V75/2018 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich stellt gemäß Art139 Abs1 Z1 B VG folgenden
"ANTRAG:
Der Verfassungsgerichtshof möge den mit Verordnung des Gemeinderates der Mark[t]gemeinde Harmannsdorf vom 7. Juni 2011, ohne Zahl, i.d.F. der Verordnung des Gemeinderates der Mark[t]gemeinde Harmannsdorf vom 30. Juni 2014, ohne Zahl, verfügten Teilbebauungsplan der KG Mollmannsdorf,
– soweit mit ihm auf dem nunmehr bestehenden Grundstück Nr 124/2, KG Mollmannsdorf, eine Bebauungsweise (offen/geschlossen) bzw mehrere Bebauungsweisen (teilweise offen, teilweise geschlossen) festgelegt werden,
in eventu
– soweit er das nunmehr bestehende Grundstück Nr 124/2, KG Mollmannsdorf, betrifft,
als gesetzwidrig aufheben."
II. Rechtslage
1. §70 NÖ Bauordnung 1996 idF LGBl 8200-8 (im Folgenden: NÖ BauO 1996) lautete (auszugsweise):
"Regelung der Bebauung
§70. (1) Die Bebauungsweise regelt die Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück. Sie kann unter anderem auf eine der folgenden Arten festgelegt werden:
1. geschlossene Bebauungsweise
[...]
2. gekuppelte Bebauungsweise
[...]
3. einseitig offene Bebauungsweise
[...]
4. offene Bebauungsweise
[...]
5. freie Anordnung der Gebäude
[...]
(2)-(9)[...]"
2. §31 NÖ Raumordnungsgesetz 2014, LGBl 3/2015 idgF LGBl 71/2018, (im Folgenden: NÖ ROG 2014) lautet (auszugsweise):
"Regelung der Bebauung
§31. (1) Die Bebauungsweise regelt die Anordnung der Hauptgebäude auf dem Grundstück. Sie kann auf eine der folgenden Arten festgelegt werden:
1. geschlossene Bebauungsweise
[...]
2. gekuppelte Bebauungsweise
[...]
3. einseitig offene Bebauungsweise
[...]
4. offene Bebauungsweise
[...]
[...]
(2)-(5)[...]"
3. §34 NÖ ROG 2014 lautet:
"Änderung des Bebauungsplans
§34. (1) Der Bebauungsplan ist dem geänderten örtlichen Raumordnungsprogramm anzupassen, wenn seine Festlegungen von der Änderung berührt werden.
Der Bebauungsplan darf abgeändert oder durch einen neuen ersetzt werden
1. wegen wesentlicher Änderung der Planungsgrundlagen in Folge struktureller Entwicklung oder
2. zur Abwehr schwerwiegender wirtschaftlicher Nachteile für die in der Gemeinde verkörperte Gemeinschaft oder
3. wenn sich eine Festlegung als gesetzwidrig herausstellt oder
4. wenn die gesetzlichen Bestimmungen über den Regelungsinhalt geändert wurden.
Regulierungspläne, die nach §5 der Bauordnung für NÖ, LGBl Nr 36/1883, erlassen wurden, dürfen ersatzlos behoben werden.
(2) Für das Verfahren gelten die Bestimmungen des §33 sinngemäß.
(3) Bauverfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Auflegung des Entwurfs (§33 Abs1) bereits anhängig waren, werden durch die Änderung des Bebauungsplans nicht berührt."
4. §53 Abs11 NÖ ROG 2014 lautet:
"(11) Ein nach den §§3, 7 und 8 der NÖ Bauordnung, LGBl 166/1969, oder den §§4 bis 7 der NÖ Bauordnung 1976, LGBl 8200, oder den §§68 bis 72 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl 8200, erlassener Bebauungsplan gilt als Bebauungsplan nach den §§29 bis 36 dieses Gesetzes."
