E2923/2016 ua – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird zurückgewiesen.
II. Der Erstbeschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.
Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.
III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Erstbeschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige. Der 1997 geborene Erstbeschwerdeführer ist der Bruder des 2005 geborenen Zweitbeschwerdeführers. Sie reisten im Februar 2016 von Slowenien kommend unrechtmäßig nach Österreich ein.
2. Am 15. Februar 2016 stellte der Erstbeschwerdeführer im Polizeianhaltezentrum Klagenfurt einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er im Rahmen der Erstbefragung angab, in seiner Heimat von schiitischen Milizen bedroht worden zu sein. Daraufhin sei er im August 2014 in die Türkei ausgereist. Dort seien er und sein Bruder jedoch schlecht behandelt worden. Am 7. Februar 2016 hätten sie schlepperunterstützt die Türkei verlassen und seien über Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist.
3. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers veranlassten Organe der Landespolizeidirektion Kärnten nach Rücksprache mit dem zuständigen Jugendwohlfahrtsträger dessen Verbringung in die Erstaufnahmestelle Ost (Traiskirchen), wo am 17. Februar 2016 auch dieser einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Im Rahmen seiner Erstbefragung brachte er vor, er sei im Irak von einer Frau entführt worden, habe jedoch mit Hilfe eines Nachbarn flüchten können.
4. Im Verwaltungsakt des Zweitbeschwerdeführers befindet sich ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 24. Februar 2016, das mit "Stellungnahme - Vollmachtsbekanntgabe" überschrieben ist. Darin heißt es:
"Die Bezirkshauptmannschaft Baden als regionale Organisationseinheit des Landes Niederösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger stellt hinsichtlich des Minderjährigen ******* ***** ******* […] nach Rücksprache mit dem Minderjährigen und dem Bevollmächtigten fest, dass ******* ******** […] durch den Obsorgeberechtigten des Minderjährigen mit Pflege und Erziehung betraut wurde.
Hinweis für den Bevollmächtigten:
Es wird empfohlen, die Übertragung der Obsorge beim zuständigen Bezirksgericht zu beantragen."
5. Weder im Verwaltungsakt des Erst- noch jenem des Zweitbeschwerdeführers ist die Bestellung eines Rechtsberaters dokumentiert. Im Verwaltungsakt des Erstbeschwerdeführers finden sich lediglich Mitteilungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) vom 20. Juni 2016 gemäß §29 Abs3 Z4 AsylG 2005, wonach eine Zurückweisung der Anträge beabsichtigt sei. Darin ist die Ankündigung enthalten, dass vor der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs durch das BFA gemäß §29 Abs4 AsylG 2005 eine Rechtsberatung stattfinden werde. Die erste solche Mitteilung ist an den Erstbeschwerdeführer selbst gerichtet. Auf der zweiten Mitteilung findet sich zusätzlich ein Hinweis auf den Zweitbeschwerdeführer als "Bezugsperson".
Obwohl sich entsprechende Felder für die Unterschrift der Verfahrenspartei auf den Mitteilungen befinden, um deren Übergabe zu bestätigen, ist dort keine Unterschrift des Erstbeschwerdeführers vorhanden. Auch sonst ist eine Zustellung an die Beschwerdeführer aus dem Verwaltungsakt nicht ersichtlich.
6. Im Verwaltungsakt des Erstbeschwerdeführers befinden sich darüber hinaus Verfahrensordnungen vom 20. Juni 2016, wonach die Beschwerdeführer gemäß §52a Abs2 BFA VG verpflichtet sind, innerhalb einer Woche ab Übernahme der Verfahrensanordnungen ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Dafür werden die Beschwerdeführer an den Verein Menschenrechte Österreich (in der Folge: VMÖ) verwiesen. Wiederum enthält das für die Bestätigung der Übergabe vorgesehene Feld keine Unterschrift und ist auch sonst keine Zustellung dieser Verfahrensanordnungen an die Beschwerdeführer aus dem Verwaltungsakt ersichtlich.
7. Der Erstbeschwerdeführer wurde am 21. Juli 2016 zu einer Einvernahme vor dem BFA am 24. August 2016 geladen. Die Übernahme dieser Ladung ist durch die Unterschrift des Erstbeschwerdeführers in dessen Veraltungsakt dokumentiert. In der Niederschrift über diese Einvernahme ist festgehalten, dass eine für den VMÖ tätige Rechtsberaterin anwesend war. Der Erstbeschwerdeführer erklärte, am 24. August 2016 eine Rechtsberatung in Anspruch genommen zu haben und mit der ihm für die Einvernahme zur Seite gestellten Rechtsberaterin einverstanden zu sein.
