JudikaturVfGH

E532/2017 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 2017

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

II. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.

Begründung

1. Am 24. Februar 2017 langte beim Verfassungsgerichtshof eine auf Art144 Abs1 B VG gestützte Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein, die die beschwerdeführende Partei am 20. Februar 2017 beim Bundesverwaltungsgericht mittels elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde mit Verfügung vom 22. Februar 2017 "gemäß §6 AVG iVm §17 VwGVG" zuständigkeitshalber an den Verfassungsgerichtshof weitergeleitet. Die Übermittlung erfolgte im Postweg mit dem Aufgabedatum 23. Februar 2017.

2. Aufgrund der Verständigung über diese Weiterleitung erlangte die beschwerdeführende Partei Kenntnis von der Einbringung der verfassungsgerichtlichen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und stellte am 7. März 2017 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für den Fall der Versäumnis der sechswöchigen Beschwerdefrist unter gleichzeitiger Beilage der unverändert mit 20. Februar 2017 datierten Beschwerde, die nunmehr an den Verfassungsgerichtshof adressiert ist.

3. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages führt die beschwerdeführende Partei zusammengefasst aus, dass der zuständige Rechtsanwalt vor seinem Urlaub einen Entwurf der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erstellt und bemerkt habe, dass durch das Kopieren eines Teiles der Datei die falsche Einbringungsstelle, nämlich das Bundesverwaltungsgericht verzeichnet gewesen sei. Er habe den Adressblock unter Einfügung der Adresse des Verfassungsgerichtshofes korrigiert, den Entwurf entsprechend abgespeichert und an den beschwerdeführenden Österreichischen Rundfunk mit der Dateibezeichnung "VfGH-Beschwerde-Entwurf" zur Freigabe übermittelt. Am 16. Februar 2017 sei die Freigabe zur Einbringung der Beschwerde erteilt worden. Allerdings sei in einer Postsitzung am 17. Februar 2017, und damit während des Urlaubs des zuständigen Rechtsanwaltes, ein "Flüchtigkeitsfehler" gefunden und ausgebessert worden.

Diese Änderung wurde jedoch von der Kanzleileiterin im elektronischen Akt in jene Entwurfsfassung der Beschwerde eingearbeitet, in der noch das Bundesverwaltungsgericht als Einbringungsstelle vorgesehen war. Aus der nun korrigierten Version wurde eine pdF-Datei erstellt und diese im elektronischen Rechtsverkehr mit dem Dateinamen "VfGH-Beschwerde" beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

Zur Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung bringt die beschwerdeführende Partei vor, dass in der Rechtsanwaltskanzlei im Dezember und Jänner eine angespannte Personalsituation aufgrund verschiedener Umstände geherrscht habe. Sowohl die Mitarbeiterin, die die Korrektur in der falschen Datei vorgenommen habe, als auch die Mitarbeiterin, die die Abfertigung durchgeführt habe, sei absolut zuverlässig und arbeite fehlerfrei. Auch sei der zuständige Rechtsanwalt während seines Urlaubs für Fragen zur Verfügung gestanden. Darüber hinaus habe jene Mitarbeiterin, die die Einbringung im webERV vorgenommen habe, gemeinsam mit dem zuständigen Anwalt ein Seminar bei einem Anbieter von Software für Rechtsanwälte besucht, in dem es um die Einbringung von Beschwerden beim Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof gegangen sei, wobei der Rechtsanwalt in diesem Rahmen ein Unsicherheitspotential bei der Erkennbarkeit der Einbringungsstelle bemängelt habe. Zum Beweis legte die beschwerdeführende Partei eidesstättige Erklärungen der beiden Kanzleimitarbeiterinnen vor.

4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ist zulässig, aber nicht begründet:

4.1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff. ZPO sinngemäß anzuwenden.

4.1.1. Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg 9817/1983, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

4.1.2. Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

4.2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde, das in der irrtümlichen Einbringung beim Bundesverwaltungsgericht bestand und zur Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist führte, fiel mit der Bekanntgabe der Weiterleitung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof weg. Mit dem am 7. März 2017 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

4.3. Jedoch kann von einem minderen Grad des Versehens des Bevollmächtigten im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht gesprochen werden: Seinem Vorbringen zufolge ist dem mit der Abfassung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof betrauten Rechtsanwalt aufgefallen, dass ein Fehler bei der Adresse auf dem Schriftsatz enthalten war. In Anbetracht seines bevorstehenden Urlaubes hätte ihn dies zu besonderer Vorsicht veranlassen müssen. Weiters sei ein Schreibfehler bei einer Postsitzung korrigiert worden. Auch hier hätte der Schriftsatz insgesamt neuerlich von einem Rechtsanwalt kontrolliert werden können, bevor er zur Einbringung freizugeben war.

Die Korrektur auf dem falschen elektronischen Entwurf mag zwar für sich genommen noch als minderer Grad des Versehens zu werten sein. In Anbetracht der Gesamtumstände waren die Bevollmächtigten zu einer besonderen Vorsicht verpflichtet. Unterbleibt die Kontrolle, ob eine Eingabe tatsächlich und richtig abgesendet wurde und ob sie auch beim Adressaten eingelangt ist, aus welchen Gründen auch immer, etwa weil sich der Absender mit den technischen Möglichkeiten nicht oder nur unzureichend vertraut gemacht hat, stellt dies jedenfalls ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden dar (vgl. VfGH 21.11.2013, B629/2013; 11.6.2015, E1101/2014).

4.4. Damit liegen aber die Voraussetzungen für die Bewilligung der

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor, weshalb der darauf gerichtete Antrag abzuweisen ist.

5. Die angefochtene Entscheidung wurde am 10. Jänner 2017 zugestellt. Die sechswöchige Frist für die Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B VG endete am 21. Februar 2017.

5.1. Die Weiterleitung der beim Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erfolgte durch Postaufgabe am 23. Februar 2017.

5.2. Damit wurde die Beschwerde erst nach Ablauf der sechswöchigen Frist (§88a Abs1 iVm§82 Abs1 VfGG) eingebracht und ist somit als verspätet zurückzuweisen.

6. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.

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