5. §10 NÖ Bauordnung 2014, LGBl 1/2015 idF LGBl 50/2017, (im Folgenden: NÖ BauO 2014) lautet (auszugsweise):
Änderung von Grundstücksgrenzen im Bauland
"§10. (1) Änderungen von Grundstücksgrenzen im Bauland bedürfen vor ihrer Durchführung im Grundbuch einer Bewilligung der Baubehörde. [...]
(2) Die Änderung von Grundstücksgrenzen muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Flächenwidmungsplans und des Bebauungsplans;
2. die Bebauung der neugeformten unbebauten Grundstücke im Bauland darf entsprechend den Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans und der §§49 bis 54 (Anordnung von Bauwerken) nicht erschwert oder verhindert werden;
3.-4. [...]
(3)-(9) [...]"
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Am 28. Oktober 2016 beantragte die Beschwerdeführerin des Anlassverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für den Abbruch des Bestandes und die Neuerrichtung einer Wohnhausanlage auf den (damaligen) Grundstücken 123/1, 124/1, 124/2, 125 und 1278, alle KG Mollmannsdorf. Der gemäß §34 Abs3 iVm §53 Abs11 NÖ ROG 2014 in diesem Bauverfahren anzuwendende Teilbebauungsplan "Mollmannsdorf" idF der Verordnung des Gemeinderates der Mark[t]gemeinde Harmannsdorf vom 30. Juni 2014 (im Folgenden: Teilbebauungsplan) legt für den im Bauland liegenden Teil des Grundstücks 125 eine offene Bebauungsweise und für die übrigen vom Bauvorhaben betroffenen Grundflächen eine geschlossene Bebauungsweise fest.
2. Am 25. Oktober 2017 trat eine – für das Bauverfahren nicht relevante – Änderung des Teilbebauungsplans in Kraft, mit der allen genannten Grundstücken eine und nur eine Bebauungsweise (offen) zugeordnet wurde.
3. Mit Bescheid vom 30. November 2017 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Harmannsdorf die baubehördliche Bewilligung gemäß §10 NÖ BauO 2014 für die Zusammenlegung (von Teilen) der Grundstücke 123/1, 124/1, 124/2, 125 und 1278 zum nunmehrigen Grundstück 124/2. Die Grundstückveränderungen wurden mit Beschluss des Bezirksgerichts Korneuburg vom 22. Dezember 2017 genehmigt. Dadurch entstand ein Grundstück (124/2 neu), für das im angefochtenen Teilbebauungsplan zwei Teilflächen mit verschiedenen Bebauungsweisen (offen, geschlossen) ausgewiesen werden.
4. Mit Bescheid vom 24. Jänner 2018 erteilte der Bürgermeister der Marktgemeinde Harmannsdorf die beantragte baubehördliche Bewilligung (s Pkt. 1). Den dagegen von Nachbarn erhobenen Berufungen gab der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Harmannsdorf mit Bescheiden vom 30. Mai 2018 jeweils mit der Begründung Folge, dass das Projekt mit Blick auf die für die vormaligen Grundstücke 124/2 und 1278 festgesetzte geschlossene Bebauungsweise und damit wegen Widerspruchs zum anzuwendenden Teilbebauungsplan (in der alten Fassung) nicht konsensfähig sei.
5. Hiegegen wendet sich die beim Verwaltungsgericht Niederösterreich anhängige Beschwerde der Bauwerberin, bei deren Behandlung diesem Bedenken hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der für das zusammengelegte Grundstück (124/2 neu) geltenden Festlegungen der Bebauungsweise(n) im angefochtenen Teilbebauungsplan entstanden sind. Das Verwaltungsgericht legt diese Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"[...] Wie jede Verordnung müssen auch Bebauungspläne jederzeit der materiellen Gesetzeslage entsprechen und sind erforderlichenfalls an eine geänderte Rechtslage, aber auch an Änderungen im Tatsächlichen anzupassen (zB VfSlg 20.162/2017).