8. Mit Bescheiden des BFA vom 24. August 2016 wurden die Anträge der Beschwerdeführer gemäß §5 Abs1 AsylG 2005 jeweils als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung der Anträge gemäß Art13 Abs1 Dublin III-VO Kroatien zuständig sei, von dessen Zustimmung nach Art22 Abs7 Dublin III-VO auszugehen sei, weil die kroatischen Behörden ein Aufnahmeersuchen nach Art22 Abs1 leg. cit. unbeantwortet gelassen hätten. Weiters wurde gemäß §61 Abs1 Z1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und gemäß §61 Abs2 FPG die Abschiebung nach Kroatien für zulässig erklärt.
Der über den Antrag des Zweitbeschwerdeführers absprechende Bescheid ist an den Erstbeschwerdeführer als Vertreter gerichtet.
9. Gegen diesen Bescheid erhob der Erstbeschwerdeführer sowohl im eigenen Namen als auch im Namen des Zweitbeschwerdeführers Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin machte er systemische Mängel des Asylverfahrens in Kroatien geltend, hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers spreche auch dessen psychischer Zustand gegen eine Überstellung nach Kroatien.
10. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde hinsichtlich beider Beschwerdeführer als unbegründet ab. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, das BFA habe zutreffend die Zuständigkeit Kroatiens aus Art13 Abs1 iVm Art22 Abs7 Dublin III-VO abgeleitet. Aus den vom BFA getroffenen Länderfeststellungen ergebe sich, dass das kroatische Asylsystem keine systemischen Mängel aufweise, aus denen sich ein reales Risiko einer Verletzung des Art3 EMRK ergeben könnte. Im Hinblick auf Art8 EMRK sei festzuhalten, dass die Beschwerdeführer keine Verwandten in Österreich hätten. Auch lägen keine Hinweise auf eine außerordentliche Integration vor. Da gegenüber beiden Beschwerdeführern eine gleichlautende Entscheidung ergehe, sei eine Verletzung dieses Grundrechts ausgeschlossen. Somit sei eine Wahrnehmung des Selbsteintrittsrechts nach Art17 Abs1 Dublin III-VO nicht geboten gewesen. Dieses Erkenntnis war an den Erstbeschwerdeführer und den Zweitbeschwerdeführer, dieser vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gerichtet.
11. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie – hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers zusätzlich – auf Beachtung des Kindeswohls behauptet wird. In der Beschwerde werden die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt.
11.1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander brachten die Beschwerdeführer auf das Wesentlichste zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht sei zu Unrecht von einer Unzuständigkeit Österreichs auf Grund der Dublin III-VO ausgegangen. Zum Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführer über die sogenannte "Balkanroute" ließen die österreichischen Behörden die Einreise zum Zwecke der Asylantragstellung aus humanitären Gründen zu. Die Einreise sei daher nicht rechtswidrig erfolgt, sodass eine Anwendung des in Art13 Abs1 Dublin III-VO normierten Zuständigkeitstatbestandes ausgeschlossen sei. Jedenfalls habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, die zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen zu treffen, und damit sein Erkenntnis mit Willkür belastet.
11.2. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens brachten die Beschwerdeführer auf das Wesentlichste zusammengefasst vor, sowohl das BFA als auch das Bundesverwaltungsgericht seien fälschlicherweise von einer Vertretungsbefugnis des Erstbeschwerdeführers ausgegangen. Es liege keine Rechtsgrundlage für eine Vertretung des Zweitbeschwerdeführers durch den Erstbeschwerdeführer vor. Die Eltern der beiden Beschwerdeführer seien bekannt und im Irak aufhältig. Die Übertragung der Obsorge bedürfe eines konstitutiven Beschlusses des zuständigen Pflegschaftsgerichts. Das im Akt einliegende Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Baden sei diesbezüglich unbeachtlich. Da zu keinem Zeitpunkt eine Vertretungsbefugnis des Erstbeschwerdeführers bestanden habe, habe der zurückweisende Bescheid des BFA nicht wirksam zugestellt werden können. Ab der Ankunft des Zweitbeschwerdeführers in der Erstaufnahmestelle sei nämlich gemäß §10 Abs6 BFA-VG der Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter im Asylverfahren anzusehen.
Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit der Frage der Obsorge nicht auseinandergesetzt. Dies sei nicht nur für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Bescheiderlassung, sondern auch für die Zuständigkeit gemäß der Dublin III-VO, die einen eigenen Zuständigkeitstatbestand für unbegleitete Minderjährige enthalte, bedeutsam. Das Bundesverwaltungsgericht habe eine Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl gänzlich unterlassen.
Diese Rechtswidrigkeit schlage auch auf die den Erstbeschwerdeführer betreffende Entscheidung durch, weil die durch Art8 EMRK geschützte geschwisterliche Beziehung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und dem Zweitbeschwerdeführer einer Aufteilung der Zuständigkeit zur Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz auf zwei verschiedene Staaten entgegenstehe.
12. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2016 wurde dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge gegeben.
13. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 10. März 2017 wurde dem Erstbeschwerdeführer die Obsorge betreffend den Zweitbeschwerdeführer zur Gänze übertragen. Mit Eingabe an den Verfassungsgerichtshof vom 4. Mai 2017 genehmigte der Erstbeschwerdeführer die Beschwerdeführung nach Art144 B VG durch den Zweitbeschwerdeführer im Rahmen der bewilligten Verfahrenshilfe.
14. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor und nahm von der Erstattung einer Äußerung Abstand.
II. Rechtslage
Das BFA-VG lautet auszugsweise:
"Handlungsfähigkeit
(1) Für den Eintritt der Handlungsfähigkeit in Verfahren vor dem Bundesamt, vor den Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG und in einem Verfahren gemäß §3 Abs2 Z1 bis 6 vor dem Bundesverwaltungsgericht ist ungeachtet der Staatsangehörigkeit des Fremden österreichisches Recht maßgeblich.
(2) In Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht ist jeder Elternteil für sich zur Vertretung des Kindes befugt. Widerstreiten die Erklärungen beider Elternteile bei ehelichen Kindern, ist die zeitlich frühere Erklärung relevant; ein Beschwerdeverzicht kann nicht gegen den erklärten Willen eines Elternteils abgegeben werden. Die Vertretung für das uneheliche Kind kommt bei widerstreitenden Erklärungen der Elternteile der Mutter zu, soweit nicht der Vater alleine mit der Obsorge betraut ist.
(3) Ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und einzubringen sowie Verfahrenshandlungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu seinem Vorteil zu setzen. Solche Fremde sind in die Erstaufnahmestelle zu verbringen (§43 BFA VG). Gesetzlicher Vertreter für Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht ist ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle der Rechtsberater (§49), nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Widerspricht der Rechtsberater (§49) vor der ersten Einvernahme im Zulassungsverfahren einer erfolgten Befragung (§19 Abs1 AsylG 2005) eines mündigen Minderjährigen, ist diese im Beisein des Rechtsberaters zu wiederholen.
(4) Wird gegen einen Minderjährigen, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können und der einen Antrag auf internationalen Schutz nicht eingebracht hat, ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG eingeleitet, so ist ab diesem Zeitpunkt für alle weiteren Verfahrenshandlungen vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht der Jugendwohlfahrtsträger, in dessen Sprengel sich der Minderjährige aufhält, gesetzlicher Vertreter.
(5) Entzieht sich der mündige Minderjährige dem Verfahren gemäß §24 Abs1 AsylG 2005 oder lässt sich aus anderen Gründen nach Abs3 kein gesetzlicher Vertreter bestimmen, ist der Jugendwohlfahrtsträger, dem die gesetzliche Vertretung zuletzt zukam, gesetzlicher Vertreter bis nach Abs3 wieder ein gesetzlicher Vertreter bestimmt wurde. Hatte im bisherigen Verfahren nur der Rechtsberater (§49) die gesetzliche Vertretung inne, bleibt dieser gesetzlicher Vertreter, bis die gesetzliche Vertretung nach Abs3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt.
(6) Ein unmündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen sowie Verfahrenshandlungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu seinem Vorteil zu setzen. Abweichend von §17 Abs2 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz solcher Fremder als eingebracht, wenn die Antragstellung im Beisein des Rechtsberaters (§49) in der Erstaufnahmestelle (§4 BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G), BGBl I Nr 87/2012) bestätigt wird. Bei einem unmündigen Minderjährigen, dessen Interessen von seinen gesetzlichen Vertretern nicht wahrgenommen werden können, ist der Rechtsberater ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle gesetzlicher Vertreter. Solche Fremde dürfen nur im Beisein des Rechtsberaters befragt (§19 Abs1 AsylG 2005) werden. Im Übrigen gelten die Abs3 und 5."
