E857/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Das Land Tirol beschloss im Jahr 1964 in Abstimmung mit der Stadtgemeinde Innsbruck und der Marktgemeinde Völs das Siedlungsprojekt "Völsersee". Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde von der Tiroler Landesregierung mit der Aufschließung des Projektgeländes beauftragt und führte in weiterer Folge die Aufschließung bezüglich Kanalanschlüssen, Wasseranschlüssen und Straßen – entsprechend der Beauftragung durch das Land Tirol – auf eigene Kosten durch. Soweit es um Projekte von anderen Bauträgern ging, verrechnete die beschwerdeführende Gesellschaft diesen die Aufschließungskostenbeiträge unter Berücksichtigung der Grundstücksfläche und der Bebauungsdichte nach den Vorgaben der Marktgemeinde Völs und des Landes Tirol weiter. Die weiterverrechneten Sätze entsprachen hiebei jenen, die von der Marktgemeinde Völs nach den einschlägigen Bestimmungen für Bauvorhaben in anderen Ortsteilen vorgeschrieben wurden. Soweit die Aufschließungskosten eigene Projekte der beschwerdeführenden Gesellschaft betrafen, wurden diese von der beschwerdeführenden Gesellschaft zur Gänze selbst getragen.
1.1. Von 1964 bis Mitte der 1980er Jahre hatte die beschwerdeführende Gesellschaft hinsichtlich der von ihr umgesetzten Bauvorhaben keine Aufschließungsbeiträge für Kanal, Wasser oder die verkehrsmäßige Aufschließung an die Marktgemeinde Völs zu entrichten. Diese Vorgehensweise gründete sich laut dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 22. März 2016 auf die von den politischen Entscheidungsträgern (des Landes Tirol und der Stadtgemeinde Innsbruck) gemachten Vorgaben. Die Aufschließung der "Völsersee-Siedlung" erfolgte danach im Einvernehmen zwischen der Marktgemeinde Völs und der beschwerdeführenden Gesellschaft.
1.2. Im Zuge der Projektumsetzung errichtete die beschwerdeführende Gesellschaft 1972 auf einem näher bezeichneten Grundstück ein Wohnheim. Entsprechend der unter 1. und 1.1. beschriebenen Vorgehensweise nahm die Marktgemeinde Völs auch hinsichtlich dieses Projektes von einer Vorschreibung von Aufschließungskosten Abstand.
1.3. Auf Grund der Bewilligung für den Neubau eines Wohnheimes auf diesem Grundstück durch Baubescheid vom 24. Jänner 2014 errichtete die beschwerdeführende Gesellschaft – nach Abbruch des 1972 errichteten Wohnheimes – das bewilligte Bauvorhaben.
1.4. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Völs vom 18. Februar 2014 wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft für das mit Baubescheid vom 24. Jänner 2014 genehmigte Bauvorhaben ein Erschließungsbeitrag in bestimmter Höhe vorgeschrieben. Dabei wurde die gesamte Neubaumasse des neu errichteten Gebäudes der Beitragsbemessung zugrunde gelegt.
2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. März 2016 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen diesen Bescheid nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass im vorliegenden Fall gemäß §11 Abs3 des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes, LGBl 58/2011 (in der Folge: Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011), bei einem Neubau der Baumasseanteil nur dann um die Baumasse des "zerstörten" Gebäudes oder Gebäudeteiles zu vermindern sei, wenn dessen Baumasse bereits Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften gewesen sei. Demnach komme beim Neubau eines Gebäudes nach dem Abriss des Altbestandes bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Verkehrserschließung, die der Abgabeschuldner oder einer seiner Rechtsvorgänger auf Grund privatrechtlicher Vereinbarung mit der Gemeinde auf dem betreffenden Bauplatz erbracht habe, nicht in Betracht. §9 Abs5 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 normiere zwar, dass Aufwendungen für die verkehrsmäßige Erschließung des betreffenden Bauplatzes auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Gemeinde bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen seien. Der Wortlaut des §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 spreche jedoch dagegen, dass die mit der Gemeinde vertraglich vereinbarten Aufwendungen auch bei Änderungen des Baubestandes wie im Fall eines Neubaus nach einem Abriss, der im Regelfall erst mehrere Jahrzehnte später erfolge, berücksichtigt werden müssten.