Nach §30 Abs1 Z2 NÖ ROG 2014 ist im Bebauungsplan für das Bauland insbesondere die Bebauungsweise festzulegen, mithin zufolge §31 Abs1 NÖ ROG 2014 die Anordnung der Hauptgebäude auf dem Grundstück. Dies kann in geschlossener, gekuppelter, einseitig offener oder geschlossener Weise erfolgen. Nach §31 Abs1 letzter Satz NÖ ROG 2014 darf sie schließlich wahlweise als offene oder gekuppelte Bebauungsweise festgelegt werden, wobei dem Bauwerber diesfalls ein näher determiniertes Wahlrecht zukommt. Eine andere alternative Festlegung — etwa offen oder geschlossen — ist im Gesetz nicht vorgesehen und ist daher unzulässig, wie auch die Materialien (Ltg -507/R-3-2014 15) bestätigen, denen zufolge 'nur mehr eine der gesetzlich vorgesehenen Bebauungsweisen festgelegt werden kann'.
Anders als andere Festlegungen des Bebauungsplanes bezieht sich jene der Bebauungsweise (wie der Wortlaut des §31 Abs1 NO ROG 2014 unterstreicht) stets auf ein gesamtes Grundstück und ist es dem Verordnungsgeber verwehrt, für einzelne Grundstücksteile verschiedene Bebauungsarten festzulegen.
Überträgt man die genannten Überlegungen auf den vorliegenden Fall, so ergibt sich, dass die Grenze zwischen den verschiedenen Bebauungsformen zunächst an der südlichen Grundstücksgrenze der vormaligen Grundstücke 124/2 und 1278 verlief. Mit der zwischenzeitig erfolgten und im nunmehrigen Verfahren zu berücksichtigenden Zusammenlegung der im Eigentum der erstmitbeteiligten Partei stehenden Grundstücke zum nunmehrigen Grundstück 124/2 verläuft sie indes innerhalb des Grundstückes. Folgerichtig verschob der Verordnungsgeber mit der 2017 verfügten Änderung des Teilbebauungsplans die Grenze zwischen den Bebauungsweisen nach Süden. Zumal diese letzte Änderung im nunmehrigen Verfahren aber unbeachtlich und der Teilbebauungsplan i.d.F. der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Harmannsdorf vom 30. Juni 2014 anzuwenden ist, besteht für das fragliche Grundstück eine im NÖ ROG 2014 nicht vorgesehene Rechtslage. Dies unabhängig davon, ob man von der Festlegung einer alternativen offenen bzw geschlossenen Bebauungsweise oder von einer lediglich Grundstücksteile betreffenden (verschiedenen) Festlegung ausgehen mag.
Nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich begründet somit die durch die Grundstückszusammenlegung bewirkte, im nunmehr laufenden Verfahren anzuwendende Festlegung mehrerer Bebauungsweisen für das verfahrensgegenständliche Grundstück eine Gesetzwidrigkeit der gegenständlichen Verordnung."
6. Die Niederösterreichische Landesregierung legte die bezughabenden Akten vor und gab eine Äußerung ab. Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Teilbebauungsplan nicht als gesetzwidrig aufzuheben, und begründet dies wie folgt:
" 4. Zu §31 Abs1 NÖ ROG 2014 und §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes:
Zur Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes, dass sich aufgrund des §31 Abs1 NÖ ROG 2014 die Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Bebauungsweise stets auf ein gesamtes Grundstück beziehen müssen, wird wie folgt ausgeführt:
[Wiedergabe von §31 Abs1 NÖ ROG 2014]
§31 Abs1 Z1 verweist auf §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes, LGBl 8200/1-3. Diese Bestimmung lautet:
[Wiedergabe dieser Bestimmung]
In dem Antrag zugrundeliegenden Bebauungsplan 2011 – der Ausschnitt wird als Beilage mitübermittelt – ist die Grenze zwischen den Bebauungsweisen offen und geschlossen zwischen den Grundstücken 124/2 bzw 1278 und dem Grundstück 125 durch die in §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes, LGBl 8200/1-3, dargestellte Linie gezogen.
