E2383/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
II. Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Studentin des Doktoratsstudiums Rechtswissenschaften an der Universität Wien, der nach Überschreitung der vorgesehenen Studienzeit um mehr als zwei Semester für das Sommersemester 2015 die Entrichtung eines Studienbeitrages nach §91 Abs1 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG) vorgeschrieben wurde. Ihr Antrag auf Erlass (bzw. Rückerstattung) wegen Inanspruchnahme durch eine Erwerbstätigkeit gemäß §92 Abs1 Z5 UG wurde vom Rektorat der Universität Wien abgewiesen, da die Beschwerdeführerin im Jahre 2014 keine, über der in §92 Abs1 Z5 UG vorgesehenen Geringfügigkeitsgrenze liegenden Gesamteinkünfte erwirtschaftet habe.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der von der Beschwerdeführerin vorgelegte Einkommensteuerbescheid 2014 für das Jahr 2014 unstrittig ein Einkommen in Höhe von € -507,42 ausweise, sodass die Einkünfte der Beschwerdeführerin deutlich unterhalb des in §92 Abs1 Z5 UG als Mindestgrenze genannten 14-fachen Betrages gemäß §5 Abs2 ASVG gelegen seien. Andere Nachweise für die Inanspruchnahme durch Erwerbstätigkeit als den Einkommensteuerbescheid lasse der diesen Nachweis regelnde §2b Abs4 Z3 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung 2004 – StubeiV 2004) nicht zu.
2. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Beschwerdeführerin gestützt auf Art144 B VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der sie mit näheren Ausführungen insbesondere die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung (§92 Abs1 Z5 UG) und einer gesetzwidrigen Verordnung (§2b Abs4 Z3 StubeiV 2004) behauptet und "die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses sowie den Zuspruch der regelmäßig anfallenden Kosten gemäß dem §§27, 88 VfGG" begehrt.
Das Bundesverwaltungsgericht erstattete unter Aktenvorlage eine Gegenschrift, in der es den Beschwerdeausführungen im Wesentlichen mit Verweis auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses entgegentritt. Das Rektorat der Universität Wien sowie – über Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes – der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft erstatteten Äußerungen, in der das Beschwerdevorbringen ebenfalls bestritten wird.
3. Aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 9. März 2016 beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit des §92 Abs1 Z5 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – UG), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 79/2013, sowie die Gesetzmäßigkeit der Ziffernfolge ", 5" im ersten Halbsatz und die Ziffer 3 des §2b Abs4 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über Studienbeiträge (Studienbeitragsverordnung 2004 – StubeiV 2004), BGBl II 55/2004 idF BGBl II 211/2010, von Amts wegen zu prüfen.
Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2016, G88/2016-14, hat der Verfassungsgerichtshof §92 Abs1 Z5 UG als verfassungswidrig, sowie die in Prüfung gezogenen Teile des §2b Abs4 StubeiV 2004 als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet:
1. Gemäß Art140 Abs7 zweiter Satz sowie Art139 Abs6 zweiter Satz B VG sind vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Nach Lage des vorliegenden Falles bewirkt die Aufhebung der in Prüfung gezogenen (Teile von) Bestimmungen jedoch offenkundig nicht, dass eine für eine positive Erledigung des Antrages der Beschwerdeführerin erforderliche Rechtsgrundlage bestünde. Es ist daher von vornherein ausgeschlossen, dass sich die Anwendung der aufgehobenen Bestimmungen als nachteilig für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin erweist.
Die Beschwerdeführerin ist daher durch das angefochtene Erkenntnis nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden (vgl. VfSlg 9584/1982, 10.304/1984, 11.379/1987, 17.811/2006, 18.108/2007; VfGH 25.9.2006, B1125/03).
2. Da eine Rechtsgrundlage für den von der Beschwerdeführerin beantragten Erlass (bzw. für die Rückerstattung) des hier in Rede stehenden Studienbeitrages nicht besteht, scheidet auch die Annahme aus, das Bundesverwaltungsgericht hätte den im Rahmen des angefochtenen Erkenntnisses angewendeten Bestimmungen einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Ebenso scheidet die Annahme von Willkür oder einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums aus (vgl. VfSlg 11.379/1987 und die dort zitierte Judikatur).
3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre.
4. Ob der angefochtenen Entscheidung auch darüber hinaus eine in jeder Hinsicht rechtsrichtige Anwendung einschlägiger Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen zugrunde liegt, hat der Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.
III. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte bzw. von Rechten durch die Anwendung rechtswidriger genereller Normen hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Da die Beschwerde insofern Erfolg hatte, als sie zur Aufhebung von im Beschwerdefall präjudiziellen (Teilen von) Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen geführt hat, ist der Beschwerdeführerin der Ersatz der Prozesskosten zuzusprechen (vgl. zB VfSlg 17.811/2006 und die dort zitierte Judikatur). Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in der Höhe von € 240,- enthalten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.