3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:
3.1. §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 normiere die "Bemessungsgrundlage bei Änderungen des Baubestandes". Insofern genüge daher der Nachweis, dass die frühere Baumasse bereits "Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages" gewesen sei. Diesen Nachweis habe die beschwerdeführende Gesellschaft durch die Vorlage von Urkunden erbracht. Daher hätte das Landesverwaltungsgericht Tirol den Erschließungsbeitrag unter Anwendung des §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 ermitteln müssen.
3.2. Der Zweck der Anrechnungsregelung des §9 Abs5 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 sei eindeutig auf die Vermeidung von "Doppelvorschreibungen" gerichtet. "Entrichtet" seien nach VfSlg 17.163/2004 auch jene Beiträge, die bereits verjährt seien, weshalb auch in solchen Fällen nur der "Ergänzungsbetrag" vorzuschreiben sei. Die Baubewilligung für den Altbestand sei am 24. März 1972 erteilt worden, weshalb der Erschließungsbeitrag für den Altbestand zweifellos verjährt sei, ungeachtet dessen sei der Erschließungsbeitrag dennoch auf Basis der gesamten Neubaumasse ermittelt worden, ohne den Umfang der früheren Baumasse zu berücksichtigen. Insofern sei den §§7 ff. Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 vom Landesverwaltungsgericht Tirol ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden.
Ferner lasse sich der Grundsatz der Einmalbesteuerung auch aus dem Gleichheitssatz ableiten (VfSlg 10.101/1984). In einem Schreiben vom 19. Oktober 1981 habe die Marktgemeinde Völs wie folgt ausgeführt:
"Der Gemeinderat ist sich sehr wohl im Klaren darüber, dass die Erschließung des Gesamtgebietes und vor allem jene vom Völser See West ungeheure Kosten verursacht. Es hängt dies jedoch mit der grundsätzlichen Bestimmung zusammen, in der eben festgehalten wurde, dass die gesamten Erschließungsarbeiten die Aufschließungsgesellschaft macht und dafür auch keinerlei Abgaben, Erschließungskosten, Wasseranschlussgebühren und Kanalanschlussgebühren an die Gemeinde Völs zu entrichten sind."
Die Übernahme der Aufwendungen für die Erschließung der "Völsersee-Siedlung" durch die beschwerdeführende Gesellschaft sei damit offenkundig im Einvernehmen mit der Marktgemeinde Völs erfolgt. Es bestehe – entgegen der Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol – kein sachlicher Unterschied, ob die Aufwendungen für die Aufschließung unmittelbar durch eine Aufschließungsgesellschaft im eigenen Namen getragen oder der Gemeinde die Aufwendungen für die Erschließung ersetzt werden, nachdem der öffentlichen Hand in beiden Fällen keinerlei Aufwendungen erwachsen würden. Eine dem Gleichheitssatz Rechnung tragende Interpretation der Anrechnungsbestimmung iSd §§7 ff. Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 erfordere daher, dass auch die tatsächlich getätigten Aufwendungen für die Erschließung der Anrechnungsregelung unterliegen. Andernfalls benachteiligte man die beschwerdeführende Gesellschaft nur deshalb, weil sie der Marktgemeinde Völs damals neben der tatsächlichen Aufschließungsleistung keinen "fiktiven" finanziellen Kostenersatz für eine nicht erbrachte Aufschließungsmaßnahme (hier die Erschließung) geleistet habe. Einerseits habe die beschwerdeführende Gesellschaft die Kosten der Erschließung übernommen und die Marktgemeinde Völs aus diesem Umstand 40 Jahre hindurch von der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages abgesehen und andererseits vertrete die Gemeinde nun die Ansicht, dass die beschwerdeführende Gesellschaft den Erschließungsbeitrag überhaupt nicht entrichtet habe.
4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol erstattete eine Gegenschrift, in der es den Beschwerdebehauptungen Folgendes entgegenhält:
Es sei darauf zu verweisen, dass die Errichtung der "Völsersee-Siedlung" und die Tragung diverser Aufwendungen für die Erschließung sowie die Weiterverrechnung an andere Bauträger auf Grundlage politischer Willensbekundungen erfolgt sei. Insofern seien die Aufschließungsmaßnahmen durch die beschwerdeführende Gesellschaft ohne den Rahmen einer zivilrechtlichen Vereinbarung erfolgt.