Zu §4 Z3 leg.cit. ist auszuführen, dass diese Bestimmung sich nicht auf Grundstücke bezieht, sondern den Begriff 'Baulandflächen' verwendet.
Der Begriff der Baulandflächen wird im Niederösterreichischen Landesrecht unabhängig von Grundstücksgrenzen verwendet. So ergibt sich zB aus §10 Abs4 NÖ BO 2014, dass Baulandflächen ein Teilgebiet eines Grundstückes sein können. Aus den Bestimmungen der §§16, 32 und 38 NÖ ROG 2014 kann geschlossen werden, dass Baulandflächen auch mehrere Grundstücke umfassen können. Von daher ergibt sich also, dass eine Grenzziehung im Sinne des §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes unabhängig von Grundstücksgrenzen möglich ist.
Für das verfahrensgegenständliche zusammengelegte Grundstück 124/2, KG Mollmannsdorf, bedeutet dies konkret, dass für den nördlichen Teil bis zum Planzeichen im Sinne des §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes (vormals die Grundstücke 124/2 und 1278) die geschlossene Bebauungsweise gilt und südlich dieser Linie (vormals das Grundstück 125) die offene Bebauungsweise gilt. Im konkreten Fall wäre nördlich der Linie im Sinne des §4 Z3 leg. cit. ein allfälliges Hauptgebäude in geschlossener Bebauungsweise, also von der nördlichen Grundstücksgrenze bis zur genannten Linie zu errichten; im südlichen Bereich wäre das Hauptgebäude unter Einhaltung eines Bauwiches sowohl zur südlichen als auch zur genannten Linie zu errichten.
Wie im Antrag des Landesverwaltungsgerichtes ausgeführt, wurde zum Zeitpunkt der Erlassung des Bebauungsplanes die unterschiedliche Festlegung an der damaligen Grundstücksgrenze gezogen. Der Verordnungsgeber hat die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Tatsachen seinen Überlegungen zu Grunde gelegt. Jedoch folgt aus den obigen Ausführungen, dass die Festlegung entsprechend §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes auch innerhalb von Grundstücken erfolgen kann.
5. Erhöhte Bestandskraft von Plänen:
Die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichtes würde bedeuten, dass jederzeit durch die Zusammenlegung von Grundstücken, für welche eine unterschiedliche Bebauungsweise festgelegt ist, ein Bebauungsplan gesetzwidrig wird.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Dezember 2017, V95/2017, unter Verweis auf sein Erkenntnis vom 1.3.1989, V25/88, zur erhöhten Bestandskraft von Flächenwidmungsplänen ausgeführt: 'Das Gesetz verleiht Flächenwidmungsplänen im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich (erhöhte) Bestandskraft, indem es Änderungen nur unter bestimmt umschriebenen Voraussetzungen vorsieht und gestattet.'
[Wiedergabe des §34 Abs1 NÖ ROG 2014]
Abgesehen davon, dass es fraglich erschiene, ob jede Grundstückszusammenlegung einen in §34 Abs1 NÖ ROG 2014 normierten Änderungsgrund darstellen würde, muss wegen der gleichartigen Regelungen in Bezug auf örtliche Raumordnungsprogramme davon ausgegangen werden, dass auch dem Bebauungsplan erhöhte Bestandskraft zugebilligt werden muss.
Würde man daher – entgegen den obigen Ausführungen zu Punkt 4. – fordern, dass auf Grund einer Grundstückszusammenlegung sofort der Bebauungsplan geändert werden muss, würde dies die erhöhte Bestandskraft von Bebauungsplänen konterkarieren.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Gemeinderat der Marktgemeinde Harmannsdorf der Verpflichtung zur laufenden Kontrolle des Bebauungsplanes nachgekommen ist, wie sich aus den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes ergibt.
6. Verhältnis zu §10 NÖ BO 2014:
Zusätzlich könnte sich bei Anwendung der Rechtsansicht des Landesverwaltungsgerichtes die unerwünschte Folge einstellen, dass durch die Anfechtung eines Bebauungsplanes nach einer Grundstückszusammenlegung die Bebauungsvorschriften umgangen werden könnten.