III. Erwägungen
1. Verwaltungsbehördliche Bescheide und verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse entfalten nur dann Rechtswirkungen, wenn sie den Adressaten gegenüber wirksam erlassen werden. Dies setzt die prozessuale Handlungsfähigkeit des Adressaten oder das Einschreiten eines rechtmäßigen Vertreters voraus.
Im Verfahren vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht wurde der minderjährige Zweitbeschwerdeführer von seinem Bruder, dem Erstbeschwerdeführer, vertreten. Sämtliche verfahrensrelevante Verfügungen sowie der Bescheid des BFA und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts wurden dem Erstbeschwerdeführer als "gesetzlichen Vertreter" des Zweitbeschwerdeführers zugestellt. Eine gesetzliche Vertretung liegt aber nicht vor. Vielmehr hätten das BFA und das Bundesverwaltungsgericht nach den besonderen Vorschriften des BFA-VG betreffend die Antragstellung durch unmündige Minderjährige vorgehen müssen, die eine Bestätigung des vom unmündigen Minderjährigen selbst gestellten Antrags auf internationalen Schutz und die weitere Vertretung im Verfahren durch den Rechtsberater, der gemäß §10 Abs6 BFA VG als gesetzlicher Vertreter gilt, vorsehen. Der Bescheid des BFA und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts hätten daher – ungeachtet zur darüber hinaus erforderlichen Beiziehung eines Rechtsberaters zu sonstigen Verfahrensschritten – nur durch Zustellung an den Rechtsberater wirksam erlassen werden können. Da dies nicht erfolgt ist, können diese Entscheidungen gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer keine Wirkungen entfalten. Die gemäß Art144 B VG gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers ist daher – ungeachtet der Genehmigung der Beschwerdeführung durch den mittlerweile mit der Obsorge betrauten Erstbeschwerdeführer – zurückzuweisen.
2. Ein Eingriff in das durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich garantierte – unter Gesetzesvorbehalt stehende – Recht ist dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügende verwaltungsgerichtliche Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage ergangen ist, auf einer dem Art8 EMRK widersprechenden Rechtsvorschrift beruht oder wenn das Verwaltungsgericht bei Erlassung der Entscheidung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hat; ein solcher Fall liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre, oder wenn es der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen verfassungswidrigen, insbesondere einen dem Art8 Abs1 EMRK widersprechenden und durch Art8 Abs2 EMRK nicht gedeckten Inhalt unterstellt hat (vgl. VfSlg 11.638/1988, 15.051/1997, 15.400/1999, 16.657/2002).
Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen: Bereits der Bescheid des BFA ist – wie auch das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts – dem Zweitbeschwerdeführer nicht wirksam zugestellt worden. Daher können diese Entscheidungen für den Zweitbeschwerdeführer keine Rechtswirkungen entfalten, woraus – entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts – eine Aufteilung der Zuständigkeit zur Prüfung der Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz auf zwei verschiedene Staaten resultiert. Die der Interessenabwägung zugrunde liegende Prämisse, dass auf Grund der für beide Beschwerdeführer gleichlautenden Entscheidung eine Verletzung des Privat- und Familienlebens ausgeschlossen sei, erweist sich daher als unzutreffend. Das Bundesverwaltungsgericht hat es unterlassen, die mangelhafte Zustellung des Bescheides des BFA an den Zweitbeschwerdeführer in seine Entscheidung miteinzubeziehen und – daraus folgend – Ermittlungen zu den Auswirkungen auf das Privat- und Familienleben, die aus einer Trennung auf Grund unterschiedlicher Zuständigkeiten für die Prüfung resultieren, anzustellen. Die darauf aufbauende Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts erweist sich insofern als unzutreffend und verletzt den Erstbeschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.
IV. Ergebnis
Dem Zweitbeschwerdeführer ist das angefochtene Erkenntnis nicht wirksam zugestellt worden und entfaltet daher diesem gegenüber keine Rechtswirkungen. Die Beschwerde ist diesbezüglich zurückzuweisen.
Der Erstbeschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher diesbezüglich aufzuheben, ohne das auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436 ,– enthalten.