehändigt, wodurch der Zustellmangel gemäß §7 ZustG geheilt wurde.

4.5. Die am 8. April 2019 eingebrachte Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B VG erfolgte somit rechtzeitig, sodass der diesbezügliche Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen ist, da der Beschwerdeführer gemäß §146 Abs1 ZPO keine Prozesshandlung versäumt hat.

5. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

6. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung für den Zweck "Studenten" im Sinne des §64 NAG vorliegen, insoweit nicht anzustellen.

7. Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde abzusehen und sie gemäß Art144 Abs3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

Damit erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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