Um ein derartiges Ergebnis auszuschließen, dürfte dann eine entsprechende Bewilligung zur Grundstückszusammenlegung gemäß §10 NÖ BO 2014 wegen Nichtübereinstimmung mit den Bestimmungen des Bebauungsplanes nicht erteilt werden. Dieses Ergebnis wäre im Hinblick auf eine sachlich gerechtfertigte Eigentumseinschränkung zu hinterfragen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass ein derartiges Verfahren nur bei Grundstücken im Bauland vorgesehen ist.
Bei einer solchen Gesamtbetrachtung im vorliegenden Fall würde aber dann der Sitz der Rechtswidrigkeit nicht beim Bebauungsplan zu suchen sein, sondern im Verfahren nach §10 NÖ BO 2014."
7. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Harmannsdorf, der die Verordnung erlassen hat, legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er die vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich geäußerten Bedenken in rechtlicher Hinsicht teilt. Der Teilbebauungsplan sei aus diesem Grund mit Verordnung vom 10. Oktober 2017 novelliert worden (s Pkt. III.2.). Im Detail führt der Gemeinderat Folgendes aus:
"a. Bedenken des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich
Zunächst ist festzuhalten, dass sich aus dem Antrag des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich eine grundsätzlich strukturelle Rechtswidrigkeit des Teilbebauungsplans nicht ergibt. Vielmehr erachtet das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich den Teilbebauungsplan sowohl in seiner Fassung vom 30.06.2014 als auch nach seiner Novellierung mit Verordnung 10.10.2017 als ordnungsgemäß erlassen. Auch der Bescheid vom 30.11.2017, mit welchem der Bürgermeister der Marktgemeinde Harmannsdorf als Baubehörde auf Grundlage des novellierten Teilbebauungsplanes die Zusammenlegung der Grundstücke 123/1, 124/1, 124/2, 125 und 1278 zum nunmehrigen Grundstück 124/2 erteilte, wurde nicht in Kritik gezogen.
Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich gründen vielmehr darin, dass infolge der Zusammenlegung von Grundstücken, für welche zum Teil eine offene Bebauungsweise und zum Teil eine geschlossene Bauweise im Teilbebauungsplan festgelegt war, für das nunmehrige Grundstück 124/2 potentiell mehrere Bebauungsweisen denkbar wären. Möglich wäre ein Wahlrecht zwischen offener und geschlossener Bauweise aber auch eine Nord-Südteilung in offene und geschlossene Bauweise. Diese Rechtslage steht jedoch nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich der diesbezüglich geltenden Regelung des §31 Abs1 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 2014 ('NÖ ROG 2014') entgegen.
b. Übereinstimmung des Teilbebauungsplans mit dem NÖ ROG 2014
Trifft diese Einschätzung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu, wäre der Teilbebauungsplan schon nach dem allgemeinen Grundsatz des Stufenbaus der Rechtsordnung rechtswidrig, da ein Rechtsakt nicht einer rechtsinhaltlich übergeordneten Rechtsvorschrift widersprechen darf. Die von Gemeinden erlassenen Verordnungen dürfen nicht mit den landesgesetzlich geregelten Bestimmungen (wie zB BauO und ROG) im Widerspruch stehen ( Bernhard Raschauer , Allgemeines Verwaltungsrecht 4 [2013] Rz 542 ff). Dementsprechend ist auch der Überlegung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, wonach jede Verordnung jederzeit der materiellen Gesetzeslage entsprechen und erforderlichenfalls an eine geänderte Rechtslage, aber auch an Änderungen im Tatsächlichen, angepasst werden muss, grundsätzlich zuzustimmen.
