G447/2016 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft, " '110' aus dem Text des §133 Abs6 ArbVG wegen Verstoßes gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gem Art7 B VG, Art2 StGG, Art20 GRC zu streichen und durch '111' zu ersetzen."
II. Rechtslage
1. §133 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1973 betreffend die Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG), BGBl 22/1947 idF BGBl I 100/2010, lautet (das im Gesetzestext angefochtene Wort ist hervorgehoben):
" Theaterunternehmen
§133. (1) Auf Theaterunternehmen im Sinne des §1 Abs2 des Theaterarbeitsgesetzes (TAG), BGBl I Nr 100/2010, sind die Bestimmungen des II. Teiles anzuwenden, soweit sich im folgenden nicht anderes ergibt.
[…]
(6) Im übrigen sind in Theaterunternehmen die Bestimmungen der §§40 Abs4, 78 bis 88 und 110 bis 112 nicht anzuwenden. §109 Abs3 zweiter Satz ist nur insoweit anzuwenden, als es sich um Betriebsänderungen im Sinne des §109 Abs1 Z5 und 6 handelt und hiedurch künstlerische Belange nicht betroffen werden."
2. §110 ArbVG idF BGBl I 104/2006 lautet:
" Mitwirkung im Aufsichtsrat
§110. (1) In Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt werden, entsendet der Zentralbetriebsrat oder, sofern nur ein Betrieb besteht, der Betriebsrat aus dem Kreise der Betriebsratsmitglieder, denen das aktive Wahlrecht zum Betriebsrat zusteht, für je zwei nach dem Aktiengesetz 1965, BGBl Nr 98/1965, oder der Satzung bestellte Aufsichtsratsmitglieder einen Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat. Ist die Zahl der nach dem Aktiengesetz 1965 oder der Satzung bestellten Aufsichtsratsmitglieder eine ungerade, ist ein weiterer Arbeitnehmervertreter zu entsenden.
[…]
(5) Die Abs1 bis 4 über die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Aktiengesellschaften sind sinngemäß anzuwenden auf:
1. Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
2. Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit,
3. die Österreichische Postsparkasse,
4. Genossenschaften, die dauernd mindestens 40 Arbeitnehmer beschäftigen, sowie
5. Sparkassen im Sinne des Sparkassengesetzes, BGBl Nr 64/1979, in der jeweils geltenden Fassung.
[…]"
3. §22 des Bundesgesetzes über die Neuorganisation der Bundestheater (Bundestheaterorganisationsgesetz – BThOG), BGBl I 108/1998, lautet:
" 5. Abschnitt
Interessensvertretung der Arbeitnehmer
§22. (1) Der zum Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge gemäß §5 Abs1 beim Bundestheaterverband eingerichtete Dienststellenausschuß übt bis zum Ablauf seiner Funktionsperiode in bezug auf die Bediensteten, die zu diesem Zeitpunkt in seinen Wirkungsbereich nach dem Bundes-Personalvertretungsgesetz, BGBl Nr 133/1967, fielen, die Funktion des Betriebsrates nach dem Arbeitsverfassungsgesetz aus. Die zum Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge nach dem Arbeitsverfassungsgesetz beim Bundestheaterverband und bei den Bühnen gemäß §3 Abs1 eingerichteten Arbeitnehmervertretungen üben diese Funktion bei der entsprechenden Gesellschaft bis zur Neuwahl weiterhin aus.
(2) §133 Abs6 des Arbeitsverfassungsgesetzes ist auf die Bühnengesellschaften nicht anzuwenden. Abweichend von §110 des Arbeitsverfassungsgesetzes entsendet der jeweilige Betriebsrat zwei Mitglieder in den Aufsichtsrat der Bühnengesellschaften. Das Entsenderecht in den Aufsichtsrat der Bundestheater-Holding GmbH obliegt dem Zentralbetriebsrat."
III. Antragsvorbringen
1. Die antragstellende Gesellschaft stellt den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B VG gestützten Antrag aus Anlass einer Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. Oktober 2016, Z11 Cga 44/16d, mit welchem das Feststellungsbegehren der antragstellenden Gesellschaft als klagende Partei des Ausgangsverfahrens abgewiesen wurde.
