JudikaturVfGH

G20/2019 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Juni 2019

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Der Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Urteil vom 13. Juni 2018 verurteilte das Landesgericht Linz den Antragsteller wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach §84 Abs4 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren. Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2018 ersuchte der Antragsteller um Ausfolgung einer Kopie der DVD der Beweistagsatzung mit einer näher bezeichneten minderjährigen Zeugin. Das Landesgericht Linz wies dieses Begehren mit Beschluss vom 14. September 2018, 22 Hv 81/17b, unter Hinweis auf §165 Abs5a StPO ab.

2. Gegen diesen Beschluss erhob der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28. September 2018 Beschwerde an das Oberlandesgericht Linz.

3. Mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2019 – der beim Verfassungsgerichtshof am selben Tag eingelangt ist – stellte der Einschreiter einen auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Parteiantrag, in dem er begehrt, der Verfassungsgerichtshof möge §165 Abs5a StPO, in eventu den letzten Satz dieser Bestimmung, wegen Verstoßes gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK und eine wirksame Beschwerde gemäß Art13 EMRK aufheben.

Obgleich der auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützte Antrag diesbezüglich eine ausdrückliche Bezeichnung vermissen lässt, besteht für den Verfassungsgerichtshof auf Grund der vom Antragsteller vorgelegten Akten und des Antragsvorbringens kein Zweifel daran, dass der Parteiantrag in Zusammenhang mit dem Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 14. September 2018, 22 Hv 81/17b, gestellt wurde.

4. Mit Schriftsatz vom 28. Jänner 2019 stellte der Antragsteller sodann einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis und legte abermals seinen auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag vor. Begründend führte der Antragsteller hiezu aus, dass ihm eine zeitlich frühere Antragstellung nicht möglich gewesen sei, zumal er ein für die inhaltliche Bearbeitung dieses Antrages erforderliches Sachverständigengutachten erst am 22. Jänner 2019 erhalten habe. Näherhin habe er erst durch dieses ergänzende Gutachten die Ausführungen der vom Gericht herangezogenen Gutachterin in Zweifel ziehen können.

5. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Rechtzeitigkeit eines Parteiantrages unmittelbar vor dem Hintergrund des Art140 Abs1 Z1 litd B VG zu beurteilen. Daraus folgt, dass ein solcher Antrag durch den Rechtsmittelwerber grundsätzlich dann rechtzeitig ist, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt wird, und für den Rechtsmittelgegner – jedenfalls bei zweiseitigen Rechtsmitteln – der Parteiantrag während der Frist zur Beantwortung des Rechtsmittels erfolgt (VfSlg 20.074/2016; VfGH 26.9.2016, G62/2016). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit ist die Einbringung des Antrages beim Verfassungsgerichtshof (VfGH 12.10.2016, G215/2016).

Vor diesem Hintergrund erweist sich der Antrag als verspätet: Gemäß §88 Abs1 StPO ist die Beschwerde binnen vierzehn Tagen ab Bekanntmachung oder ab Kenntnis der Nichterledigung oder Verletzung des subjektiven Rechts schriftlich oder auf elektronischem Weg beim Gericht einzubringen oder im Fall der mündlichen Verkündung zu Protokoll zu geben (vgl hiezu §89d Abs2 GOG; OGH 11.12.2012, 11 Os 114/12t). Im vorliegenden Fall wurde der Beschluss des Landesgerichtes zZ 22 Hv 81/17b dem Antragsteller am 17. September 2018 zugestellt, womit die zweiwöchige Rechtsmittelfrist am 2. Oktober 2018 endete. Der erst – nach Ablauf dieser Frist – am 23. Jänner 2019 beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Parteiantrag erweist sich sohin als verspätet.

6. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet:

6.1. Da das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 – seit der Aufhebung des §33 VfGG mit dem Erkenntnis VfSlg 20.107/2016 – die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden. Wie der Verfassungsgerichtshof festgehalten hat, sollen diese Bestimmungen (auch) im Verfahren über einen Parteiantrag zur Anwendung kommen (vgl VfSlg 20.107/2016; VfGH 28.2.2019, WIV6/2018).

Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

6.2. Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall keine Gründe vorgebracht, welche die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Erhebung eines Parteiantrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG rechtfertigen: Das Abwarten eines Gutachtens, um eine Rechtswidrigkeit des gerichtlichen Verfahrens aufzuzeigen, stellt kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis iSd §146 ZPO dar.

7. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist somit abzuweisen und der (verspätete) Antrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG zurückzuweisen.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Rückverweise