Die Niederösterreichische Landesregierung schränkt zwar zutreffend ein, dass bestehende Regelungen aufgrund von Übergangsbestimmungen trotz geänderter Rechtlage aufrechterhalten werden können. Für die zu klärende Frage ist es jedoch letztlich nicht relevant, ob der Bebauungsplan der aktuellen Bestimmung des §31 Abs1 NÖ ROG 2014 oder der Vorgängerbestimmung, §70 Abs1 Niederösterreichische Bauordnung 1996 ('NÖ BO 1996'), zu entsprechen hat, da die hier maßgeblichen Regelung der Bebauung im Wesentlichen gleichgeblieben ist (vgl auch W Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein, NÖ BauR 10 [2018], MB 8200-0 zu §31 NÖ ROG 2014).
Der Einfachheit halber beziehen wir uns im Folgenden, wie auch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und die Niederösterreichische Landesregierung, auf die aktuelle Regelung des §31 Abs1 NÖ ROG 2014:
[Wiedergabe des §31 Abs1 NÖ ROG 2014]
Bereits bei einfacher Wortinterpretation des Gesetzestextes lässt sich unserer Ansicht nach aus dem Satz 'Die Bebauungsweise regelt die Anordnung der Hauptgebäude auf dem Grundstück' bereits ableiten, dass eine Bebauungsweise für ein gesamtes Grundstück festzulegen ist. Zusätzlich wird in den Materialien darauf hingewiesen, dass für ein Hauptgebäude nur eine Bebauungsweise festgelegt werden kann ( W Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein , NÖ BauR 10 [2018], MB LGBL 2015/3 zu §31 NÖ ROG 2014).
Gegen den klaren Gesetzeswortlaut verweist die Niederösterreichische Landesregierung in ihrer Äußerung auf §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes und führt dazu aus, weshalb die darin geregelten Abgrenzungen von Baulandflächen darauf hinweisen, dass auch innerhalb eines Grundstückes mehrere Bauweisen festgelegt sein können.
Die Niederösterreichische Landesregierung berücksichtigt hierbei jedoch nicht die aus unserer Sicht zwingende Systematik des ersten Absatzes der Bestimmung: Während nämlich Satz 1 des ersten Absatzes festlegt, dass für ein Grundstück nur eine Bebauungsweise festzulegen ist, werden nachgestellt in den Ziffern 1 bis 4 die einzelnen Bebauungsweisen näher determiniert. Die von der Niederösterreichische[n] Landesregierung zitierte Bestimmung des §4 Z3 der Verordnung über die Ausführung des Bebauungsplanes findet sich in Ziffer 1 des ersten Absatzes und wird dort lediglich zur Determinierung der faktischen Bebauungsgrenzen herangezogen. Eine rechtliche Aussage über die Möglichkeit verschiedener Bebauungsweisen für ein Grundstück lässt sich jedoch auf dieser Grundlage nicht treffen.
Zusammengefasst kommen wir zum Ergebnis, dass sich gemäß §31 Abs1 NÖ RAO [ROG] 2014 die Bestimmung der Bebauungsweise auf das gesamte Grundstück bezieht und es dem Verordnungsgeber verwehrt ist, verschiedene Bebauungsarten für ein und das selbe Grundstück festzulegen. Wie bereits eingangs ausgeführt, sieht dagegen der gegenständliche Teilbebauungsplan potentiell mehrere mögliche Bebauungsweisen für das zwischenzeitlich zusammengelegte Grundstück 124/2 vor. Damit steht der Teilbebauungsplan mit der geltenden Gesetzeslage im Widerspruch und wäre daher als gesetzeswidrig aufzuheben.
c. Keine Gefährdung der erhöhten Bestandskraft von Plänen
Die Niederösterreichische Landesregierung ist der Ansicht, dass die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, wonach jede Verordnung jederzeit der materiellen Gesetzeslage entsprechen soll, bedeuten würde, dass jederzeit durch die Zusammenlegung von Grundstücken, für welche eine unterschiedliche Bebauungsweise festgelegt ist, ein Bebauungsplan gesetzwidrig wäre. Dies würde die Bestandskraft von Bebauungsplänen völlig konterkarieren.