Dass bei der Berechnung des Erschließungsbeitrages die gesamte Neubaumasse als Bemessungsgrundlage herangezogen worden sei, gründe sich darauf, dass seitens der beschwerdeführenden Gesellschaft gegenüber der Gemeinde für den Altbestand kein Erschließungsbeitrag entrichtet worden sei. Die Vorschreibung solcher Gebühren sei bei der Umsetzung des Bauprojektes "Völsersee-Siedlung" in den 1970er Jahren auch nie in Betracht gezogen worden.
Es sei sachgerecht, dass die tatsächliche Übernahme von Aufwendungen für die Erschließung durch den Bauwerber für die Berücksichtigung bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages nicht ausreiche, sondern es gemäß §9 Abs5 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 einer privatrechtlichen Vereinbarung bedürfe. Ansonsten habe es der Bauwerber in der Hand, nach seinem eigenen Gutdünken und nach der von ihm als richtig angesehenen Qualität Erschließungsmaßnahmen durchzuführen und diese Aufwendungen im Rahmen der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages angerechnet zu erhalten.
§11 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 treffe eine Regelung für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Änderungen des Baubestandes und stelle für den Fall des Abbruchs (oder der sonstigen Zerstörung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles) darauf ab, ob bereits ein Erschließungsbeitrag nach diesem Gesetz oder nach einer früheren Rechtsvorschrift "entrichtet" worden sei. In Bezug auf die Errichtung der "Völsersee-Siedlung" sei es weder zu einer Vorschreibung noch zu einer Entrichtung eines Erschließungsbeitrages gekommen. Das Abstellen dieser Regelung auf die "Entrichtung" sei sachgerecht. Da es aber zu keiner Entrichtung des Erschließungsbeitrages gekommen sei, sei eine Anrechnung der Baumasse für das "Abbruchgebäude" nicht möglich. Es liege daher keine denkunmögliche Gesetzesanwendung vor.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
§1 Abs1b und Abs2 sowie die §§9 und 11 des Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetzes 2011, LGBl 58/2011, lauten:
"§1
Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt die Erhebung von:
a) […]
b) Beiträgen und Vorauszahlungen zu den Kosten der Verkehrserschließung (Erschließungsbeitrag und vorgezogener Erschließungsbeitrag);
c) […]
(2) Die Abgaben nach Abs1 sind ausschließliche Gemeindeabgaben.
§9
Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe
(1) Der Erschließungsbeitrag ist die Summe aus dem Bauplatzanteil (Abs2) und dem Baumassenanteil (Abs4).
(2) Der Bauplatzanteil ist vorbehaltlich des Abs3 das Produkt aus der Fläche des Bauplatzes in Quadratmetern und 150 v. H. des Erschließungsbeitragssatzes. Bei Bauplätzen, die als Freiland oder als Sonderflächen nach §44, §45 oder §46 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 gewidmet sind oder bei denen zumindest jener Teil, auf dem das Gebäude errichtet werden soll oder besteht, als Sonderfläche nach §47, §50 oder §50a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 gewidmet ist, tritt die durch das Gebäude überbaute Fläche samt der Fläche eines daran anschließenden Randes, dessen Tiefe je nach der Widmung in sinngemäßer Anwendung des §6 Abs1 litc oder d der Tiroler Bauordnung 2011 zu ermitteln ist, an die Stelle der Fläche des Bauplatzes. Bei Bauplätzen für Gebäude nach §2 Abs3 litb, c und d tritt die durch das Gebäude überbaute Fläche samt der Fläche eines daran anschließenden Randes, dessen Tiefe in sinngemäßer Anwendung des §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2011 zu ermitteln ist, an die Stelle der Fläche des Bauplatzes. Die durch Gebäude oder Gebäudeteile für Laufställe überbaute Fläche ist in die Fläche des Bauplatzes nur zur Hälfte einzurechnen. Verlieren jedoch solche Gebäude oder Gebäudeteile diesen Verwendungszweck durch bauliche Änderungen, so gilt dies als Vergrößerung des Bauplatzes im Ausmaß der Hälfte der tatsächlich überbauten Fläche.
(3) Der Bauplatzanteil entfällt mit jedem nach §16 Abs2 fällig gewordenen Teilbetrag des vorgezogenen Erschließungsbeitrages hinsichtlich einer Fläche, die 20 v. H. der Fläche des Bauplatzes bzw. jener Teilfläche des Bauplatzes, für die der Teilbetrag fällig geworden ist, entspricht.