2. Die antragstellende Gesellschaft begehrte mit ihrer Klage die Feststellung, dass ihr ein Endsenderecht von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat der beklagten Partei, welche ein Mehrspartentheater (Landestheater) sowie ein philharmonisches Orchester in der Rechtsform einer GmbH betreibt, zustehe.
3. In rechtlicher Hinsicht hielt das Erstgericht zunächst fest, dass in Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt werden, der Zentralbetriebsrat gemäß §110 Abs1 ArbVG für je zwei nach dem AktG oder der Satzung bestellte Aufsichtsratsmitglieder einen Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat entsendet, wobei diese Regelung gemäß §110 Abs5 ArbVG auch auf Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden sei. Gemäß §133 Abs6 ArbVG komme §110 ArbVG im Falle von Theaterunternehmen jedoch nicht zur Anwendung.
4. Das Erstgericht gelangte in der Folge zu dem Ergebnis, dass der Theaterbetrieb den ganz überwiegenden Teil der geschäftlichen Tätigkeit der beklagten Partei darstelle und qualifizierte das von dieser betriebene Unternehmen als relevantes Theaterunternehmen. Die analoge Anwendung von §22 BThOG auf das verfahrensgegenständliche Theaterunternehmen lehnte das Gericht ab.
5. Auf das Wesentliche zusammengefasst bringt die antragstellende Gesellschaft vor, dass die generelle Ausnahme der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat von Theaterunternehmen auf Grund der Bestimmung des §133 Abs6 ArbVG gegen den Gleichheitssatz (Art7 B VG, Art2 StGG, Art20 GRC) verstoße. Wenn man die Ausgliederungen des Bundes mit dem Fall der beklagten Partei vergleiche, so bestünde lediglich ein formaler Unterschied hinsichtlich des Rechtsträgers. Es fehle jede sachliche Rechtfertigung dafür, dass im Fall der ausgegliederten Theater des Bundes nach §22 BThOG die Entsendung von Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat vorgesehen sei, nicht jedoch im Fall von Landestheatern. Diese Differenzierung verstoße gegen den Gleichheitssatz.
IV. Zulässigkeit
1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.
Voraussetzung eines Parteiantrages auf Normenkontrolle ist sohin – entsprechend der Formulierung des Art140 Abs1 Z1 litd B VG – die Einbringung eines Rechtsmittels in einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache", also eines Rechtsmittels gegen eine die Rechtssache erledigende Entscheidung erster Instanz. Außerdem muss der Parteiantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG "aus Anlass" der Erhebung eines Rechtsmittels gestellt werden.
2. Mit der Berufung, aus deren Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B VG erhoben wurde, wendete sich die antragstellende Gesellschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. Oktober 2016, mit welchem das Feststellungsbegehren der antragstellenden Gesellschaft abgewiesen wurde.
3. Dem Erfordernis der Einbringung aus Anlass eines Rechtsmittels hat die antragstellende Gesellschaft jedenfalls dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie den vorliegenden Parteiantrag und die Berufung gegen das näher bezeichnete Urteil am selben Tag erhoben und eingebracht hat (vgl. VfGH 3.7.2015, G46/2015; 8.10.2015, G264/2015; 26.11.2015, G197/2015).
4. Gemäß §62 Abs1 VfGG muss der Antrag begehren, "dass entweder das Gesetz seinem ganzen Inhalt nach oder dass bestimmte Stellen des Gesetzes als verfassungswidrig aufgehoben werden. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen."
4.1. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, mithin dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (vgl. im Allgemeinen zB VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.851/1994, 14.802/1997, 17.651/2005; spezifisch zum Parteiantrag auf Normenkontrolle VfGH 2.7.2015, G16/2015; 2.7.2015, G145/2015).
5. Soweit die antragstellende Gesellschaft begehrt, das Wort "110" in §133 Abs6 ArbVG zu "streichen" und durch das Wort "111" zu ersetzen, verkennt diese, dass es dem Verfassungsgerichtshof verwehrt ist, Gesetzestexte zu ändern (vgl. VfSlg 16.989/2003).
6. Der Antrag erweist sich somit schon aus diesem Grund als unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.