Die von der Niederösterreichischen Landesregierung geäußerte Befürchtung ist aus unserer Sicht unbegründet. Denn einer allfälligen Umgehung der diesbezüglich bestehenden bebauungsrechtlichen Vorschriften stehen die Bewilligungsvoraussetzungen des §10 der Niederösterreichischen Bauordnung 2014 ('NÖ BO 2014') entgegen. Damit eine Zusammenlegung von Grundstücken mit Bescheid bewilligt werden kann, muss gemäß Ziffer 1 des ersten Absatzes der Bestimmung bereits die Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Bebauungsplanes vorliegen W. Pallitsch/Ph. Pallitsch/W. Kleewein , NÖ BauR 10 [2018], Anm 9 zu §10 NÖ BO 2014). Auch im gegenständlichen Fall wurde zunächst der Teilbebauungsplan mit Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Ha[r]mannsdorf vom 10.10.2017 an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst, bevor der Bürgermeister der Marktgemeinde Harmannsdorf als Baubehörde die Zusammenlegungen der gegenständlichen Grundstücke mit Bescheid vom 30.11.2017 bewilligte. Letztlich legt auch die Niederösterreichische Regierung ein solches Vorgehen in ihren Ausführungen zu §10 NÖ BO 2014 nahe.
Die Bestandskraft von Bebauungsplänen sehen wir sohin durch die auch gesetzlich vorgesehene Adaptierung dieser an geänderte Sach- und Rechtslagen nicht gefährdet.
Abschlussbemerkung
Nach der unsererseits durchgeführten Prüfung ziehen wir in Betracht, dass, obwohl für sich gesehen sowohl der Teilbebauungsplan als auch der Bescheid über die Bewilligung der Grundstückszusammenlegung rechtmäßig und in Übereinstimmung mit den bezughabenden Gesetzen erlassen wurden, diese in Zusammenhalt mit dem bereits früher gestellten Antrag auf Baubewilligung der nunmehrigen Beschwerdeführerin zu einer Rechtswidrigkeit des gegenständlichen Teilbebauungsplans führen könnten. Diesbezüglich hoffen wir auf eine Klarstellung durch den angerufenen Verfassungsgerichtshof."
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Gemäß §34 Abs3 NÖ ROG 2014 werden Bauverfahren, die im Zeitpunkt der Kundmachung der Auflegung des Entwurfs eines Bebauungsplans bereits anhängig waren, durch dessen Änderungen nicht berührt. Gemäß §53 Abs11 NÖ ROG 2014 idgF gilt ein nach den §§68 bis 72 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl 8200, erlassener Bebauungsplan als Bebauungsplan nach den §§29 bis 36 des NÖ ROG 2014.
Der unter dem Regime der NÖ BauO 1996 erlassene Teilbebauungsplan gilt also als Bebauungsplan nach NÖ ROG 2014 weiter, er ist im Anlassverfahren anzuwenden. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt – im Gegensatz zur Niederösterreichischen Landesregierung (s Pkt. III.5.) – nicht, dass seit dem Inkrafttreten des NÖ ROG 2014 für ein Grundstück nur mehr eine Bebauungsweise festgelegt werden darf. Dies wird im Motivenbericht zur Neufassung des NÖ ROG 2014, LGBl 3/2015, zu §31, zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht:
"Damit wurde klargestellt, dass sich die Bebauungsweise nur jeweils auf das Hauptgebäude beziehen und nur mehr eine der gesetzlich vorgesehenen Bebauungsweisen festgelegt werden kann."
2.3. In dem angefochtenen Teilbebauungsplan, der noch nach dem Regime der NÖ BauO 1996 erlassen wurde, war jedem der oben in Pkt. III.1. genannten Grundstücke eine und nur eine Bebauungsweise (geschlossen oder offen) zugeordnet. Erst durch die Zusammenlegung dieser Grundstücke ergab sich das Grundstück "124/2 neu", für dessen Fläche der angefochtene Teilbebauungsplan – in der bereits außer Kraft getretenen, aber im Anlassfall anwendbaren Fassung – teilweise die Bebauungsweise offen und teilweise die Bebauungsweise geschlossen ausweist. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vertritt die Auffassung, dass sich damit für das Grundstück "124/2 neu" eine Rechtslage ergebe, die dem §31 Abs1 NÖ ROG 2014 widerspreche. Die Festlegung mehrerer Bebauungsweisen (offen und geschlossen) für das Grundstück 124/2 begründe eine Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Teilbebauungsplans.