(4) Der Baumassenanteil ist
a) im Fall des Neubaus eines Gebäudes das Produkt aus der Baumasse des Gebäudes,
b) im Fall der Änderung eines Gebäudes, durch die seine Baumasse ver- größert wird, das Produkt aus der zusätzlich geschaffenen Baumasse,
jeweils in Kubikmetern und 70 v. H. des Erschließungsbeitragssatzes. Die Baumasse landwirtschaftlicher Wirtschaftsgebäude und entsprechend genutzter Gebäudeteile ist nur zur Hälfte, im Fall von Gebäuden oder Gebäudeteilen für Laufställe nur zu einem Viertel, anzurechnen. Verlieren jedoch solche Gebäude oder Gebäudeteile diesen Verwendungszweck durch bauliche Änderungen, so gilt dies als Vergrößerung der Baumasse im Ausmaß der Hälfte, im Fall von Gebäuden oder Gebäudeteilen für Laufställe im Ausmaß von drei Vierteln, der tatsächlichen Baumasse. Als Vergrößerung der Baumasse gilt weiters der Ausbau des Dachgeschoßes von Gebäuden, für die ein Erschließungsbeitrag unter Zugrundelegung der betreffenden Teile des Dachgeschoßes noch nicht entrichtet wurde.
(5) Soweit der Abgabenschuldner oder einer seiner Rechtsvorgänger aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen mit der Gemeinde Aufwendungen für die Verkehrserschließung des betreffenden Bauplatzes erbracht hat, sind diese bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen.
§11
Bemessungsgrundlage bei Änderungen des Baubestandes
(1) Wird auf einem Bauplatz, für den bereits ein Erschließungsbeitrag nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften unter Zugrundelegung der Gesamtfläche des Bauplatzes entrichtet wurde, ein Neubau errichtet oder ein Gebäude so geändert, dass seine Baumasse vergrößert wird, so ist nur ein dem Baumassenanteil entsprechender Erschließungsbeitrag zu entrichten.
(2) Wird auf einem Bauplatz, für den noch kein Erschließungsbeitrag oder ein Erschließungsbeitrag nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften unter Zugrundelegung nur einer Teilfläche des Bauplatzes entrichtet wurde, auf dem aber bereits ein oder mehrere Gebäude bestehen, ein Neubau errichtet oder ein Gebäude so geändert, dass seine Baumasse vergrößert wird, so ist ein Erschließungsbeitrag zu entrichten, der dem Baumassenanteil sowie einem Bauplatzanteil entspricht, der sich unter Zugrundelegung jener Teilfläche des Bauplatzes ergibt, die sich zur Gesamtfläche des Bauplatzes verhält wie die dem Baumassenanteil zugrunde liegende Baumasse zur Summe aus dieser Baumasse und der Baumasse des bestehenden Gebäudes oder der bestehenden Gebäude. Insgesamt darf dem Bauplatzanteil jedoch höchstens die Gesamtfläche des Bauplatzes zugrunde gelegt werden.
(3) Wird im Fall des Abbruchs oder der sonstigen Zerstörung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, dessen Baumasse bereits Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften war, dieses (dieser) wieder aufgebaut oder auf demselben Bauplatz sonst ein Neubau errichtet oder ein Gebäude so geändert, dass seine Baumasse vergrößert wird, so ist der Baumassenanteil von der um die Baumasse des zerstörten Gebäudes oder Gebäudeteiles verminderten Baumasse zu ermitteln."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat.
3. Ein solcher Fehler ist dem Landesverwaltungsgericht Tirol unterlaufen:
3.1. Das Landesverwaltungsgericht Tirol geht davon aus, dass zwar §9 Abs5 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 die Berücksichtigung von Aufwendungen für die verkehrsmäßige Erschließung auf Grund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Gemeinde vorsehe, es aber naheliege, dass der Gesetzgeber dabei die Berücksichtigung im Zuge einer erstmaligen Bebauung im Auge hatte. Der klare Wortlaut des §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 spreche vielmehr dafür, dass eine Berücksichtigung vertraglich vereinbarter Aufwendungen bei der Änderung des Baubestandes wie im Fall eines Neubaus nach einem Abriss, der (wenn überhaupt) im Regelfall erst mehrere Jahrzehnte später erfolge, nicht in Betracht komme.