2.4. Diese Behauptung des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich geht schon allein deswegen ins Leere, weil sie von der – unzutreffenden – Annahme ausgeht, dass auch Bebauungspläne jederzeit der materiellen Gesetzeslage entsprechen müssten und erforderlichenfalls an eine geänderte Rechtslage, aber auch an Änderungen im Tatsächlichen anzupassen seien:
2.4.1. Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Beurteilung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung die Rechtslage im Zeitpunkt der Prüfung maßgeblich ist, dies aber unter der Voraussetzung, dass keine besondere Übergangsbestimmung vorhanden ist (vgl VfSlg 8329/1978, S 409, 8463/1978, S 496). Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich übersieht im hier gegebenen Zusammenhang die Übergangsbestimmung des §53 Abs11 NÖ ROG 2014, wonach die nach den §§68 bis 72 der NÖ BauO 1996 erlassenen Bebauungspläne als Bebauungspläne nach den §§29 bis 36 NÖ ROG 2014 gelten. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung solche Bestimmungen dahin interpretiert, der Gesetzgeber habe damit verhindern wollen, dass mit dem Inkrafttreten neuer Raumordnungsgesetze die bestehenden Raumordnungspläne (auch Verbauungspläne), wenn sie im Widerspruch zur neuen Rechtslage stehen, invalidieren; der Gerichtshof hat daraus weiters gefolgert, dass ein (übergeleiteter) Verbauungsplan nach wie vor an den gesetzlichen Bestimmungen, auf die sich seine Erlassung stützte, zu messen ist (VfSlg 8167/1977, 10.007/1984, 10.446/1985, 11.642/1988).
Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Die Bestimmung des §31 Abs1 NÖ ROG 2014 kommt daher als Prüfungsmaßstab für den am 7. Juni 2011 im Gemeinderat beschlossenen Teilbebauungsplan von vornherein nicht in Betracht. Der angefochtene Teilbebauungsplan wurde noch nach den Regeln der NÖ BauO 1996 erlassen. Die Aufzählung der Bebauungsweisen in der entsprechenden Vorgängerbestimmung §70 Abs1 NÖ BauO 1996 war aber – im Gegensatz zu §31 Abs1 NÖ ROG 2014 – nur eine demonstrative (arg.: "unter anderem"), bei der überdies als Z5 die Bebauungsweise der freien Anordnung der Gebäude auf einem Grundstück vorgesehen war. Der Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers war daher hinsichtlich der Festlegung der Bebauungsweise sehr weit, sodass ein Widerspruch des angefochtenen Teilbebauungsplans zu §70 Abs1 NÖ BauO 1996 nicht festgestellt werden kann.
2.4.2. Zur Frage der Anpassung von Verordnungen an "Änderungen im Tatsächlichen" hat der Verfassungsgerichtshof zwar mehrmals ausgesprochen, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verordnung nicht nur die zum Zeitpunkt ihrer Erlassung gegebenen Umstände maßgeblich sind, sondern dass auf die – möglicherweise geänderten – tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Prüfung abzustellen ist (vgl VfSlg 6774/1972, 8329/1978, 8699/1979, 16.366/2001, 19.805/2013). Im vorliegenden Fall haben sich aber durch die Grundstückszusammenlegung die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert, sondern bloß die für die Eigentumsverhältnisse maßgeblichen Grundstücksgrenzen.
V. Ergebnis
1. Die vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ob der Gesetzmäßigkeit des Teilbebauungsplans "Mollmannsdorf" der Marktgemeinde Harmannsdorf erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.