3.2. Nach §1 Abs1b Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 regelt das Gesetz ua. die Erhebung von Beiträgen und Vorauszahlungen zu den Kosten der Verkehrserschließung. Nach §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 wird im Fall des Abbruchs oder der sonstigen Zerstörung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, dessen Baumasse bereits Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften war, der Baumassenanteil von der um die Baumasse des zerstörten Gebäudes oder Gebäudeteiles verminderten Baumasse ermittelt, wenn das zerstörte Gebäude (der zerstörte Gebäudeteil) wieder aufgebaut oder auf demselben Bauplatz sonst ein Neubau errichtet oder ein Gebäude so geändert wird, dass seine Baumasse vergrößert wird. Eine solche Regelung entspricht dem – auch für Interessentenbeiträge geltenden – Äquivalenzprinzip (vgl. VfGH 21.6.2017, V2/2017; 21.6.2017, V3/2017).
3.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen vom 21. Juni 2017, V2/2017 und V3/2017, festgehalten hat, folgt aus dem Äquivalenzprinzip auch, dass im Fall des Wiederaufbaus von "zerstörten" Gebäuden nicht nur dann der um die Baumasse des zerstörten Gebäudes verminderte Baumassenanteil als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, wenn für den Altbestand der Erschließungsbeitrag von der Gemeinde vorgeschrieben und erhoben wurde, sondern auch, wenn im Zuge einer Aufschließung durch eine Sondergesellschaft der Erschließungsbeitrag in einer der Erhebung einer Abgabe vergleichbaren Weise geleistet wurde. Auch in einem solchen Fall ist daher davon auszugehen, dass die Baumasse des zerstörten Gebäudes "bereits Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages nach diesem Gesetz" war (§11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011).
3.4. Im vorliegenden Fall ergibt sich unstrittig aus den Verwaltungsakten, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufschließung der "Völsersee-Siedlung" (Kanalanschlüsse, Wasseranschlüsse und Straßen) im Einvernehmen mit der Marktgemeinde Völs tatsächlich vorgenommen und die Kosten dafür ausgelegt hat. Die Marktgemeinde Völs hat für jedes einzelne Bauvorhaben der "Völsersee-Siedlung" – darunter Wohnanlagen, Tiefgaragen ua. – bestätigt, dass die beschwerdeführende Gesellschaft die Aufschließungskosten für das jeweilige Grundstück getragen hat und bekannt gegeben, welche Gebührensätze für Kanal, Wasser und Erschließung in Kraft standen. Daraufhin teilte die beschwerdeführende Gesellschaft in einem Schreiben an die Marktgemeinde Völs mit, dass sie die Angaben der Marktgemeinde Völs als Kostenberechnungsgrundlage verwendet und so die Kosten der Erschließung (für die einzelnen Bauvorhaben) errechnet habe. Ferner ersuchte die beschwerdeführende Gesellschaft um Überprüfung (der weiterverrechneten Kosten für die Aufschließung) und schriftliche Zustimmung der Marktgemeinde Völs.
3.5. Wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol in seiner Gegenschrift ausführt, die Nichtberücksichtigung tatsächlich übernommener Aufwendungen sei schon deshalb sachgerecht, weil es ansonsten der Bauwerber in der Hand hätte, nach eigenem Gutdünken getätigte Aufwendungen angerechnet zu erhalten, ist dem entgegenzuhalten, dass im vorliegenden Fall der Aufwand vom Bauwerber unter Einbindung der Gemeinde getätigt wurde. Im Übrigen ordnet §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 nicht die Bewertung und Anrechnung von Leistungen des Bauwerbers an, sondern sieht für die Bemessung vor, dass die Differenz zwischen Alt- und Neubaumasse heranzuziehen ist.
3.6. Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass die Baumasse des "zerstörten" Gebäudes nicht bereits Grundlage für die Vorschreibung war, und hat es in weiterer Folge unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob im konkreten Fall Umstände vorliegen, die einem Heranziehen der Baumasse des zerstörten Gebäudes als Grundlage für die Vorschreibung eines Erschließungsbeitrages gleichzuhalten sind (vgl. VfGH 21.6.2017, V2/2017; 21.6.2017, V3/2017).
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat damit aber §11 Abs3 Tiroler Verkehrsaufschließungsabgabengesetz 2011 einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt.
IV. Ergebnis
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.